Hera


Hera (altgriechischἭραHḗra) ist in dergriechischen Mythologie die Göttin derEhe, der Frauen und der Familie sowie Schutzgöttin gebärender Frauen. Als Mondgöttin gilt sie auch als Göttin derMenstruation.[1] Sie ist eine Tochter vonKronos undRhea, Schwester und zugleich Gattin vonZeus. Sie gehört zu den zwölfolympischen Gottheiten, den Olympioi.
Der Lokalmythos lässt Hera aufSamos unter einemLygosbaum geboren sein, außerhalb der Insel ist dies nicht überliefert.[2] Einmal im Jahr vereinigte sie sich auf Samos mit ihrem GattenZeus unter einem Lygosbaum („Heilige Hochzeit“).[3] Ein Bad imImbrasos erneuerte danach ihre Jungfräulichkeit. Das diesbezügliche,Tonaia genannte Fest auf Samos, bei dem das Kultbild der Göttin mit Lygoszweigen umwunden wurde, erinnerte an dieses Ereignis. Dieser Baum stand am Altar imHeraion von Samos und wurde unter anderem vonPausanias beschrieben.[2] Ihre Kinder –Ares,Hebe,Eileithyia – entstammen alle der Ehe mit ihrem Bruder Zeus. Ihr SohnHephaistos ist beiHomer ebenfalls ein Sohn des Zeus,[4] beiHesiod und anderen wurde er allein von Hera geboren.[5]
Zu Heras Attributen zählen derKuckuck, der Pfau, die Kuh und derGranatapfel. Sie wird gewöhnlich dargestellt mit Krone oder Diadem und einem Zepter. Ein ihr geweihter Tempel wird alsHeraion bezeichnet; ihr zu Ehren an verschiedenen Orten veranstaltete und regelmäßig stattfindende Wettkämpfe wurdenHeraia genannt. In derrömischen Mythologie entspricht ihr die GöttinJuno.
Charakterdeutung

Hera beobachtet eifersüchtig die zahlreichen Liebschaften von Zeus und bekundet ihren Ärger durch Schmollen oder Gezänk. Zu tätigem Widerstand fehlt ihr jedoch der Mut; droht er ihr, so lenkt sie schnell ein, weiß sich dann aber derList zu bedienen. BereitsHomer schildert dies nicht ohne Ironie – lautEgon Friedell hat er damit die „unverstandene Frau“ charakterisiert.[6] Sie verfolgt jedoch seine unehelichen Kinder.Dionysos wird in Raserei gestürzt, das gleiche Los trifftAthamas, weil er Erzieher dieses Gottes war, sowieIno, die ihn vonHermes zur Pflege empfangen hatte. ImHomerischen Hymnos anApollon, der sie auch zur Mutter desTyphaon macht, setzt siePython darauf an,Leto zu töten, die von Zeus mit Apollon undArtemis schwanger war.[7]
Funktion
Hera ist Wächterin über die eheliche Sexualität. Ihr obliegt der Schutz derEhe und der Niederkunft. InArgos wurde sie alsEileithyia, als Geburtsgöttin verehrt. In derTheogonie desHesiod wird Eileithyia (auch: Ilithya) jedoch nicht von Hera selbst verkörpert; sie ist dort die Tochter von Hera und Zeus.
AlsHera Zygia ist sie Schutzherrin der Hochzeitsnacht.
Gleichsetzungen
Im östlichenMittelmeerraum wurde die GöttinAstarte in ihrer Eigenschaft als Himmelskönigin oft der Hera gleichgesetzt.[8] Auch die römische GöttinJuno wurde ihr gleichgesetzt. DieEtrusker identifizierten ihre GöttinUni mit Hera.
Mythos
Hera war zusammen mit ihren Geschwistern Hestia, Demeter, Hades, Poseidon und Zeus Tochter der Titanen Kronos und Rhea.
Hera in den bildenden Künsten


