Eineisolierte Sprache ist eine Sprache, bei der sich keinegenetische Verwandtschaft zu irgendeiner anderen Sprache nachweisen lässt. Die nach derzeitigem Kenntnisstand einzige heute noch gesprochene isolierte Sprache Europas ist dasBaskische.
Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die isolierten Sprachen der Welt, geordnet nach Kontinenten.
Die scheinbar einfache Definition des Begriffs „isolierte Sprache“ – eine Sprache, für die keine genetische Verwandtschaft mit einer anderen Sprache nachgewiesen wurde – ist problematisch:
Problem derDialekte und Aufspaltungen: Auch isolierte Sprachen können natürlich Dialekte besitzen und diese sich heute oder in der Zukunft zu eigenständigen Sprachen weiterentwickeln. Es ist oft Definitionssache, ob man von „einer“ Sprache mit mehreren Dialekten oder mehreren eigenständigen, eng verwandten Sprachen spricht. Dieser nicht klar definierbare Unterschied macht dann aus einer „isolierten Sprache“ eine kleine Familie nah verwandter Sprachen. Zum Beispiel wird dieKoreanische Sprache herkömmlich als isoliert bezeichnet; aufgrund einer teilweise vorgenommenen Ausgliederung der Cheju-Sprache aus dem Koreanischen wird aber auch eine koreanische Sprachfamilie postuliert.
Problem der ausgestorbenen Schwestersprachen: DasKet (einejenisseische Sprache) müsste heute als „isoliert“ gelten, da außer Ket keine andere Jenissei-Sprache mehr gesprochen wird. Aus den vorigen Jahrhunderten sind allerdings mindestens fünf inzwischen ausgestorbene Schwestersprachen bekannt, weswegen das Ket nicht als isoliert betrachtet werden kann, sondern einzig überlebendes Mitglied der jenisseischen Sprachfamilie ist. Ebenso könnte z. B. das heute als isoliert geltendeSumerische antike Verwandte gehabt haben, welche allerdings – im Gegensatz zum Sumerischen – nicht schriftlich fixiert wurden.
Die Vorstellung von „isolierten Sprachen“ nach der obigen Definition ist also eher unhistorisch: in Wirklichkeit haben oder hatten alle Sprachen dieser Welt „Verwandte“, die lediglich aus den verschiedensten Gründen nicht ermittelt werden konnten, z. B. weil sieohne schriftliche Fixierung ausgestorben sind oder weil die Forschungsmethoden (noch) nicht ausreichen, die Verwandtschaft mit anderen Sprachen nachzuweisen. Wenn man davon ausgeht, dass keine Sprache aus dem „Nichts“ gebildet wurde, sind sämtliche Sprachen miteinandergenetisch verwandt. Dies lässt sich allerdings praktisch nicht nachweisen, da etwaige genetische Gemeinsamkeiten durch andere Effekte der Sprachentwicklung über die Jahrtausende komplett (zum Teil mehrfach) überdeckt wurden. Dennoch, oder gerade deshalb ist in diesem Zusammenhang dieSprachforschung zu den großenhypothetischenMakrofamilien, die mehrere „klassische“Sprachfamilien und „isolierte Sprachen“ umfassen, von besonderem Interesse (Siehe auchEurasiatisch,Nostratisch,Dene-Kaukasisch,Austrisch,Indopazifisch,Amerindisch u. a.). Mit der Etablierung jeder größeren genetischen Spracheinheit reduziert sich die Zahl der „isolierten Sprachen“.
Im Folgenden werden die meisten heute als „isoliert“ betrachteten Sprachen mit ihren Sprecherzahlen nach Kontinenten und innerhalb derselben alphabetisch aufgelistet. Bei manchen wird auf die Gründe hingewiesen, warum sie möglicherweise doch nicht „isoliert“ sind. Basis bildet die Zusammenstellung vonEthnologue, die aufgrund zusätzlicher Kenntnisse von Spezialisten ergänzt und wo nötig korrigiert wurde.
