Hamid Karzai

Hamid Karzai (*24. Dezember1957 inKarz naheKandahar; alternative SchreibweiseHamid Karsai, aufPaschtu undDari (Persisch)حامد کرزی,DMGḤāmid Karzay) ist einafghanischerPolitiker. Er war von 2001 bis 2014Präsident derIslamischen Republik Afghanistan.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Hamid Karzai wurde 1957 in Karz (كرز) geboren, worauf sein Nachname hinweist. Er ist Mitglied despaschtunischenPopalzai-Clans, eines Unterclans derDurrani, aus dem viele afghanische Könige hervorgegangen sind. Karzai ist ein Nachfahre vonAhmad Schah Durrani. Sein Großvater war während der Regierung des KönigsMohammed Zahir Schah Nationalratspräsident. Sein Vater war Senator.
Karzai studierte von 1978 bis 1983Politik an derHimachal-Pradesh-Universität inShimla (Indien). Gegen diesowjetische Intervention unterstützte der Unternehmer Karzai dieMudschaheddin mit einem Teil seines Vermögens.[1] Ende der 1980er Jahre kehrte Karzai nach Afghanistan zurück, um anti-sowjetische Kräfte zu unterstützen. Nachdem die sowjetischen Streitkräfte aus Afghanistan abgezogen waren, war er von 1992 an für zwei Jahre Vize-Außenminister im Kabinett vonBurhānuddin Rabbāni.
Als dieTaliban Mitte der 1990er Jahre die politische Bühne betraten, unterstützte Karzai sie zunächst. Allerdings brach er dann mit ihnen und floh 1996 in die Botschaft derUNO. Im Jahr 1997 gründeten er, sein Vater und sein Bruder eine Gegenbewegung impakistanischenQuetta. Er versorgte Gegner der Taliban mit Waffen und unterstützte sie auch finanziell. Zudem soll er auch Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst CIA gehabt haben.[1]

1999 fiel Karzais Vater einem Mordanschlag zum Opfer, Hamid und sein BruderAhmad Wali Karzai entkamen nur knapp. Nach der Bluttat erbte Hamid den Titel des Khans der 500.000 Popalzai und wurde ein Führer im bewaffneten Widerstand gegen die Taliban. Sein Bruder Ahmad Wali Karzai galt bis zu seiner Ermordung durch die Taliban am 12. Juli 2011 als der größte Drogenproduzent und -händler Afghanistans, der unter anderem auf der Lohnliste des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA stand.[2][3]
1999 heiratete er die Gynäkologin Zeenat Quraishi, die in Pakistan mit afghanischen Flüchtlingen arbeitete. Ihr Sohn, Mirwais, wurde im Januar 2007 geboren.[4] Es folgten drei Töchter (Malalai, im Jahr 2012[5], Howsi, im März 2014[5] und eine weitere Tochter im September 2016[6]).
Präsidentschaft
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nach denTerroranschlägen am 11. September 2001 arbeitete Karzai mit den USA und derNordallianz zusammen, um dasTaliban-Regime zu stürzen und eine neue Regierung aufzubauen. Bis zum Eintreffen der US-amerikanischen Truppen in Kandahar am 25. November 2001 hatte Karzai mit den Taliban ein Übereinkommen geschlossen, das ihnen Generalamnestie undMullah Omar einen freien Abzug aus der Stadt zusicherte.[7] Die USA erklärten jedoch, sich nicht an dieses Abkommen halten zu wollen. Bereits am 4. Dezember 2001 wurde er auf derAfghanistan-Konferenz auf demPetersberg bei Bonn zum Präsidenten einer Interimsverwaltung ernannt.[1] Am 22. Dezember 2001 wurde er vereidigt. Die Große Ratsversammlung (Loja Dschirga) am 13. Juni 2002 ernannte Karzai dann zum Präsidenten desIslamischen Übergangsstaats Afghanistan.[8]
Am 5. September 2002 wurde in Kandahar ein Anschlag auf Karzai verübt. Ein Schütze in Uniform der afghanischen Armee eröffnete das Feuer, verwundete den Gouverneur von Kandahar und einen Angehörigen der US-Armee. Der Schütze und ein Leibwächter Karzais kamen ums Leben.

