James Ellroy, alsLee Earle Ellroy geboren (*4. März1948 inLos Angeles) ist einUS-amerikanischerSchriftsteller. SeineKriminalromane sindBestseller. Ellroy beschreibt mit Vorliebe die dunklen Seiten der amerikanischen Gesellschaft. Sein Werk zeichnet sich durch einenlakonischen Sprachgestus, eine dichte Handlung und einepessimistische Weltsicht aus.
Unbeständigkeit, ein Leben am Rand der Gesellschaft sowie tragische Ereignisse waren die vorherrschenden Momente in den ersten dreißig Lebensjahren des späteren Erfolgsschriftstellers. Ellroys Mutter, Jean Ellroy, war eine ehemaligeKrankenschwester, die ursprünglich ausWisconsin stammte und später nach Los Angeles gezogen war. Ellroys Vater, Armand Ellroy, hatte in den späten 1940ern kurzzeitig für die FilmschauspielerinRita Hayworth gearbeitet und schlug sich mitBuchmacherjobs und anderen Gelegenheitsarbeiten durch. 1954 ließen sich die Eltern scheiden. DasSorgerecht erhielt die Mutter, die nach derScheidung wieder ihren Geburtsnamen Hilliker annahm. Der junge James pendelte in den Folgejahren zwischenEl Monte, dem neuen Wohnsitz der Mutter, und dem Wohnsitz des Vaters in der Innenstadt von Los Angeles hin und her. Am 22. Juni 1958 fiel die Mutter einem Sexualverbrechen zum Opfer – ein Mordfall, der nie aufgeklärt wurde. Nach eigener Aussage erlebte Ellroy als Zehnjähriger den gewaltsamen Tod seiner Mutter zunächst eher als Befreiung. Die Folgejahre verbrachte er bei seinem Vater und erlebte dessen sozialen Abstieg mit. Zudem hatte Armand Ellroy zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.[1]
Als Jugendlicher las Ellroy zunehmendKriminalromane sowie True-Crime-Reportagen – unter anderem Werke vonMickey Spillane,Raymond Chandler,Ross Macdonald undJoseph Wambaugh. Obsessive Züge gewann im Lauf der Jahre die Beschäftigung mit einem spektakulären Sexualverbrechen aus dem Jahr 1948 – dem als Schwarze-Dahlie-Fall bekanntgewordenen Mord an der NachwuchsschauspielerinElizabeth Short. Nach einem kurzen Zwischenspiel bei derUS Navy 1965 und dem Tod des Vaters geriet James Ellroy mehr und mehr auf die schiefe Bahn. Die folgenden zehn Jahre waren gekennzeichnet vonObdachlosigkeit,kleinkriminellen Delikten, provozierenden Aktionen mitrassistischen undantisemitischen Sprüchen,Alkohol- undDrogenabhängigkeit sowie kürzerenHaftaufenthalten. Als weitere Komponente hinzu kamenvoyeuristische Aktionen – vor allem in Form vonWohnungseinbrüchen, bei denen das Sich-Ausbreiten in der Privatsphäre von Frauen, die er zuvor beobachtet hatte, im Vordergrund stand.[1]
Drogen,Alkohol sowie das Leben auf der Straße forderten im Lauf der Zeit ihren Tribut. 1975 wurde Ellroy in ein Krankenhaus eingeliefert aufgrund akuter schwererPsychose. EinLungenabszess, verursacht durch jahrelanges Inhalieren mittels medikamentengetränkter Wattebäuschchen, hätte – nach Eigenaussage – 1977 fast zu seinem Tod geführt. Im Anschluss an dieses Ereignis änderte Ellroy sein Leben von Grund auf. Er hörte mit dem Trinken auf, besuchte Meetings derAnonymen Alkoholiker und bestritt seinen Lebensunterhalt alsCaddy aufGolfplätzen. Daneben begann er mit dem Schreiben seines ersten Romans.Browns Requiem (deutscher Titel:Browns Grabgesang), eine Hardboiled-Geschichte, die in der weißenUnterklasseSüdkaliforniens angesiedelt ist, beschreibt den Rachefeldzug eines ehemaligen Polizisten, der als Auto-Beschlagnahmer (amerikanische Bezeichnung: Repo Man) sowiePrivatdetektiv seinen Lebensunterhalt verdient und – mehr oder weniger zufällig – in eine Geschichte ausBrandstiftung,Sozialversicherungsbetrug undPolizeikorruption gerät.