DieHamburgische Sezession (Sezession = Abspaltung, Abtrennung) wurde 1919 als künstlerischeSezessionsgruppe gegründet. Die Künstlervereinigung hatte etwa 55 Mitglieder, darunter auchArchitekten undLiteraten. Sie löste sich im Mai 1933 unter dem Druck desnationalsozialistischen Regimes selbst auf. 1945 fand eine Neugründung derHamburgischen Sezession statt, die sich 1952 wieder auflöste.
Ziel der Vereinigung war es, das Klima für die bildenden Künste in der kaufmännisch geprägten Hansestadt zu verbessern. So wurde von den Künstlern immer wieder bemängelt, dass es durch das Fehlen von Künstlercafés, wie etwa inMünchen oderParis, keine Treffpunkte für die Kulturschaffenden gebe. Auch gab es in der Stadt keine Akademie zur Ausbildung von Künstlern. Bereits der erste Direktor derHamburger Kunsthalle,Alfred Lichtwark, hatte beklagt, dass viele Talente ihrer Heimatstadt zur Ausbildung den Rücken kehrten und danach nie wieder in die Hansestadt zurückkehrten. Die Sezession wollte das Problem durch eine Vielzahl von kulturellen Aktivitäten angehen: Ausstellungen, Vorträge, Lesungen und Künstlerfeste. Nicht zuletzt wollte sie auch ein Zusammenschluss von hochrangigen Künstlern sein, mit einigem Selbstbewusstsein nahm sie für sich nichts Geringeres in Anspruch, als dieElite der Hamburger Künstler zu vertreten.
Das relativ späte Gründungsdatum derSezession ist insofern von Belang, als die Mitglieder der Gruppe bereits vomErsten Weltkrieg kuriert waren. Die Kriegsbegeisterung, der viele männliche Künstler desExpressionismus zuerst anheim und danach zum Opfer fielen, und die viele in existenzielle Krisen stürzte (etwaMax Beckmann), ist bei der Hamburgischen Sezession von Anfang an nicht vorhanden. Anders als die „Brücke“ inDresden hatte die Hamburgische Sezession keine feste theoretische Programmatik, so wie es auch bei der Redaktionsgemeinschaft „Der Blaue Reiter“ inMünchen nicht der Fall war. Dies manifestierte sich in vielgestaltigen Jahresausstellungen, bei denen sowohl die Werke der Mitglieder als auch Arbeiten der bedeutendsten modernen Künstler der Zeit ausgestellt wurden (beispielsweiseKlee,Picasso,Kandinsky,de Chirico,Braque). Maßstab für die Aufnahme waren die Orientierung anmodernen Stilrichtungen und ein hohes künstlerisches Niveau.
Die erste Ausstellung der Hamburgischen Sezession wurde am 14. Dezember 1919 in der Hamburger Kunsthalle eröffnet. Für das Titelblatt des Ausstellungskatalogs schuf Emil Maetzel einen Holzschnitt.[1] Es folgten bis auf eine Ausnahme jährlich eine Ausstellung. Zusätzlich knüpfte die Hamburger Sezession Kontakte zu ähnlichen Künstlervereinigungen in anderen Städten. Daraus resultierte 1927 eine Ausstellung Hamburger Sezessionisten inNürnberg auf Einladung derNürnberger Sezession. Die letzte Ausstellung der Hamburgischen Sezession wurde am 30. März 1933 auf Anordnung einer demReichspropagandaministerium zugehörigen Stelle ausBerlin polizeilich geschlossen. Es handelte sich um die erste Ausstellungsschließung derNationalsozialisten, der noch eine Reihe anderer folgen sollten.
Neben den Ausstellungen wurden auch Vortragsreihen zu allen Kulturbereichen abgehalten, mit Referenten wieRosa Schapire, die auch literarisches Mitglied der Sezession war,Max Sauerlandt,Karl Kraus und vielen anderen. Darüber hinaus bot die Sezession auch Architekten die Möglichkeit, ihre Arbeiten vorzustellen. Dieser gesamtkulturelle Ansatz korrespondierte zwar mit den Ideen desBauhauses, das zeitgleich inWeimar gegründet wurde, doch war die Vorgehensweise der Hamburger Sezession weniger systematisch, lag auch nicht in ihrer Absicht. Gleichwohl sind auch die Projekte der Architekten der Gruppe auf dem Niveau der Zeit angesiedelt. Die Typenmöbel des MitgliedsKarl Schneider z. B. sind absolut vergleichbar mit den gleichzeitig im Bauhaus oder in der Gruppe „Das Neue Frankfurt“ entstandenen Möbelkonzepten.