Vom 14. Dezember 2003 bis zum 4. Januar 2004 leitete Karzai eine mehrwöchigeLoja Dschirga, die am Ende dem Entwurf derVerfassung für Afghanistan als eine islamische Republik mehrheitlich zustimmte. Karzai galt als großer Favorit für die afghanischen Präsidentschaftswahlen, die im Oktober 2004 stattfanden. Am 9. Oktober 2004 wurde Karzai mit einer Mehrheit von über 55 % der Stimmen zum Präsidenten gewählt.
Bei der Feier zum 16. Jahrestag des Rückzugs der sowjetischen Streitkräfte am 27. April 2008 überlebte Hamid Karzai einen Angriff der Taliban in Kabul unverletzt. Zwei Menschen wurden dabei nach Angaben des Gesundheitsministers Mohammed Amin Fatimie getötet.
Im August 2009 kandidierte Karzai bei derPräsidentschaftswahl 2009 erneut als Staatspräsident. Laut einem UN-Report kam es bei dieser Wahl zu mehreren hunderttausend Stimmenfälschungen zugunsten von Karzai. Daraufhin wurde eine Stichwahl zwischen Karzai und seinem stärksten KontrahentenAbdullah Abdullah geplant, die jedoch abgesagt wurde, weil der Herausforderer aus Protest vor erneut möglichen Unregelmäßigkeiten seine Kandidatur zurückzog.
Am 19. November 2009 wurde Karzai im Beisein zahlreicher internationaler Gäste für eine zweite Amtszeit vereidigt. Er kündigte die Einsetzung einer Regierung der nationalen Einheit sowie die Einberufung derLoja Dschirga zur Versöhnung mit den Aufständischen in Afghanistan an.[9]
Am 12. Juli 2011 wurde Karzais Halbbruder Ahmad Wali Karzai in Kandahar ermordet.[10]
Der deutsche AußenministerGuido Westerwelle forderte bei einem Besuch in Afghanistan im Juni 2013 von Karzai mehr demokratische Fortschritte und eine härtere Bekämpfung von Korruption.[11] Drei Jahre zuvor bescheinigte die afghanische Behörde zur Korruptionsbekämpfung, dass Karzai 525 Dollar im Monat verdienen würde, auf dem Bankkonto weniger als 20.000 Dollar liegen habe und keinerlei Land oder Immobilien besitze. Dagegen beschrieb eine durchWikiLeaks bekannt gewordene Analyse eines kanadischen Botschafters in Kabul, dass Karzai und seine Familie im ganzen Land ein System von Begünstigung und Kontrolle errichtet habe.[12]
Zeit nach der Präsidentschaft
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nachdem sein NachfolgerAschraf Ghani die Hauptstadt Kabul am 15. August 2021 an die Taliban übergeben musste und das Land verließ, verkündete Karzai, dass die Übergabe Afghanistans durch einen Koordinierungsrat erfolgen solle, dem neben ihm auchGulbuddin Hekmatyār und Abdullah Abdullah – als Vorsitzender des Nationalen Versöhnungsrates – angehören.[13]
Im August 2022 prangerte Karzai die Verbindung der Taliban mit dem pakistanischen Staat an und warf Pakistan vor, die Taliban zu benutzen, um ein schwaches Afghanistan zu kontrollieren. „Das Ziel Pakistans ist ein wehrloses, schwaches und armes Afghanistan, das keine Herausforderung darstellt.“ Mit Blick auf die Vergangenheit sagte Karzai über Pakistan: „In Zeiten der Kriege bot uns das pakistanische Volk Gastfreundschaft an, und dafür sind wir dankbar. Aber wir wissen auch, welchen Schaden uns daspakistanische Militär und derpakistanische Geheimdienst ISI zufügten.“[14]
Verbindungen zur Wirtschaft
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die französische ZeitungLe Monde berichtete am 9. Dezember 2001, Hamid Karzai habe seine Ausbildung nach dem Politikstudium in Indien während der 1980er Jahre in den USA abgeschlossen und dort kurzzeitig als Berater für den EnergiekonzernUnocal gearbeitet. 2010 berichteteLe Monde diplomatique, er habe das Unternehmen bei den Verhandlungen zwischen 1996 und 1998 über den Bau einer Gaspipeline durch Afghanistan mit denTaliban repräsentiert.[15] Sowohl Unocal als auch das Umfeld Karzais dementierten dies; möglicherweise liegt eine Verwechslung mit dem späteren US-Botschafter in AfghanistanZalmay Khalilzad vor.[16] Nach dem Sturz der Taliban unterzeichnete die Regierung Karzai 2002 mit Turkmenistan und Pakistan einen Vertrag über dieTurkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline, die einen ähnlichen Verlauf wie das frühere Projekt haben soll.
