Javier Tusell
Javier Tusell Gómez (*26. August1945 inBarcelona; †8. Februar2005 in Barcelona) war ein spanischer Zeithistoriker undPolitiker.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In Barcelona geboren zog er mit seiner Familie schon in frühen Jahren nachMadrid. Dort erlangte er die Hochschulreife amColegio de los Sagrados Corazones. Er schrieb sich anschließend an derUniversidad Complutense für Philosophie und Politikwissenschaft ein. Er fiel dort durch herausragende Leistungen in Geschichte auf und wurde unter anderem vonJosé María Jover unterrichtet.
Neben dem Studium organisierte er sich in derUnión de Estudiantes Demócratas (Union demokratischer Studenten) und derUnión de Jóvenes Demócratas Cristianos (Union jungerChristdemokraten). Diesbezüglich gab es 1965 ein universitäres Verfahren gegen ihn wegen seiner Arbeit gegen dasSindicato de Estudiantes Universitarios (SEU; etwa: Studentengewerkschaft,franquistische Organisation, in der sich die Studierenden organisieren sollten).
Nach seinerPromotion und Spezialisierung auf Zeitgeschichte dozierte er ab 1966 an der Philosophischen Fakultät. 1975 nahm er eine Hilfsstelle an derUniversidad Autónoma de Barcelona für universelle Zeitgeschichte an. Ab 1977 erhielt die Professur für Zeitgeschichte derUniversidad de Valencia. Ferner leitete er das Madrider Zentrum für Politische Kultur. Von 1981 bis zu seinem Tod war er Professor für Zeitgeschichte an derUniversidad Nacional de Educación a Distancia (UNED).
Von der Politik angezogen schrieb er sich 1974 in derFederación Popular Democrática (FPD), einer christdemokratischen Organisation unterJosé María Gil-Robles ein. (Die FPD war in einem Verbund von anderen spanischen Christdemokraten organisiert wie demPartido Nacionalista Vasco, dieUnión Democrática de Cataluña und dieIzquierda Democrática unterJoaquín Ruiz-Giménez.)
Nach einem Debakel bei den ersten demokratischenWahlen in Spanien 1977 verließ Tusell die FPD und schloss sich demPartido Demócrata Cristiano (PDC) unterFernando Álvarez de Miranda an, der zurUnión de Centro Democrático (ab April 1977; UCD) gehörte. In den erstenElecciones municipales 1979 (ähnlich den deutschen Landtagswahlen) wurde er auf der UCD-Liste in den Madrider Gemeinderat gewählt. Von gleichen Jahr an war er Leiter derDirección General de Patrimonio Artístico, Archivos y Museos (späterDirección General de Bellas Artes) im spanischen Kulturministerium, tätig.
Er leitete in dieser Zeit die Verhandlungen mit der FamiliePicasso und demMuseum of Modern Art (MOMA) um die Überführung derGuernica in dasMuseo del Prado in denCasón del Buen Retiro. Der Erfolg der Verhandlungen wurde zu einem Symbol des demokratischen Übergangs in Spanien.[1] Am 28. April 1982 wurde er von KultusministerinSoledad Becerril seines Amtes enthoben. Der Entscheidung lagen unterschiedliche Ansichten zu öffentlichen Bibliotheken und zu Restaurierungen zugrunde. Gegen seine Absetzung protestierten am 11. Mai 1982 unter anderemJoan Miró,Pablo SerranoAntoni Tàpies undEduardo Chillida.
Er wechselte daraufhin zumPartido Demócrata Popular (PDP) unterÓscar Alzaga, verließ aber schon bald darauf die Politik und widmete sich seiner Stelle an der UNED. Das spanische Kabinett ernannte ihn 1999 zum Vertreter des Staates in der Stiftung für dasMuseo Thyssen-Bornemisza.
Neben seinen Tätigkeiten in der Lehre und als Buchautor war er auch für verschiedene Zeitungen und Verlage journalistisch tätig.[2]
Im März 2002 wurde er wegen einer bakteriellen Infektion in ein Krankenhaus eingeliefert. Dort wurde eineLeukämie diagnostiziert, an der er im Februar 2005 starb. Er hinterließ seine Frau, die HistorikerinGenoveva García Queipo de Llano, sowie seine zwei Kinder.
Positionen und Vermächtnis
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Als Spezialist für die spanische Gegenwartsgeschichte hinterließ er ein umfangreiches und fundiertes Werk zu den politischen Entwicklungen im Spanien des zwanzigsten Jahrhunderts.
