Hokkaidō ([hokːaidoː] ⓘ; früher bekannt alsEzo bzw.Yezo[1]) ist nachHonshū die zweitgrößteInsel Japans. Sie ist die Hauptinsel vonHokkaidō (jap.北海道, „Nordmeer-Bezirk“ bzw. „Nordmeer-Präfektur“[2]), das ursprünglich im 19. Jahrhundert als achter „Bezirk/Reichskreis“(-dō) Japans eingerichtet wurde, später aber alsPräfektur (sonst-to/-fu/-ken) betrachtet wurde und seit dem Zweiten Weltkrieg als solche voll gleichgestellt ist. Sie ist die mit Abstand flächengrößte Präfektur Japans. Deckungsgleich mit der Präfektur bezeichnetHokkaidō auch eineRegion in Japan. Die größte Stadt und zugleich Sitz der Präfekturverwaltung istSapporo.
Hokkaidō zählte Ende 2005 etwa 5,7 MillionenEinwohner, darunter etwa 25.000 derindigenen Minderheit derAinu. Bei den Ainu heißt die InselAynu Mosir (アィヌ・モシㇼ fürLand der Ainu bzw.Land der Menschen). Die in Hokkaidō geborenen Japaner nennen sichDosanko (道産子, dt. etwain Hokkaidō geborenes Kind).
Hokkaidō ist die Heimat des Volkes der Ainu, ausderen Sprache viele geografische Bezeichnungen auf der Insel stammen, zum Beispiel auch der Name der HauptstadtSapporo.
Erstejapanische Siedlungen entstanden im 15. Jahrhundert im Süden der Insel als Handelsposten. Da die in Japan üblichen Formen der Landwirtschaft aber wegen des kühlen Klimas der Insel unbrauchbar waren, wurde der größte Teil Hokkaidōs erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vonJapanern besiedelt. Zu dieser Zeit ermöglichten westliche Neuerungen auch hier Landwirtschaft, und zunehmend erwuchs auch die Notwendigkeit von Verteidigungsstellungen gegenRussland. Die Insel erhielt erst in dieser Zeit ihren heutigen Namen. Die Hauptstadt Sapporo entstand in den 1860er Jahren; in den 1870ern vervierfachte sich die Einwohnerzahl der Insel von 58.000 auf 240.000.
Kurz nach demBoshin-Krieg 1868 beanspruchte eine Gruppe vonTokugawa-Loyalisten, angeführt vonEnomoto Takeaki, die Insel alsRepublik Ezo. Dieser Aufstand wurde im Mai 1869 niedergeschlagen.
Sitz der Hokkaidō-Behörde
Am 8. Juli 1869 wurde dasKaitakushi (開拓使), eine Entwicklungsbehörde, eingerichtet und am 15. August Hokkaidō in elfProvinzen untergliedert:Chishima,Hidaka,Iburi,Ishikari,Kitami,Kushiro,Oshima,Shiribeshi,Teshio undTokachi. Ein Teil der Provinz Oshima, die ehemaligePräfektur Tate (vorher Fürstentum Matsumae/Tate) an der Südwestspitze der Insel, gehörte nach derAbschaffung der Fürstentümer und ersten Konsolidierung der Präfekturen 1871 zunächst kurzzeitig zur Präfektur Aomori und wurde erst 1872 an die Entwicklungsbehörde Hokkaidō übertragen.[3] 1881 kam es zumKaitakushi-Zwischenfall, bei dem es um den geheimen Verkauf von Hokkaidō-Anlagen ging. Am 8. Februar 1882 erfolgte die Auflösung der Entwicklungsbehörde und die Einteilung in die drei Präfekturen Hakodate, Nemuro und Sapporo. Die Präfekturen wurden am 1. Januar 1886 aufgelöst zugunsten der neu gegründeten, direkt demInnenministerium unterstellten Hokkaidō-Behörde (北海道庁Hokkaidō-chō) mit Sitz in Sapporo und Außenstellen (支庁shichō) in Hakodate und Nemuro. Am 2. November 1897 wurden die heutigen 14 Außenstellen und die Außenstelle Shana eingerichtet. Im Dezember 1903 wird Shana Nemuro zugeschlagen. Am 3. Mai 1947 wurde die Hokkaidō-Behörde aufgelöst und die Präfektur Hokkaidō eingerichtet.
