Herrenfahrer

AlsHerrenfahrer wurden im frühenAutomobilsport Rennfahrer bezeichnet, die bei denWettbewerben mit ihren eigenen Wagen alsAmateure antraten – im Gegensatz zu den bei den Automobilunternehmen angestelltenWerksfahrern, die bei Rennen Firmenwagen steuerten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es im gesamten deutschsprachigen Raum Herrenfahrer-Verbände, etwa dieWiener Motorsportliche Herrenfahrer-Vereinigung.[1]
Begriff
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der BegriffHerrenfahrer – analog zuHerrenreiter gebildet – wurde fürKutscher,Radfahrer undMotorradfahrer schon im 19. Jahrhundert benutzt. So war der Herrenfahrer im WienerSportblatt: Centralblatt für die Interessen der Pferdezucht und den Sports ein gängiger Begriff für besonders wendige Kutscher:
Der Glanzpunkt des Abends [in der Tippelt'schen Reitschule] dürfte unstreitig die Fahrschule werden, indem die Lenker der Gespanne einige in unseren Sportkreisen rühmlichst bekannte Herrenfahrer sind, deren schnittige Jucker eine Zierde unseres Pratercorso bilden, und eine derartige Production unseres Wissens bis jetzt in Wien nicht stattgefunden hat.[2]
Auch besonders sportliche Fahrradfahrer, wie etwa beim Radrennen („Fernfahrt“) Wien – Berlin am 29. Juni 1893, wurden Herrenfahrer genannt.[3]
Erst mit der Serienfertigung und der damit verbundenen Erschwinglichkeit kleiner Automobile für Bürger mittlerer Einkommen in den 1920er Jahren etablierte sich der Begriff in der Welt des Motorsports. Zuvor konnten sich nur Reiche Automobile leisten und ließen sich in der Regel von Angestellten chauffieren, die die Fahrzeuge auch reparieren konnten.
Im anglo-amerikanischen Sprachraum heißen HerrenfahrerGentleman Drivers, im Gegensatz zu denPay Drivers, die nicht, wie oft angenommen, dafür bezahlt wurden, dass sie fahren, sondern sich gratis ins Cockpit setzten und dem Team aus ihrem persönlichen Vermögen Sponsorengelder oder andere Unterstützung zukommen ließen.
Geschichte
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In Deutschland erschien zwischen 1924 und 1928 eine Monatszeitschrift mit dem TitelDer Herrenfahrer – das Blatt vom Auto und anderen Annehmlichkeiten des Lebens.[4] Diese Zeitschrift beschäftigte sich von Beginn an mit dem Auto als Inbegriff eines neuen Lebensstils, der Mobilität, der Unabhängigkeit, des technischen Fortschritts. Neben Berichten über Automobilmessen, Autotests, Mode für den Autofahrer, Autorennen druckte die Zeitschrift auchComics, Glossen (zum Beispiel über den Autokauf oder über die Frau am Steuer) und wissenschaftliche Abhandlungen (zum Beispiel über die Technik des Kompressormotors). Sie gilt als Vorläufer der modernen Autozeitschriften. Anfangs warDer Herrenfahrer auch das Organ desMotorradclubs von Deutschland (MvD).
Die ersten Autorennen seit Mitte der 1890er Jahre bestritten in Europa und in den Vereinigten Staaten zunächst die Konstrukteure und deren Mitarbeiter selbst, um ihre Maschinen zu testen und mit der Konkurrenz zu messen. In Europa bevorzugte man dafür Stadt-zu-Stadt-Rennen, die nach dem tödlichen UnfallMarcel Renaults am24. Mai 1903 im Rennen Paris–Madrid aufgegeben wurden; bei weiteren Unfällen in diesem Rennen hatten mehrere Rennfahrer und Zuschauer ihr Leben verloren. Ebenfalls ins Rennen starteten stets auch Amateure, die sogenannten Herrenfahrer.[5] Sie entstammten durchweg der wohlhabenden höheren Gesellschaftsschicht und waren begeisterte Automobilisten, so zum BeispielEmil Jellinek, Wiener Geschäftsmann und Diplomat, der 1901 mit einemDaimler-Rennwagen bei der Rennwoche inNizza siegte.[6] Bereits nach demErsten Weltkrieg und in den 1920er und 1930er Jahren fuhr den meisten Herrenfahrern die Konkurrenz der angestelltenWerksfahrer vonAlfa Romeo,Auto Union,Maserati oderMercedes-Benz – unter ihnen zum BeispielRudolf Caracciola,Hans Stuck,Bernd Rosemeyer oderTazio Nuvolari – erfolgreich davon.