Nicht zu verwechseln mit den „isolierten Sprachen“ sind die „unklassifizierten Sprachen“: diese sind entweder ausgestorben und so schwach überliefert, dass eine Klassifikation mit dem vorhandenen Material nicht möglich ist, oder zwar noch existent, aber bisher nicht genügend erforscht, um sie einerSprachfamilie zuordnen zu können oder von ihnen mit großer Sicherheit zu behaupten, sie seien „isoliert“. Sprachen können auch unklassifizierbar sein, wenn sie die Merkmale zweier Sprachfamilien aufweisen. Solche Sprachen heißenHybrid- oderMischsprachen. In der Praxis ist der Unterschied zwischen „isoliert“ und „unklassifiziert“ nicht sehr scharf, so dass hier auch einige unklassifizierte Sprachen aufgeführt werden.
Für fast alle diese teilweise nur den Fachleuten bekannten isolierten Sprachen kann man inEthnologue Auskunft über die ethno-linguistische Situation, Sprecherzahlen und ihre geographische Verbreitung finden. Allerdings ist die Klassifikation in Ethnologue nicht immer mit der hier zugrunde gelegten kompatibel, sodass manche hier als isoliert bezeichnete Sprache dort einer Sprachfamilie zugeordnet wird. Umgekehrt werden einige in Ethnologue als isoliert bezeichnete Sprachen hier einer Sprachfamilie zugeordnet, z. B.Tinigua,Puelche und andere. Außerdem führen einige Namensverwechslungen in Ethnologue zu irrtümlichen Klassifikationen und Einschätzungen. Im Zweifel sind immer die aktuellen Primärquellen zu den einzelnen Sprachfamilien oder arealen Sprachgruppen heranzuziehen.
Diese Sprachen werden in Ethnologue als „unklassifiziert“ aufgeführt, da sie bisher nicht oder nicht genügend erforscht wurden, um sie genetisch klassifizieren zu können. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es sich um „isolierte“ Sprachen handelt.
Die ausgestorbenen alteuropäischen und orientalischen Sprachen in dieser Liste konnten bisher keiner Sprachgruppe zugeordnet werden, da sie nur sehr spärlich erhalten und dokumentiert sind. Ob es sich um isolierte Sprachen handelt, ist nicht abschließend zu klären (Vorindogermanisches Substrat).
Die Sprachen dieser Liste können keiner Sprachgruppe zugeordnet werden, da ihre Schriften bisher nicht entziffert werden konnten. Es handelt sich also eigentlich um hypothetische Sprachen.
Kreta; Sprache der Texte in der bisher nicht vollständig entziffertenLinear-A-Schrift und einiger anderer nicht entzifferter kretischer Texte, z. B. des Diskos von Phaistos; mögliche Verwandtschaft mit dem Eteokyprischen und dem Eteokretischen
Zypern; Sprache der bisher nicht entzifferten bronzezeitlichen Inschriften Zyperns, vor allem ausEnkomi; mögliche Verwandtschaft mit dem Minoischen und Eteokyprischen
Oft fälschlicherweise als isoliert klassifizierte Sprachen Eurasiens
Hurritisch (Syrien, Ostanatolien) undUrartäisch (Ostanatolien,Armenien, Nordwestiran) bilden zusammen die (isolierte)hurritisch-urartäische Sprachfamilie; aufgrund gegenseitiger Verwandtschaft nicht als isoliert klassifiziert; Verwandtschaft mit den nordkaukasischen Sprachen postuliert, aber nicht anerkannt
Japan; nicht isoliert, da man die stark abweichendenRyūkyū-Sprachen Okinawas meist als eigenständige Sprachen wertet; möglicherweise mit dem Koreanischen verwandt, evtl. Mitglied des Makro-Altaischen; Kandidat für Eurasiatisch und Nostratisch
Zum Bereich Indopazifik gehören dieaustronesischen und die sog.Papua-Sprachen. Während die austronesischen Sprachen eine klar identifizierbare genetische Einheit bilden – es gibt kaum Zweifel, ob eine bestimmte Sprache austronesisch ist oder nicht –, ist die genetische Situation der Papua-Sprachen sehr komplex. Von den nicht-austronesischen und nicht-australischen SprachenNeuguineas und einiger Nachbarinseln (also den sog. Papua-Sprachen) sind einige in dem Sinne isoliert, dass sie keiner „Familie“ (und sei es auch nur einer mit zwei Mitgliedern) zugeordnet werden können. Außerdem gibt es einige wenig erforschte bisher unklassifizierte Papua-Sprachen, die durchaus zu einer der etwa zehn Papua-Sprachfamilien gehören könnten.