Erst 1901 erhielt Hokkaidō wie andere Präfekturen(-fu/-ken)ein gewähltes Parlament. Der Gouverneur blieb alsHokkaidō-chō chōkan (also etwa „Behördenleiter“) Teil der Reichsregierung – grundsätzlich waren aber auch die Gouverneure anderer Präfekturen([fu/ken-]chiji) eng an das Innenministerium gebunden. Erst nach dem Pazifikkrieg wurde Hokkaidō anderen Präfekturen voll gleichgestellt: 1946 wurden einige der Sondergesetze für Hokkaidō abgeschafft, die Präfekturordnung (bis dahinfu-ken-sei) auf die -dō ausgeweitet und indō-fu-ken-sei umbenannt.[4][5] 1947 weiteten Nachkriegsverfassung und Selbstverwaltungsgesetz die Selbstverwaltung in allen Präfekturen (fortan -to/-dō/-fu/-ken) und ihren Gemeinden einheitlich aus. Der Gouverneur heißt nun wie in anderen Präfekturen[dō-]chiji und wird vom Volk gewählt.
Am 28. Juni 2008 beschloss das Präfekturparlament die Ersetzung der 14 Außenstellen durch neunSōgō Shinkō-kyoku (総合振興局 ‚Allgemeines Förderamt‘) und fünf nachgeordneteShinkō-kyoku (振興局 ‚Förderamt‘), was zum 1. April 2010 dann erfolgte.
Bis zurMeiji-Restauration 1868 wurden die Ainu auch alsEzo (in Deutsch veraltet:Jezo,Jesso[6] oderIesso[7]) bezeichnet. Hokkaidō wurde damals folglichEzochi (蝦夷地 ‚Ezo-Land‘), was jedoch auchSachalin und dieKurilen mit einbezog, oderEzo-ga-shima (蝦夷ヶ島 ‚Insel der Ezo‘) genannt.
Mit der Einrichtung der Entwicklungsbehörde wollte die Meiji-Regierung den Namen ändern. Der ForscherMatsuura Takeshirō machte diese sechs Namensvorschläge: Kitakaidō (北加伊道 ‚Nord-Kai-Bezirk‘), Kaihokudō (海北道 ‚Meeresnordbezirk‘), Kaitōdō (海東道 ‚Meeresostbezirk‘), Hitakamidō (日高見道), Tōhokudō (東北道 ‚Nordostbezirk‘) und Chishimadō (千島道 ‚1000-Inseln-Bezirk‘). Schließlich wurde als Kompromiss zwischen Kitakaidō und Kaihokudō sowie in Anlehnung an die historischen Regionen desGokishichidōTōkaidō (‚Ostmeerbezirk‘)Nankaidō (‚Südmeerbezirk‘) undSaikaidō (‚Westmeerbezirk‘) der Name Hokkaidō gewählt. Matsuura schlug Kitakaidō vor, weil die Ainu die RegionKai nannten. Auch historisch wurden die Ainu und ihre Inseln als Kuyi, Kuye, Qoy usw. bezeichnet, welche mit dem frühmodernen Kai in Verbindung stehen könnten. Kai ähnelt außerdem stark dersinojapanischen Lesung der Zeichen蝦夷 /ka.i/ – üblichereKun-Lesung/emisi/ – die über tausend Jahre lang in China und Japan zur Bezeichnung der Ainu und verwandter Völker verwendet wurden. Es ist möglich, dass Matsuuras Kai eine durch diese sino-japanische Lesung beeinflusste Variante desNiwchisch-Exonyms Qoy für die Ainu war.
Die Präfektur besteht neben der Hauptinsel mit 77.983,91 km²[8] aus einigen vorgelagerten Inseln in den angrenzenden Meeren, demJapanischen Meer, demPazifischen Ozean und demOchotskischen Meer.[9] Die direkt nordöstlich anschließendenKurilen werden seit Kriegsende vonRussland verwaltet; Japan sieht die Südkurilen jedoch als Teil Hokkaidōs und verlangt bis heute vergeblich die Rückgabe. Die höchste Erhebung bildet derAsahi-dake mit 2290 Meter über dem Meeresspiegel. Im Süden grenzt Hokkaidō mit derOshima-Halbinsel an dieTsugaru-Straße, die die Insel von der japanischen HauptinselHonshū trennt. Insgesamt gehören zur Region Hokkaidō außer der Hauptinsel noch 508 weitere Inseln mit einer Gesamtfläche von 5440 km².[10] Abgesehen von den de facto russischen Südkurilen sind die größten Inseln in Hokkaidō nach der Hauptinsel heuteRishiri,Okushiri undRebun.[8] Nordöstlich liegt derTōfutsu-See.
