Gottuvadyam

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Chitravina N. Ravikiran mit einernavachitravina, einer selbst entwickelten Variante dergottuvadyam mit elektrischem Tonabnehmer, aber ohne zweiten Resonator und mit einem flacheren Korpus.Rudolstadt-Festival 2017

Gottuvadyam (Tamilகோடடு வாத்தியம்gōṭṭu vādyam), auchchitravina, mahanataka vina, ist eine südindische, in waagrechter Position gespielte Langhalslaute mit 21 Saiten und einem separaten, am Hals befestigten Resonanzkörper. Sie gehört zur Gruppe dervinas und ist das einzigeSaiteninstrument in Südindien, das ähnlich wie die nordindischesitar neben den MelodiesaitenBordunsaiten besitzt. Ihrebundlosen Saiten werden wie bei derHawaiigitarre mit einem gleitenden Stab in der Hand verkürzt.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

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Die ersten literarischen Belege fürvina genannte Saiteninstrumente sind aus dervedischen Zeit vor der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. überliefert. Nach der Beschreibung eines Instruments mit sieben Saiten, einem mit Tierhaut bespannten Korpus und einem Hals in denBrahmanas (um 800–500 v. Chr.) warenvinas zu dieser Zeit Bogenharfen. Im Verlauf des 1. Jahrtausends n. Chr. tauchen Stabzithern in Abbildungen auf, während parallel dazu die Bogenharfen allmählich in Indien verschwinden. Im musiktheoretischen WerkNatyashastra wird die neunsaitige, mit einemPlektrum gespielte Bogenharfevipanci-vina von der siebensaitigen, mit den Fingern gezupftencitra-vina (chitravina) unterschieden.[1]

Einfache Zithern bestehen aus einem geraden Stab, über den eine Saite gespannt ist, und einer angehängtenKalebasse, die wie bei einemMusikbogen als Resonator dient. Die in derindischen Volksmusik inOdisha gespielte einsaitige Stabzithertuila besitzt einen solchen, an einem Stab befestigten Resonanzkörper und entspricht in ihrer Form der vedischenalapina vina, unterscheidet sich somit von den heute weiter verbreiteten einsaitigen Spießlauten vom Typ derektara.

Nicht mit derektara verwechselt werden sollte dieeka tantri (ekatantrika), obwohl beide Namen mit „eine Saite“ zu übersetzen sind. Die seit dem 11. Jahrhundert erwähnteeka tantri scheint eine hohe Wertschätzung genossen zu haben, denn sie trug den BeinamenBrahma vina und wurde mit der hinduistischen Göttin der Musik und der Künste,Sarasvati, in Verbindung gebracht. Der sitzende Spieler hielt dieeka tantri vor sich schräg an die Brust gelehnt wie einerudra vina und zupfte die Saite mit der einen Hand, während er mit der anderen Hand ein Bambusröhrchen (kamrika) hielt, das er über die Saite bewegte. Diese Gleittechnik ist möglicherweise wesentlich älter und ist bereits an einem Wandrelief im Höhlentempel Nr. 21 inEllora aus dem 6. Jahrhundert zu erkennen.[2] Dieeka tantri besaß zwei Besonderheiten zur Klanggestaltung: Die Saite verlief amSteg über ein Bambusstück, wodurch der Ton etwas geräuschhafter und obertonreicher wurde. Die klangliche Wirkung einer solchen Stegverbreiterung (jivari) ist heute vor allem bei dertanpura zu hören. Das Bambusröhrchen war zum anderen Vorbild für den gleitenden Stab, der heute bei dergottuvadyam und bei ihrem nordindischen Gegenstück, dervichitra vina zum Einsatz kommt.[3] Parallel dazu wird in Japan die seltene einsaitige Brettzitherichigenkin mit einer auf den Mittelfinger der linken Hand geschobenen Gleithülse gespielt.