[1] Mit seinem zweiten Roman,Clandestine (deutscher Titel:Heimlich), lieferte Ellroy erstmals ein Szenario, das auch in weiteren Romanen wieder auftauchte: die Geschichte eines sex- und karriereversessenen Polizei-Officers, der im Amerika der 1950er Jahre auf die Spur eines psychopathischen Frauenmörders gerät, die Jagd auf selbigen als Mittel zur Beförderung seiner Karriere angeht und den Täter erst nach Jahren voller Irrtümer und persönlicher Rückschläge zur Strecke bringen kann. Der Klappentext der deutschen Erstausgabe, die das Buch als „Underground-Krimi“ ankündigte, charakterisierteHeimlich als „einen Thriller über Entwurzelung und Schuld und einen Albtraum im Amerika der fünfziger Jahre – erzählt aus der Sicht der Achtziger“.[2]
Ebenso wie die beiden Erstlinge waren auch die vier Anschlussromane – die drei Titel der sogenannten Lloyd-Hopkins-Trilogie (deutsche Titel:Blut auf dem Mond,In der Tiefe der Nacht undHügel der Selbstmörder) sowie der Standalone-ThrillerSilent Terror (deutsch:Stiller Schrecken) aus dem Jahr 1986 – kommerziell wenig ergiebig. Ein Leben von Bucherträgen war vorerst nicht möglich. Bis zum Erscheinen vonDie schwarze Dahlie 1987 arbeitete Ellroy, der nach dem Erscheinen vonBrowns Grabgesang ins Umland derOstküsten-MetropoleNew York umgezogen war, weiterhin als Caddy auf Golfplätzen. Auch im Hinblick auf den Faktor Kontinuität beschrieb Ellroy die Vertragskonditionen der ersten Jahre als eher unbefriedigend. Ähnliches galt für den Aspekt der kreativen Freiheit beziehungsweise seine Alleinstellungsmerkmale als Autor. So sah er sich beispielsweise genötigt, an den Lloyd-Hopkins-Romanen – einer in der dritten Person geschriebenen Polizeiofficer-Killer-Reihe, die sich erzähltechnisch unter anderem durch harte Perspektivwechsel auszeichnete – mehrmals Änderungen vorzunehmen. Grund, aus Ellroys Sicht: seine zu große Entfernung vom Krimi-Mainstream sowie, auf Verlagsseite, Probleme, seine Bücher in gängige „Schubladen“ einzusortieren.[1][3]
Der 1987 erschienene RomanThe Black Dahlia brachte sowohl kommerziell als auch in Bezug auf Bekanntheitsgrad und Bedeutung Ellroys als Thrillerautor den entscheidenden Durchbruch. Insbesondere inDeutschland undFrankreich avancierte Ellroy zum neuen „Shooting Star“ der US-amerikanischenHardboiled Novel. Bis 1992 folgten drei weitere Bücher des sogenannten LA-Quartetts:The Big Nowhere,L. A. Confidential undWhite Jazz (deutsche Titel:Blutschatten,Stadt der Teufel undWhite Jazz). Alle vier Romane thematisieren die dunkle Seite der Geschichte von Los Angeles während der 1940er und 1950er Jahre. Trotz der überdurchschnittlich hohen Komplexität und Figuren-Dichte avancierten alle vier Romane des Quartetts zu Erfolgen. Seitens der Kritik wurde ihr schonungsloser, nihilistischer Blick auf die Nachtseite des amerikanischen Traums als großes Verdienst des Autors gewertet.L. A. Confidential, mitKevin Spacey,Russell Crowe undKim Basinger in den Hauptrollen, wurde darüber hinaus auch als Film ein veritabler Erfolg. Ellroy, der Jahre zuvor noch die Absicht bekundet hatte, der größte Kriminalschriftsteller aller Zeiten zu werden, erklärte nach dem Abschluss des L.