EinHallantrieb oder auchHall-Effekt-Antrieb (englischHall-Effect Thruster,Hall Thruster) ist einIonentriebwerk, bei dem einMagnetfeld die Effizienz erhöht, indem es dieElektronen behindert, dieAnode zu erreichen. Mit dieser Art Ionenquelle sind hohe Schubwirkungsgrade und hohe Einsatzdauer auch bei hohen Leistungen bis in den 100-kW-Bereich möglich. Für die bisher anRaumfahrzeugen eingesetzten Triebwerke standen allerdings nur wenige 100 bis 1000 W zur Verfügung, mit denen sichSchubkräfte von 10 bis 100 mN ergeben.
Wie bei anderen Ionentriebwerken wird alsStützmasse typischerweiseXenon verwendet, dessen positiveIonen durch einelektrisches Feld auf Geschwindigkeiten zwischen 10 und 80 km/s beschleunigt werden.
Forschung und Entwicklung von Ionenantrieben gehen zurück bis in die 1960er Jahre, insbesondere in den USA und in der Sowjetunion. Während in den USA mitGitterionenquellen experimentiert wurde, brachte die Kaliningrader FirmaFAKEL den Hall-Effekt-Antrieb zur Flugreife. Seit dem erfolgreichen Ersteinsatz 1971 auf dem SatellitenMETEOR wurden mehr als 50 Satelliten mit Antrieben der Firma FAKEL ausgerüstet.
Noch während desKalten Krieges, aber insbesondere nach der Öffnung desEisernen Vorhangs, wurde die Technologie des Hallantriebs in die westliche Welt exportiert und Entwicklungen in Frankreich (SNECMA), Italien (Sitael, vormals Alta) sowie in den USA (Busek,Aerojet,Jet Propulsion Laboratory,NASA undUS Air Force Research Laboratories) schafften es teils bis zur Fluganwendung und kommerziellen Vermarktung. MitSMART-1 wurde 2003 der erste europäische HallantriebPPS 1350 für eine Flugmission erfolgreich eingesetzt. Der erste Testflug eines amerikanischen Hallantriebs (Busek) fand 2006 statt, die erste amerikanische Fluganwendung mit solch einem Antrieb (Aerojet) im Jahr 2010. Im deutschsprachigen Raum wurde in den 1960er und 1970er Jahren am DLR Stuttgart an Hallantrieben geforscht, aktuell sind allerdings keine Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung bekannt.
Auch in Ostasien, insbesondere in Japan, wird seit den 1980er Jahren an Hallantrieben geforscht und entwickelt. 2012 testete China einen Antrieb auf dem TechnologiesatellitenShijian 9A, 2013 folgte Südkorea mit einem Testantrieb aufSTSAT 3 undDubaiSat 2. Der bekannteste praktische Einsatz eines Hallantriebs findet seit 2021 auf derChinesischen Raumstation statt, wo vier Triebwerke von jeweils 80 mN Schubkraft für die routinemäßige Flugbahnanhebung („Reboost-Manöver“) zuständig sind.[1]
DieNASA finanzierte die Entwicklung leistungsstarker Hall-Effekt-Triebwerke bei Aerojet Rocketdyne von 2016 bis 2019 mit 67 Millionen US-Dollar.[2]
Anfangs experimentierten verschiedene Forschungsgruppen mit ähnlichen Bauformen, für die sich unterschiedliche Bezeichnungen etabliert haben:
Beiden Typen gemeinsam ist ein einseitig offener Ringspalt, der beim TAL gänzlich metallisch eine Hohlanode bildet. Beim SPT beschränkt sich die Anode auf den Kanalgrund, während die Seitenwände keramisch sind, z. B. ausBornitrid. Dabei ist die Materialwahl entscheidend für die Lebensdauer des Triebwerkes. Das als Stützmasse dienende Gas wird am Kanalgrund zudosiert. Der Kanal ist konzentrisch von einem Magnetsystem umgeben, das oft von Spulen gebildet wird, aber auch Permanentmagnete kommen gelegentlich zum Einsatz. Das Magnetfeld durchdringt den Kanal etwa in radialer Richtung.
Von einer außerhalb angebrachtenKathode werden Elektronen emittiert. Durch die Raumladung folgen sie größtenteils dem Ionenstrahl und neutralisieren diesen. Ein kleinerer Teil wird von derBeschleunigungsspannung in Richtung Anode gezogen. Das Magnetfeld lenkt sie auf kreisförmige Bahnen vor und im Kanal, wobei sich die Bahngeschwindigkeit der Elektronen so einstellt, dass sich die elektrostatische und dieLorentzkraft gerade kompensieren (wie beimHall-Effekt, daher der Name des Triebwerks). Daselektrische Feld besteht dabei zwischen der Anode und der Raumladung der kreisenden Elektronen. DurchStoßionisation entstehen weitere freie Elektronen und Ionen. Nach kurzem Fall in Richtung Anode haben die Sekundärelektronen Kreisbahngeschwindigkeit, und auch die Energieverluste der stoßenden Elektronen werden durch eine Drift in Richtung Anode ausgeglichen. Dass der Driftstrom relativ gering ist, ist wichtig für die Energieeffizienz des Triebwerks. Der viel höhere Ringstrom ist wichtig für eine möglichst vollständige Ionisation der Stützmasse, denn beim Betrieb im Vakuum ist die Gasdichte zu gering, als dass wenige Ionen das Neutralgas durch Stöße mitreißen könnten.
Das elektrische Feld beschleunigt die Ionen axial aus dem Spalt heraus. Durch ihre vieltausendfach höhere Masse ist ihre Geschwindigkeit viel geringer als die der Elektronen, sodass sie das Magnetfeld kaum beeinflusst. Gleichwohl ist die Austrittsgeschwindigkeit mit 10 bis 80 km/s weit höher als bei herkömmlichen chemischen Triebwerken.
Durch die langjährige Optimierung sind Flugmodelle mit Schubwirkungsgraden über 50 % erreicht worden, weshalb eine Anwendung dieser Triebwerke so attraktiv ist. In Experimentalmodellen wurden schon Wirkungsgrade bis zu 75 % realisiert.