Nach neuen Erkenntnissen eines der besten Kenner dieser Sprachen, R.M.W. Dixon (siehe Literaturangabe), lässt sich die genetische Einheit deraustralischen Sprachen nicht nachweisen, da die Phase einer möglichen Einheitlichkeit viel zu weit zurückliegt (mindestens 20.000 Jahre). Insbesondere wird die genetische Einheit der bisher größten Gruppe australischer Sprachen, der Pama-Nyunga-Sprachen, von Dixon aufgegeben. Es gibt nach diesem Modell verschiedene kleinere genetische und areale Einheiten, viele Sprachen bleiben „isoliert“. Hier sind nur die noch lebenden „isolierten Sprachen“ aufgeführt, zu ihnen gehören die sprecherreichsten Sprachen Australiens. Insgesamt sprechen nur noch 40.000 Personen derVölker der Aborigines eine der rund 80 einheimischen Sprachen, vor der Kolonisierung gab es mindestens 350 Sprachen.
Sprache
Zahl der Sprecher
Kommentar
Kala Lagaw Ya oder West Torres
1.000
Queensland: Western Torres Strait; Papua-Sprache mit australischem Substrat
Kuku-Yalandji
240
Queensland; die Dialekte Yalandji, Djangun und Muluridji werden teilweise als separate Sprachen betrachtet, dann kleine Sprachfamilie
Tiwi
1.800
Northern Territory; möglicherweise kleine Sprachfamilie
Warumungu
500
Northern Territory
Western Desert Language
6.500
Western Desert; die Dialekte Martu Wangka (700 Sprecher), Karkutja (300 Sprecher),Pintupi-Luritja (1.000),Ngaatjatjarr (1.200),Pitjantjatjara (2.500) undYankuntjatjarra (200) werden teilweise als separate Sprachen gewertet; dann ist die Western Desert Language Group eine kleine Sprachfamilie
Darüber hinaus muss eine ganze Reihe ausgestorbener oder fast ausgestorbener Sprachen Australiens als isoliert oder unklassifiziert gelten. Siehe dazu den externen Link „Die Klassifikation der australischen Sprachen“.
Manche Afrikanisten sind jedoch davon überzeugt, dass Khoisan und Nilosaharanisch keine Sprachfamilien im engeren Sinne, sondern nur Gruppen von Sprachen sind, die sichtypologisch ähneln und einen arealenSprachbund bilden. (Details zu diesem Thema im ArtikelAfrikanische Sprachen.) Während also von einigen Fachleuten bestimmte Sprachen zu den Phyla Nilosaharanisch oder Khoisan gerechnet werden, werden sie – falls keine näheren Verwandten erkennbar sind – von anderen als „isoliert“ oder „unklassifiziert“ betrachtet. Darüber hinaus gibt es in Afrika eine Reihe von unklassifizierten und hybriden Sprachen (Mischsprachen).
