Brechwurzel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet vonIpecacuanha)
Zur Navigation springenZur Suche springen
Brechwurzel

Brechwurzel (Carapichea ipecacuanha), Illustration

Systematik
Ordnung:Enzianartige (Gentianales)
Familie:Rötegewächse (Rubiaceae)
Unterfamilie:Rubioideae
Tribus:Psychotrieae
Gattung:Carapichea
Art:Brechwurzel
Wissenschaftlicher Name
Carapichea ipecacuanha
(Brot.)L.Andersson
Illustration von Ipecacuanha;
man sieht die zwei distylen Blüten

DieBrechwurzel oderBrechwurz (Carapichea ipecacuanha), auchRuhrwurzel,Speiwurzel,Kopfbeere genannt, ist einePflanzenart in der Familie derRötegewächse (Rubiaceae). Sie ist auch unter ihrem portugiesischenTrivialnamenIpecacuanha oder spanischIpecacuana bekannt. Ihr „Wurzelstock“ (Radix Ipecacuanhae) wird in der Medizin verwendet, um Ipecacuana-Sirup – ein starkesBrechmittel – herzustellen.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Die Brechwurzel wächst alsimmergrüner kleinerHalbstrauch oder alsausdauernde krautige Pflanze bis auf Wuchshöhen von etwa 40–50 Zentimetern. Am Wurzelstock werden viele Wurzeln gebildet, die von einer dicken, geringelten, eingeschnürten Rinde umgeben sind. Es wird meist ein einzelner, kurzer Stamm oder Stängel gebildet, der nur im oberen Bereich beblättert ist. Die gegenständig angeordneten, einfachen und kurz gestieltenLaubblätter sind in Blattstiel und -spreite gegliedert. Die einfache, ledrige und dunkelgrüne Blattspreite besitzt einen ganzen Rand. Sie ist eiförmig bis verkehrt-eiförmig oder elliptisch, bespitzt bis spitz und oberseits rau und unterseits weich behaart bis kahl.[1] An der Basis jeden Blattpaares befinden sich zwei langfransigeNebenblätter.[2]

In endständigen und köpfchenförmigen Blütenständen (dichte Rispen, Zymen), die von vier großen, eiförmigenTragblättern umgeben sind, stehen die Blüten mit kleinen Deckblättern zusammen. Die zierliche, kleine, vier- oder fünfzählige, süßlich, aromatischeBlüte mit doppelterBlütenhülle ist zwittrig, trichterförmig und besitzt eine weiße Farbe. Der Kelch ist nur minimal ausgebildet, mit winzigen Zähnchen. Es sind 4–5Staubblätter mit pfeilförmigen Antheren oben am behaarten Schlund vorhanden. DerFruchtknoten ist unterständig, mit einem schlankenGriffel mit zwei Narbenästen. Staub- und Fruchtblätter sind dimorph bzw.heterostyl, das bedeutet, dass bei einigen Blüten die Staubblätter lang sowie dieStempel kurz sind und bei den anderen Blüten ist es umgekehrt.[2] Die erst purpurrote, später blauschwarze, rundliche und glatte, zweikammerige, ein-, zweisamige, beerenartigeSteinfrucht mit Kelchresten ist fleischig und bis 12 Millimeter lang.

Verbreitung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Die Brechwurzel kommt in den tropischen TieflandregenwäldernMittel- und Südamerikas vonNicaragua bisBrasilien vor.[3] Sie wächst langsam, so dass sie für eine Plantagenkultur eigentlich nicht geeignet ist. Gelegentlich ist sie jedoch in Südamerika, aber auch in Indien in Kultur genommen worden. Fundorte gibt es inCosta Rica, im südöstlichen Nicaragua,Panama,Kolumbien sowie inEcuador (nur in Napo) und in Brasilien.[4]

Verwendung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

In der Medizin wird der „Wurzelstock“ (Radix Ipecacuanhae) verwendet, der sich einige wenige Male verzweigt. Auf dem Markt werden verschiedene Sorten angeboten (grau, rot, braun), die von derselben Art stammen. Unterschiede im Aussehen gehen auf das Alter und die Bewässerung zurück. Es sind verschiedeneIpecacuanha-Alkaloide enthalten.