Die afghanischeWatan Group, die unter anderem Logistik- und Sicherheitsdienste anbietet, wird von zwei Cousins Hamid Karzais, Ahmed Rateb Popal und Rashid Popal, geleitet, die früher Drogenhändler waren. Die Gruppe soll die Taliban dafür bezahlen, ihre Konvois nicht anzugreifen.[17]
Ehrung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Diekommunistische Partei Chinas würdigte ihn alsAlten Freund des chinesischen Volkes.[18]
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Joshua Partlow:A Kingdom of Their Own: The Family Karzai and the Afghan Disaster. Knopf, New York 2016,ISBN 978-0-307-96264-5.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Hamid Karzai in derNotable Names Database (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abcDer Weg zur Erlösung. In:Der Spiegel.Nr. 50, 2001 (online).
- ↑Matthias Gebauer: Der Al Capone von Kandahar. In: Spiegel Online. 28. Oktober 2009, abgerufen am 17. September 2011.
- ↑James Risen:Reports Link Karzai’s Brother to Afghanistan Heroin Trade. In:The New York Times, 4. Oktober 2008 (englisch).
- ↑Hamid Karzai becomes father at 49. 26. Januar 2007 (bbc.co.uk [abgerufen am 8. August 2022]).
- ↑abRao Jaswant Singh / TNN / Updated: Mar 7, 2014, 08:05 Ist: Afghan President Hamid Karzai's baby girl born in Gurgaon hospital | India News - Times of India. Abgerufen am 8. August 2022 (englisch).
- ↑Hamid Karzai became father for his fourth child. 5. September 2016, archiviert vom Original am 5. September 2016; abgerufen am 8. August 2022. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.saharasamay.com
- ↑Mark Baker:Last city falls - but no hint of bin Laden. In:Sydney Morning Herald. 8. Dezember 2001.
- ↑Carlotta Gall, James Dao:A Buoyant Karzai Is Sworn In as Afghanistan's Leader. In:The New York Times. 20. Juni 2002,ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 10. August 2021]).
- ↑Westerwelle bei Karsais Vereidigung. (Memento vom 22. November 2009 imInternet Archive) In:Süddeutsche Zeitung, 19. November 2009 (abgerufen am 19. November 2009).
- ↑Symbol für Vetternwirtschaft. In: ORF. 12. Juli 2011, abgerufen am 12. Juli 2011.
- ↑Westerwelle mahnt Karsai zu demokratischen Fortschritten.Zeit Online, 8. Juni 2013.
- ↑Dietmar Pieper: Afghanistan: Der Comeback-Versuch des Hamid Karzai. In: Der Spiegel. Abgerufen am 29. August 2021.
- ↑Taliban beziehen Posten. Verzweifelte Fluchtversuche aus Kabul. Tagesschau, 16. August 2021, abgerufen am 16. August 2021.
- ↑Susanne Koelbl:(S+) Hamid Karzai im Interview über den neuen Terror, die Taliban und sein von den neuen Herrschern auferlegtes Reiseverbot. In:Der Spiegel. 5. August 2022,ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 8. August 2022]).
- ↑Afghanische Patrioten. In:Le Monde diplomatique, 8. Oktober 2010.
- ↑Biografie von Karzai bei globalsecurity.org
- ↑Aram Roston:How the US Funds the Taliban. (Memento desOriginals vom 28. Juni 2011 imInternet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.thenation.com In:The Nation, 11. November 2009 (englisch).
- ↑Li Yuanchao Met with Former President of Afghanistan Hamid Karzai. Abgerufen am 19. Oktober 2021.
Personendaten | |
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NAME | Karzai, Hamid |
ALTERNATIVNAMEN | Hamid Karsai, حامد كرزي |
KURZBESCHREIBUNG | afghanischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 24. Dezember 1957 |
GEBURTSORT | Karz beiKandahar |