
Eineinertiale Messeinheit (englischinertial measurement unit,IMU) ist eine räumliche Kombination mehrerer Inertialsensoren wieBeschleunigungssensoren undDrehratensensoren. Sie stellt die sensorische Messeinheit einesTrägheitsnavigationssystems (englischInertial Navigation System,INS) dar.[1] Anwendungen von IMUs liegen unter anderem beiFlugzeugen undRaketen zurFlugnavigation. In Schiffen, in derRobotik sowie bei derBildstabilisierung dienen sie zur Bewegungsdetektion. BeiLenkflugkörpern undunbemannten Luftfahrzeugen (UAVs) dienen sie auch der regelungstechnischen Stabilisierung des Fluggerätes im Raum.
Bei Motorrädern liefert die IMU weitere Grundlagen für die Interpretation des fahrdynamischen Zustands durch die Bordelektronik. Somit können elektronische Fahrwerke, Motorsteuerung, Hinterradabhebeschutz oder das ABS präziser arbeiten, auch in Abhängigkeit von Schräglage sowie von Beschleunigung und Nickbewegung in/gegen Fahrtrichtung, jeweils relativ zur Gravitationsgeraden.
Entsprechend genaue und langzeitstabile inertiale Messeinheiten sind wesentliche Bestandteile der Trägheitsnavigationssysteme vonLangstreckenraketen oderMarschflugkörpern und unterliegen oftmals Handelsbeschränkungen und Ein- beziehungsweise Ausfuhrbeschränkungen.
Zur Erfassung der sechs möglichen kinematischenFreiheitsgrade verfügt eine IMU über drei jeweils aufeinanderorthogonal stehende Beschleunigungssensoren (Translationssensoren) für die Erfassung der linearen Bewegung in x-, y- und z-Achse und drei orthogonal zueinander angebrachten Drehratensensoren (Gyroskopische Sensoren) für die Erfassung rotierender (kreisförmiger) Bewegungen um x-, y- und z-Achse. Eine inertiale Messeinheit liefert als Messwerte drei lineareBeschleunigungswerte für die translatorische Bewegung und dreiWinkelgeschwindigkeiten für die Drehraten. In einem Trägheitsnavigationssystem (INS) wird aus den Messwerten der IMU für die lineare Beschleunigungen, nach Kompensation derErdbeschleunigung, durchIntegration die lineare Geschwindigkeit und nochmalige Integration die Position im Raum bezogen zu einem Referenzpunkt ermittelt. Die Integration der drei Winkelgeschwindigkeiten liefert, bezogen zu einem Referenzpunkt, die Orientierung im Raum.
Zum Bestimmen derIntegrationskonstanten, zur Verbesserung der Genauigkeit und um dieNullpunkt- undLangzeitdrift der oben genannten Sensoren zu korrigieren, werden bei manchen IMUs zusätzlicheMagnetometer (Magnetfeldsensoren) undGNSS-Sensoren integriert.
Inertiale Messeinheiten lassen sich in der Art des Aufbaus in zwei große grundlegende Gruppen unterteilen:[1]
IMUs mit stabiler Plattform (englischStable platform) sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Inertialsensoren im Inneren auf einer im Raum stabilisierten Plattform untergebracht sind. Dieser Aufbau ist denKreiselinstrumenten nachempfunden und stellt auch die ältere Bauform von IMUs dar. Die stabilisierte Plattform ist dabei über einekardanische Aufhängung frei im Raum bewegbar und wird in den Aufhängungen über drei Stellmotoren so bewegt, dass äußere Drehbewegungen kompensiert werden. Die Stellmotoren werden so bewegt, dass die Drehratensensoren ein minimales Signal liefern, zugleich ist die Stellgröße der Motoren ein Ausdruck für die Orientierung. Der Vorteil besteht daran, dass die ebenfalls auf der stabilisierten Plattform untergebrachten Beschleunigungssensoren, nach Korrektur um den Wert derErdbeschleunigung, direkt als Sensorsignal die lineare Beschleunigungsinformation der translatorischen Bewegung liefern. Der Nachteil dieses Messaufbaus ist der mechanisch komplexe und empfindliche Aufbau und die Problematik hochdynamische Antriebssysteme für die kardanische Aufhängung zu benötigen.

