

ISOLDE (englischIsotopeSeparatorOnLineDEvice) ist eine seit 1967 betriebene Einrichtung zur ErzeugungradioaktiverIonenstrahlen, die seit 1992 amProton Synchrotron Booster (PSB) desCERN beheimatet ist. Mit demProtonenstrahl des PSB können in speziellen erhitzten Materialien (Targets) eine Vielzahl radioaktiverNuklide von 70chemischen Elementen erzeugt werden. Diese werden – nachdem sie aus denTargets austreten – auf unterschiedliche Weiseionisiert, beschleunigt und mittels Magneten aufgrund ihrer unterschiedlichen Massen getrennt. Über 700 unterschiedliche Ionenstrahlen mit teilweise über 1010 Ionen pro Sekunde können so erzeugt und mehreren Experimenten derAtom- undKernphysik sowie derMaterial- undBiowissenschaften zur Verfügung gestellt werden.[1]
ISOLDE war die erste Anlage dieser Art und Prototyp für weitere, die nach dem verwendeten Prinzip als ISOL-Einrichtungen bezeichnet werden. Zu den bedeutenden Ergebnissen während ihres nahezu 50-jährigen Betriebes zählen Erweiterungen derNuklidkarte. Mit einer Vielzahl von Experimenten wurde das Verständnis der Atom- und Kerneigenschaften erweitert,Halokerne und exotische Zerfälle untersucht und Beiträge zur NuklearenAstrophysik,Festkörperphysik undNuklearmedizin erbracht.Klaus Blaum,Björn Jonson undPiet Van Duppen erhielten für Forschungen an der ISOLDE-Einrichtung 2020 denLise-Meitner-Preis.
Erste erfolgreiche Experimente zur kontinuierlichen Erzeugung und Trennung kurzlebiger radioaktiver Nuklide wurden Anfang der 1950er-Jahre amNiels-Bohr-Institut inKopenhagen unterOtto Kofoed-Hansen durchgeführt. Dabei wurde einZyklotron mit einem Isotopen-Separator kombiniert. Diese Technik eröffnete neue Forschungsmöglichkeiten und motivierte europäische Kernphysiker Anfang der 1960er-Jahre, die Errichtung einer Anlage amSynchro-Zyklotron (SC) des CERN vorzuschlagen. Nach Abschluss der Planungen und der endgültigen Genehmigung durch den damaligen CERN-GeneraldirektorVictor Weisskopf Ende 1964 wurde im Folgejahr der Bau begonnen. Dabei wurden die unterirdische Anlage am CERN und der Isotopen-Separator an derUniversität Aarhus gebaut. Am 16. Oktober 1967 konnte das erste Experiment an der ISOLDE genannten Einrichtung durchgeführt werden. In den ersten Jahren konnten mehrere neue Isotope der ElementeKrypton,Xenon,Quecksilber undRadon identifiziert werden; eine erste Veröffentlichung erschien 1969.[2]
Zwischen 1972 und 1974 waren durch die Erhöhung der Intensität des 600 MeV-Protonenstrahls des SC erste größere Veränderungen bei ISOLDE nötig. Nun wurde mit der 100-fach größeren Intensität des Protonenstrahls an denTargets gearbeitet, wodurch die Anzahl und Intensität der Ionenstrahlen erhöht werden konnte. Anfang der 1980er-Jahre erhielt ISOLDE ein weiteresTarget mit Separationsmagnet, wegen der begrenzten Räumlichkeiten wurde der Ionenstrahl in die Halle des SC geleitet, wo ein weiterer Experimentierbereich für ISOLDE entstand.[2]

Mit der absehbaren Stilllegung des SC wurde Ende der 1980er-Jahre über eine Verlegung von ISOLDE zu einem anderenTeilchenbeschleuniger nachgedacht; 1990 wurde entschieden, einen neuen Gebäudekomplex amProton Synchrotron Booster (PSB) des CERN zu errichten. Der SC lieferte seinen letzten Strahl im Dezember 1990, im Mai 1992 wurde der neue Standort von ISOLDE eingeweiht; am 26. Juni 1992 konnte das erste Experiment mit dem 1 GeV Strahl des Proton Synchrotron Booster durchgeführt werden.[2]