Außer mit dereka tantri ist diegottuvadyam vermutlich noch mit dersirbin aus dem 16. Jahrhundert verwandt. Das aufTelugu verfasste GedichtSringara Savitri von König RaghunathaNayak, der von 1614 bis 1635 inThanjavur regierte, erwähnt erstmals eingoti vadyam. Das tamilische Wortgotu wird vonkodu, „Stab“ abgeleitet, auf Tamil undMalayalam heißtkottu „schlagen“, was sich besonders auf das Schlagen der Trommel bezieht.Vadyam heißt allgemein „Musikinstrument“.Gottuvadyam ist also das mit einem Gleitstab (bar bei der Hawaiigitarre, bei der Gitarrebottleneck) gespielte Musikinstrument.Gottuvadyam undvichitra vina sind relativ moderne Instrumente, die ihre Form erst im 19. oder Anfang 20. Jahrhundert erhalten haben.[4]

Diegottuvadyam sollte nicht mit der seltenengettuvadyam (auchgetchu vadyam)[5] verwechselt werden. Diese einfachere Langhalslaute ist kleiner und besitzt zwei doppelchörige Drahtsaiten, die mit zwei Stöckchen stets zugleich rhythmisch geschlagen werden.[6] Hiermit lassen sich immerhin noch stakkatoartige Tonfolgen hervorbringen. Entwicklungsgeschichtlich älter sind idiochorde Bambusröhrenzithern mit einer oder wenigen, aus der Bambusepidermis herausgetrennten Saiten, die mit Stöckchen überwiegend als Rhythmusinstrumente geschlagen werden. In Indien gehören hierzu diechigring und diegintang im äußersten Nordosten sowie dieronzagontam inAndhra Pradesh und weitere inOriya.[7]

Bauform

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Saraswati vina

Diegottuvadyam entspricht in ihrer Bauform der bekannteren südindischenSaraswati vina. Resonanzkörper (kudam, koda) und Hals (dandi) bestehen meist aus mehreren verleimten Holzteilen vomJackfruchtbaum, seltener und teurer sind die aus einem Holzstück ausgehöhlten Instrumente, dieekanda gottuvadyam heißen oderekadandi gottuvadyam, falls nur der nach unten geschwungene Kopf aus einem anderen Holz angesetzt ist. Der Hals ist hohl bei einem Durchmesser von zehn Zentimetern und etwa einem Meter Gesamtlänge. Die leicht gewölbteDecke wird aufgeleimt. Über den bundlosen Steg verlaufen fünf[8] seltener sechs Melodiesaiten,[9] hinzu kommen drei hoch tönendeBordunsaiten für die rhythmische Begleitung und weitere 11–14 Resonanzsaiten (tarab) unter den Melodiesaiten, die an kleinenWirbeln an der Seite des Halses enden. Die Melodiesaiten, von denen zwei paarweise im Oktavabstand gestimmt sind, führen zu großen hölzernen Wirbeln an einem nach unten gebogenen Wirbelkasten. Diegottuvadyam ist das einzige südindische Saiteninstrument mit Resonanzsaiten. Der zweite Resonanzkörper (svarakai) ist eine große Kalebasse, die an der Halsunterseite in der Nähe des Wirbelkastens befestigt ist, sodass – zusammen mit dem Lautenkorpus – diegottuvadyam waagrecht am Boden liegen kann. Sie wird mit zwei bis drei Plektren an den Fingern der rechten Hand gezupft. Der Stab, mit dem die Saiten mit der linken Hand verkürzt werden (gottu, kodu oderbatta), besteht aus Hartholz, Stein, Elfenbein oder Wasserbüffelhorn. Letzteres wird heute durch einen besser gleitenden Teflonstab ersetzt.

Dem Musiker Srinivasa Rao und seinem Sohn Sakharama Rao (1881–1930) aus Thanjavur wird das Verdienst zugesprochen, diegottuvadyam unter diesem Namen in Südindien eingeführt zu haben. Sakharama Rao konstruierte eine von dertanpura abgewandeltevina mit vier Melodie- und drei Rhythmussaiten, die noch keine Resonanzsaiten besaß. Dessen Schüler Narayana Iyengar (1903–1959) fügte drei weitere Melodiesaiten und zwölf Resonanzsaiten in einer darunter liegenden Ebene hinzu. Er änderte die Stimmung, indem er denOktavabstand der ersten beiden, auf den Grundton (Sa) gestimmten Melodiesaiten einführte und die nächsten beiden Saiten eineQuinte höher (TonstufePa) ebenfalls im Oktavabstand stimmte. Den zwölf Resonanzsaiten legte er am Steg einjivari unter, um den Klang an dietanpura anzunähern und reicher zu machen. Das von Iyengar entwickelte Instrument mit insgesamt 22 Saiten ist heute praktisch Standard, nur auf eine Melodiesaite wird verzichtet, sodassgottuvadyams üblicherweise 21 Saiten besitzen.

