Alshumanistisches Latein bezeichnet man die Art desLateins imRenaissance-Humanismus vom ausgehenden14. bis zum16. Jahrhundert.
Ad fontes (lat. „[zurück] zu den Anfängen“) lautete der allgemeine Aufruf der Humanisten, mit dem sie das Latein vom Wortschatz des Mittelalters und von der stilistischen Überfrachtung zu reinigen suchten, die in den Jahrhunderten nach dem Fall desRömischen Reiches eingetreten war. Das so genannteGoldene Zeitalter derlateinischen Literatur galt dabei als Vorbild und Wegbereiter des lateinischen Stils. In derPoesie war vor allemVergil das Vorbild, in derProsa setzten Wortschatz undSyntax vonCicero die Norm. In der Poesie waren die auf dem Wortakzent beruhenden Metren, die im Mittellatein sehr beliebt waren (siehe z. B.Carmina Burana), nun verpönt. Was diesen Normen nicht entsprach, wurde als „gotisch“ oder auch alsKüchenlatein gebrandmarkt. Die puristische Bewegung nahm doktrinäre Züge an, gegen die sich 1528Erasmus von Rotterdam in seinemDialogus Ciceronianus wandte.
Die Humanisten versuchten auch, das schriftliche Latein in seinerOrthographie von den mittelalterlichen Einflüssen zureinigen. Während im Mittelalter die Schreibungen von „ae“ und „e“ wild durcheinandergingen („Marie“ neben „Mariae“), beharrten sie auf der korrekten Schreibung nach dem Vorbild aus der klassischen Zeit. Dasselbe gilt für die wieder eingeführte Unterscheidung von ti + Vokal und ci + Vokal (ausschließlich „etiam“, Verzicht auf falsches „eciam“). Im Mittelalter wurden diese Schreibungen nicht unterschieden, da die Aussprache als Folge derPalatalisierung in beiden Fällen „z“ war (Homophonie).
Der Plan der Humanisten zur Erneuerung des Lateins war vor allem in der Erziehung sehr erfolgreich. Schulen unterrichteten nun die Rechtschreibung des Humanismus und regten das Studium der Texte an, die von den Humanisten unter Ausschluss der Literatur des neueren Lateins ausgewählt wurden. Obwohl diese Form des Lateins eigentlich eine elegante literarische Sprache war, wurde es andererseits zu kompliziert, Bücher über Gesetze, Medizin, die Wissenschaft oder zeitgenössische Politik in der Form des humanistischen Lateins beim Beachten allerStandards wie des Bereinigens des Wortschatzes und des klassischen Sprachgebrauchs zu schreiben. Dennoch blieb das Latein noch für lange Zeit die Sprache der Gelehrten. So sind wichtige Werke wieIsaac NewtonsPhilosophiae Naturalis Principia Mathematica von 1687 oder SchriftenLeonhard Eulers (1707–1783) in Latein abgefasst.
Weil dem humanistischen Latein der exakte Wortschatz für den modernen Alltag fehlte, entwickelte sich das Latein, durch diese Änderungen beschleunigt, von einerAlltagssprache zu einem Gegenstand der Gelehrsamkeit. Die Bemühungen der Humanisten machten das Latein von einer klassischen, aber noch nützlichen Sprache zu einer ausgestorbenen Sprache. Das lateinische Vokabular wurde durch die Schöpfer desneuen Lateins fortgeführt, dieses lebte noch weiter in originellen Sonderformen wie denNuntii Latini (lateinischen Nachrichten) des finnischen Radios (2019 eingestellt).
