LuftbildSüdlicher Bereich nahe Hauptpforte mit Hochhaus und KraftwerkenHaupteingang / Werkstor 1
DerChemiepark Marl (ehemalsChemische Werke Hüls AG) inMarl imRuhrgebiet ist einer der größtenIndustrieparks in Deutschland. In derStadtgliederung Marls wird er unter dem NamenChemiezone als eigener, über 9 km² großer Stadtteil angesehen. Betreiber des Chemieparks Marl ist die Evonik Technology & Infrastructure GmbH, einer Tochtergesellschaft derEvonik Industries AG. Zu den Dienstleistungen gehören Basisleistungen für den Standortbetrieb, Rohstoff- und Produktlogistik, Energien, Versorgung, Entsorgung, Anlagen- und Arbeitsplatzbetreuung. Die Anlagen der momentan dort tätigen 18 Unternehmen bieten etwa 10.000 Beschäftigten Arbeit,[3] stehen in einem engen stofflichen und energetischen Verbund und werden zum größten Teilvollkontinuierlich betrieben. DerChemie-Standort ist der drittgrößteVerbundstandort inDeutschland.
Seit 2016 ist der Industriepark nicht auf Chemie beschränkt, da mangels Nachfrage aus der Chemieindustrie die REAL und METRO Logistics auf dem Gelände ansässig geworden ist und auf dem von Evonik zusätzlich erworbenen Gebiet der ehemaligen Schlenkesiedlung im Südwesten das 8 ha große Metro-Hauptlager und nördlich davon das 14 ha große Real-Hauptlager errichtet hat.[4] Im Osten des Geländes standen früher auch die Schächte 3 und 7 derZeche Auguste Victoria.
Neben etwa 900 Gebäuden stehen auf dem Gelände mehr als 100 Produktionsbetriebe, mehrheitlich der Chemieindustrie.
Dieschachbrettartig angelegten Straßen sind 55 km lang. Durch die numerische Bezeichnung von Süd-Nord (100, 200, …, 1200) und Ost-West-Straßen (20, 40, 60, 80, 2000, 2020, 2040) erhalten alle Gebäude eindeutige Nummern, die ihre Lage im Chemiepark beschreiben (zum Beispiel das Hochhaus mit Gebäude 145 nahe der Kreuzung der Straßen 100 und 40).[5]
DieRohstoffversorgung erfolgt mittelsPipelines (Ethylen, Propylen, C4-Kohlenwasserstoffe, Benzol, Methanol, Sole und Erdgas),Schiff (Binnenumschlag für Schiffsladungen bis 2000 t),Eisenbahn undLkw. Es stehen größere Lagerflächen,Hochregal- undTanklager zur Verfügung.
Ein 1200 Kilometer langes, internesRohrleitungsnetz ist aufRohrbrücken von 30 Kilometern Länge verlegt. Neben Ausgangsstoffen, Zwischen- und Endprodukten der Chemieanlagen werden auch verschiedene Gase durch die Rohrleitungen verteilt: Stickstoff und Sauerstoff in mehreren Druckstufen, Ethylen, Erdgas und Wasserstoff.
EineLuftzerlegungsanlage nach demLinde-Verfahren stellt den Verbrauchern verflüssigtesArgon sowie über das interne Leitungsnetz gasförmigen Sauerstoff und Stickstoff sowie Kälte zur Verfügung.
Das elektrisch überwachte Schienensystem mit eigenemFrachtbahnhof und zweiAnschlüssen an das Netz der Deutschen Bahn ist 120 km lang und gehört damit zu den größten elektrisch überwachten Privatbahnhöfen Europas.
DreiKraftwerke liefern mittelsKraft-Wärme-Kopplung 300 MW elektrische Leistung in verschiedenen Spannungen (110 kV, 10 kV, 6 kV, 500 V und 400/230 V) und mehr als 1000 Tonnen Dampf pro Stunde (Druckstufen 4, 20, 70 und 120 bar) zu marktüblichen Preisen. Außerdem existiert ein Verbund mit dem öffentlichen Stromnetz.
Die Hauptstraße südlich des Areals erinnert an Paul Baumann, den ersten Direktor des Werks
Der Chemiepark geht zurück auf die Gründung derChemische Werke Hüls GmbH am 9. Mai 1938 in der Drewer Mark in Marl. Die Chemischen Werke gehörten zu 74 % derI.G. Farben und zu 26 % der BergwerksgesellschaftHibernia AG, somit derVEBA AG. Der Name „Hüls“ geht auf die Nähe zum angrenzenden Marler Stadtteil zurück, wo der Mutterkonzern I.G. Farben schon eine Zeche betrieb. Im„Dritten Reich“ wurde dortBuna (synthetischer Kautschuk) für die Produktion von Reifen hergestellt.
Die Führungskräfte und Meister des Werkes wurden hauptsächlich von anderen Werken der I.G. Farben ausLudwigshafen am Rhein,Schkopau undLeverkusen gestellt. So kam es in den Jahren 1938 bis 1940 zum Zuzug von mehr als 3000 Beschäftigten mit ihren Familien, die von werksseitig betriebenen Bauernhöfen versorgt wurden. In den Jahren 1940 bis 1942 zogen weitere 2000 Mitarbeiter mit ihren Familien zu. Dies führte zu großem Wohnungsmangel in Marl, so dass sie zunächst in Lagern wohnen mussten. Daraufhin wurde mit dem Bau der sogenanntenBereitschaftssiedlung begonnen.
