Hans-Eberhard Zahn
Hans-Eberhard Zahn (*28. Juni1928 inStettin; †29. August2013 inBerlin)[1] war ein deutscherPsychologe undHochschullehrer. Er war sieben Jahre lang unschuldig[2]politischer Häftling derDDR-Diktatur.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Hans-Eberhard Zahn wurde 1928 inStettin geboren. Nach demZweiten Weltkrieg begann er an derFreien Universität (FU), die 1948 als Reaktion auf die politische Gleichschaltung der BerlinerUniversität Unter den Linden von Studenten und Professoren inWest-Berlin gegründet worden war, ein Studium derPsychologie undPhilosophie.
Zahn unterstützte alsAStA-Referent notleidende Verwandte von FU-Studenten in dersowjetisch besetzten Zone. Er sammelte dazu einige Helfer um sich, die inOst-Berlin jeweils kleinere Einzahlungen vornahmen.
Verhaftung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Am 14. November 1953 erschien Zahn auf seinem West-Motorroller am Haus einesKommilitonen imOst-Berliner StadtteilJohannisthal, um ihm Geld und Einzahlungslisten zu überbringen. Dort kontrollierte ihn ein Festnahmekommando derVerwaltung Groß-Berlin der Staatssicherheit, das kurz zuvor den Freund wegen Spionageverdacht verhaftet hatte.[3] Es fand in Zahns Aktentasche 67.000DM-Ost und eine Liste mit Ost-Berliner Adressen. Das Geld stammte von Kommilitonen, die damit ihre Verwandtschaft im Osten unterstützen wollten und sich zu einem kleinen Wohltätigkeitsverband zusammengeschlossen hatten. Das Geld sollte auf einem Ost-Berliner Postamt an die Adressen der Verwandten überwiesen werden. Die Stasi verhaftete ihn in dem Irrglauben, einen hochrangigenSpion der Briten geschnappt zu haben.[4]
U-Haft und Stasi-Folter
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zahn wurde in eines der 17 geheimen DDR-Untersuchungsgefängnisse des Ministeriums für Staatssicherheit gebracht, dasHundekeller genannte unterirdische Untersuchungsgefängnis an derPrenzlauer Allee. Hier versuchten die Stasioffiziere sieben Monate vergeblich ihm durchSchlafentzug, Gewaltandrohung, physische Quälerei,Sensorische Deprivation und psychische Folter durchZersetzungsmaßnahmen ein Geständnis abzupressen und ihn „umzudrehen“, um ihn in der West-Berliner Zentrale des britischen Geheimdienstes platzieren zu können. Man sperrte ihn drei Tage stehend in eine schrankartige, abgeschlossene Folterzelle, wobei ihm während der ersten zwölf Stunden die Hände an im Mauerwerk verankertenHandschellen angeschlossen wurden (Stehkarzer). Doch er konnte nichts gestehen, weil er kein Topspion war, wie die Stasi vermutete.[5][4]
Sieben Jahre Zuchthaus
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im September 1953 verurteilte ihn das Stadtgericht Berlin zu sieben JahrenZuchthaus, weil er in einer Studentenzeitschrift einigeantikommunistische Artikel veröffentlicht hatte, die angeblich zu einer „Gefährdung des Friedens des deutschen Volkes und der Welt“ geführt hätten.[5]
Die Strafe musste Zahn in den ZuchthäusernBerlin-Rummelsburg,Brandenburg-Görden undBautzen sowie im geheimenHaftarbeitslager X der Staatssicherheit im Sperrgebiet inBerlin-Hohenschönhausen vollständig absitzen. Im Lager X habe ein Politleiter im Range eines Majors, unterstützt von einer Gruppe „prokommunistischer“ Häftlinge umBernhard Steinberger, großen Wert auf die Umerziehung und politische Beeinflussung der Gefangenen gelegt.[6] Am 21. November 1960 wurde Zahn nach 2555 Tagen Haft entlassen. Während der Haftzeit hatte seine West-Berliner FreundinSuizid begangen, indem sie auf demS-Bahnhof Jungfernheide vor einen einfahrenden Zug sprang. Zahn setzte sein Psychologiestudium an der FU Berlin fort und verfasste Aufsätze und Bücher über seine Hafterfahrungen und hielt Vorträge darüber.[7][8]
Engagement gegen kommunistische Unterwanderung im Hochschulbereich
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zahn schloss seinStudium der Psychologie an derFreien Universität Berlin ab und arbeitete dort bis 1993 alsHochschullehrer. Im Gefolge derStudentenbewegung trat er als Verteidiger derMeinungsfreiheit auf und engagierte sich im Kampf gegen die erstarkende kommunistische Studentenbewegung. DieNotgemeinschaft für eine freie Universität (NoFU) Berlin, ein Zusammenschluss konservativer Berliner Professoren, der sich dem Kampf gegen kommunistische Unterwanderungsbemühungen im Hochschulbereich verschrieben hatte, wählte ihn 1983 in ihren Vorstand. Nach derfriedlichen Revolution in der DDR wurde er im Herbst 1989 zum Vorsitzenden, später zum Ehrenvorsitzenden desBundes Freiheit der Wissenschaft inBerlin-Brandenburg gewählt.