Seit 1994 kommt zur selektiven Ionisation dasLasersystem RILIS zum Einsatz, mit dessen Hilfe die gewünschten chemischen Elemente gezielt ionisiert werden können. Dies ermöglicht die Trennung vonisobaren Nukliden, was aufgrund der gleichen Masse durch den Separations-Magneten nicht möglich wäre.[3] Ende 2001 wurde mit REX-ISOLDE ein Nachbeschleuniger für die von ISOLDE mit einer maximalen Energie von 60 keV bereitgestellten Ionenstrahlen in Betrieb genommen, welcher die Ionen auf Energien von bis zu 2,2 MeV beschleunigte.[4] Die Energien konnten später auf bis zu 3,1 MeV erhöht werden und nach einem weiteren Umbau wurden 2017 Energien von bis zu 7,5 MeV erreicht. Diese als HIE-ISOLDE bezeichnete Ausbaustufe liefert seit August 2018 Energien von über 10 MeV.[5][6][7] Hauptnutzer dieser hochenergetischen Ionenstrahlen ist das ExperimentMINIBALL.[8] Für eine weitere Erhöhung der Energien und derLuminosität wird seit 2012 über die Installation einesSchwerionen-Speicherrings nachgedacht und der Umzug desTest Storage Ring (TSR) desMax-Planck-Institut für Kernphysik vonHeidelberg zu ISOLDE empfohlen, da dieser zukünftig durch denCryogenic Storage Ring (CSR) ersetzt wird.[9]
ISOLDE war die erste Anlage zur kontinuierlichen Erzeugung, Beschleunigung und Trennung kurzlebiger radioaktiver Nuklide. Sie war der Prototyp für weitere Anlagen, die nach dem verwendeten Prinzip als ISOL-Einrichtungen bezeichnet werden.[10] So entstanden unter anderem mit SPIRAL amGrand Accélérateur National d’Ions Lourds (GANIL) in Frankreich oder EXCYT amIstituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN) in Italien weitere Anlagen in Europa sowie in Nordamerika ISAC amTRIUMF und HRIBF amOak Ridge National Laboratory. Seit Ende der 1990er-Jahre liegt der Fokus zunehmend auf der Erhöhung der Energie und Intensität der erzeugten Ionenstrahlen und somit auch auf immer leistungsstärkerer Nachbeschleunigung. Vorreiter war hier die RIB-Einrichtung im belgischenLouvain-la-Neuve, gefolgt unter anderem von REX-ISOLDE, SPIRAL-II (zukünftiger Ausbau zu EURISOL) oder ISAC-II.[11] Die Alternative zu den ISOL-Einrichtungen sind die sogenanntenIn-Flight-Anlagen, bei denen dünne Targets mitSchwerionen aus entsprechenden Beschleunigeranlagen beschossen werden, an die sich die Separatoren direkt anschließen. Diese Technik ist besonders für sehr kurzlebige Nuklide geeignet, da die Schwerionen ihre Energie auf die erzeugten radioaktiven Ionen übertragen und diese die Separatoren in weniger als einer Mikrosekunde durchlaufen.[12]
| Target | TSchmelz in °C | TBetrieb in °C (max.) | Nuklide |
|---|---|---|---|
| FlüssigeMetalle | |||
| Ge | 937 | 1100 | 60–74Zn,64–75Ga |
| Sn | 232 | 1200 | 97–122Cd |
| La | 920 | 1400 | 115–128I,115–133Xe u. a. |
| Pb | 937 | 1100 | 177–207Hg |
| Feste Metalle | |||
| Ti | 1675 | 1600 | 37–46Ca,42–48Sc |
| Nb | 2470 | 2050 | 70–85Br,74–86Rb u. a. |
| Ta | 2996 | 2200 | viele |
| W | 3410 | 2200 | 8–10Li |
| Kohlenstoff undCarbide | |||
| C | >3600 | 1800 | 7, 10, 11Be |
| Al4C3 | (1400) * | 1200 | 20–24Na |
| SiC | (2300) * | 1200 | 17–23F,22–28Mg u. a. |
| ThC2 u. UC2 | 2450 | 2200 | viele |
| Oxide | |||
| MgO | 2800 | 1500 | 17–24Ne |
| SrO | 2450 | 1500 | 72–81Kr |
| ZrO2 | 2700 | 1850 | 56–71Cu,62–74Ga u. a. |
| CeO2 | 2600 | 1300 | 112–125Xe u. a. |
