DieGeschichte des Saarlandes umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet des deutschenLandesSaarland von derUrgeschichte bis zur Gegenwart. Das Saarland (von 1920 bis 1935 meistSaargebiet genannt) ist seit 1957 ein Land im Südwesten derBundesrepublik Deutschland, an der mittlerenSaar gelegen. Die Landeshauptstadt istSaarbrücken.
Hinsichtlich derAntike, derVölkerwanderungszeit und des beginnendenMittelalters geben reichearchäologische Funde Zeugnisse für diekeltische,römische sowiefränkische Besiedelung der Saarregion.
Das Gebiet des heutigen Saarlandes kam im Jahr 925 mit dem fränkischenLotharingien zum Ostreich, aus dem sich das spätereHeilige Römische Reich entwickelte. In der Zeit desFeudalismus waren dasErzstift und Kurfürstentum Trier, dasHerzogtum Lothringen, daswittelsbachische HerzogtumPfalz-Zweibrücken sowie dieGrafschaft Saarbrücken die wichtigsten Territorialherren auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes.
Mit demVertrag von Nürnberg im Jahr 1542, in dem das Reich dem Herzogtum Lothringen eine staatsrechtliche Sonderstellung als freies und unabhängiges Herzogtum zuerkannte, verwandelte sich das Land an der Saar zunehmend in ein umkämpftes Grenzgebiet. Es stand im Laufe seiner jüngeren Geschichte zeitweise unter dem EinflussFrankreichs oder dessen staatlicherHoheit.[1][2]
So kam es im Zuge derReunionspolitik unter KönigLudwig XIV. (Province de la Sarre, 1680 bis 1697), infolge derFranzösischen Revolution bzw. unterNapoleon Bonaparte (Département de la Sarre, 1794/98 bis 1815), alsSaargebiet (Territoire du Bassin de la Sarre, 1920 bis 1935) und als autonomerSaarstaat (État Sarrois, 1947 bis 1956) zu einer Abtrennung von Deutschland.
Eine vollständige Annexion des Gebietes an der Saar durch Frankreich nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts verhinderten insbesondere die Regierungen derVereinigten Staaten von Amerika sowie desVereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland – in letzterem Fall zusätzlich die Regierung derSowjetunion.[3][4]
Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gehörte das Gebiet nach demWiener Kongress größtenteils zumPreußischen Staat sowie zumKönigreich Bayern (1815/16 bis 1918) bzw. nach dem Sturz derMonarchie durch dieNovemberrevolution zumFreistaat Preußen und zumVolksstaat Bayern (1918).
Eine wesentliche Grundlage für die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Landes waren bzw. sind seine reichen Bodenschätze (Steinkohle,Erze), seinWaldreichtum sowie die sich daraus entwickelnde Industrie, die damit zusammenhängende hohe Bevölkerungskonzentration und die stark ausgebauteInfrastruktur.
Zeugnisse menschlicher Besiedlung des heutigen Saarlandes reichen bis in dieAltsteinzeit vor rund 100.000 Jahren zurück. Während dieser Zeit zogen Großwildjäger durch dasSaartal und hinterließenFaustkeile und Überreste von Lagerplätzen.[5] Der ausFeuerstein gefertigteFaustkeil von Ludweiler zählt zu den ältesten Spuren menschlicher Besiedlung im Saarland. Anhand seiner typologischen Gestaltung wird er ans Ende des frühenMittelpaläolithikums in die Kultur des Jungacheuléen eingeordnet (ca. 120.000 v. Chr.). Mit dem Beginn des Mittelpaläolithikums vor ca. 200.000 Jahren verbreitete sich in Europa die neue Menschenform des Homo sapiens praeneanderthalensis, die im späten Mittelpaläolithikum vomNeandertaler (Homo sapiens neanderthalensis) abgelöst wurde. Ab dieser Zeit ist mit einer durchgehenden Besiedlung des Saar-Mosel-Raumes zu rechnen. Neben Siedlungsplätzen unter Felsüberhängen bzw. im Vorderbereich von Höhlen wurden Lagerplätze an Gewässern oder auf Terrassen und Bergkuppen angelegt, die dem Jäger den Ausblick auf die offenen Steppen- und Graslandschaften erlaubten. Gejagt wurden bevorzugtElefanten,Nashörner,Pferde,Auerochsen,Riesenhirsche sowieHirsche undRehe.[6][7]
Funde vonFeuersteinmessern sowie steinernen Spitzen von Lanzen und Pfeilen können der jüngeren Altsteinzeit zugeordnet werden. Für die Zeit des letzten Maximums derEiszeit können keine menschlichen Besiedlunghinterlassenschaften nachgewiesen werden. Mit der Klimaerwärmung desHolozäns vor etwa 10.000 Jahren begannen sich dieFlora undFauna des Saarlandes stark zu verändern, was nicht ohne Auswirkungen auf die Lebensweise der dort lebenden Menschen blieb. Wälder breiteten sich über das Land aus und ersetzten die eiszeitliche Fauna. Da die neu eingewanderten Jagdtiere ortsfest blieben, ermöglichten sie den Menschen an der Saar und ihren Nebenflüssen in derMittelsteinzeit bessere Ansiedlungen.