Strapdown-IMUs sind dadurch gekennzeichnet, dass die Inertialsensoren fest mit dem äußeren Rahmen verbunden sind. Es sind je drei Sensoren für die Drehraten und Beschleunigungen bezogen auf die drei IMU-Achsen verbaut. Im einfachen Fall einer linearen Bewegung in genau einer dieser Achsen ließe sich die aktuelle Position durch zweifaches Aufintegrieren der mit geeigneter Abtastrate laufend zu messenden Beschleunigung in Bewegungsrichtung vergleichsweise einfach berechnen.[2] Im allgemeinen Fall dagegen liefern die Beschleunigungssensoren nicht nur bei linearen Beschleunigungen ein Signal, sondern weisen auch einen Signalanteil zufolge der Rotationsbewegung auf, welcher zur Bestimmung der translatorischen Beschleunigungswerte kompensiert werden muss. Dazu ist es notwendig, die Sensorsignalwerte der drei Rotationssensoren zu integrieren und die so gewonnene Information über die Orientierung im Raum zur Berechnung der linearen Beschleunigungswerte aus den Messwerten der Beschleunigungssensoren zu verwenden. Erst nach diesem Berechnungsschritt kann bei den Beschleunigungswerten die Kompensation um den Wert der Erdbeschleunigung erfolgen. Dieser Algorithmus nennt sich Strapdown-Algorithmus.
Der Vorteil von Strapdown-IMUs ist der Entfall der mechanisch aufwändigen kardanischen Aufhängung und deren Ansteuerung. Damit sind im Aufbau wesentlich kompaktere IMUs realisierbar. Bei geringen Anforderungen an die Genauigkeit und Langzeitstabilität sind nach diesem Typ auch kostengünstige IMUs für Anwendungen wie der Flugstabilisierung vonFlugmodellen verfügbar.
Je nach Anforderung an die Genauigkeit und Langzeitstabilität finden verschiedene Typen von Inertialsensoren Anwendung, die Genauigkeit der verwendeten Inertialsensoren wirkt sich deutlich auf die Genauigkeit eines inertialen Messsystems aus.[3]
Die in IMUs eingesetzten Drehratensensoren sind, bei hohen Anforderungen an die Genauigkeit und Stabilität, optische Systeme. Sie sind entweder realisiert alsFaserkreisel (englischfibre optic gyroscope, FOG) oder alsLaserkreisel (Ringlaser,englischring laser gyroscope, RLG).
Bei geringen Stabilitätsanforderungen finden mikro-elektro-mechanische Systeme (MEMS) Anwendung, welche den Vorteil bieten sich direkt inintegrierten Schaltkreisen realisieren zu lassen und den Aufbau sehr kompakter IMUs erlauben. Allerdings ist die Langzeitstabilität um mehrere Größenordnungen schlechter als bei optischen Systemen: So beträgt beispielsweise die Drift bei einem in Waffensystemen eingesetzten Laserkreiselsystem 0,0035° pro Stunde. Bei einem MEMS-basierenden Drehratensensor auf Halbleiterbasis liegt die Drift bei ca. 70° pro Stunde.[1]
Die in IMUs eingesetzten Beschleunigungssensoren richten sich ebenfalls nach der nötigen Genauigkeit und Langzeitstabilität. Üblich sind unter anderempiezoelektrische Beschleunigungssensoren basierend aufQuarzstäben, welche durch die Beschleunigung gering gebogen werden und einen elektrischenSchwingkreis gering verstimmen. Weiter existieren zur Messung der Beschleunigung mikro-elektro-mechanische Systeme (MEMS), welche sich wie bei den Drehratensensoren direkt in integrierten Schaltkreisen realisieren lassen.