Er kritisierte die Intellektuellen für ihre angebliche Realitätsferne und ihre angeblicheübermäßige Zurückhaltung in sensiblen innenpolitischen Fragestellungen wie denGrupos Antiterroristas de Liberación (GAL). Er gehörte 1995 zu den Unterzeichnern des ManifestsEn defensa de la democracia, das sich für die Absetzung vonFelipe González und die Einberufung von Neuwahlen einsetzte. Ferner stieß er ein Dokument gegen ein Gesetz vonJosé María Aznar an, das die unabhängige Gerichtsbarkeit an Universitäten schwächte, an und vereinigte etwa 8500 Professoren. Das Gesetz wurde dennoch im Dezember 2001 verabschiedet. Er setzte sich auch öffentlich für mehr finanzielle Mittel für die Lehre in seinem Fach ein.
Schriften
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Sociología electoral de Madrid. 1969
- La Segunda República en Madrid. 1970
- Las elecciones del Frente Popular en España. 1971
- La reforma de la Administración local en España. 1973
- Historia de la Democracia Cristiana en España. 1974
- La España del siglo XX. 1975 (Premio Mundo de Ensayo im selben Jahr)
- El caciquismo en Andalucía. 1976 (Nationalpreis für spanische Literatur in der Kategorie für Essays, sowie denMenéndez-Pelayo-Preis für spanische und iberoamerikanische Geschichte)
- La política y los políticos en tiempos de Alfonso XIII. 1976
- La oposición democrática al franquismo 1932–1962. 1977 (ausgezeichnet im selben Jahr mit demPremio Espejo de España)
- Franco y los católicos: la política interior española entre 1945 y 1957. 1984
- Franco y Mussolini. La política española durante la segunda guerra mundial. 1985 (zusammen mit seiner FrauGenoveva García Queipo de Llano)
- Hijos de la sangre. 1986
- La derecha española contemporánea. 1986 (zusammen mitJuan Avilés)
- Radiografía de un golpe de Estado. 1987
- La URSS y la perestroika desde España. 1988
- La España de Franco. 1989
- La dictadura de Franco. 1989
- Retrato deMario Vargas Llosa. 1990
- Manuel Giménez Fernández: precursor de la democracia española. 1990 (gemeinsam mitJosé Calvo)
- El secuestro de la democracia. 1990 (gemeinsam mitJustino Sinova)
- Franco en la Guerra Civil. Una biografía política. 1992 (BiografiepreisPremio Comillas de Biografía, Autobiografía y Memorias)
- Maura y el regeneracionismo. 1993 (Primer premio Antonio Maura de Investigación Histórica)
- Carrero. La eminencia gris del régimen de Franco. 1993
- La transición española. 1995
- Juan Carlos I. La restauración de la monarquía. 1995
- Franco, España y la II Guerra Mundial: entre el Eje y la neutralidad. 1995
- La revolución postdemocrática. 1997
- España, una angustia nacional. 1999
- Arte, historia y política en España (1890–1939). 1999
- La política exterior de España en el siglo XX. 2000
- Fotobiografía de Juan Carlos I. 2000
- Una breve historia del siglo XX: los momentos decisivos. 2001
- Alfonso XIII. El rey polémico. 2002 (gemeinsam mit seiner Frau)
- Vivir en guerra. Historia ilustrada de España 1936–1939. 2003
- Tiempo de incertidumbre: Carlos Arias Navarro entre el franquismo y la transición (1973-1976). 2003
- Fascismo y franquismo cara a cara: una perspectiva histórica. 2004
- El aznarato: el gobierno del Partido Popular 1996–2003. 2004
- Dictadura franquista y democracia, 1939–2004. 2005
Auszeichnungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- 1977:Premio Espejo de España,Nationalpreis für spanische Literatur (Essays) undMenéndez-Pelayo-Preis für spanische und iberoamerikanische Geschichte.
- 1986:Premio Espasa de Ensayo, fürHijos de sangre.
- 1997:Premio Internacional de Ensayo Jovellanos, fürLa revolución postdemocrática.
- 2002: IXPremio Blanquerna.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Javier Tusell im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Vollständige Bibliografie bei derUNED.
- Javier Tusell Nachrufe, Artikel und Bilder zu Javier Tusell imEl País (spanisch)
- Javier Tusell, más allá de la Historia Nachruf imEl Mundo (spanisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Picasso hatte in seinem Testament verfügt, dass seine Werke ausschließlich unter der Voraussetzung demokratischer Verhältnisse in Spanien wieder rücküberführt werden dürften.
- ↑Unter anderemEl Mundo,El País,La Vanguardia,Diario 16 sowie dieSociedad Española de Radiodifusión (SER).
Personendaten | |
---|---|
NAME | Tusell, Javier |
ALTERNATIVNAMEN | Tusell Gómez, Javier (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | spanischer Historiker, Hochschullehrer und Politiker |
GEBURTSDATUM | 26. August 1945 |
GEBURTSORT | Barcelona |
STERBEDATUM | 8. Februar 2005 |
STERBEORT | Barcelona |