Die plastischen Darstellungen der Hera, deren wir aber aus griechischen Zeit nur sehr wenige haben, halten sich vornehmlich an die Schilderung Homers: große, runde, offene Augen (βοῶπιςboṓpis, deutsch‚kuhäugig‘ im Sinne von ‚großäugig‘ als Schönheitsattribut),[9] strenger, majestätischer Gesichtsausdruck, Körperformen einer blühendenMatrone; dazu züchtige Bekleidung: aufgeschürzterChiton, der nur Hals und Arme unbedeckt lässt, mit weitem, die ganze Gestalt verhüllendem Obergewand, die königliche Kopfbinde (stephane), öfters auch ein Schleier.
DerGranatapfel in ihrer Hand ist dasSymbol der Fruchtbarkeit, die auch jene Äpfel bezeichnen, welcheGaia bei ihrer Hochzeit hatte wachsen lassen. Die gewöhnlichsten Attribute sind außerdem: das Zepter als Zeichen der Herrschaft, diePatera oder Opferschale in der Hand, Blumen und Blätter (als Symbole des Natursegens) sowie derPfau zu ihren Füßen. Der Mythos berichtet, dass Hera die „Augen“ auf den Federn des Pfaus ihrem hundertäugigen HirtenArgos nach dessen Tod entnommen und auf die Federn des Pfaus gefügt haben soll.[10] Auch derKuckuck ist ihr heilig. Als Zeus sich in seine Schwester Hera verliebt hatte, ließ er ein Unwetter kommen und verwandelte sich in einen Kuckuck, den die mitleidige Hera in ihrem Gewand barg, wo sich Zeus zurückverwandelte und mit ihr schlief.[11]
Das berühmteste Bildnis der Hera war die kolossaleGoldelfenbeinstatue desPolyklet imHeraion von Argos, von dem römische Münzbilder eine Vorstellung geben. Hera sitzt hier auf einem reich geschmücktem Thron, die Stirn mit einemDiadem geschmückt, worauf dieChariten undHoren im Relief gebildet waren; in der einen Hand hielt sie einen Granatapfel, in der anderen das Zepter, auf dem der Kuckuck saß. Unter den Mythen der Hera ist die heilige Hochzeit mit Zeus am häufigsten behandelt worden.
Literatur
- Fritz Graf: Hera. In:Der Neue Pauly (DNP). Band 5, Metzler, Stuttgart 1998,ISBN 3-476-01475-4, Sp. 357–360.
- Karl Kerényi:Zeus und Hera. Urbild des Vaters, des Gatten und der Frau (=Studies in the history of religions. Band 20). Brill, Leiden 1972,ISBN 90-04-03428-5.
- A. Kossatz-Deissmann: Hera. In:Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band000004IV, Zürich/München 1988, S. 659–719.
- Gunther Martin: Hera. In:Maria Moog-Grünewald (Hrsg.):Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (=Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008,ISBN 978-3-476-02032-1, S. 322–325.
- Joan V. O’Brien:The transformation of Hera. A study of ritual, hero, and the goddess in the „Iliad“. Rowman & Littlefield, Lanham, Md. 1993,ISBN 0-8476-7807-5.
- Walter Pötscher:Hera. Eine Strukturanalyse im Vergleich mit Athena. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1987,ISBN 3-534-03131-8.
- Wilhelm Heinrich Roscher:Hera. In:Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.):Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,2, Leipzig 1890, Sp. 2075–2133 (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Hera im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Datensatz „Hera“ im Mythoskop, dem Webportal zu antiken Mythen
- Hera im Theoi Project (engl.)
Einzelnachweise
- ↑Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.):Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,2, Leipzig 1890, Sp. 2087ff.
- ↑abPausanias7,4,4
- ↑Marielouise Cremer:Hieros gamos im Orient und in Griechenland. In:Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Band 48, 1982, S. 283–290.
- ↑Homer,Ilias 14,338;Odyssee 8,312
- ↑Hesiod,Theogonie 927;Bibliotheke des Apollodor 1,3,5
- ↑Egon Friedell:Kulturgeschichte Griechenlands. Leben und Legende der vorchristlichen Seele. C. H. Beck, München 1949; Neuauflage 1985, S. 77.
- ↑Homerische Hymnen 3,300–374
- ↑Stephanie L. Budin:A Reconsideration of the Aphrodite-Ashtart Syncretism. In:Numen. Band 51, 2004, S. 95–149, hier S. 99.
- ↑Vielfach, fast stereotyp bei Homer, etwaIlias 1,568
- ↑Moschos 1,59;Mythographi Graeci 319,29;Nonnos,Dionysiaka 12,70;Scholion zuAristophanes,Die Vögel 102;Ovid,Metamorphosen 1,722
- ↑Pausanias2,17,4