Hokkaidō befindet sich in einer gemäßigtenMonsunzone mit subborealem Klima, d. h. mit recht kalten und schneereichen Wintern. Auf der Insel gibt es aktiveVulkane.
Auf der Shiretoko-Halbinsel gibt es eine der dichtestenBraunbär-Populationen der Welt.[13] Bis zu seiner Ausrottung Ende des 19. Jahrhunderts war auf Hokkaidō auch derHokkaidō-Wolf verbreitet, eine Unterart des Wolfes.
Hokkaidō als regionale Wirtschaft außerhalb der Ballungsgebiete in Japan hat in den letzten zwei Jahrzehnten unter vielen ernsthaften wirtschaftlichen Problemen gelitten, denn die Hauptwirtschaftszweige sind Landwirtschaft und Tourismus.[14] Weitere wichtige Industriezweige der Präfektur sind: Forstwirtschaft, Fischerei, Lebensmittelverarbeitung, Textilindustrie, Holz und Holzprodukte, Keramik und Töpferwaren, Zellstoff, Papier und Papierprodukte, chemische Industrie, Öl- und Kohleprodukte, Metallverarbeitung und Transportmaschinen.[15]
Hokkaidō macht ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche Japans aus und ist eine wichtige Lebensmittelversorgungsregion, auf die etwa 14 % der landwirtschaftlichen Bruttoerzeugung Japans und 24 % der Fischereiindustrie entfallen. Auch in der Lebensmittelindustrie sind sowohl der Wert der Lieferungen als auch die Zahl der Betriebe die größten in Japan. In der asiatischen Region ist „Made in Hokkaido“ als Synonym für qualitativ hochwertige und schmackhafte Lebensmittel bekannt. Die Nachfrage ist ausgelöst durch den Wirtschaftswachstum in der Region weiter gestiegen.[16]
Sapporo, das wirtschaftliche und logistische Zentrum Hokkaidōs, beherbergt zahlreiche Universitäten und öffentliche Forschungseinrichtungen, und in der Umgebung befinden sich ein internationaler Hafen und ein internationaler Flughafen.[17]
Seit 1988 werden die beiden Inseln Hokkaidō und Honshū durch den zweitlängsten Tunnel der Welt verbunden, den 54 Kilometer langenSeikan-Eisenbahn-Tunnel unter dem Meer. Anfangs nur mit 1067-mm-Kapspur, ab 2016 mit Dreischienengleis für die HochgeschwindigkeitsbahnHokkaidō-Shinkansen. Die Linie wird von der BahngesellschaftHokkaido Railway Company (JR Hokkaido) betrieben.
Das Hauptgebäude der Verwaltung der Hokkaidō (Hokkai[-]dōchō honchōsha) in Sapporo
Gouverneur von Hokkaidō ist seit 2019Naomichi Suzuki. Bei der Gouverneurswahl 2023 (Teil dereinheitlichen Wahlen im April 2023) wurde er mit Mitte-rechts-Unterstützung und über 75 % der Stimmen gegen die Mitte-links-unterstützte ehemalige UnterhausabgeordneteMaki Ikeda und zwei weitere Kandidaten für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.[18] Zuvor hatte Hokkaidō mitHarumi Takahashi bereits seit 2003 eine konservative Gouverneurin. Davor hatten seit 1983 linke Gouverneure regiert.
