Mauthe studierte nach dem Gymnasium an derUniversität WienKunstgeschichte undGermanistik. 1948 wurde er mit der ArbeitVenezianische Hausformen des Mittelalters zum Dr. phil. promoviert. Er arbeitete ab 1947 als Journalist, ab 1950 als Kunstkritiker für die katholische WochenzeitschriftDie Furche und ab 1955 als Kulturredakteur der Wiener TageszeitungDie Presse.
Mauthe war parallel dazu beim US-amerikanischen BesatzungssenderRot-Weiß-Rot Leiter derAbteilung Wort, wo er u. a. mitPeter Weiser, dem RegisseurWalter Davy und 1951–1953 mitIngeborg Bachmann zusammenarbeitete, die für die von ihm konzipierte, beliebte HörfunkserieDie Radiofamilie (1952–1960) schrieb. Er betreute auch die sehr erfolgreiche kritisch-satirische WochensendungDer Watschenmann (1950–1955 und 1967–1974).
Ab 1967, alsGerd Bacher nach dem Rundfunk-Volksbegehren zum Leiter desORF, der staatlichen Radio- und Fernsehanstalt, bestellt wurde, war er Kulturredakteur und Programmplaner für dasORF-Fernsehen, wo er auch an Drehbüchern mitwirkte, so 1968 fürDie Donaugeschichten[1] und in den 1980er Jahren fürFamilie Merian. Ab 1975 war Mauthe als Kolumnist für die Wiener TageszeitungKurier tätig.
Der damalige Landesparteiobmann derÖVP Wien,Erhard Busek, konnte den parteiunabhängigen[2] Mauthe für die Mitarbeit gewinnen. Vom November 1978 bis zu seinem Tod war er für die ÖVP Wiener (nicht amtsführender) Stadtrat (sieheLandesregierung und Stadtsenat Gratz III,Gratz IV undZilk I), bis 1983 außerdem Abgeordneter zumWiener Landtag und Gemeinderat. In den 1980er Jahren zählte Mauthe gemeinsam mit einigen anderen WienerIntellektuellen zu den um Erhard Busek versammelten „bunten Vögeln“, die der Wiener ÖVP ein neues, lebensfrohes, junges und dynamisches Erscheinungsbild verliehen. Wichtige Wahlkampfthemen der „bunten Vögel“ waren Umweltschutz, Stadterneuerung sowie Ausbau der direkten Demokratie.[3][4]
Als Stadtpolitiker setzte sich Mauthe besonders für Stadtbilderhaltung und Denkmalpflege, die Wiederbelebung des echtenWienerliedes, dieBeiselkultur und dieNeue Wiener Küche ein und war der geistige Vater derGrätzelfeste und des Stadtfestes. Auch der „Altwiener Christkindlmarkt“ auf derFreyung, ein Adventmarkt nach Alt-Wiener Vorbild, geht auf die Idee von Jörg Mauthe zurück.[5]
LautManfried Welan, der wie Mauthe innerhalb der Wiener ÖVP-Politiker zu „Buseks bunten Vögeln“ zählte, hatte Jörg Mauthe „ein klares Bild von einem Politiker. Er sah ihn als ‚dienenden Bruder‘. Das Schöne und das Gute waren für ihn ‚die beiden fundamentalen Maßstäbe allen menschlichen Tuns und Denkens‘, auch in der Politik.“ Davon, so Welan, sei dasSchönheitsmanifest geprägt, das Mauthe zusammen mitGünther Nenning im Mai 1984 publizierte.[6]
Während des Konfliktes bei derHainburger Au stand der bekennende Umweltschützer Jörg Mauthe 1984 auf der Seite der Aubesetzer. Bei derPressekonferenz der Tiere zur Unterstützung des „Konrad-Lorenz-Volksbegehrens“ gegen den Bau des Kraftwerks erschien er alsSchwarzstorch verkleidet.
Die von Mauthe gekaufte Burgruine Mollenburg mit der revitalisierten Vorburg
In seinen literarischen Werken (insbesondere in den beiden RomanenDie große Hitze undDie Vielgeliebte) setzte sich derProtestant Mauthe immer mit Österreich und speziell mit Wien auseinander. Die Frage nach dem Österreichischen stellte er sich permanent. Mauthes Vorbilder warenNestroy,Raimund,Musil,Roth undDoderer. Die typisch österreichische Lebensart (katholische Tradition, Sprache etc.) sah Mauthe dabei als Antagonismus zum (protestantischen) „Deutschen“.
Mit seinem nahenden Tod befasste sich Mauthe im 1986 posthum erschienenen TextDemnächst. Er beginnt mit einer Tagebucheintragung vom 8. Juli 1985:Demnächst werde ich sterben. Ich begriff es schon in der ersten Minute derVisite.