Mit der weiteren Erwärmung des Klimas in derJungsteinzeit entwickelten die Menschen anspruchsvollere Steinwerkzeuge und die Landwirtschaft verbreitete sich. Durch Ackerbau und Viehzucht wurde eine ganzjährige Sesshaftigkeit ermöglicht und die Bevölkerungszahl stieg an. Zeugnisse derneolithischen Revolution im Saarland sind bei archäologischen Grabungen gefundene Getreidemahlsteine in der Nähe vonNeunkirchen,Merzig und zahlreichen anderen Orten. Ebenso künden geschliffene und polierte Steingeräte und präzis durchbohrte Beilklingen zur Aufnahme von hölzernen Stielen vom handwerklichen Fortschritt. Die große Zahl von aufgefundenen Steinbeilen lässt auf eine dichte Besiedelung zu dieser Zeit schließen. Hinsichtlich der Bodenbearbeitung wurde inÜberherrn ein großer durchbohrter Pflugkeil aus Stein gefunden. GroßeMenhire wie der sieben Meter hoheGollenstein beiBlieskastel, der größte Menhir Mitteleuropas, oder der fünf Meter hoheSpellenstein beiRentrisch sind schwer datierbar. Ihre Herstellung und Aufrichtung könnte dem Zeitraum von der Jungsteinzeit bis zurBronzezeit zuzuordnen sein.[8]
Im 2. Jahrtausend v. Chr. entwickelte sich im Saarland eine Kultur der Metallbearbeitung. Davon zeugenDepotfunde mit Bronzeäxten, Beilen, Schwertern,Trensen und Schmuck, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei Straßenbauarbeiten an der mittleren Saar entdeckt wurden. BeiSt. Barbara fand man eine Kupfermine. Im Jahr 2007 entdeckte man inErfweiler-Ehlingen einen spätbronzezeitlichen Schatz, der wohl wegen einer kriegerischen Bedrohung im Boden versteckt worden war. Mehrere Grabhügel im Saarland geben Zeugnis von der sozialen Herausgehobenheit der Bestatteten und deuten auf eine Elite in der Region hin. Durch die Verteilung von Grabfunden zeigen sich Siedlungsschwerpunkte an der Saar und an derBlies, die einen günstigen Ackerbau ermöglichten. Namen und Sprache der damaligen Bewohner des Saarlandes sind bisher unbekannt.[9]
Schon zu Anfang derEisenzeit entdeckten Erzschürfer im Saartal Eisenvorkommen, die sie für die Herstellung vonWerkzeugen undWaffen ausbeuteten. Im Vergleich zur Bronzezeit muss die Bevölkerung des Saarlandes ab dem 9. Jahrhundert v. Chr. stark angewachsen sein, was archäologische Funde und Bestattungsplätze bestätigen. Die saarländischen Grabhügel aus der Epoche derHallstattzeit befinden sich meist auf Höhenzügen, wohin auch die Siedlungen aus den überschwemmungsgefährdeten Talgründen der Saar verlegt werden. In dieser Zeit werden auch erstmals die bewaldeten Mittelgebirgszonen des Saarlandes besiedelt. Eine erste regionale Kulturgruppe stellt dieHunsrück-Eifel-Kultur in der Zeit zwischen dem sechsten und dritten vorchristlichen Jahrhundert dar. Sie zeichnet sich durch Grabhügelfelder mit Körperbestattungen und Beigaben aus. Der Übergang von der Hunsrück-Eifel-Kultur in die Zeit derkeltischenTreverer verlief bruchlos.
