Am 5. April 2023 hielt Ardern ihre Abschiedsrede im neuseeländischen Parlament, dem sie seitdem nicht mehr angehört.[2][3] Zwei Tage zuvor hatte der Premierminister Chris Hipkins Ardern zur Sonderbeauftragten für denChristchurch Call ernannt,[4] einem Zusammenschluss von mehr als 120Staaten, Technikfirmen und Organisationen der Zivilgesellschaft.[5]
Jacinda Ardern wurde 1980 als Tochter von Laurell und Ross Ardern – beideMormonen[6] – inHamilton geboren. Sie besuchte diePrimary undSecondary School inMorrinsville, einer Provinzstadt in der RegionWaikato. Es folgten einige Jahre inMurupara, wo ihr Vater Polizeibeamter war. Ihr 1999 begonnenes Studium[7] an derUniversity ofWaikato beendete sie mit demBachelor of Communication Studies.[8]
Zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Fernseh- und RadiomoderatorClarke Gayford, hatArdern eine Tochter, die am 21. Juni 2018 – als sie bereits als Premierministerin amtierte – zur Welt kam.[9] Sie war damit – nach derPakistanerinBenazir Bhutto 1990 – die zweite gewählte Regierungschefin eines Staates, die während ihrer Amtszeit ein Kind bekam.[10] Sie lebt mit ihrer Familie inAuckland. Am 13. Januar 2024 heiratete Ardern Gayford inHavelock North in der RegionHawke’s Bay.
Aus Anlass ihres Amtsantritts als Premierministerin warArdern in derFernsehsendungThe Project von ModeratorJesse Mulligan und später ein weiteres Mal vonMark Richardson in derAM Show des SendersTV3 nach ihrem Kinderwunsch gefragt worden. Sie konterte, dass es – wie imHuman Rights Act von 1993 festgelegt – nicht akzeptabel sei, dass Frauen im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz nach ihrem Kinderwunsch befragt werden und dass es für einen Arbeitgeber illegal ist, eine derzeitige oder potenzielle Arbeitnehmerin zu diskriminieren, weil sie schwanger ist oder in Zukunft Kinder haben möchte.[11] Was folgte, war eine landesweite öffentliche Diskussion, in der ihr eine Mehrheit der Befragten recht gab.[12]
2008 gewannArdern einen Parlamentssitz für dieLabour Party inWaikato und war bis zu ihrem Rücktritt 2023 ununterbrochen Mitglied desneuseeländischen Repräsentantenhauses.[8] In ihrer Antrittsrede forderte sie die Einführung eines obligatorischen Unterrichts inmaorischer Sprache in den Schulen des Landes und verurteilte die Regierung für die aus ihrer Sicht „beschämende“ Reaktion auf denKlimawandel.[14] Als jüngstes Parlamentsmitglied wurde sie zur Partei-Sprecherin derLabour Party für Jugendfragen ernannt und darüber hinaus in die Sonderausschüsse fürRegulations Review undJustice and Electoral gewählt.[13] Ardern wurde Sprecherin ihrer Partei für Kinder-Angelegenheiten (2012), für Kunst, Kultur und kulturelles Erbe (2013), für Justiz und für Kleinbetriebe (2014). Zudem war sie ab 2015 Stellvertretende Sprecherin für Auckland-Angelegenheiten.[14] 2014 wurde sie vomWorld Economic Forum zumYoung Global Leader ernannt.[15] Nach ihrem Umzug nachAuckland ließ sie sich mit ihrer Familie im StadtteilMt. Albert nieder. Bei einer Nachwahl im gleichnamigen Wahlbezirk gewann sie im Februar 2017 ihr erstesDirektmandat.[8] Einen Monat später wurde sie stellvertretende Oppositionsführerin.[14]
