Hekatomniden
DieHekatomniden waren eine nach ihrem BegründerHekatomnos vonMylasa benannteDynastie, die von den 390er Jahren v. Chr. bis zu einem Zeitpunkt zwischenAlexanders des Großen Eroberung und Tod diepersischeSatrapie inKarien beherrschten (an der Südwestküste der heutigenTürkei).
Neben Hekatomnos (Satrap 392–377) gehörten ihr seine SöhneMaussolos (377–353, bekannt für seinMausoleum von Halikarnassos),Idrieus (351–344) undPixodaros (341–336) sowie seine TöchterArtemisia II. (353–351) undAda (344–341 und 334–vor 323) an.
Den Hekatomniden gelang es vorübergehend, politischen Einfluss auf einige griechischeStädte inKleinasien wieMilet,Erythrai,Priene,Knidos und griechischeInseln wieRhodos,Chios oderKos zu gewinnen, ihr Herrschaftsgebiet aufLykien auszuweiten und zu einem wichtigen GegnerAthens imBundesgenossenkrieg zu werden. Die Hekatomniden wirkten in Karien undGriechenland als Förderer dergriechischen Kunst undKultur.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ab 392 v. Chr. ist Hekatomnos, derDynast von Mylasa, als Satrap gesichert. In diesem Jahr setzteArtaxerxes II. ihn als Anführer der Flotte im Kampf gegenEuagoras I. vonZypern ein. Es ist unklar, ob mit dieser Vergabe von weitreichendenmilitärischen Kompetenzen auch die Einrichtung Kariens als eigenständige Satrapie einherging, oder ob dies schon einige Jahre früher stattfand. Nach epigraphischen Quellen hatte möglicherweise auch schon Hekatomnos’ VaterHyssaldomos die Stellung eines Satrapen inne.[1]Nach einer einzigenInschrift[2] hatte Hyssaldomos auch eine Tochter namens Aba. Ob auch sie in Analogie zu den jüngeren Hekatomniden die Schwestergemahlin Hekatomnos’ und Mutter seiner Kinder war, ist nicht gesichert.Nach dem Tod des Dynastiebegründers ging das Satrapenamt auf dessen ältesten Sohn Maussollos über. Zunächst mit ihm gemeinsam, nach dessen Tod allein, herrschte auch seine älteste Schwester und Ehefrau Artemisia. Erst nachdem auch sie gestorben war, wurde Hekatomnos' zweiter Sohn Idrieus karischer Satrap, ebenfalls gemeinsam mit seiner Schwester und Gemahlin Ada. Nach dem Tod ihres Mannes wurde sie von ihrem letzten Bruder Pixodaros aus dem Amt gedrängt. Ihm folgte als Satrap der persische AdligeOrontopates, den er mit seiner Tochter Ada verheiratete. Nach der Eroberung Kariens durch Alexander den Großen 334 setzte dieser die ältere Ada wieder ins Amt ein und ließ sich von ihr adoptieren. Somit trat Alexander rechtlich in die Nachfolge der Hekatomniden. Die letzte Hekatomnidin verstarb zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dessen Tod.
Rechtliche Stellung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Machtstellung der einheimischen Dynastie innerhalb Kariens begründete sich auf das von ihnen ausgeübte, erbliche Amt des Vorstehers desKarischen Bundes, eines Priesterkönigtums, das politische, aber vor allem kultische Funktionen hatte. Wie lange die Dynasten von Mylasa es vor dem 4. Jahrhundert v. Chr. schon innehatten, ist nicht bekannt. Aufgrund von Namensgleichheit der Angehörigen der Dynastie mit älteren überlieferten karischen Machthabern ist aber von einer längeren Tradition auszugehen. Als den Hekatomniden zusätzlich das Satrapenamt übertragen wurde, kam es somit zu einer unter der Perserherrschaft ungewöhnlichen Eigenständigkeit und Machtfülle.[3] Die so entstandene Unabhängigkeit machte sich mehrfach in der hekatomnidischen Außenpolitik bemerkbar.
Stellung der Frau und Geschwisterehe
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die weiblichen Angehörigen der Dynastie hatten eine für die Antike ungewöhnlich starke, aber keine völlig gleichberechtigte Stellung. So wurden viele inschriftlich überlieferte Gesetze der Hekatomniden im Namen des Herrscherpaares erlassen, einige nur im Namen des Mannes. Nur die männlichen Hekatomniden prägten eigene Münzen. Dennoch hatten die Frauen eigene Entscheidungsgewalt. Bemerkenswert ist, dass Artemisia und Ada jeweils ihre Ehemänner beerbten, obwohl es auch einen möglichen männlichen Erben gab. Dies spricht dafür, dass sich in der Dynastie Restematrilinearer Strukturen bewahrt hatten, womit auch die seltene Praxis derGeschwisterehe unmittelbar zusammenhängt. Denn dort wo Töchter beerbt werden, können männliche Familienangehörige nur durch die Ehe mit nahen Verwandten zu Macht und Reichtum kommen.[4] Da beide Geschwisterpaare kinderlos blieben, ist der hauptsächliche Grund für die Geschwisterehe aber nicht im Erhalt der dynastischen Macht zu sehen, sondern ist, wie ähnlich auch bei denPtolemäern, als Teil der dynastischen Repräsentation zu verstehen, welche die Herrscherpaare in eine übernatürliche, gottgleiche Stellung rücken sollte.[5]
Förderung griechischer Kultur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Während der Herrschaft der Hekatomniden wurde Karien zunehmendhellenisiert. Die Dynasten förderten aktiv griechische Wissenschaftler wie den ArztDeixippos von Kos oder den AstronomenEudoxos von Knidos. An ihrem Hof hielten sich mitTheompompos von Chios,Theodektes von Phaselis undNaukrates von Erythrai wichtige griechische Autoren auf. Sie gaben bei den bedeutendsten griechischen Künstlern ihrer Zeit umfangreiche Bauprojekte in Auftrag. So waren am Bau desMaussolleionsPytheos undSatyros als Architekten sowieSkopas,Bryaxis,Leochares undTimotheos als Bildhauer tätig. Pytheos war wahrscheinlich ebenfalls der Architekt des von Idrieus gestifteten Tempel desZeus Labraundos in Labraunda, den die Hekatomniden ebenso wie weitere kleinere karische Heiligtümer wieAmyzon,Sinuri oder einArtemisheiligtum beiLatmos ausbauten. Auch in wichtigen griechischen Heiligtümern vonDelphi undTegea finden sich hekatomnidische Stiftungen. In der hekatomnidischenMünzprägung ersetzten unter Hekatomnos griechischeAufschriften die zuvorkarischen.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Gabriele Bockisch:Die Karer und ihre Dynasten. In:Klio. Beiträge zur alten Geschichte. Band 51, 1969, S. 117–175.
- Elisabeth Carney:Women and Dunasteia in Caria. In:American Journal of Philology. Band 126, 2005,ISSN 0002-9475, S. 65–91.
- Simon Hornblower:Mausolos. Clarendon, Oxford 1982,ISBN 0-19-814844-5.
- Hilmar Klinkott:Zur politischen Akkulturation unter den Achaimeniden. Der Testfall Karien. In: Hartmut Blum (Hrsg.):Brückenland Anatolien? Ursachen, Extensität und Modi des Kulturaustauschs zwischen Anatolien und seinen Nachbarn. Tübingen 2002,ISBN 3-89308-346-4, S. 173–204.
- Stephen Ruzicka:Politics of a Persian Dynasty. The Hecatomnids in the Fourth Century B.C. (=Oklahoma Series in Classical Culture. Band 14). Norman, London 1992.
- Violaine Sebillotte Cuchet:The Warrior Queens of Caria (Fifth to Fourth Centuries BCE). In: Jacqueline Fabre-Serris, Alison Keith (Hrsg.):Women & War in Antiquity. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2015,ISBN 978-1-4214-1762-2, S. 228–246
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Jona Lendering:Hecatomnid dynasty. In:Livius.org (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Louis Robert:Le Sanctuaire de Sinuri pres de Mylasa. Les insriptions greques. Paris 1945, Nr. 99; vergleiche auchGabriele Bockisch:Die Karer und ihre Dynasten. In:Klio. Beiträge zur alten Geschichte. Band 51, 1969, S. 134.
- ↑Louis Robert:Le Sanctuaire de Sinuri pres de Mylasa. Les insriptions greques. Paris 1945, Nr. 100.
- ↑Hilmar Klinkott:Zur politischen Akkulturation unter den Achaimeniden. Der Testfall Karien. In: Hartmut Blum (Hrsg.):Brückenland Anatolien? Ursachen, Extensität und Modi des Kulturaustauschs zwischen Anatolien und seinen Nachbarn. Tübingen 2002, S. 196–197.
- ↑Simon Hornblower:Mausolos. Clarendon, Oxford 1982, S. 358.
- ↑Elisabeth Carney:Women and Dunasteia in Caria. In:American Journal of Philology. Band 126, 2005, S. 82–85.