Der MusikerN. Ravikiran entwickelte 2001 einnavachitravina benanntes Instrument mit elektromagnetischemTonabnehmer und 20 Saiten, das aus einem flachen Korpus mit Hals besteht und ohne zusätzlichen Resonanzkörper auskommt. Es produziert in den höheren Lagen einen klareren Ton und soll fürJugalbandis (Konzerte mit zwei oder mehreren Melodieinstrumenten) besser geeignet sein.[10]

Spielweise

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Von links nach rechts: Guruvayur Dorai:mridangam, Ravi Balasubramanian:ghatam, N. Ravikiran:navachitravina und Akkarai S. Subhalakshmi: Violine. Konzert in Washington, 2007

Der Musiker hockt im Schneidersitz mit dergottuvadyam quer vor sich auf dem Boden. Die fehlenden Bünde und die Stab-Gleittechnik machen das Instrument schwierig zu spielen, weil bereits die geringste Druckveränderung des Stabes auf die Saiten die Tonhöhe beeinflusst. Schnelle Tonfolgen sind kaum spielbar, der charakteristische Klang dergottuvadyam entsteht durch langgezogene vibrierendeGlissandi bei langsamen Melodielinien. Mit einem Gleitstab gespielt werden auch die nordindischevichitra vina und diemohan vina, eine vonVishwa Mohan Bhatt so genannte, durch hinzugefügte Resonanzsaiten modifizierte, indische Gitarre.

Diegottuvadyam wird in Südindien wie dieSaraswati vina in derklassischen Musik fürRaga-Kompositionen verwendet. Narayana Iyengars Sohn, Narasimhan, setzte die Tradition fort und sorgte für eine weitere Verbreitung in Südindien. Der bekannteste heutigegottuvadyam-Spieler ist dessen Sohn N. Ravikiran (* 1967). Er beansprucht für sein Instrument eine bis in vedische Zeit zurückreichende Traditionslinie und benennt es dementsprechendchitravina. Ein Vetter von ihm ist dergottuvadyam-Spieler und Sänger P. Ganesh. Weitere, in Südindien bekannte Namen sind Duraiyappa Bhagvatar (aus Thanjavur), Budalur Krishnamurthy Shastrigal (1894–1978/79, der auch als Sänger hervortrat), Mannargudi Savithri Ammal (die erste bekanntegottuvadyam-Spielerin), A. Narayana Iyer, M. V. Varahaswami, Gayatri Kassabaum, Madhavachar und Allam Koteswara Rao (* 1933).[11]

Literatur

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  • Stichwort:Gōṭṭu Vādyam. In: Late Pandit Nikhil Ghosh (Hrsg.):The Oxford Encyclopaedia of the Music of India. Saṅgīt Mahābhāratī. Vol. 1 (A–G) Oxford University Press, Neu-Delhi 2011, S. 379
  • Alastair Dick, Gordon Geekie, Richard Widdess:Vinā. In:Stanley Sadie (Hrsg.):The New Grove Dictionary of Musical Instruments. Vol. 2. Macmillan Press, London 1984, S. 728–735, hier S. 734
  • P. Sambamurthy:A Dictionary of South Indian Music and Musicians. Vol. 2 (G–K), The Indian Music Publishing House, Madras 1984, S. 201–204

Weblinks

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Einzelnachweise

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  1. Walter Kaufmann:Altindien. Musikgeschichte in Bildern. Band II.Musik des Altertums. Lieferung 8. Hrsg. Werner Bachmann. VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1981, S. 35
  2. Mantle Hood:Musical Ornamentation as History: The Hawaiian Steel Guitar. In:Yearbook for Traditional Music, Vol. 15, East Asian Musics, International Council for Traditional Music, 1983, S. 144f
  3. Bigamudre Chaitanya Deva:Musical Instruments. National Book Trust, Neu-Delhi 1977, S. 88–90
  4. Alastair Dick, Gordon Geekie, Richard Widdess, S. 734;The Oxford Encyclopaedia, S. 379
  5. David Courtney:Gethuvadyam or Gettuvadyam. chandrakantha.com
  6. Gettuvadyam. In: Stanley Sadie (Hrsg.):The New Grove Dictionary of Musical Instruments. Band 2. Macmillan Press, London 1984, S. 38
  7. Bigamudre Chaitanya Deva:Musical Instruments of India. Their History and Development. Firma KLM Private Limited, Kalkutta 1978, S. 149
  8. The Oxford Encyclopaedia, S. 379
  9. Stichwort:Vina. In:Ludwig Finscher (Hrsg.):Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Sachteil 9, 1998, Sp. 1539
  10. N. Ravikiran:Chitravina Ganesh. Homepage
  11. The Oxford Encyclopaedia, S. 379
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