Im Laufe des Zweiten Weltkriegs wurden vermehrtZwangsarbeiter eingesetzt, die in den mittlerweile leeren Lagern der deutschen Beschäftigten lebten. Die Chemischen Werke waren mehrfach Ziel vonBombenangriffen. Der schwerste von ihnen im Sommer 1943 legte das Werk für etwa drei Monate still. Als Marl am 31. März 1945 von amerikanischen Truppen erobert wurde, konnte eine Sprengung des Werks durch deutsche Truppen verhindert werden.
Am Ende des Krieges war die Mitarbeiterzahl von etwa 10.000 auf etwa 500 gesunken. Der Betrieb wurde unter britische Verwaltung gestellt und musste seine Produkte ändern.[6] 1953 wurden die Chemischen Werke Hüls aus alliierter Kontrolle entlassen und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.[7] Bis Anfang der 1960er Jahre stieg die Buna-Jahresproduktion auf 120.000 Tonnen.[8]
Später firmierte der Komplex unter Chemische Werke Hüls AG, mit dem Hauptaugenmerk auf Kunststoffe, Rohstoffe für Waschmittel und wieder Buna. 1998 übernahm die Firma Infracor, einTochterunternehmen derEvonik Degussa GmbH, das Gelände als Betreiber (dort auch mehr Informationen zur Geschichte).
DieWerkfeuerwehr gibt Auskünfte über die Handhabung von gefährlichen Stoffen und Gütern. Als eine der zehn bundesweitenTUIS-Notrufstellen stellt sie auch Fahrzeuge und Geräte zur Verfügung.
Am 30. Januar 1995 riss – nach vorheriger Sicherheitsabschaltung – beim Anfahren ein Verbindungskrümmer in einemReaktor derEthanolaminfabrik, und etwa zwei TonnenAmmoniak sowie 400 kg Ethanolamin traten aus. Da dieser Unfall nach Ende der Tagschicht passierte, entstand nurSachschaden. DieFreisetzung der Stoffe ist alsZEMA-Ereignis 9501 registriert.
Am 19. Juli 1998 wurde durch einenBedienfehler in der Vinylchloridanlage eine bis dahin nicht erwarteteexotherme Reaktion ausgelöst. Diese führte zum Bersten von Rohren, Austritt vonChlorwasserstoff und einem offenen Brand. Die Feuerwehr konnte benachbarte Anlagen durch Kühlung schützen, den Chlorwasserstoff durch Sprühnebel niederschlagen und die austretenden Gase kontrolliert abbrennen lassen. Es entstand erheblicher Sachschaden. Der Austritt des Stoffes wird von der ZEMA als Ereignis 9815 geführt.
Am 28. Mai 1999 riss ein Rohrbogen einer Vinylchloridanlage auf, und ein Gemisch aus 1,2-Dichlorethan, Vinylchlorid und Chlorwasserstoff trat aus. Hierdurch wurden sechs Mitarbeiter verletzt; auch einigeEinsatzkräfte erlitten leichtere Verletzungen. Außerhalb des Chemieparks waren keine Personen betroffen. Wegen der Freisetzung der Stoffe war dies ein meldepflichtiger Unfall, der als ZEMA-Ereignis 9918 registriert wurde.
Am 10. Oktober 2006 kam es gegen 10:40 Uhr in einem Produktionsgebäude der Zwischenproduktefabrik (ZPF) zu einerVerpuffung. In der Folge entzündete sich dasWärmeträgeröl Marlotherm, mit dem u. a. Produkte aufgeheizt werden (etwa 300 °C). Durch den Ölbrand stieg eine riesige schwarze Rauchsäule in den Himmel, die selbst in den Nachbarstädten noch deutlich zu sehen war. Nach einigen Stunden konnte dieWerkfeuerwehr denBrand löschen. Dieser Vorfall wird von der ZEMA als Ereignis 0621 geführt.
Am 31. März 2012 kam es gegen 13:35 Uhr zu einem Schadensfall in derCDT-Anlage der FirmaEvonik, die mit einer 100 Meter hohen Stichflamme und starker Rauchentwicklung einherging. Anwohner berichteten über eine schwere Explosion. Die Rauchwolke zog in südlicher Richtung bis über die A 2 hinweg. Ein Arbeiter starb noch am Unglücksort, ein weiterer erlag seinen schweren Verletzungen später im Krankenhaus.[11] Messungen der Werkfeuerwehr sowie der Feuerwehr der Stadt Marl ergaben keine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung.[12][13][14][15][16][17] Nach ersten Ermittlungen wurde eine Materialermüdung als Ursache angenommen.[18] Der Produktionsstopp führte zeitweise zu weltweitem Mangel an dem aus CDT hergestelltenPolyamid 12 (Nylon 12).[19]
Nach demEisenbahnunfall von Leiferde am 17. November 2022 war die Werkfeuerwehr im Einsatz, um aus verunfalltenDruckkesselwagenPropan zu bergen und bei zwei Wagen, bei denen es nach Leckage ausströmte, kontrolliert abzubrennen.[20]