Die radioaktiven Nuklide werden mit dem Protonenstrahl des PSB – mit Energien von 1,0 oder 1,4 GeV – durchKernspaltung beziehungsweiseSpallation in einem mit dem Target-Material gefüllten Container erzeugt. Der Container ist typischerweise ein ausTantal bestehender Zylinder mit 20 cm Länge und 2 cm Durchmesser, dessenLängsachse horizontal entlang der Achse des Protonenstrahls ausgerichtet ist. Die in den Container eingebrachten Materialien wie feste (in Pulver- oder Folienform) und flüssigeMetalle,Carbide oderOxide, werden elektrisch auf bis zu 2500 °C erhitzt, um so ein effizientes und schnellesDiffundieren der erzeugten Nuklide aus dem Targetmaterial und anschließendem Austreten aus einer oben am Container angebrachten Öffnung zu gewährleisteten (in Abhängigkeit vom verwendeten Targetmaterial dauert dies circa 1 bis 30 s[14]).[13]
Die Öffnung ist durch einen Kanal(transfer line) mit der sogenanntenIonenquelle(ion source) verbunden. Der ebenfalls erhitzte Kanal besteht aus Materialien wie zum Beispiel Tantal,Kupfer oderQuarzglas, mit denen die erzeugten Nuklide nicht reagieren oder an ihnen haften bleiben. Nach dem Austritt werden die Nuklide in den Ionenquellen entweder durch den Kontakt mit heißen Metalloberflächen (Oberflächenionisation), durch Stoßionisation in einemPlasma (Plasmaionisation) oder den Beschuss mitPhotonen (resonante Laser-Ionisation) ionisiert.[13][14]
Die Ionen werden dann mittelsAblenkmagneten aufgrund ihrer unterschiedlichen Massen getrennt. Dem Grundprinzip nach entspricht das demAnalysator eines Massenspektrometers. Den Experimenten können ohne Nachbeschleunigung somit vier Ionenstrahlen hoher Reinheit mit Energien von bis zu 60 keV zur Verfügung gestellt werden (mitREX-ISOLDE Energien von größer 3 MeV). Dabei kommen zwei Separatoren mit jeweils eigenerTarget-Zone zum Einsatz; derGeneral Purpose Separator (GPS), welcher einen Ablenkmagneten besitzt und drei getrennte Ionenstrahlen liefert, sowie derHigh Resolution Separator (HRS) mit zwei Ablenkmagneten, welcher nur einen Ionenstrahl generiert.[13][14] Die aus Target und Ionenquelle bestehenden Einheiten sind in einem besonders abgeschirmten und gesicherten Bereich(Target-Zone) untergebracht und werden aufgrund der erzeugten Radioaktivität durch mobileIndustrieroboter gewechselt. Die benutzten Einheiten werden bis zum Abklingen derStrahlendosis auf ungefährliche Werte (circa ein Jahr) hinter Abschirmungen in den Zufahrtsgängen der Roboter zwischengelagert und während der Wartungsperioden entsorgt.[15][16]
Das Lasersystem RILIS (ResonanceIonizationLaserIonSource) dient der selektiven Ionisation von chemischen Elementen. Es besteht aus jeweils dreidurchstimmbarengepulstenFarbstofflasern undTitan:Saphir-Lasern, die durchNd:YAG-Laser gepumpt werden. MittelsFrequenzvervielfachung (SHG, THG, FHG) steht ein kontinuierlicherWellenlängenbereich von 210 nm bis 950 nm zur Verfügung. Die Pulsdauern liegen im Bereich von 7–35 ns, bei einer Frequenz von 10 kHz, wobei eine durchschnittliche optische Leistung von einigen Watt an den Ionenquellen erreicht wird, die sowohl zumGeneral Purpose Separator (GPS), als auch zumHigh Resolution Separator (HRS) geleitet werden kann.[17]
Die aus dem Transfer-Kanal austretenden Nuklide werden durch den Beschuss mitPhotonen genau abgestimmter Wellenlänge in mehreren Stufen ionisiert. Dabei werden die äußeren Elektronen in angeregteRydbergzustände gehoben und schließlich entfernt. Die Verweildauer der Nuklide in der Ionenquelle liegt bei circa 100 µs, worauf die Wiederholfrequenz der gepulsten Laser von 10 kHz abgestimmt ist. Durch die für jedes Element charakteristischenEnergieniveaus ist es möglich, nur gewünschte Elemente zu ionisieren – somit auchisobare Nuklide gezielt zu trennen – und daraus Ionenstrahlen hoher Reinheit zu erzeugen.[18]