Die Hamburgische Sezession war Mitglied desKartells Hamburger Künstlerverbände, das am 20. Februar 1929 gegründet wurde und dessen Präsident der SchriftstellerHans Henny Jahnn war. Das Kartell war ein Zusammenschluss aller freien Künstler Hamburgs zu einem Dachverband. Mitglieder des Vereins waren neben der Hamburgischen Sezession, derHamburger Künstlerverein, dieHamburgische Künstlerschaft, derSchriftsteller-Schutzverband Nordwestgau, dieVereinigung Hamburgischer Komponisten, derReichswirtschaftsverband bildender Künstler und derAltonaer Künstlerverein.
In den Anfangsjahren konnte man kaum von einem spezifischen Hamburgischen Sezessionsstil sprechen. In den Werken spiegelt sich jedoch der Einfluss der wichtigsten künstlerischen Strömungen der Zeit wider. Bis in die Mitte der 20er Jahre herrschte derExpressionismus vor, danach entdeckten die meisten Mitglieder dieNeue Sachlichkeit für sich.
In den späten zwanziger Jahren entwickelte sich bei einigen jüngeren Malern (z. B.Rolf Nesch,Eduard Bargheer,Karl Ballmer,Karl Kluth) unter dem Eindruck der ArbeitenEdvard Munchs ein neuartiger Stil, der sich durch abgerundete Konturen und kursorische Zusammenfassungen von Menschen und Landschaften auszeichnet. Die Farbgebung ist zurückhaltend, oft dominieren gedämpftes Blau und Grau. In der neueren Forschung über die Hamburger Sezession bezeichnet man diesen Stil alsSezessionsstil.
Mehrere Mitglieder der Hamburgischen Sezession (insbesondereEmil Maetzel,Fritz Kronenberg undOtto Tetjus Tügel) waren alljährlich maßgeblich an der Organisation derHamburger Künstlerfeste beteiligt. Zudem veranstaltete die Sezession ab 1928 jährlich ihr eigenes Fest mit dem TitelZinnober. Die Freizügigkeit dieser auch außerhalb der Kunstszene beliebten Feste, vor allem aber die unverhohlene Kritik, die hier öffentlich an nationalsozialistischen Repräsentanten geübt wurde, mögen Gründe dafür gewesen sein, dass die Frühjahrsausstellung 1933 die erste Ausstellung in Deutschland war, die auf Veranlassung der Nationalsozialisten – nach derenMachtübernahme – geschlossen wurde.
Kurze Zeit darauf wurde die Hamburgische Sezession zum Ausschluss derjüdischen Mitglieder aufgefordert. Diesem Ansinnen begegneten die Vereinsmitglieder am 16. Mai 1933 mit der Selbstauflösung der Gruppe, wobei sie das Vereinsvermögen bei einem gemeinsamenUmtrunk in Champagner umsetzten. Viele der Künstler erlebten in der Folgezeit das bittere Schicksal jener Jahre:Berufsverbot, Verfemung,Emigration, Gefängnis. Manche schieden „freiwillig“ aus dem Leben (Anita Rée,Alma del Banco) andere starben in Lagern oder im Gefängnis (Johannes Wüsten). Die Überlebenden mussten mit der Zerstörung oft eines Großteils ihres Lebenswerkes in zerbombten Ateliers während derLuftangriffe zurechtkommen.
Am 11. Juni 1945 wurde dieHamburgische Sezession neu gegründet. Anfang November fand die erste Nachkriegsausstellung in den Räumen vonErnst Hauswedell statt. Weitere Ausstellungen folgten. Die Bestrebungen, dieSezession wiederzubeleben und weiterzuentwickeln waren trotzdem zum Scheitern verurteilt, denn den meisten der eher gegenständlich orientierten Künstler fiel es schwer, sich imKunstbetrieb zu behaupten, der imInformel die Zukunft des Kunstschaffens sah. 1952 löste sich dieHamburgische Sezession wieder auf.[2][3]