Imnationalen Parlament vertreten die Hokkaidō zwölf direkt gewählte Abgeordnete imAbgeordnetenhaus, dem Unterhaus, und sechs imRätehaus, dem Oberhaus. Nach derAbgeordnetenhauswahl 2024 sind die Mehrheitswahlabgeordneten aus Hokkaidō neunKonstitutionelle Demokraten und dreiLiberaldemokraten. Im Rätehaus wird Hokkaidō nach den Wahlen2019 und2022 und seither erfolgten Parteiumbildungen (Stand: November 2024) durch vier Liberaldemokraten, darunter Ex-Gouverneurin Takahashi, und zwei Konstitutionelle Demokraten vertreten. Bei der Verhältniswahl zum Abgeordnetenhaus ist Hokkaidō nebenTokio die einzige Präfektur, die alleine einen Verhältniswahlblock bildet, dieser wählt acht Abgeordnete. Dort wurde die KDP 2024 stärkste Partei und gewann ebenso wie die LDP drei Sitze.
Die nach Fläche größte Präfektur Hokkaidō gehört trotz ihrer vergleichsweise großen Bevölkerungszahl zu den finanzschwächeren Präfekturen des Landes. Viele ländliche Gebiete sind zusätzlich zur landesweit ohnehin abnehmenden Bevölkerung stark von Abwanderung in die Städte betroffen; mit der ehemaligen BergbaustadtYūbari liegt in Hokkaidō heute die einzige insolvente Stadt Japans.
Am 25. September 2003 wurde der Südwesten der Insel von einerErdbebenserie – 54 Erdstöße bis zum 18. Oktober über Stärke 4,5 Mw – getroffen. Das Hauptbeben (Tokachi-oki Jishin ‚Tokachi-Seebeben‘) am 25. September 19:50 UhrUTC hatte eine Stärke von 8,3 Mw. Es war das bis dahin stärkste Beben in Japan seit Anfang 2001 und das insgesamt drittstärkste in dieser erdbebenreichen Region.
Lage der einzelnen Unterpräfekturen(Shichō) auf Hokkaidō
DiePräfektur Hokkaidō ist in neunSōgō Shinkō-kyoku (総合振興局, dt. wörtlichAllgemeines Förderamt,englischGeneral Subprefectural Bureau) und fünf nachgeordneteShinkō-kyoku (振興局, dt. wörtlichFörderamt, engl.Subprefectural Bureau) aufgeteilt. Diese wurden zum 1. April 2010 eingerichtet, gehen aber direkt auf die vorherigen 14Shichō (支庁 engl.Subprefecture) zurück. Als Verwaltungsebene ähneln sie den in einigen deutschen Bundesländern vorhandenenRegierungsbezirken und ermöglichen eine effektive Verwaltung, auch in den für japanische Verhältnisse sehr weitläufigen und im Winter unzugänglichen Teilen der Präfektur.
Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden in Hokkaidō zwischen den Volkszählungen 2005 und 2010 Zunahme
>10,0 %
7,5–10,0 %
5,0–7,5 %
2,5–5,0 %
0,0–2,5 %
Abnahme
0,0–2,5 %
2,5–5,0 %
5,0–7,5 %
7,5–10,0 %
>10,0 %
Bereits in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ging die Einwohnerzahl der Hokkaidō erstmals zurück, seit 1995 hat die Präfekturbevölkerung bei jeder Volkszählung abgenommen.
↑Louis Frédéric:Japan Encyclopedia. Harvard University Press, 2002,ISBN 0-674-00770-0,S.343 (englisch,eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – französisch:Japon, dictionnaire et civilisation. Übersetzt von Käthe Roth).
↑ab令和5年全国都道府県市区町村別面積調(1月1日時点). (PDF; 1,9 MB) In: gsi.go.jp.Kokudo Chiriin, 1. Januar 2023, S. 83, abgerufen am 29. Mai 2023 (japanisch, S. 83 (PDF; 86 von 96), Anhang 3:島面積).
↑Japan Statistical Yearbook 2014, Tabelle 1-1:Islands, Area and Length of Coastline of National Land,archivierte Kpoie. (Memento vom 28. März 2016 imInternet Archive;MS Excel; 32 kB) In: stat.go.jp (japanisch, englisch)
↑Makoto Nishibe:The Present Problem of the Hokkaido Regional Economy and a Remedy: A Reform Plan of the Institution of Money and Finance by Using Hokkaido Community Currency. In:Evolutionary and Institutional Economics Review.Band9,Nr.1, 1. April 2012,ISSN2188-2096,S.S113–S133,doi:10.14441/eier.9.S113.
↑Hokkaido | EU-Japan. Business related Information about Japan. In: eu-japan.eu. Abgerufen am 1. Juni 2023 (englisch).