Ionisation
Ionisation heißt jeder Vorgang, bei dem aus einemAtom oderMolekül ein oder mehrereElektronenentfernt werden, sodass das Atom oder Molekül alspositiv geladenesIon (Kation) zurückbleibt. Der umgekehrte Vorgang, bei dem ein Elektron von einem positiv geladenen Atom oder Molekül eingefangen wird, wird alsRekombination bezeichnet.[1]
Eine weitere Form der Ionisation, die vor allem in der Chemie relevant ist, ist dieAnlagerung von Elektronen an ein neutrales Atom oder Molekül, sodass einnegativ geladenes Ion (Anion) entsteht. Ebenfalls kannchemische Ionisation durch Anlagerung von Ionen (Protonen, Kationen, Anionen) erfolgen, z. B. in derMassenspektrometrie.[2]
Wird der Kern eines Atoms aus der Elektronenhülle hinausgestoßen – z. B. durch ein schnellesNeutron – wird er dadurch ebenfalls zu einem Ion. Jedoch ist für diesen Vorgang die Bezeichnung Ionisation nicht üblich.
In der Literatur finden sich auch Formulierungen wie„Säuren, die bei Ionisierung schwachnucleophile Anionen liefern – wie z. B. HSO4− aus H2SO4 –, lassen sich in […].“[3] So kann in einem weiteren Sinn auch die Abspaltung eines Protons in einer Säure-Base-Reaktion unter dem Begriff Ionisation subsumiert werden.
Mechanismen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zur Ionisation können verschiedene Prozesse führen:
- Ionisierende Strahlung (dazu zählen hier z. B. auch beschleunigte Elektronen in einerThyratron-Röhre) kann durchStoßionisation Elektronen aus ihrer Bindung „herausschlagen“. Die freigesetzten Elektronen können bei genügender Energie ihrerseits weiter ionisieren. Bei genügend hoher Temperatur kann durch ein Elektron, Ion oder auch neutrales Atom infolge seiner ungeordneten Temperaturbewegung auch eine Stoßionisation ohne zusätzliche Beschleunigung von Teilchen erfolgen.[1]
- Bei derFeldionisation werden Elektronen durch ein genügend starkeselektrisches Feld aus ihrer Bindung gelöst.[2]
- Hochangeregte Atome können durchAutoionisation selbstständig in einen ionisierten Zustand übergehen. Bei der Feldionisation handelt es sich im Wesentlichen um einen Prozess der Autoionisation, d. h., ein hochangeregtes Atom oder Molekül verliert spontan ein Elektron, ohne dass es zu einer weiteren Wechselwirkung mit der Energiequelle kommt.[2]
- Thermodynamische Ionisation findet in Gasen bei ausreichend hoherTemperatur statt. Gasteilchen werden ionisiert durch thermodynamische Stoßprozesse mit ausreichenderkinetischer Energie (der beiden Stoßpartner), größer als dieIonisationsenergie. Die Ionisationsrate von atomaremWasserstoff liegt in einerSternatmosphäre für eine Teilchen-Anzahldichte vom 1020/m³ und für Temperaturen T≈10000K bei ca. 50 %[4]. Dieses Verhalten wird mit derSaha-Gleichung beschrieben. Bei Normaldruck (von ca. 1 bar) beginnt in Gasen bereits ab Temperaturen T>1000 °C die Bildung von ionisierten,elektrischen Ladungsträgern.
- Photoionisation wird verursacht durch Interaktion vonLicht (durchPhotonen mit ausreichender Energie) mit einemAtom oderMolekül. Das dafür erforderliche Licht hat eine Mindest-Frequenz (siehePhotoelektrischer Effekt) meist im Bereich derUltraviolettstrahlung oder darüber. Dieser Prozess findet unter anderem in der Natur in derErdatmosphäre in großen Höhen oberhalb derTroposphäre statt. Es wird z. B.Ozon gebildet.
Symbolische Schreibweisen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zur Beschreibung des Stoßionisationsprozesses werden häufig – analog der Schreibweise beiKernreaktionen – Symbole wie (e,2e), (e,3e), (γ,2e) etc. benutzt. Hierbei steht das erste in der Klammer stehende Zeichen für das Projektil. Nach dem Komma stehen die produzierten freien Teilchen (zusätzlich zum ionisierten Atom und einschließlich des Projektils, sofern dieses nicht – wie im Falle desPhotons – absorbiert wird). „2e“ bedeutet zum Beispiel, dass zwei freie Elektronen das Atom verlassen. Bei (e,2e) wird also durch Zusammenstoß eines Elektrons mit einem Atom ein einfach ionisiertes Atom erzeugt, bei (γ,2e) wird durch Wechselwirkung eines Photons mit einem Atom ein doppelt ionisiertes Atom produziert.
Ionisationsenergien
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Für alle Ionisationsprozesse gilt, dass zur Trennung des Elektrons vom Atom oder Molekül Energie aufgebracht werden muss (Ionisationsenergie). Im vorangegangenen Abschnitt wurden mögliche Quellen für diese Energie genannt. Ionisationsenergien liegen typischerweise in der Größenordnung mehrererElektronenvolt (BeispielArgon imGrundzustand: 15,7 eV).[2] Ionisationsenergien sind abhängig vom zu ionisierenden Material und dessen aktuellem Anregungszustand. So wird es zunehmend schwieriger, bereits ionisierteAtome oderMoleküle weiter zu ionisieren. Die Ionisierungsenergie steigt mit jedem zu entfernenden Elektron aus der Elektronenschale exponentiell an.