Vorstand des Fördervereins der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zahn gehörte nach dem Sturz des SED-Regimes zu den Mitbegründern derGedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und war dort Beiratsmitglied. Er arbeitete dort u. a. von 2001 bis 2010 als Zeitzeuge in der Besucherbetreuung, führte Besuchergruppen durch die vormalige zentraleUntersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit und setzte sich in den Gremien der Stiftung für den weiteren Ausbau der Gedenkstätte ein. Von 2003 bis 2005 gehörte er dem Vorstand des Fördervereins der Gedenkstätte an.[9] Zahn spielte 2011 in dem Theaterstück „Staatssicherheiten“ mit, worin auch er seine Haftzeit schilderte. Das nach Ideen vonLea Rosh amHans Otto Theater in Potsdam inszenierte Stück fand auf Tourneen in vielen Städten Deutschlands große Beachtung.[10]
Am 25. Februar 2011 wurde Zahn im Auftrag von BundespräsidentChristian Wulff dasBundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland überreicht, um mit dieser Auszeichnung das Lebenswerk des ehemaligen DDR-Häftlings, Zeitzeugen und Förderers der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu ehren.[11]
Hans-Eberhard Zahn verstarb am 29. August 2013 im Alter von 85 Jahren inBerlin-Steglitz.[12] Er hinterließ einen Sohn und seine Frau, die wie er von 1945 bis 1950 in diversen Speziallagern inhaftiert war, u. a. auch in Hohenschönhausen.
Schriften
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Und die einen stehen im Dunkeln. In: Frederik Hetmann:Enteignete Jahre. Junge Leute berichten von drüben. München 1961.
- Haftbedingungen und Geständnisproduktion in den Untersuchungshaftanstalten des MfS. Berlin, der Berliner Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ehem. DDR, 1997.
- Haftbedingungen und Geständnisproduktion in den Untersuchungshaftanstalten des MfS. Berlin, der Berliner Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ehem. DDR, 2005, 4., durchges. Auflage
- Die DDR in ihrer reinsten Ausprägung oder: Das geheime Stasi-Haftarbeitslager, das Lager X, in:Gerbergasse 18 (2005) 10, S. 19–23
- Haftbedingungen und Geständnisproduktion in den Untersuchungshaftanstalten des MfS. Berlin, der Berliner Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ehem. DDR, 2007, 5. Auflage.
- Das Haftarbeitslager (Lager X) des Ministeriums für Staatssicherheit als Modell der Deutschen Demokratischen Republik. In:Peter Erler:Das geheime Haftarbeitslager des MfS in Berlin Hohenschönhausen (1952–1972). Fakten – Dokumente – Personen. Forschungsverbund SED-Staat, Freie Universität Berlin, November 1997.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Hans-Eberhard Zahn im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Hans-Eberhard Zahn:Haftbedingungen und Geständnisproduktionen in den Untersuchungs-Haftanstalten des MfS. (= Schriftenreihe des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Band 5). Berlin 2005,ISBN 3-934085-01-6. (PDF-Download; 229 kB)
- Mila Hanke:Die Methoden der Stasi. Seelenmord. (PDF-Download)
- Erinnerungen an die Haft. „Das Arbeitslager war wie eine kleine DDR“ vonSven Felix Kellerhoff aufMorgenpost.de, 22. Juni 2010.
- Nachlass
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑NACHRUF von Tomas Kittan:Trotz 2555 Tage in Stasi-Haft: Dialog mit Markus Wolf. gedenkbibliothek.de;2555 Tage Stasi-Haft, 50 Jahre Aufarbeitungsarbeit
- ↑Matthias Geyer:STASI: Das Leben des anderen. In:Der Spiegel.Nr. 33, 2006 (online –14. August 2006).
- ↑Zum Hergang der Festnahme siehe Hans-Eberhard Zahn:Haftbedingungen und Geständnisproduktionen in den Untersuchungs-Haftanstalten des MfS. Schriftenreihe des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Band 5. Berlin 1999²,ISBN 3-934085-01-6, S. 26.
- ↑abReinhard Fuhrmann:Die Haftstätte in der Prenzlauer Allee (1945–1956). In: Berlin-Brandenburgische Geschichtswerkstatt (Hrsg.):Prenzlauer, Ecke Fröbelstrasse. Hospital der Reichshauptstadt, Haftort der Geheimdienste, Bezirksamt Prenzlauer Berg. 1889–1989. Lukas-Verlag, Berlin 2006,ISBN 978-3-936872-98-9, S. 97–120, zu Zahn und zum „Hundekeller“ S. 110–115.
- ↑abMila Hanke:Die Methoden der Stasi. Seelenmord. (Memento vom 21. Juni 2016 imInternet Archive)Psychologie Heute November 2006.
- ↑Peter Erler:»Lager X«. Das Haftarbeitslager des MfS in Berlin-Hohenschönhausen. (Memento vom 21. Juni 2016 imInternet Archive)Horch und Guck Heft 20/1997, S. 33–42.
- ↑STASI. Das Leben des anderenSpiegel online, 14. August 2006.
- ↑Biografie: Hans-Eberhard Zahn.
- ↑In Memoriam (Memento vom 21. Juni 2016 imInternet Archive) foerderverein-hsh.de
- ↑DieBrandenburgische Landeszentrale für politische Bildung informiert zumTheaterstückStaatssicherheiten
- ↑Bundesverdienstkreuz für Hans-Eberhard Zahn. Pressemitteilung vom 25. Februar 2011.
- ↑Ein Freiheitskämpfer der alten Schule hat uns verlassen. Zum Tod von Hans-Eberhard Zahn. Vereinigung 17. Juni 1953 e. V.
Personendaten | |
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NAME | Zahn, Hans-Eberhard |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Psychologe |
GEBURTSDATUM | 28. Juni 1928 |
GEBURTSORT | Stettin |
STERBEDATUM | 29. August 2013 |
STERBEORT | Berlin |