Für dieLatènezeit, die jüngere Eisenzeit, die von etwa 450 v. Chr. bis zur Zeit um Christi Geburt andauerte, deuten Gräberfelder und aufwändig gestaltete Adelsgräber auf den gestiegenen Wohlstand und Handelsbeziehungen zu entfernten Regionen hin. So enthielt der im Jahr 1954 archäologisch untersuchte Grabhügel einer beiReinheim bestatteten keltischen Adeligen goldene Armreifen und Fingerringe, eine goldene Brustplatte, Perlen ausbaltischemBernstein sowie das aus demMittelmeerraum entstammende Schmuckmotiv derSphinx. Darüber hinaus beweist eine große Schnabelkanne aus Bronze Importhandel aus Italien ins Saarland. Die keltischen Fürstengräber des Saarlandes gehören wie die zahlreichen Befestigungsanlagen (Wallerfanger Limberg,Schmelz-Limbach-Birg,Saarbrücker Sonnenberg,Siersburger Königsberg,Nonnweiler-Kastel,Otzenhausen) zur Zeit der befestigten Landstädte (Oppida) der Keltenzeit. Den heute noch beeindruckendsten Überrest eines solchen Oppidums im Saarland stellt der sogenannteOtzenhausener Hunnenring dar. Der Hunnenring, der von ca. 400 v. Chr. bis um 50 v. Chr. genutzt wurde, liegt auf dem Gebiet der keltischen Treverer, die ihr Zentrum an der Mosel hatten. Die Bewohner der Oppida waren berühmt für ihre Reiter und Kampfwägen, die auch auf Goldmünzen, wie denGoldstater von Saarbrücken, geprägt wurden. Weitere kleinere Ringwälle existierten überall im Saarland. Das Gebiet des Trevererstammes schloss sich im Süden an das Gebiet des keltischen Stammes derMediomatriker an, der sich besonders in der Gewinnung von Eisen undSalz hervortat. Der Siedlungsschwerpunkt der Mediomatriker befand sich in derMetzer Gegend, jedoch umfasste ihr Siedlungsgebiet ebenfalls die Oberläufe der Saar, derMaas, derMosel sowie derSeille, darüber hinaus auch das mittlere Saartal und das Tal derBlies. Die bis heute waldreiche Zone des nördlichen Saarlandes bildete den Grenzbereich der beiden keltischen Stämme. Die Kelten prägten die Kultur des Saarlandes bis zur Invasion derRömer und darüber hinaus. So wurden etwa die keltischen FruchtbarkeitsgöttinnenEpona undRosmerta auch nach der römischen Eroberung des Saarlandes verehrt. Die Namen der Flüsse (z. B.Saar von indogermanisch „strömen“,Blies undNied von indogermanisch „fließen“,Prims von indogermanisch „wallen/summen“) und zahlreicher Berge des Saarlandes sindindogermanischen bzw. keltischen Ursprungs.[10][8]
ImGallischen Krieg desrömischen Feldherrn (und späteren Alleinherrscher)Gaius Iulius Caesar in den Jahren 58 bis 51/50 v. Chr. wurde auch das Gebiet des heutigen Saarlandes der römischen Oberhoheit unterstellt. Die Mediomatriker hatten den Aufstand desArvernerfürstenVercingetorix im Jahr 52 v. Chr. unterstützt. Unter KaiserAugustus wurden die eroberten Gebiete in den Jahren 16 bis 13 v. Chr. herrschaftsmäßig erschlossen.