Nach dem Rücktritt vonAndrew Little als Vorsitzendem derLabour Party Ende Juli 2017 übernahmArdern am 1. August die Parteiführung.[16] Damit wurde sie zugleichOppositionsführerin imParlament von Neuseeland.[14]Nach einer Blitzumfrage der TageszeitungNew Zealand Herald stieß der Wechsel an der Parteispitze auf breite Zustimmung in der Bevölkerung: UnterLittle wollten zuletzt nur noch 24 Prozent der Wähler derLabour Party ihre Stimme geben.[16] Dagegen konnten sich Anfang August 2017 bereits 46 Prozent der Befragten vorstellen,Labour zu wählen.[17]
Am 19. Januar 2023 kündigte Ardern ihren Rücktritt zum 7. Februar an. Sie begründete dies damit, dass sie nicht mehr genug Kraft habe, um das Amt weiter auszufüllen. Zugleich kündigte sie dieNeuwahl des Parlaments zum 14. Oktober 2023 an.[19]
Ardern verfolgte eine progressive Politik.[20] Sie setzte sich für einemultilaterale Politik und fürKlimaschutz ein, um dieglobale Erwärmung zu bekämpfen. Als Premierministerin setzte sie unter anderem ein reformiertes Steuersystem zugunsten von Familien, eine bessere Förderung ländlicher Regionen und Maßnahmen für bezahlbares Wohnen durch.[21]
Im Oktober 2020 gewannArdern mit ihrer Labour Party dieParlamentswahl in Neuseeland 2020 mit großem Vorsprung. Labour erreichte als erste Partei seit Einführung des Verhältniswahlrechts in den 1990er Jahren die absolute Mehrheit. Medien sprachen von „Erdrutschsieg“ und führten diesen auf die sehr erfolgreiche Politik Arderns im Hinblick auf dieCOVID-19-Pandemie zurück. Neuseeland war es zu diesem Zeitpunkt bereits zum zweiten Mal gelungen, keinen einzigen bekannten aktiven Corona-Fall im Land zu haben. Insgesamt hatten sich in Neuseeland bis zur Wahl weniger als 2000 Menschen infiziert, und 25 Menschen starben.[22]
Ab dem 6. November 2020 warArdernszweites Kabinett im Amt, das sie als „unglaublichdivers“ vorstellte.[23] Um die Zusammenarbeit mit der Green Party aus demVorgängerkabinett fortzusetzen, schloss sie ein Kooperationsabkommen mit der Partei. InUmwelt- und Wohlstandsfragen seien sich die Parteien in vielen Punkten einig, „die gut für Neuseeland sind“, begründete sie die Entscheidung.[24]
Auf demWorld Economic Forum kündigteArdern im Januar 2019 an, dass Neuseeland in seiner Finanzpolitik einen neuen Ansatz verfolgen wolle. Er sieht vor, dass nicht nur der ökonomische Wohlstand, sondern auch das gesellschaftliche Wohlbefinden berücksichtigt wird. In der Praxis sollen die einzelnen Ministerien aufzeigen, wie die staatlichen Ausgaben den Menschen zugutekommen. So sollen zum Beispiel mit jedem Budget zugleich die Zahlen zur Kindesarmut vorgelegt werden.[25]
Im Mai 2019 stellte die neuseeländische Regierung das weltweit ersteWellbeing Budget vor.[26] Es setzt fünf Schwerpunkte:
Unterstützung des Übergangs zu einer nachhaltigen und emissionsarmen Wirtschaft,
Unterstützung einer florierenden Nation im digitalen Zeitalter,
Erhöhung der Einkommen, Fähigkeiten und Möglichkeiten der indigenen Bevölkerung,
Verringerung der Kinderarmut
sowie die Unterstützung der psychischen Gesundheit mit einem besonderen Fokus auf junge Menschen.[27]
Die größte Budgeterhöhung erfolgte im Bereich psychische Gesundheit. In diesem Gebiet sollen über vier Jahre hinweg 1,9 Mrd. NZ$ eingesetzt werden. Auch in Maßnahmen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt wurde die Rekordsumme von 320 Mio. NZ$ investiert.
