Heilsspiegel
Heilsspiegel waren eine seit demSpätmittelalter verbreitete Art christlicherErbauungsbücher. Die ursprüngliche, in lateinischerReimprosa gedichtete VersionSpeculum humanae salvationis (lat. „Spiegel des menschlichenHeils“) verfasste mutmaßlich einDominikaner oderFranziskaner in Italien am Anfang des 14. Jahrhunderts. Die ältere Zuschreibung (durch Perdrizet/Lutz, 1907) an den DeutschenLudolf von Sachsen und das Entstehungsjahr 1324 werden von der neueren Forschung nicht mehr vertreten.[1] Das Werk diente als illustrierteHeilsgeschichte für Laien.
Aufbau
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In Erweiterung dertypologischen Darstellung inArmenbibeln sind Heilsspiegel nach dem Muster derPräfiguration aufgebaut, d. h. sie dehnen die Analogien zumNeuen Testament über dasAlte Testament hinaus auf Beispiele ausgriechischer undrömischer Mythologie und Geschichte aus. In den meisten der 45 Kapitel der lateinischen Vorlage treten zu einer neutestamentlichen Szene (dem ‚Antitypus‘), meist aus dem Leben Marias und Jesu, drei andere Szenen (die ‚Typen‘). Jedes Kapitel besteht aus 100 Versen, so dass die Bild-Text-Folge mit einem festen Layout verbunden werden konnte. Die ersten und letzten Kapitel haben einen abweichenden Aufbau: die ersten beiden Kapitel beschreiben je vier Szenen aus dem BuchGenesis, die letzten drei Kapitel haben je acht Bilder und enthalten Andachten zur Passion Christi und denSieben Schmerzen undSieben Freuden Marias.
Bei den meisten Handschriften nimmt jedes Kapitel eine Doppelseite ein, oben stehen die vier Bilder nebeneinander, darunter der Text.

Die Bildreihen der Handschriften gingen teilweise auch in andere Kunstgattungen ein, u. a. in die Heilsdarstellung vonFastentüchern oder in denspätgotischen Bildteppich desKlosters Wienhausen.
Volkssprachliche Heilsspiegel
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der älteste erhaltene volkssprachliche Heilsspiegel war diefrühneuhochdeutscheSpeculum-ÜbersetzungEyn Spiegel der menschlichen selikeit (Mitte des 14. Jahrhunderts), die die lateinische Reimprosa nachbildete. In der Folge entstanden Vers- und Prosaübersetzungen aufMittelhochdeutsch undMittelniederdeutsch sowie aufMittelfranzösisch vonJean Miélot. Eigenständige Versbearbeitungen in mittelhochdeutscher Sprache schufenKonrad von Helmsdorf (Der Spiegel des menschlichen Heils),Andreas Kurzmann undHeinrich Laufenberg. Daneben erschienen ab 1473 mehrere gedruckte Heilsspiegel, die für die Popularität der Hausbücher und ihrer Wort-Bild-Kombination sprechen.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Historische Werke
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Paul Perdrizet, Jules Lutz (Hrsg.):Speculum humanae Salvationis. Paris 1907.
- Axel Lindqvist (Hrsg.):Konrad von Helmsdorf: Der Spiegel des menschlichen Heils. Berlin 1924.
- Margit Krenn (Hrsg.):Speculum humanae salvationis. Darmstadt 2006,ISBN 3-534-19126-9.
- Gregory T. Clark,Hans-Walter Stork:Der Heilsspiegel aus Kloster Einsiedeln. Cod. 206, Stiftsbibliothek Einsiedeln. Faksimile-Edition. Quaternio Verlag, Luzern 2015,ISBN 978-3-905924-22-0.
Sekundärliteratur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Edgar Breitenbach:Speculum Humanae Salvationis. Eine typengeschichtliche Untersuchung. Straßburg 1930.
- Horst Appuhn:Heilsspiegel. Die Bilder des mittelalterlichen Erbauungsbuches Speculum humanae salvationis. Dortmund 1981,ISBN 3-88379-267-5.
- Adrian Wilson/Joyce Lancaster Wilson:A medieval mirror. ‘Speculum humanae salvationis’ 1324–1500. Berkeley 1984,ISBN 0-520-05194-7 (online).
- Peter Wiesinger:Einige Bemerkungen zu Andreas Kurzmanns Reimübersetzung des „Speculum humanae salvationis“ anlässlich des Editionsvorhabens. In: Alfred Ebenbauer et al. (Hrsg.):Die mittelalterliche Literatur in der Steiermark. Akten des Internationalen Symposiums Schloß Seggau bei Leibnitz 1984. Bern/Frankfurt am Main 1988, S. 299–315.
- Hans-Walter Stork/B[urghart] Wachinger: Art.Speculum humanae salvationis. In:Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 9, Sp. 52–65.
- G. Roth, M. Markus, M. Grams-Thieme: Art.Speculum humanae salvationis. In:Lexikon des Mittelalters 7, Sp. 2088f.
- Speculum Humanae Salvationis (Reproduktion von Codex Cremifanensis 243 des Stifts Kremsmünster, entstanden 1325–1330, mit Kommentar von W. Neumüller). Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1997,ISBN 978-3-201-01670-4.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Seite zum Heilsspiegel in der Warburg Institute Iconographic Database, mit einer Zusammenfassung des Textes und fast 13,000 Bildern aus über 80 Handschriften und sämtlichen Holzschnittserien
- Digitalisat des Speculum humanae salvationis: Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Karlsruhe 3378
- Speculum humanae salvationis – Universitätsbibliothek Augsburg (Cod.I.2.2.24) – hochauflösendes Digitalisat im Kulturportal bavarikon
- Digitalisat des Speculum humanae salvationis: Wissenschaftliche Stadtbibliothek Mainz, Hs II 10
Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Joost Roger Robbe:Der mittelniederländische Spieghel onser behoudenisseund seine lateinische Quelle. Münster 2010, S. 61–113.