Der Begriff war auch in der Mitte des 20. Jahrhunderts geläufig. So hieß ein Heft mit Prüfungsfragen im Jahr 1948 (Autor:Alexander Niklitschek): „Autofahrschule für Berufs- u. Herrenfahrer“.
Heute nehmen Amateure als sogenannte Herrenfahrer gelegentlich noch erfolgreich an Radrennen und am Motorradsport teil.
Bekannte Herrenfahrer
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Bekannte Herrenfahrer waren neben anderenPhilippe de Rothschild, der1929 mit einemBugatti T35 an zahlreichenGrand-Prix-Rennen teilnahm, darunter die Großen Preise vonMonaco,San Sebastián undDeutschland.Fürst Georg Christian Lobkowitz aus derTschechoslowakei verunglückte beimAvus-Rennen1932 tödlich.[7] Der letzte männliche Nachkomme des österreichischenFürsten Metternich,Paul Alfons von Metternich-Winneburg, der von 1975 bis 1985 auch als Präsident derFIA wirkte, nahm 1956 mit seinem privatenMercedes-Benz 300 SL am 24h-Rennen vonLe Mans teil, schied allerdings nach 58 Runden vorzeitig aus. Als einer der letzten „echten“ Herrenfahrer giltCarel Godin de Beaufort, ein niederländischer Adeliger, der mit seinem privatenPorsche 718 zu 28 Weltmeisterschaftsläufen derFormel 1 gestartet war. Beim Training zumGroßen Preis von Deutschland 1964 auf demNürburgring verunglückte er schwer und starb einen Tag später.Ein Herrenfahrer war auchCarlo Felice Trossi.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Handbuch derselbständigen Herrenfahrer-Verbände Deutsch-Oesterreichs : und zwar: Steirischer Radfahrer-Gauverband Niederösterreich, Radfahrer-Verband „Ostmark“, Kärntner Radfahrer-Gauverband, Tiroler Radfahrer-Verband, Landesverband der Radfahrer von Oberösterreich und Salzburg, Klagenfurt, 1899, digitalisiert:UB Klagenfurt.
- Bugatti. Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 1983.
- Barbara Walter:Vom Herrenfahrer zum Werksfahrer. Die frühe Epoche des Automobilrennsports 1896 bis 1910, 2000.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Herrenfahrer vs. Werksfahrer (Memento vom 12. Juli 2012 im Webarchivarchive.today); Projekte Geschichte, Universität Freiburg (abgerufen am 24. März 2012)
- Johannes Hübner:Gentlemen, start your engines (Memento vom 12. Februar 2013 im Webarchivarchive.today). In:TOP Magazin Berlin, 4/2011, S. 118–120 (abgerufen am 24. März 2012)
- Privatrennfahrer und deren Erfolge (mit Fotogalerie; abgerufen am 22. August 2012)
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Allgemeine Automobil-Zeitung, 15. Juni 1924
- ↑Sportblatt: Centralblatt für die Interessen der Pferdezucht und des Sports, 8. Januar 1876, S. 7. Über die Datenbank der Österreichischen Nationalbibliothek
- ↑Allgemeine Sport-Zeitung, 8. Januar 1893, S. 36
- ↑Die ersten Ausgaben erschienen im Almanach Kunstverlag, Berlin, ab 1926 im Hermann Meister Verlag, Heidelberg. SieheDeutsche Nationalbibliothek
- ↑Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 231
- ↑Emil Jellinek & seine Tochter Mercedes. mercedes-benz-classic.com (abgerufen am 24. März 2012)
- ↑Bugatti (1983), S. 339