Jörg Mauthe war ab 1958 Mitglied derFreimaurerlogeLessing Zu den 3 Ringen und Gründungsmitglied der LogenLibertas (1960) undLibertas Gemina (1965).[8] Er beschäftigte sich auch publizistisch mit derFreimaurerei in Österreich, deren Entwicklung er kurz vor seinem Tod auch kritisierte. Nach einer Hochblüte der Wiener Freimaurerei in den 1960er und frühen 1970er Jahren, so Mauthe, habe ein Niedergang eingesetzt: „Neuaufnahmen geschahen zu eilig und zu unbedacht, allerhand Gelegenheitssucher und Geschäftemacher schlüpften durch die Ballotagen, auf Geist wurde weniger geachtet als auf Bekanntheitsgrade, und argerweise mischte sich Politisches ein.“[9]
1987: Am ersten Todestag Enthüllung der Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus in Wien 9., Günthergasse 1.
1987: Ausschreibung des Dr.-Jörg-Mauthe-Preises für vorbildliche Leistungen um das Wiener Stadtbild.
1991: Benennung desJörg-Mauthe-Platzes im 9. Wiener Gemeindebezirk,Alsergrund; der Platz ist die Kreuzung zwischen Porzellangasse, Servitengasse, Schlickgasse und Berggasse.
Des Narren Abenteuer und Meinungen. Mit Federzeichnungen vom Verfasser. Wiener Verlag, Wien 1947.
Zusammen mitPeter Weiser:Familie Floriani. Ein wienerischer Jahreslauf in dreißig Bildern. Nach der „Radiofamilie“ des Senders „Rot-Weiß-Rot“. Mit Illustrationen vonErni Kniepert. Kremayr & Scheriau, Wien 1954.
Wiener Knigge. Mit Zeichnungen von Rudolf Rhomberg. Andermann, Wien 1956. Neuauflage: Mit Illustrationen von Rudolf Rhomberg. Hunna, Wien 1965. How to be a Viennese. Illustrations by Rudolf Rhomberg. English translation by Majorie Kerr Wilson. Hunna, Wien 1966. Neuauflage: Mit Zeichnungen von Rudolf Angerer. Amalthea, Wien 2007,ISBN 978-3-85002-060-2.
Wien für Anfänger. Ein Lehrgang in 10 Lektionen. Mit Zeichnungen vonPaul Flora. Diogenes, Zürich 1959. Neuauflage: Edition Löwenzahn, Innsbruck 2001,ISBN 3-7066-2270-X.
Nachdenkbuch für Österreicher, insbesondere für Austrophile, Austromasochisten, Austrophobe und andere Austriaken. Molden, Wien 1975,ISBN 3-217-00702-6. Neuauflage: Edition Atelier, Wien 1987,ISBN 3-900379-11-4.
Wien – Spaziergang durch eine Stadt. Mit Photographien von Fred Peer. Residenz, Salzburg 1975. Neubearbeitete Auflage: Residenz, Salzburg 1979,ISBN 3-7017-0215-2.
(Hrsg.):Neues Wiener Lesebuch. Edition Atelier, Wien 1985.
1980 gründete Mauthe die Zeitschrift „Wiener Journal“, die bis 2002 in der von ihm vorgegebenen Ausrichtung „gegen den Zeitgeist“ erschien und dann von der „Wiener Zeitung“ alsLifestyle-Magazin weitergeführt wurde.[10][11]
Er veröffentlichte zahlreiche weitere Artikel und Essays, so etwa das Vorwort zu:
Christian Brandstätter (Hrsg.):Österreich wie es war. Photographische Ansichten 1860–1925. Lichtbilder von Bruno Reiffenstein u. a. Molden, Wien 1981,ISBN 978-3-217-00902-8.
Peter Bochskanl (Hrsg.):Jörg Mauthe. Sein Leben auf 33 Ebenen. Erinnerungen & Visionen. Edition Atelier, Wien 1994,ISBN 3-900379-94-7.
Edith J. Baumann:Der doppelte Spiegel. Jörg Mauthes „Die große Hitze“ und die „Vielgeliebte“; zwei literarische Utopien. Edition Atelier, Wien 1995,ISBN 3-85308-009-X.
Club Niederösterreich (Hrsg.):Nachdenkbuch von Österreichern für Jörg Mauthe. Wien 2006.
Markus Kóth:„Aber es handelt sich eben um ein phantastisches Land“. Das Österreichbild in den literarischen Werken Jörg Mauthes – ein Beitrag zur Identitätsgeschichte der Zweiten Republik. Praesens, Wien 2009,ISBN 978-3-7069-0566-4.
↑Günter K. Kodek:Die Kette der Herzen bleibt geschlossen. Mitglieder der österreichischen Freimaurer-Logen 1945 bis 1985. Löcker, Wien 2014,ISBN 978-3-85409-706-8,S.155.
↑Dieter A. Binder:Die diskrete Gesellschaft. Geschichte und Symbolik der Freimaurer. 2. Aufl. Graz-Wien-Köln 1995,ISBN 3-222-12351-9, S. 106.