-A.-Quartetts, er habe mit diesem Genre abgeschlossen und wolle in Zukunft nie mehr ein Buch schreiben, das alsKriminalroman oderThriller klassifizierbar sei. Stattdessen wolle er sich nunmehr auf Stoffe mit historischen Themen verlegen.[1]
Ein großes, sich bis ins neue Jahrtausend hineinziehendes Projekt wurde eine Dreierabfolge von historischen Romanen, welche die US-amerikanische Geschichte der 1950er, 1960er und 1970er Jahre als Handlungsterrain sex- und machtgesteuerter Machos,Mobster und Polit-Gangster darstellt. Kennzeichnend für die drei RomaneEin amerikanischer Thriller,Ein amerikanischer Albtraum undBlut will fließen waren ein umfassendes, mehrere Jahre umfassendes Handlungsszenario mit Handlungsfiguren in dreistelliger Anzahl und die Mischung realer und fiktiver Ereignisse.Ein amerikanischer Thriller thematisiert eröffnend die Jahre, die der ErmordungJohn F. Kennedys vorausgingen,Blut will fließen als Abschlusswerk der Trilogie unter anderem die Unterwanderung linker Gruppen und derBlack Panther Party seitens desFBI in den 1970er Jahren sowie die Präsidentschaftskandidatur desRepublikanersRichard Nixon bis hin zurWatergate-Affäre. Daneben eine collagenhafte,stakkatoartige Form der Darstellung mit abrupten, kurzen, zum Teil unvollständigen Sätzen. Kommerziell waren auch die Titel der sogenannten „Unterwelt-Trilogie“ oder „amerikanischen Trilogie“ recht erfolgreich. In zahlreichen Rezensionen wurde der zur Schau gestellteNihilismus des Autors allerdings auch mit kritischen Tönen bedacht – ebenso die Komplexität des Handlungsrahmens, der die Leser tendenziell überfordere.[1][4]
Über die aufgeführten Titel hinaus erschienen von James Ellroy mehrere Bücher mit Erzählungen und Kurzgeschichten. 1996 erschien mitMy Dark Places (deutsch:Die Rothaarige) ein weiterer vielbeachteter Titel. Die Information, dass ein Journalist beabsichtigte, die Geschichte von Ellroys ermordeter Mutter erneut auszugraben, hatte den Schriftsteller 1994 dazu veranlasst, eigene Vor-Ort-Recherchen in Angriff zu nehmen. Zusammen mit dem pensionierten Polizisten Bill Stoner trug Ellroy neue Unterlagen, Zeugenaussagen, Fakten und Indizien zusammen. Zwar war – wie er 2010 inThe Hilliker Curse selbstkritisch bekannte – die Chance, den Täter nach dreißig Jahren ausfindig zu machen, denkbar gering. Mit den als Mischung ausAutobiografie undReportage präsentierten Ergebnissen lieferte Ellroy nicht nur eine Verbrechensdokumentation in eigener Sache.Die Rothaarige war darüber hinaus auch ein Versuch, postum seiner Mutter Gerechtigkeit und Würde angedeihen zu lassen. In einem Interview äußerte er sich über seine Motive, die Geschichte seiner Mutter in dieser Form aufzugreifen, wie folgt: „In den 70ern war ich ein Mann, der trank, Drogen nahm und rumhurte. Sie war eine Frau, die das gleiche in den 50ern machte. Ich hatte merkwürdige sexuelle Neigungen. Sie nicht. Ich war in einem alarmierenden gesundheitlichen Zustand, was mich dazu antrieb, wieder solide zu werden. Auch sie hätte so einen Wandel in ihrem Leben vollziehen können, wäre sie nicht dem Scheißkerl begegnet, der sie getötet hat.