Hier sind „nur die lebenden Sprachen“ aufgeführt. Eine vollständige Übersicht über den heutigen Kenntnisstand – inklusive der ausgestorbenen, aber irgendwie überlieferten Sprachen – geben die angeführten Weblinks „Klassifikation der nord-, meso- und südamerikanischen Sprachen“ und der ArtikelSprachfamilien der Welt. WennJoseph Greenberg mit seiner Klassifikation deramerikanischen Sprachen in nur drei genetische Einheiten – Na-Dene, Eskimo-Aleutisch und Amerind – recht hätte, gäbe es keine isolierten amerikanischen Sprachen. Die vorliegende Darstellung beruht auf den heute allgemein anerkannten genetischen Gruppen Amerikas, wobei durchaus immer wieder Versuche unternommen werden, größere Einheiten nachzuweisen, in denen dann auch hier aufgeführte „isolierte“ Sprachen aufgehen können. Nach der heutigen Mehrheitsmeinung der Forscher ist Amerika (vor allem Südamerika) der Kontinent mit den meisten – teilweise auch recht großen – isolierten Sprachen.
Hinweis: Die Gruppen Hoka-Sprachen und Penuti-Sprachen werden hier nicht als genetische Einheiten betrachtet. (Vgl. L. Campbell:American Indian Languages (1997) und diverse andere aktuelle Quellen.)
Lyle Campbell:American Indian Languages. The historical Linguistics of Native America (=Oxford Studies in Anthropological Linguistics. Band 4). Oxford University Press, New York (NY) u. a. 1997,ISBN 0-19-509427-1.
Marianne Mithun:The Languages of Native North America. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1999,ISBN 0-521-23228-7.
Iker Salaberri, Dorota Krajewska, Ekaitz Santazilia, Eneko Zuloaga (Hrsg.):Investigating Language Isolates. Typological and Diachronic Perspectives. John Benjamins, Amsterdam & Philadelphia u. a. 2025,ISBN 978-90-272-1899-5,doi:10.1075/tsl.135
↑Helmut Rix:Rätisch und Etruskisch (= Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft, Vorträge und kleinere Schriften, 68). Institut für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck, Innsbruck 1998.ISBN 3-85124-670-5.)
↑Paul Kretschmer:Pelasger und Etrusker. In:Glotta 11 (1921), S. 276–285.
↑Benon Zbigniew Szałek:Eteocretan, Linear A, Etruscan, Lemnian, Carian, Eteocypriot and Related Problems in the Light of Heuristics and Cryptology (A Research Report), S. 148–151. Privatdruck, Szczecin 2008.
↑Václav Blažek:On the North Picenian Language. In:Talanta XL–XLI (2008–2009), S. 173–180.
↑G. Herbig:Novilara - B. Sprache. In:Ebert's Reallexikon der Vorgeschichte 9, 1927, S. 129.
↑John Harkness:The Novilara Stele Revisited. In:Journal of Indo-European Studies. Band 39, Nr. 1–2, Frühling/Sommer 2011, S. 13–32.
↑Rossella Martini: Ipotesi su due stele de Novilara. simplesite.com, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Februar 2018; abgerufen am 23. Januar 2023 (italienisch).
↑V. Belfiore, L. Sefano, N. Alessandro:Novilara Stelae. A Stylistic, Epigraphical, and Technological Study in a Middle Adriatic Epigraphical and Sculptural Context. Bonn: Habelt, 2021
↑Katherine Forsyth:Language in Pictland, Spoken and Written. In: E. H. Nicoll, Katherine Forsyth (Hrsg.):A Pictish Panorama. The Story of the Picts. S. 7–10. Pinkfoot Press, 1995,ISBN 1-874012-10-5.
↑Jürgen Untermann:Die vorrömischen Sprachen der iberschen Halbinsel. Wege und Aporien bei ihrer Entzifferung (= Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G 375). Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2001,ISBN 3-531-07375-3
↑John T. Koch:Tartessian. Celtic in the South-West at the Dawn of History. Celtic Studies Publications, Aberystwyth 2009,ISBN 978-1-891271-17-5.