Gode (isländischGoði für ‚Priester‘ oder wohl auch [übertragen] „König“) war bis zur Einführung derJárnsíða im Jahre 1271 der Träger der Regierungsgewalt inIsland.
Etymologisch wird das Wort zuguþ undgoþ = Gott gestellt. Der Begriff erscheint im Korpus derRuneninschriften früh im 4. Jahrhundert in der Inschrift des südwestnorwegischen Steins vonNordhuglo sowie auf zwei Inschriften derWikingerzeit wie beispielsweise demRunenstein von Helnæs aus der dänischen RegionFünen.
Das Wortgoðorð ist hingegen nur auf Island belegt und zeigt, dass dort eine Sonderentwicklung stattgefunden hat. Darüber hinaus gibt es noch eine althochdeutsche Glosse im Abba-Glossar, die das Wortgoting (odercotinc bzw.goding) mitlat.tribunus (Tribun, Vorsteher) übersetzt: ciliarcus. uueraltkhraft. tribunus. cotinc. qui mille uiros. habet. ther thusunt manno. habet. edho camano. (Gl I: 88, 15; „Chiliarch : Tribun, der 1000 Männer hat“)[1]
Als zuverlässigste Quellen über das Godenamt werden dieGrágás, dasLandnámabók und dieSturlunga saga angesehen. Im 19. Jahrhundert sah man auch dieIsländersagas als historische Quellen an. Heute ist man nach derSagakritik skeptischer und rechnet mit einer starken literarischen Überarbeitung.[2] Die Nachrichten über das Godentum stammen aus dem 13. Jahrhundert.
Zu Beginn gab es 36goðar, die auchhöfðingar (Häuptlinge) genannt wurden. Ihr Amt hießgoðorð und die damit verbundene Machtmannaforráð (Herrschaft über die Männer) oderríki (Macht). Der Ursprung liegt im Dunkeln. Am häufigsten wird angenommen, dass sich die Macht der Goden von ihrem Tempelbesitz hergeleitet habe.[3] Es wird auch vertreten, dass das Godentum auf Island nur sehr lose mit dem Tempelpriestertum verknüpft gewesen sei.[4] In der altisländischen Literatur kommt das Worthofgoði (Tempelgode) öfter vor.
Die feste Ordnung der Godenherrschaft scheint mit der Gründung des Alþings (Althing) 930 entstanden zu sein. Man legte die Gesamtzahl der Godentümer (= Thingversammlungen) auf 36 fest. Im Jahre 965 wurde das Land geviertelt, und man fügte drei Godentümer hinzu, da der Bezirk im Norden aus vier Godentümern bestand. In den Ost-, West- und Südvierteln gab es nun drei, im Nordviertel vier Thingversammlungen. Zu jeder Thingversammlung gehörten drei Goden und jeder Thingverband hatte einen Haupttempel. Die zwölf Goden im Norden sollten aber keinen größeren Einfluss haben als die neun Goden in den jeweiligen anderen Vierteln. Also erhielt jedes der anderen Viertel je einen Goden hinzu. Im 12. Jahrhundert gehörten etwa 100 Bauernhöfe zu einem Goðorð.
Die Godengewalt (goðorð) war frei veräußerlich, vererbbar und auch teilbar, indem jeweils einer der Berechtigten sein Godentum über drei Thingversammlungen (Frühjahrsthing, Herbstthing und Allthing) innehaben sollte. Es gab auch weibliche Goden, dieGyðjar. In der Landnámabók, der wichtigsten Quelle zur isländischen Besiedlungsgeschichte, werden zwei Frauen mit NamenÞuriðr Gyðja erwähnt. In der Vatnsdoela Saga wird von einer Frau mit Namen Steinvör berichtet, „die Tempelpriesterin (hofgyðja) war und dem Haupttempel vorstand.“ Im eddischenHyndluljoð wird eine HlédisGyðja erwähnt. Das Recht am Hof, auf dem der Tempel stand, das Recht am Tempel und das darauf gestützteGoðorð waren getrennt. DasGoðorð war eine selbständige und als reine Machtposition eine abstrakte verkehrsfähige Sache. Bei der christlichen Zehntgesetzgebung wurde das Goðorð nicht als zehntpflichtig angesehen.
Die Rechte und Pflichten des Goden betrafen die Landesverwaltung auf dem Allthing und die Bezirksverwaltung. Die Aufgabe der Landesverteidigung gab es auf Island nicht. Jeder Gode hatte seine Thingleute. Diese hatten aber das Recht, den Goden innerhalb ihres Thingbezirks zu wechseln. Die wichtigste Aufgabe des Goden war es, die Interessen seiner Thingleute zu vertreten.
Die Goden hatten vor Sonnenuntergang des ersten Thingtages auf demThing zu erscheinen. Sie hatten Sitz und Stimme in der gesetzgebenden Versammlung, mussten die Richter für das Gericht benennen und den Gesetzessprecher bestellen. Sie nahmen an den Gerichtsverhandlungen als Geschworene teil und waren auch Friedensrichter im eigenen Bezirk.
Die Goden waren aber auch von ihren Bauern abhängig, denn diese waren die einzigen, mit denen Feinde von außen abgewehrt werden konnten. Die Bauern hatten ihrerseits zu den Thingversammlungen zu erscheinen. Jeder neunte Bauer hatte seinen Goden auf der Thingfahrt zu begleiten. Die Goden regelten auch den Handel. Sie legten die Preise fest, die Ausländer für ihre Waren verlangen durften.[5]
Gegen Ende der Freistaatszeit setzte eine Konzentration ein. Ein Gode übernahm mehrere Goðorð, so dass am Ende das gesamte Land von etwa 10 Männern regiert wurde, die den mächtigsten Familien entstammten. Die unmittelbare Beziehung zu den Bauern trat zurück. Es bildeten sich unter den Bauern Substrukturen der Macht. Diese Entwicklung wurde abgebrochen, als der norwegische König 1268 die Macht übernahm.