Der seit 2001 installierte Nachbeschleuniger REX-ISOLDE(Radioactive BeamEXperiment) erhöht die Energie der Ionenstrahlen von 60 keV auf bis zu 3,1 MeV. Die Ionen werden zuerst in einerPenning-Falle gesammelt und zu Paketen(bunches) zusammengefasst. Dann werden sie durch einen sogenanntencharge breeder (dt. 'Ladungsbrüter') geleitet, in dem die einfach positiv geladenen Ionen durch Elektronenbeschuss auf einMasse-zu-Ladung-Verhältnis von kleiner 4,5 weiter ionisiert werden. Die Ionenpakete werden dann im Hauptteil der Anlage, einem mehrstufigen normalleitendenLinearbeschleuniger(LINAC) von 11 Meter Länge, beschleunigt. Der LINAC besteht aus einemHochfrequenzquadrupol-Resonator, der die Ionen auf 300 keV bringt, und mehreren nachgeschalteten Driftröhren-Kavitäten vomInterdigital H-type, die eine einstellbare Endenergie zwischen 1,2 und 3,1 MeV ermöglichen.[19]
Die Ausbaustufe HIE-ISOLDE(HighIntensity andEnergy) ist einsupraleitender LINAC, bestehend aus sechs Helium-gekühlten Modulen mit mehreren Quarter-Wave-Hohlraumresonatoren, wobei auch die Driftröhren-Kavitäten von REX-ISOLDE später durch diese ersetzt werden sollen. Die ersten zwei Module wurden 2016 in Betrieb genommen und liefern Ionenstrahlen mit Energien von bis zu 5,5 MeV. Mit der Fertigstellung von HIE-ISOLDE steht seit August 2018 eine Energie von über 10 MeV zur Verfügung.[5][6] Der gesamte LINAC-Komplex (REX- und HIE-ISOLDE) wird sich durch den Ausbau auf über 25 Meter verlängern,[20] was auch bedingt durch die höheren Energien einen Aus- und Umbau der nachfolgenden – die Experimente versorgenden –Strahllinien erfordert.[8]
Neben einigen dauerhaft installierten Versuchsaufbauten gibt es jährlich viele kleinere Experimente, die auf die Vielzahl der möglichen radioaktiven Strahlen der ISOLDE-Einrichtung zurückgreifen. Diese werden kurz vor der Verfügbarkeit der entsprechenden Strahlen aufgebaut und später wieder demontiert. Jährlich finden über 50 unterschiedliche Experimente statt.[21] Die permanenten Experimente sind:[22]
ASPIC(Apparatus forSurfacePhysics andInterfaces atCern) ist eineUltrahochvakuum-Apparatur zur Untersuchung der elektronischen und magnetischen Eigenschaftendünner Schichten – in der Größenordnung weniger Atomlagen – mittels der vonHans Frauenfelder entwickelten Methode derPerturbed Angular Correlation (PAC) zurSpektroskopie von Gamma-Strahlern in Festkörpern (PAC-Spektroskopie).[23] Diese auch alsGestörte γγ-Winkelkorrelation bezeichnete Methode misst die Abstrahlcharakteristik zweierkorrelierter Gammaquanten, die von einem auf die dünnen Schichten aufgebrachten radioaktiven Ion bei dessen Zerfall ausgesendet werden und deren Winkel zueinander von derHyperfeinstruktur des Atomkerns abhängt. Die Hyperfeinstruktur kann von denelektromagnetischen Feldern der zu untersuchenden Schichten beeinflusst und deren Eigenschaften durch die Bestimmung des Winkels somit untersucht werden.[24][25]
Beim Experiment COLLAPS(COLlinearLAserSPectroscopy) werden mittelskollinearer Laserspektroskopie seit Ende der 1970er-Jahre – beginnend amForschungsreaktor Mainz 1978 und ab 1980 am jeweiligen Standort von ISOLDE – die Grundzustandseigenschaften kurzlebigerNuklide bestimmt, wieSpin,magnetische undelektrische Momente undLadungsradius. Der Ionenstrahl wird hierzu mit einem Laserstrahlkollinear überlagert, derelektronische Übergänge der radioaktiven Nuklide anregt und das beim Übergang in den Grundzustand emittierte Photon registriert. Aus den Wellenlängen der Laserphotonen undFluoreszenzphotonen lassen sich dann Aussagen über die Energieniveaus und Rückschlüsse auf die Kernstruktur treffen.[26][27]