Jean Adrien Helvétius (1661–1727) wandte dieDroge bereits 1680 beiDysenterie an. Da lautTheodor Husemann die Wirksamkeit nur bei tropischer Dysenterie vorliegt, wurde sie danach alsEmetikum verwendet. Als schließlich dasApomorphin entdeckt wurde, das eine höhere emetische Wirksamkeit zeigt, ersetzte es die Brechwurzel.[5] Ipecacuana ist sehr giftig und kann zu blutigen Durchfällen und Krämpfen bis zum Schock bzw. Koma führen. Es enthält die AlkaloideEmetin undCephaelin. Aus der Brechwurzel bereitete Medikamente sind in Deutschland verschreibungspflichtig.

Ipecacuanha wurde danach noch alsExpektorans verwendet. Das enthaltene Emetin wurde 1817 vonPierre-Joseph Pelletier undFrançois Magendie isoliert undT. Gordonoff zeigte mittelsRöntgenkontrastmittel in derTrachea die Unterschiede zwischen dersekretomotorischen undsekreotolytischen Expektoranswirkung.[5] Als Darreichungsform wurde einSirup gewählt, z. B. der Brechwurzelsirup (Sirupus Ipecacuanhae) aus der 6. Ausgabe des deutschen Arzneibuchs (DAB 6).

In Deutschland wurde Ipecacuanha Menschen verabreicht, die desDrogenhandels verdächtigt wurden.[6] Damit solltenBeweismittel sichergestellt werden, die durch Verschluckenversteckt werden können. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Ipecacuanha starben dabei wenigstens zwei Menschen. Im Jahr 2001 starb der herzkrankeAchidi John nach Brechmittelgabe durch die Polizei. Diese Methode wurde dabei insbesondere in Hamburg, Bremen und Berlin regelmäßig eingesetzt.[7]

Pflanzenarten mit ähnlicher Verwendung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Auf dem Markt finden sich auch zahlreiche Ersatzmittel für die Brechwurzel:[8][9][10][11][12][13][14] Sie werden teils mit der portugiesischen Bezeichnung ähnlichem Namen (Ipecac, Ipecacuanha) geführt.

Geschichtliches und Namensgebung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

In Europa erstmals bekanntgemacht wurde die Ipecacuanha-Wurzel Ende des 16. Jahrhunderts durch einen portugiesischen Jesuiten, der die Brechwurz in Brasilien entdeckt hatte.[15] 1648 wurde die Brechwurz vonWillem Piso undGeorg Marggraf genauer beschrieben und als Mittel gegen die Ruhr gerühmt.[16] 1672 wurden die ersten Proben durch den Arzt Legras nach Paris gebracht und nach 1680 durchJean Adrien Helvétius erfolgreich als Geheimmittel gegen blutigen Durchfall verordnet. Nachdem auch der französischeKönig durch dieses Mittel geheilt wurde, eröffnete Helvétius 1688 den Namen des Geheimmittels und erhielt dafür eine Belohnung von 1000Louis d’or.[17][18] Zu den Erforschern der medizinischen Bedeutung der Wurzel (Radix Ipecacuanha[19]) gehörte im 19. Jahrhundert der tschechische PhysiologeJan Evangelista Purkyně.[20]

DasArtepithetonipecacuanha und dieTrivialnamen stammen aus derTupi-Sprache, in deri-pe-kaa-guéne so viel bedeutet wie „Pflanze vom Wegesrand, die krank macht“.[8]

Weitere Trivialnamen sind unter anderem: „Kolumbianische Brechwurzel“ (Cartagena- oderPanama-Ware), „Brasilianische Brechwurzel“ (Rio- oderMato-Grosso-Ware). Weitere Bezeichnungen aus der Umgangssprache lauten „Ipecac“ oder „Brasilianische Wurzel“.[21]

Taxonomie

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

DieErstveröffentlichung dieser Art erfolgte 1802 unter dem Namen (Basionym)Callicocca ipecacuanha durchFelix de Silva Avellar Brotero inTransactions of the Linnean Society of London, 6, S. 137–141, Tafel 11. Die GattungCarapichea wurde 2002 durchBengt Lennart Andersson inRe-establishment ofCarapichea (Rubiaceae, Psychotrieae), in:Kew Bulletin, Volume 57, 2002, S. 363–374 reaktiviert, seither heißt diese ArtCarapichea ipecacuanha. WeitereSynonyme fürCarapichea ipecacuanha(Brot.) L.Andersson sind:Cephaelis acuminataH.Karst.,Cephaelis ipecacuanha(Brot.) Tussac,Cephaelis ipecacuanha(Brot.) A.Rich.,Psychotria ipecacuanha(Brot.) Stokes,Evea ipecacuanha(Brot.) Standl.,Uragoga acuminata(H.Karst.) Farw.,Uragoga ipecacuanha(Brot.) Baill.[4][22]