“[1] Selbstreflexive, zum Teil selbstkritische Gedanken standen auch im Mittelpunkt der autobiografischen AbhandlungThe Hilliker Curse (deutscher Titel:Der Hilliker-Fluch) aus dem Jahr 2010. In ihr lässt Ellroy erneut sein Leben revue passieren und reflektiert sein – stark vom Tod seiner Mutter sowie der obsessiven Beschäftigung mit dem ähnlich gelagerten Schwarze-Dahlie-Fall geprägtes – Verhältnis zu Frauen.[4]
Eine Reihe von Ellroy-Stoffen wurde im Lauf der Jahre verfilmt. Die bekannteste Verfilmung ist bis heuteL. A. Confidential – eine Umsetzung, die sowohl von der Kritik als auch vom Publikum positiv aufgenommen wurde. Im Unterschied dazu wurdeBrian De Palmas Adaption desBlack-Dahlia-Stoffes stark widersprüchlich gewertet und von Teilen der Kritik als zu artifiziell kritisiert. Weitere Verfilmungen sindDer Cop (mitJames Woods in der Hauptrolle) und die Kurzgeschichten-VerfilmungDark Blue (mitKurt Russell,Michael Michele undVing Rhames) – eine Geschichte, die eine korrupte Einheit desLAPD vor dem Hintergrund der Unruhen in Los Angeles nach demRodney-King-Urteil 1992 in Szene setzt.
Ungeachtet der Sozialkritik, die oftmals in seine Werke hineininterpretiert wird, setzt sich James Ellroy selbst gern als stark vonchristlichen Werten geprägterKonservativer in Szene – zumindest, was kulturelle und moralische Fragen anbelangt.[5] Die Experimente derHippie- und68er-Ära charakterisierte er wiederholt als fehlgeleitet und illusionär – eine Sichtweise, die er auch in seinen Romanen zum Ausdruck bringt. Flankiert wird die oft schroff wirkende Ablehnung der 68er-Populärkultur von einer Vorliebe fürklassische Musik, insbesondere die Werke vonLudwig van Beethoven. In einem Interview mitDie Welt sagte er im Mai 2015: „Ich hasse Rockmusik […] Wenn es zwei große Bewegungen gibt, die ich Gott sei Dank in meinem Leben auslassen durfte, dann waren es die Linke und Rock ’n’ Roll. […] Ich war nie ein Teil der Gegenkultur.“[5] Darüber hinaus räumte er in Interviews ein, dem Konservatismus einesGeorge W. Bush nichts abgewinnen zu können, und deutete anlässlich der Präsidentenwahl 2008 an, eher zur Seite desdemokratischen HerausforderersBarack Obama zu tendieren. In Frauenfragen betonte er mehrmals seine Sympathie für diefeministischen GrundanliegenFrauenemanzipation undGleichberechtigung.
1991 heiratete James Ellroy in zweiter Ehe dieLiteraturkritikerinHelen Knode. Vier Jahre später zog das Paar nach Mission Hills, einem Vorort in der Nähe vonKansas City.Ab 2005 lebten Ellroy und Knode getrennt.[6] Seit einigen Jahren lebt er wieder mit seiner Exfrau Helen zusammen. Für sie ist er nach Colorado gezogen.[7]
Personendaten | |
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NAME | Ellroy, James |
ALTERNATIVNAMEN | Ellroy, Lee Earle |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 4. März 1948 |
GEBURTSORT | Los Angeles, Kalifornien |