Beim Experiment CRIS(CollinearResonantIonizationSpectroscopy) wird die kollineare Laserspektroskopie kombiniert mit der Resonanzionisations-Spektroskopie. Diese in den 1980er-Jahren entwickelte Methode erlaubt neben der Untersuchung der Kerngrundzustandseigenschaften kurzlebiger exotischer Nuklide auch die Erzeugung von radioaktiven Ionenstrahlen hoherisomerer Reinheit. Die derzeitige Ultrahochvakuum-Apparatur wurde zwischen 2008 und 2011 aufgebaut und getestet und konnte seit 2012 zu ersten umfangreichen Messungen anFrancium-Isotopen eingesetzt werden.[28]
ISOLTRAP ist ein auf dem Prinzip derPenning-Falle beruhendes hochpräzisesIonenfallen-Massenspektrometer. Seit den 1980er-Jahren konnten bisher die Massen von über 400 kurzlebigen Nukliden bestimmt werden, mit einer relativen Genauigkeit von etwa 5·10−8. Durch weitere Verbesserungen konnte die Genauigkeit auf etwa 1·10−8 verbessert und die Messung auf Ionen mitHalbwertszeiten bis hinunter zu 50 ms erweitert werden.[29][30]

LUCRECIA ist einTotal-Absorption-(Gamma-)Spectrometer (TAS) zur Bestimmung derGammastrahlung von Tochternukliden inangeregten Zuständen nach einem Beta-Zerfall. Ziel ist die genaue Bestimmung des meist in Kaskaden stattfindenden Übergangs der Tochternuklide in denGrundzustand. Hauptbestandteil des Spektrometers ist ein zylindrischer mitThallium dotierterNatriumiodid-Szintillationskristall von 38 cm Länge und 38 cm Durchmesser. Die zu untersuchenden Nuklide werden durch eine senkrecht zur Längsachse des Zylinders angebrachten 7,5 cm großen Öffnung geleitet und je vier großflächigePhotomultiplier an den Endflächen registrieren die in Kristall entstehenden Photonen. Ein Vorteil des Aufbaus ist die Vermeidung des bei anderen Gammaspektrometern – mitGermanium-Einkristallen und hoher Energieauflösung, aber geringer Detektionseffizienz – auftretendenPandemonium-Effekts (Nichtregistrierung seltener hochenergetischer Gammastrahlung), der eine genaue Bestimmung der Energiezustände der Tochternuklide nicht zulässt.[31][32]

MINIBALL ist ein seit 2002 betriebenes hochauflösendesGammaspektrometer und besteht aus 24 hochreinenGermanium-Einkristallen, welche kugelförmig um die Kollisionszone angeordnet und zur Erhöhung der Ortsauflösung elektrisch in sechs Segmente unterteilt sind. Dabei sind jeweils drei der Kristalle in einemKryostaten zu einem Detektor zusammengefasst. Diese können an einem speziellen Gestell in variabler Anzahl und flexibel an unterschiedlichen Position angebracht werden.[33] Zur Untersuchung der Eigenschaften exotischer Nuklide werden die mittels des LinearbeschleunigersREX-ISOLDE auf bis zu 3 MeV beschleunigten Ionen (mit HIE-ISOLDE sind ab 2015 noch höhere Energien möglich) auf einTarget geschossen. Durch inelastische Stöße kommt es zu einer elektromagnetischenCoulomb-Anregung der Atomkerne und die bei der Abregung emittierte Gammastrahlung wird vom Spektrometer registriert und analysiert.[34]
Das Experiment NICOLE(NuclearImplantation intoColdOnLineEquipment) besteht aus einem großen3He-4He-Verdünnungskryostaten, in demferromagnetische Folien auf bis zu 10 Millikelvin abgekühlt und auf welche dann die Ionenstrahlen gelenkt werden. Dabei erfahren die implantierten radioaktiven Ionen eineSpinpolarisation mitSpin-Gitter-Relaxationszeiten zwischen Stunden und Millisekunden. Bei diesem seit 1988 laufenden Experiment wird neben Untersuchungen mittelsKernspinresonanzspektroskopie auch die Winkelverteilung der beim Zerfall emittierten Teilchen in Abhängigkeit von der induzierten Kernpolarisation bestimmt und so zum Beispiel dieParitätsverletzung beim Beta-Zerfall untersucht.[35][36]