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Commons: Brechwurzel (Carapichea ipecacuanha) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Brechwurzel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. R. Bentley, T. Redwood:Dr. Pereira's Elements of Materia Medica and Therapeutics. 1874, S. 702–707.
  2. abJohn Uri Lloyd:Cephaelis Ipecacuanha, Engelhard, 1897PDF.
  3. Carapichea ipecacuanha. In:POWO =Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew:Kew Science, abgerufen am 2. Juni 2020.
  4. abCarapicheaipecacuanha imGermplasm Resources Information Network (GRIN),USDA,ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland.
  5. abWolf-Dieter Müller-Jahncke,Christoph Friedrich, Ulrich Meyer:Arzneimittelgeschichte. 2., überarb. und erw. Auflage. Wiss. Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2005,ISBN 3-8047-2113-3,S. 184. 
  6. Hamburg zieht Schlussstrich unter Brechmitteleinsatz. Abgerufen am 9. September 2021. 
  7. Kai von Appen:Brechmitteleinsatz in Hamburg: Der Tod des Achidi John. In:Die Tageszeitung. 30. April 2010,ISSN 0931-9085 ([1] [abgerufen am 9. September 2021]). 
  8. abIpecacuanha bei Botanical.com („Home of the electronic version ofA Modern Herbal by Maud Grieve, originally published in 1931“).
  9. Theodor Wilhelm Christian Martius:Grundriss der Pharmakognosie des Pflanzenreiches. Palm und Enke, 1832, S. 44–49.
  10. R. N. und I. C. Chopra:Indigenous Drugs Of India. Second Edition, Academic Pub., 1933, 1958,ISBN 81-85086-80-X (Reprint), S. 229 ff.
  11. Heinrich Reich:Die Ipecacuanha: Pharmakognostisch-chemische Abhandlung. Deistung, 1863.
  12. Hagers Handbuch der Pharmaceutischen Praxis. 2. Band, 1910 und 5. Auflage, Drogen:A–D 1992.
  13. P. H. List, L. Hörhammer (Hrsg.):Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. 4. Auflage, 3. Band:Chemikalien und Drogen (Am–Ch)., Springer, 1972,ISBN 3-642-80563-9, S. 797–810.
  14. Ferdinand Ludwig Strumpf:Systematisches Handbuch der Arzneimittellehre. Band 2, Enslin, 1855, S. 134–174.
  15. Wolf-Dieter Müller-Jahncke:Brechwurzel. In:Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage,Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.):Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005,ISBN 3-11-015714-4, S. 207.
  16. Willem Piso, Georg Marggraf:Historia naturalis Brasiliae in qua non tantum plantae et animalia, sed et indigenarum morbi, ingenia et mores describuntur et iconibus supra quingentas illustrantur. Lugdun. Batavorum: Apud Franciscum Hackium; et Amstelodami: Apud Lud. Elzevirium 1648, S. 101(Digitalisat).
  17. Theodor Husemann:Handbuch der gesamten Arzneimittellehre. 2. Aufl., Springer, Berlin 1883, Band II, S. 582–589(Digitalisat).
  18. Köhler’s Medizinal-Pflanzen. Gera 1887, Band II, No. 105(Digitalisat).
  19. Vgl.Martin Münz:Dissertatio de Cortice Peruviano, et Radice Ipecacuanhae eorumque surrogatis. Medizinische Dissertation Landshut 1810.
  20. J. E. Purkinje:Relation über einige Versuche zur Ausmittlung der Brechen erregenden Eigenschaft verschiedener Präparate der Ipecacuanha-Wurzel. In:Das chemische Laboratorium an der k. k. Universität zu Prag. 1820, S. 149–156.
  21. Ipecacuanha bei Henriette’s Herbal Homepage, zitiert Harvey Wickes Felter:The Eclectic Materia Medica, Pharmacology and Therapeutics (1922).
  22. Carapichea ipecacuanha bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Brechwurzel&oldid=242275515
Kategorien: