Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unterHekate (Begriffsklärung) aufgeführt.
Hekate tanzt mit zwei Fackeln vor einem Altar, schwarze attische Vase, auf der Hekate mit Blattgold herausgearbeitet war, ca. 350–300 v. Chr. gefunden inCapua, Italien, heute imBritischen MuseumHekateion (kleiner Kultpfeiler der Hekate); die Göttin in dreifacher Gestalt, von dreiChariten umtanzt,Attika, etwa 3. Jahrhundert v. Chr. (Glypothek, München)
Die Göttin ist aus einemkleinasiatischen Kult im 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. in die griechische Religion aufgenommen worden, möglicherweise ausKarien. Evidenz dafür findet man intheophorischen karischen Personennamen inHekat-. In Anatolien scheint der Göttin die Assoziation mit Nekromantie oder Hexerei noch gefehlt zu haben, sie war dort wohl eher eineMagna-Mater-Figur.[2]
In der griechischen Antike wurde Hekate zur Göttin derHexerei,Magie und Theurgie. Ihr Kult wurde eher im Verborgenen gepflegt. Als Beherrscherin der Magie konnte sie den Zugang zur Unterwelt öffnen, den Kontakt mitGeistern und Toten ermöglichen, alsOrakelgottheit die Zukunft offenbaren, ihren Anhängern Macht und Reichtum gewähren.[1]
Als fremde Göttin fand Hekate keinen festen Platz im griechischen Pantheon, ihre Rolle stand in Konflikt mit bereits bestehenden griechischen Gottheiten, besonders mitArtemis.[3] Sie wurde zu einer schwer fassbaren Göttin der häuslichen Sphäre und der Übergänge.[4]
Die ersten bekannten Darstellungen der Göttin in Kleinasien zeigen sie thronend und von Löwinnen umgeben. Auch die älteste griechische Darstellung zeigt sie thronend, aber ansonsten ohne Attribute. Danach wird sie jung und fackeltragend dargestellt. Ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. wird die Dreigestalt für sie charakteristisch: drei junge schöne Frauen, die entweder Rücken an Rücken stehen oder um einen Polos. Vor allem in Griechenland wird die Dreigestalt für Hekate charakteristisch, während die eingestaltige Darstellung der Göttin in Kleinasien überwiegt.[1]
Hekate verbrennt Klytios mit der Höllenfackel,Pergamonaltar, um 150 v. Chr.
Auf den ältesten griechischen Bildzeugnissen wie Vasen oder demPergamonaltar ist dieFackel ihr Attribut bzw. ihr Symbol. Zunächst wird sie mit Fackel, Früchten und einer Amphore in ihren Händen dargestellt. Später kommen auch einDolch, Schlangen, Stricke, Peitschen, Schalen und Schlüssel hinzu.Auch Tiere der Unterwelt und der Nacht werden mit Hekate in Verbindung gebracht, beispielsweiseHunde,Eidechsen,Kröten,Iltisse,Eulen und andere.[1]
Eine der grundlegenden Quellen zum Verständnis der Bedeutung der mythischen Figur in der Antike istHesiodsTheogonie.[5] Hesiod beschreibt Hekate als Tochter der TitanideAsteria, die als schwimmende Insel (Delos) die Geburt der ZwillingeArtemis undApollo ermöglichte, und des TitanenPerses, des Gottes der Zerstörung. In HesiodsTheogonie ist Hekate die einzige unter denTitanen, die unter der Herrschaft desZeus ihre Unabhängigkeit und ihre ursprünglichen Herrschaftsbereiche behält.[1]
Hesiod beschreibt sie als eine den Menschen sehr hilfreiche Göttin, sie schenkt den Hirten fruchtbare Herden, den Fischern volle Netze, den Jägern reiche Beute, den Athleten und Kriegern Erfolg und Glück im Kampf. Sie ist neben Zeus die einzige Gottheit, die den Menschen jeden Wunsch erfüllen oder verweigern kann. Doch genauso wie die Göttin den Segen geben kann, kann sie ihn wieder nehmen, wenn sie es für richtig empfindet. Außerdem bezeichnet Hesiod die Göttin Hekate als Pflegerin aller Geschöpfe. Sie scheint stark mit den Menschen verbunden zu sein. Sie ist in HesiodsTheogonie jene Gottheit, die am häufigsten in Verbindung zu Menschen genannt wird.
Phoibe aber bettete sich in Liebe mit Koios. In der Umarmung empfing den Samen des Gottes die Göttin, und sie gebar die schwarzgewandete Leto, die sanfte, sanften Sinnes seit Beginn, die friedlichste in des Olympos Reich, den Menschen so freundlich gesinnt wie den ewigen Göttern. Ferner gebar sie die namenschöne Asteria. Perses führte sie heim in sein Haus, auf das sie Gattin ihm heiße. Diese empfing und gebar dann Hekate, die der Kronide Zeus vor allen geehrt, indem er sie herrlich begabte, Teil an der Erde zu haben und an der Öde des Meeres. Hohe Ehre ward ihr zuteil unter Himmelsgestirnen, höchste Achtung genießt sie im Kreis der unsterblichen Götter. Denn noch jetzt ist es so: Wenn einer der irdischen Menschen Gnade erfleht, im heiligen Opfer dem Brauche genügend, ruft er Hekate an. Und reichen Segen gewinnt er mühelos, wenn die Göttin sein Bitten gnädig erhört hat. Aus der Fülle der Macht gewährt sie Glück ihm und Wohlstand. Denn von allen Göttern, die Erde und Himmel entstammen, mögen sie noch so geehrt sein: Sie hält ihr Schicksal in Händen. Niemals übte Gewalt gegen sie der Kronide, nie rührte er an die Macht, die ihr zukam unter den früheren Göttern. Nein, was von Anfang an ihr heiliges Teil war, behielt sie: Alle Ehre auf Erden, am Himmel wie auf dem Meere. War sie auch einzeln geboren, empfing sie nicht kleineren Anteil, nein, viel größeren noch, da Zeus sie achtet wie keine. Ganz wie sie will, gewährt sie Hilfe und Schutz einem Manne: Ehrwürdig hohen Königen sitzt er als Richter zur Seite, in der Versammlung ragt er hervor, der Günstling der Göttin. So auch im Krieg: Wenn zum männermordenden Kampfe die Männer rüsten, hilft sie, die Göttin, dem Helden, dem ihre Gnade Sieg zu schenken und Ruhm zu gönnen freundlich gewillt ist. Gut ist sie auch, wenn Männer in sportlichen Kämpfen sich messen, denn auch denen leistet die Göttin Beistand und Hilfe. Wer durch Kraft und Stärke gesiegt, den herrlichen Kampfpreis trägt er leicht, voller Freude davon, der Stolz seiner Eltern. Gut ist ferner die Göttin den Reitern, denen sie wohl will, auch den Männern zur See, die in schlimmer Bläue sich plagen, wenn sie zu Hekate flehn und zum Erderschütterer Poseidon. Mühelos reichen Fang gewährt die erhabenen Göttin, leicht auch nimmt sie ihn fort aus dem Licht nach eigenem Gefallen. Hilfreich wirkt sie mit Hermes im Stall, dem Vieh zu Gedeihen. Rinderherden und weithin weidende Ziegen und Scharen wolliger Schafe und sind sie noch so gering: Sie vermehrt sie wie es ihr immer gefällt und lässt sie auch wieder schwinden. Also, obwohl als einziges Kind ihrer Mutter geboren, steht sie dennoch in höchsten Ehren unter den Göttern. Darum legt auch Zeus ihr ans Herz das Gedeihen der Jungen, die das weithinschauende Licht des Morgens erblickten. Uranfänglich hegt sie die Jugend. Das sind ihre Ehren.
Auch im homerischenDemetermythos erscheint Hekate. Sie hilft Demeter, ihre TochterPersephone zu finden, und nachdem Persephone wieder mit Demeter vereint ist, wird Hekate zu Persephones Führerin und Begleiterin. In derGigantomachie, dem Angriff derGiganten gegen dieOlympischen Götter, kämpft sie auf Seiten der Olympier und verbrennt den GigantenKlytios mit ihren Fackeln, den daraufHerakles tötet.[1]
Hekate wurde vor allem von denNeuplatonikern stark verehrt. Sie sahen in ihr dieWeltseele, aus der alle Seelen entspringen und zu der sie zurückkehren. Außerdem sahen sie in ihr eine Vermittlerin zwischen der Welt der Menschen und der höheren Götter. So richtete beispielsweise der NeuplatonikerProklos eine seiner Hymnen an sie. DerMittelplatonikerLucius Apuleius erwähnte Hekate in seiner Überlieferung des MärchensAmor und Psyche wahrscheinlich auch in dieser Rolle.[1]
Dreigestaltige Repräsentation von Hekate; Marmor, römische Kopie nach einem Original aus Griechenland
Die Darstellung der Göttin machte im griechisch-römischen Raum im Lauf der Zeit mehrere Wandlungen durch. Von einer ursprünglichen vorgriechischenMuttergöttin (Große Mutter) zur jugendlichen Göttin und Hüterin der Schwellen und Übergänge, hin zu einer dunklen Gestalt, um die sich viele Vorstellungen ranken, sowie schließlich in derSpätantike zu einer Art Allgöttin und Weltseele, die in sich die verschiedenen Göttinnen vereint.[1]
ÄhnlichArtemis wurde Hekate als Göttin der Frauen angesehen und mit dieser gleichgesetzt, ähnlich ihr als eine Göttin der Geburtshilfe angerufen. Andere Verschmelzungen sind mitPersephone bekannt. Auch unter dem NamenBaubo erschien sie und wurde auch mitSelene gleichgesetzt.[1]
Hekate vertritt den Aspekt der Übergänge (Geburt, Wegkreuzungen im Besonderen von drei Wegen) und der Verwandlung (Zauberkunst undMagie) und wurde später auch als Göttin derHexen verehrt. Ihr öffentlicher Kult war in Griechenland wenig verbreitet, eine wichtige Rolle spielte sie aber in Privat- und Mysterienkulten. Opfergaben bestanden aus Speisen, Lämmern oder Hunden. Eine ihrer Priesterinnen warMedea.[1]
Vom einfachen Volk wurde Hekate stark verehrt. Ihre Rituale wurden vor allem im privaten Kreise und im Schutze der Dunkelheit abgehalten. Man bat sie, Wünsche zum persönlichen Wohle zu erfüllen (vor allem Schutz, Führung, Glück, Wohlstand). Ihr wurden Opfergaben an Kreuzwegen, Friedhöfen und Hauseingängen (Türschwellen) dargebracht.[1]
Der letzte Tag des Monats, der imathenischen Kalender auf denNeumond fiel, war den Toten heilig. An diesem Tag wurden Hekate, als Wächterin der Unterwelt, Speiseopfer an Wegkreuzungen dargebracht. Diese Speisen waren tabu. Sie zu berühren oder von ihnen zu essen, galt als besonders verwerflich. Trotzdem scheint es üblich gewesen zu sein, dass arme Menschen und Obdachlose von ihnen gegessen haben. Belegt ist auch, dass Hekate zu Vollmond des Monats Munychion (April/Mai) verehrt wurde.[1]
InLagina hatte sie einen Tempel und war die Hauptgöttin der Stadt, ansonsten wurde sie an den Eingängen zu Tempeln anderer Göttinnen verehrt, vor allem von Artemis, Demeter, Persephone und Selene. In späteren Zeiten wurde ihr Kult zu einem Mysterienkult.[1]
William Blake: Hekate, 1795Hekate, neoklassische Zeichnung nach einem späten Original aus der hellenistischen oder römischen Antike vonStéphane Mallarmé (in:Les Dieux Antiques. Nouvelle mythologie illustrée. Paris, 1880)
Ihre Beinamen waren unter anderem:
Apotropaia (ἀποτροπαίᾱ, die Abwendende, zu ἀποτρέπεινabwenden)
Chthonia (χθονίᾱ, die Unterweltliche, zu χθώνErde)
Enodia (εἰνοδίᾱ / ἐνοδίᾱ, die am Wege, zu ἐνin und ὁδόςWeg)
Kleiduchos (κλειδοῦχος, die Schlüsselträgerin, zu κλείςSchlüssel und ἔχεινhalten)
Kurotrophos (κουροτρόφος, die Kind-Nährende, zu κοῦροςKnabe und τρέφεινernähren)
Melaina (μέλαινᾰ, die Schwarze, zu μέλᾱςschwarz)
Urania (οὐρανίᾱ, die Himmlische, zu οὐρανόςHimmel)
Perseis (Περσηΐς, Tochter von Perse Πέρση)
Phosphoros (φωσφόρος, die Fackelträgerin, zu φῶςLicht und φέρεινtragen)
Propolos (πρόπολος, die Leiterin, zu προ-vor- und πέλεσθαιsich bewegen)
Propylaia (προπυλαίᾱ, die Torhüterin, zu πρόvor und πύληTor)
Sotera (σώτειρᾰ, die Retterin, zu σῴζεινretten)
Trimorphos (τρίμορφος, die Dreigestaltige, zu τρεῖςdrei und μορφήGestalt)
Von Anhängern vonMatriarchats-Theorien wird Hekate als vorpatriarchale Göttin interpretiert.Thomas Lautwein (2009) sieht in ihr eine „Erd- und Sonnengöttin“. Danach ist Hekate die Verkörperung des verborgenen, dunklen, geheimnisvollen Aspektes einer vorpatriarchalen Erdgöttin. Lautwein stellt diesen Aspekt in Zusammenhang mit dem dunklen Aspekt der Sonne, die nach alter Vorstellung nachts unter der Erde durch die Unterwelt von Westen nach Osten wanderte. Erst später wurde dieser verborgene, dunkle, geheimnisvolle Aspekt der Sonne dem Mond zugeordnet.[1]
Im heutigen Heidentum (Neopaganismus) gilt Hekate als Wächterin des magischen Wissens. Sie wird oft in der von Hesiod beschriebenen ursprünglichen Form als allmächtige hilfreiche Göttin angerufen. Ihre Unabhängigkeit und ihre Dreigestalt als Jungfrau, reife unabhängige Frau und alte Weise bilden dabei die Ergänzung und den Gegenpol zum Mutteraspekt derGroßen Göttin. Ihre aktive Kraft als Sonnengöttin und ihr Materialismus als Erdgöttin sind die Ergänzung und der Gegenpol zum passiven und ideellen Aspekt von Mondgöttinnen.[1]
Barbara Wood bezeichnet in ihrem RomanSeelenfeuer einen Sud aus Weidenrinde als „Trank der Hekate“. Es gibt aber keine antike Quelle für diese Bezeichnung. Seine tatsächliche schmerzlindernde Wirkung verdankt dieses Heilmittel der in der Weidenrinde enthaltenenSalicylsäure, die auch die Grundlage für dieASS bildet.[6]
Der österreichische PhilosophPaul Watzlawick gab einem seiner bedeutendsten Werke den Titel "Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen".
Hekate spielt im VideospielAssassin’s Creed Odyssey eine wichtige Rolle und wird dort als Isu (eine uralte Rasse, die die Menschheit erschaffen hat) dargestellt.
In der SerieCharmed kommt Hekate in der Episode "Höllenhochzeit" vor und wird als böse Göttin beschrieben, die alle zwanzig Jahre einen menschlichen Mann verführt, um mit ihm ein Dämonenkind zu zeugen.
In der SerieBuffy wird Hekate öfter von den guten Hexen Amy und Willow in Beschwörungsformeln erwähnt. Beispielsweise hat sich Amy so selbst in eine Ratte verwandelt, um dem Scheiterhaufen zu entkommen. Zitat: Oh, Hekate, ich beschwöre dich, möge diese unreine Kreatur vor dir kriechen.
Sarah Iles Johnston:Hekate Soteira. A Study of Hekate’s Roles in the Chaldean Oracles and Related Literature. Scholars Press, Atlanta (Georgia) 1990,ISBN 1-55540-426-X.
Nadja Putzert:„Du schnöder Trank aus mitternächt’gem Kraut, dreimal vom Fluche Hekates betaut“. Hekate als Schutzgöttin und Dämonenherrin. In:„Vielleicht ist die Wahrheit ein Weib…“ Frauengestalten des Mythos im Zwielicht. Hrsg. von der Stiftung Schloss und Park Benrath. DuMont, Radolfzell 2009,ISBN 978-3-8321-9099-6, S. 63–72.
Jane Davidson Reid:The Oxford Guide to Classical Mythology in the Arts, 1300–1990s. Band 1, Oxford University Press, New York / Oxford 1993,ISBN 0-19-504998-5, S. 492 f. (Zusammenstellung der Rezeption in neuzeitlicher Literatur und bildender Kunst).
↑William Berg:Hecate: Greek or „Anatolian“? Numen 21.2 (August 1974, S. 128–140), hier S. 129: “Since children are not called after spooks, it is safe to assume that Carian theophoric names involvinghekat- refer to a major deity free from the dark and unsavoury ties to the underworld and to witchcraft associated with the Hecate of classical Athens.”
↑William Arthur Heidel:The Day of Yahweh: A Study of Sacred Days and Ritual Forms in the Ancient Near East. American Historical Association, 1929, S. 514.
↑Simon Spawforth:The Oxford Classical Dictionary. Oxford University Press, 1996, S. 671: “She is more at home on the fringes than in the center of Greek polytheism. Intrinsically ambivalent and polymorphous, she straddles conventional boundaries and eludes definition.”