WITCH(WeakInteractionTrap forCHarged particles) ist ein Experiment zur Untersuchung von Eigenschaften derelektroschwachen Wechselwirkung. Hauptanliegen ist die Bestimmung der Rückstoßenergien von Tochternukliden beim Beta-Zerfall, welche Rückschlüsse auf dieBeta-Neutrino-Korrelation erlauben. Dazu werden die von ISOLDE generierten radioaktiven Ionen mittels mehrerer Penning-Fallen abgekühlt und zerfallen in der letzten Falle(decay trap). Die Verteilung der Rückstoßenergien der Tochternuklide wird dann mit einem nachgeschalteten Spektrometer(retardation spectrometer) aufgezeichnet. 2004 wurde mit dem Aufbau des Experiments begonnen und nach einigen Rückschlägen konnten ab 2009 erste Ergebnisse erzielt werden.[37]

Besonders in den Anfangsjahren ab 1967 wurde mit ISOLDE dieNuklidkarte der bekannten Isotope und die Kenntnis von deren Eigenschaften undZerfallsreihen erheblich erweitert.[38] Während 1967 nur Isotope von vier Elementen systematisch erzeugt wurden, waren dies Ende der 1990er-Jahre schon Isotope von über der Hälfte der Elemente desPeriodensystems.[39]
Ein weiterer Schwerpunkt war die genaueKernmassenbestimmung mitISOLTRAP.Heinz-Jürgen Kluge, der amGSI in Darmstadt und bei ISOLDE forschte, erhielt hierfür 2006 denLise-Meitner-Preis. Bei der Untersuchung der Kernradien-Systematik wurden anomal große Sprünge zwischen Isotopen gerader und ungerader Neutronenzahl(odd even staggering, shape staggering) gefunden, zum Beispiel bei neutronenreichenQuecksilberisotopen, deren Radien bei ungerader Neutronenzahl größer sind. Sie entsprechen Änderungen der Form des Atomkerns mit und ohne starke Deformation (Rotationsellipsoid-Formen) im Grundzustand.[40][41] Energetisch benachbarteIsomere, die sich in der Form des Kerns unterscheiden (Form-Koexistenz), wurden bei ISOLDE Anfang der 1970er-Jahre entdeckt. Weitere Untersuchungen zur Kernstruktur dienten dem Studium langlebiger angeregter Kernzustände und dem Nachweis vonOktupol-Deformationen (in Birnen-Form) von Kernen im Grundzustand, wie zum Beispiel bei einigenRadon- undRadium-Isotopen (Peter A. Butler).[42]
In der Atomphysik wurde 2013 bei ISOLDE dieIonisierungsenergie des langlebigstenAstat-Isotops210At bestimmt. Astat ist eines der seltensten chemischen Elemente und war das letzte, bei dem das Ionisierungspotential des langlebigsten Isotops noch nicht bekannt war.[43]

ISOLDE und ähnliche Anlagen ermöglichten es erstmals, eine Vielfalt neuer instabiler und „exotischer“ Kerne und Zerfälle zu untersuchen. Darunter fandenHalokerne – Nuklide mit einzelnen weit vom Rest des Kerns entferntenNukleonen – besondere Aufmerksamkeit. Zum Beispiel gelang die erstmalige genaue Vermessung des 1-Neutron-Halos in11Be.[44] Beim 2-Neutron-Halo von11Li, bei dem ein an sich instabilesDineutron durch den nahenAtomkern stabilisiert wird (2-Neutron-Halokerne werden auchborromäische Halokerne genannt),[45] erfolgte 1987 eine genaue Kernradienbestimmung des Halokerns mit laserspektroskopischen Methoden durchErnst-Wilhelm Otten und seine Kollegen.[46] Der Neutronenhalo des11Li war zwei Jahre zuvor amLBNL entdeckt worden. Das Studium von11Li lieferte auch Informationen über diestarke Wechselwirkung zwischen zwei Neutronen und das quantenmechanischeDreikörperproblem. Auch die Struktur weiterer Halokerne wurde an ISOLDE untersucht.[47]
Zu den bei ISOLDE untersuchten exotischen Zerfällen gehört diebeta-delayed multi-particle emission (einBetazerfall gefolgt von der Emission von zwei oder drei Neutronen,Deuterium oderTritium), die gut bei11Li untersucht werden konnte, und derClusterzerfall.