DasWellbeing Budget wurde einerseits sehr gelobt, etwa von derMental Health Foundation of New Zealand, andererseits aber auch scharf abgelehnt. OppositionsführerSimon Bridges von derNew Zealand National Party kritisierte beispielsweise, dass Familien mehr Geld für Essen, Benzin und Miete in ihrer Haushaltskasse wünschten, während ihre Steuern in Bahnverbindungen, Verteidigungskräfte und Bäume investiert würden.[26]
Dafür und fürArderns Umgang mit den Opfern des Anschlags wurde sie überwiegend gelobt,[30][31] etwa als sie Verletzte und Hinterbliebene mit einemKopftuch bekleidet besuchte, um ihre Solidarität zu zeigen, sie umarmte und keinerlei Berührungsängste zeigte. Sie zeigte sich damit als weltoffen, verständnisvoll und souverän und wird seither von denMuslimen in Neuseeland sehr geschätzt. Ihre allgemeine Popularität zeigte sich auch daran, dass ein Video – in dem sie die Errungenschaften ihrer ersten zwei Jahre im Amt aufzählt – im November desselben Jahresviral wurde.[32]
Die zielgerichteten Maßnahmen gegen dieCOVID-19-Pandemie in Neuseeland steigertenArderns Popularität laut Umfragen zusätzlich.[33] Nach einem strengen zweimonatigen Lockdown erklärte sie Neuseeland am 8. Juni 2020 covidfrei. Bis dahin waren 1504 Infektions- und 22 Todesfälle bekannt geworden.[34] Am 15. Juni 2020 wurde jedoch bekannt, dass zwei Einreisende aus demVereinigten Königreich das Virus erneut nach Neuseeland eingeschleppt hatten.[35]
Laut Ardern beeinflusst derrussische Überfall auf die Ukraine auch die Sicherheit Neuseelands, denn er stellt eine „unmittelbare Bedrohung der territorialen Integrität eines anderen Landes, der Demokratie und der regelbasierten Weltordnung, auf die auch Länder wie wir sich verlassen“, dar. Die Gefahr einer weiterenMilitarisierung derindopazifischen Region steige zudem durch das aggressive VorgehenChinas. Das Konzept einer „feministischen Außenpolitik“ lehnt Ardern ab, da sich Außenpolitik nicht durch die Geschlechterbrille betrachten lasse.[36]
Wie Sicherheitsexperten, Forscher derUniversity of Auckland und Journalisten desNew Zealand Herald herausgefunden hatten, waren in Chatrooms beleidigende, wütende oder auch drohende Nachrichten zu finden, die an die damalige Premierministerin gerichtet waren. In eigener Untersuchung desNew Zealand Herald fanden die Journalisten heraus, dass in Online-Angriffen aufArdern Vergewaltigungs- und Morddrohungen ausgesprochen, ihre Person als „dämonisch“ oder „böse“ dargestellt, oder sie alsAdolf Hitler beleidigt wurde. Sicherheitsexperten vermuteten, sie werde noch jahrelang besonderen Polizeischutz benötigen.[37]
↑Till Fähnders: Jung, modern und prinzipienfest. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. Oktober 2020, abgerufen am 21. Oktober 2020.
↑Charlotte Graham-McLay:Jacinda Ardern’s Progressive Politics Made Her a Global Sensation. But Do They Work at Home? In:The New York Times. 26. September 2018 (Online [abgerufen am 16. März 2019]).
↑Milena Hassenkamp:Neuseelands Premier Jacinda Ardern: Frau, Mutter, Trösterin – und Macherin. In:Spiegel Online. 18. März 2019 (Online [abgerufen am 17. Juli 2019]).
↑Felix Haselsteiner:Die richtigen Worte, die richtigen Gesten. In:Süddeutsche Zeitung. 18. März 2019 (Online [abgerufen am 17. Juli 2019]).
↑Stephen A. Trewick:A new species of large Hemiandrus ground wētā (Orthoptera: Anostostomatidae) from North Island, New Zealand. In:Magnolia Press (Hrsg.):Zootaxa.Band4942,Nr.2, März 2021,S.207–218,doi:10.11646/zootaxa.4942.2.4 (englisch).
↑Andrew J. Marshall, Dan J. Blanchon, Robert Lücking, Theo J.P. de Lange, Peter J. de Lange:A new Ocellularia (lichenized Ascomycota: Graphidaceae) from New Zealand indicates small-scale differentiation of an Australasian species complex. In:New Zealand Journal of Botany.Band58,Nr.3, Januar 2020,S.223–235,doi:10.1080/0028825X.2019.1701504 (englisch).