Plasma
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Plasma ist Materie mit einem ausreichend hohen Anteil an freien Ionen und Elektronen, also hoher Ionisation. Dabei beschränkt sich diese qualitative Definition nicht aufGase mit geringer Dichte, sondern schließt auch komprimierte Materie mit den Eigenschaften einer Flüssigkeit mit ein. Bei Gasen unterscheidet man zwischenNieder-,Atmosphären- undHochdruckplasmen. Nahezu die gesamte sichtbareMaterie imUniversum ist mehr oder weniger stark ionisiert.[5]
Anwendungsbeispiele
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MittelsIonisatoren ionisierte, also elektrisch leitfähige Luft wird bei der Verarbeitung von Produkten verwendet, die sich elektrostatisch aufladen können, z. B. Folien- oder Papierrollen. Durch die Leitfähigkeit der Luft wird die Ladung abgebaut und so Gefahren des Funkenschlags und das Anziehen unerwünschter Staubpartikel beseitigt. Auch der Transport wird erleichtert.
Niveau des Ionengehaltes in natürlichen Umgebungen und in Innenräumen:
- In unmittelbarer Nähe zu Wasserfällen 20.000–70.000 Ionen/cm³
- Im Gebirge oder in Meeresnähe 4.000–10.000 Ionen/cm³
- Am Stadtrand, auf Wiesen und in Feldern 1.000–3.000 Ionen/cm³
- Innerstädtische Parkanlagen 400–600 Ionen/cm³
- In der Stadt undAgglomeration 200–500 Ionen/cm³
- In belüfteten oder klimatisierten Räumen 10–100 Ionen/cm³“[6]
Diese Ionenkonzentrationen werden mit einem Ionometer gemessen. Hierbei kann die Polarität und die jeweilige Konzentration der Ionen bestimmt werden. Meist ist in der Natur das Verhältnis der natürlichen Polarität der Ionen ausgeglichen, mit einer leichten Tendenz zu mehr positiv geladenen Ionen. Die Ionenkonzentration hängt von der geologischen Beschaffenheit, der geographischen Lage und den Wetterbedingungen ab.
Ionisierte Luft wird zum Beispiel in derLebensmittelindustrie bei derPasteurisation von Bier und anderen Getränken eingesetzt. In der Getränkeabfüllung wird vor Füllbeginn die Flasche mit ionisierter Luft ausgeblasen, um Mikroorganismen abzutöten.
Ionisierende Strahlung wird bei industriellerSterilisation (z. B. von medizinischen Einwegartikeln, zum Töten von Insekten, Inaktivierung von Enzymen) benutzt.[7] In Krankenhäusern hat diePlasmasterilisation dieGassterilisation weitgehend abgelöst.[8]
Schadwirkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Durch die Ionenerzeugung bei direkter oder indirekter Ionisation entstehen in manchen FällenRadikale, die zu chemischen Reaktionen und u. a. zur Bildung vonOzon, Stickoxiden und anderen Schadstoffen führen. Ozon kann die menschlichen Atmungsorgane beeinträchtigen und fördertKorrosion. Die direkte Ionisation (hauptsächlich von Wassermolekülen) im menschlichen Körper durch Strahlung führt zur Bildung von H+ und OH−-Radikalen, die organische Moleküle angreifen.[9][10]
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Ionisationsgerät,Ionisationsröhre,Ionenstrahlung,Ionisierende Strahlung,Ionenquelle,Ionisator
- Autoionisation
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Datenbank für Ionisationsenergien
- Ionisation
- Lösungen für die Industrie: Ionisation und Absaugung, Artikel in Elektronikpraxis:"Barrierefreier ESD-Schutz in neuen Dimensionen"
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abWolfgang Karl Ernst Finkelnburg:Einführung in die Atomphysik. Springer-Verlag, 2013,ISBN 978-3-662-28827-6,S. 20 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑abcdJürgen H. Gross:Massenspektrometrie - Ein Lehrbuch. Springer-Verlag, 2012,ISBN 978-3-8274-2981-0,S. 384 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑P. Sykes:Wie funktionieren organische Reaktionen?: Reaktionsmechanismen für Einsteiger. Wiley-VCH Verlag, 2001, S. 89.
- ↑http://www.astro.wisc.edu/~townsend/resource/teaching/astro-310-F09/hydrogen-ionization.pdf
- ↑Ulrich Stroth:Plasmaphysik Phänomene, Grundlagen, Anwendungen. Springer-Verlag, 2011,ISBN 978-3-8348-8326-1,S. 2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑Hochschule Luzern –ionisierte Luft im Innenraum (PDF-Datei), ausgegeben im Januar 2013, S. 19, abgerufen am 6. Juni 2013.
- ↑Heinz M. Hiersig:Lexikon Produktionstechnik Verfahrenstechnik. Springer-Verlag, 2013,ISBN 978-3-642-57851-9,S. 85 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑Rainer Klischies, Ursula Panther, Vera Singbeil-Grischkat:Hygiene und medizinische Mikrobiologie. Lehrbuch für Pflegeberufe; mit 62 Tabellen. Schattauer Verlag, 2008,ISBN 978-3-7945-2542-3,S. 207 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑Holger Luczak:Arbeitswissenschaft. Springer-Verlag, 2013,ISBN 978-3-662-05831-2,S. 328 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑Thomas J. Vogl, Wolfgang Reith, Ernst J. Rummeny:Diagnostische und interventionelle Radiologie. Springer-Verlag, 2011,ISBN 978-3-540-87668-7,S. 12 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).