Halokerne sind ein Beispiel für sehr instabile Kerne nahe oder jenseits derdrip line (dt. in etwa ‘Abtropfkante’) für spontanem Zerfall durch Neutronenemission(neutron drip line). Die Untersuchung der Kerne nahe derdrip line für Protonenemission(proton drip line) hat auch Bedeutung für das Verständnis der astrophysikalischenNukleosynthese (schneller Protoneneinfang). Bei ISOLDE wurden dazu zum Beispiel die relevanten Prozesse desDrei-Alpha-Prozesses und desr-Prozesses bei Massenzahlen von etwa 130 untersucht.[48] Messungen mit ISOLDE an7Be sind außerdem wichtig für das Verständnis desSolaren Neutrinoproblems, da das Isotop bei Protoneneinfang eine Quelle solarer Neutrinos ist.
ISOLDE und ähnliche Anlagen eröffneten eine neue Ära der Erweiterung desSchalenmodells der Atomkerne – ursprünglich für relativ stabile Kerne entwickelt – auf sehr instabile Kerne. Hier zeigten sich neue und nicht von der Theorie vorhergesagte Phänomene, wie neueMagische Zahlen oder „Inseln der Inversion“(islands of inversion). Diese Regionen in der Nuklidkarte mit Abweichung der Kernniveaus von der üblichen aus dem Schalenmodell vorhergesagten Ordnung wurden zuerst 1975 entdeckt und es sind heute fünf solche Inseln bekannt, von denen bei ISOLDE besonders diejenigen bei Natrium- und Magnesium-Isotopen untersucht wurden.[49] Die neue magische Zahl 32 wurde bei ISOLDE bei der systematischen Untersuchung von Calcium-Isotopen 2013 entdeckt.[50]
ISOLDE trug auch zu einer der Hauptforschungsrichtungen des CERN bei, der Suche nach derPhysik jenseits des Standardmodells(beyond standard model), wobei an ISOLDE, komplementär zu den großen Kollaborationen in der Hochenergiephysik am CERN, der Niedrigenergiesektor untersucht wurde. Insbesondere wurden mögliche neue Beiträge einer Physik jenseits des Standardmodells bei derschwachen Wechselwirkung untersucht, wie sie zum Beispiel aufgrund der Kopplung hypothetischerLeptoquarks und skalarerBosonen vorhergesagt wurden. Sie sollten sich beispielsweise in Elektron-Neutrino-Winkelkorrelationen imBetazerfall äußern. Da das Neutrino schwer nachzuweisen ist, zieht man Rückschlüsse aus dem Rückstoß des Atomkerns beim Betazerfall mit laserspektroskopischen Methoden, speziell bei Zerfällen, in denen der Rückstoß durch anschließende Protonenemission verstärkt wird (wie z. B. bei32Ar). Das lieferte Ende der 1990er-Jahre neue Schranken für mögliche Abweichungen vom Standardmodell.[47] Auch die Suche nachParitätsverletzung[39] und die sehr genaue Kernmassenbestimmung durch ISOLTRAP dient der Überprüfung des Standardmodells (Überprüfung der Unitarität derCKM-Matrix).[51]
Die mit ISOLDE erzeugten radioaktive Isotope dienen auch Forschern in derFestkörperphysik, da durch die gezielte Implantierung in Metallen, Legierungen,Halbleitern oderHochtemperatursupraleitern deren Struktur, Störstellen oder Dotierungen sowie Oberflächeneffekte, zum Beispiel durch die Analyse der Veränderungen in der magnetischenHyperfeinstruktur der Isotope mitASPIC, untersucht werden können.[52]
Für dieNuklearmedizin werden neue Methoden der Krebstherapie und Krebsdiagnose unter anderem in Zusammenarbeit mit demHôpitaux universitaires de Genève untersucht, wie Techniken und Isotope für diePositronen-Emissions-Tomographie (PET) oder dieEinzelphotonen-Emissionscomputertomographie (SPECT). Ende der 1970er-Jahre erwies sich so zum Beispiel ein mit ISOLDE erzeugtesThulium-Isotop erstmals als erfolgreich bei der Krebsbekämpfung im Maus-Experiment[53] und in den 2010er-Jahren wurden zu diesem Zweck zum BeispielTerbium-Isotope mit ISOLDE erzeugt, wobei für die Diagnose mit PET152Tb und für SPECT155Tb untersucht wurden sowie149Tb für die Therapie mit Alphateilchen.[54]