Zentralort der Region wurde Durocortorum, das heutigeReims. Das Gebiet des heutigen Saarlandes wurde Teil derrömischen ProvinzGallia Belgica, später nur noch Belgica genannt, eine der Provinzen, die bei der AufteilungGalliens durch Kaiser Augustus entstanden waren. Die Provinz Belgica umfasste den Norden und Osten des heutigenFrankreich, das westlicheBelgien, die Westschweiz und denJura bis zumGenfersee (Lacus Lemanus) hinunter, sowie das Einzugsgebiet derMosel bis etwa 50 Kilometer vor der Mündung in denRhein. Bei der VerwaltungsreformDiokletians am Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. wurde Belgica aufgeteilt in die Provinzen Belgica I (Belgica Prima) rund um die Mosel und Belgica II (Belgica Secunda), die von Reims bis zumÄrmelkanal reichte. Sie bildeten dann mit den bisherigen Provinzen Lugdunensis, Germania superior und Germania Inferior,Sequana (Westschweiz, Jura, später Maxima Sequanorum) und Alpes Graiae et Poeninae (sieheAlpes Poeninae undAlpes Graiae) dieDioecesis Galliae.
Zu einer bedeutenden Stadt in der Provinz Belgica entwickelte sich die kaiserliche GründungAugusta Treverorum (Trier), die zur Hauptstadt der Diözese Galliae avancierte. Bereits im Jahr 17 v. Chr. hatte man hier eine erste hölzerne Brücke über die Mosel gebaut, die nach dem Aufstand der Treverer im Jahr 71 n. Chr. durch eine steinerne ersetzt worden war. Zwischen 286 und 395 war Trier kaiserliche Residenz und eine der Hauptstädte des Römischen Reiches.
Das Gebiet des heutigen Saarlandes war infrastrukturell über die schiffbare Saar, Brückenbauten beiKonz, Saarbrücken sowie dem an der oberen Saar gelegenenSaarburg (Pons Saravi) und einem gut ausgebauten Straßennetz an die Moselstadt Trier angeschlossen. Die Wälder des Saarlandes lieferten Bauholz, die Erzminen Eisen und Kupfer, die Lehm- und Tongruben bildeten die Grundlage für die Produktion von Ziegeln und Keramikartikeln. Der Absatzmarkt von Keramik aus der Werkstatt eines gallorömischen Töpfers ausBlickweiler reichte vonBritannien bis zur mittlerenDonau. Fundstücke befinden sich heute imMuseum für Vor- und Frühgeschichte inSaarbrücken. InSt. Barbara wurde der bereits bestehende Erzabbau durch den Ausbau desEmilianus-Stollens intensiviert. Als Hauptachsen des Straßennetzes im damaligen Saarland dürfen die Routen zwischen den Städten Metz, Trier, Worms und Straßburg gelten.
Ausgehend vom Kraftfeld Trier entstanden im Saarland zahlreiche kleinegallorömische Landstädte (vici), Heiligtümer, Friedhöfe, Verkehrsstationen (mansiones), Kastelle für militärische Garnisonen und ländliche Villen (villae), vor allem in der Saar-Mosel-Region, zum Beispiel inNennig,Perl und inContiomagus (Dillingen-Pachten), sowie im Bliesgau, zum Beispiel Homburg-Schwarzenacker undBliesbruck-Reinheim. DieVilla von Perl-Nennig war mit einem prächtigen Fußbodenmosaik ausgeschmückt, das bis heute das größte in situ erhaltene römische Bodenmosaik nördlich der Alpen darstellt. Das aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammende Nenniger Villengebäude wurde im Jahr 1852 bei Erdarbeiten entdeckt. Der 10 × 16 Meter große Mosaikfußboden eines Villenraumes zeigt zwischen Ornamentrahmen Kämpfe von Menschen und Tieren. Die Nenniger Villa wies eine rund 120 Meter breite Fassade auf, ein abseits errichtetes Bad von fast 500 Quadratmetern Grundfläche und einen 256 Meter langen, überdachten Wandelgang zwischen Wohn- und Badegebäude. Dass zu dem gutsherrlichen Anwesen („villa“) nicht nur der herrschaftliche Wohnsitz („pars domestica“), sondern auch ein Gutshof mit Ökonomiegebäuden („pars rustica“) gehört hatte, erwies sich erst, als im Jahr 1997 moselwärts ein Neubaugebiet erschlossen wurde. Dabei konnten zu beiden Seiten eines riesigen Hofareals die Standorte von drei Gebäuden ermittelt werden. Eines wurde bis 2001 unter Mitwirkung der Fachrichtung Vor- und Frühgeschichte derUniversität des Saarlandes vollständig ausgegraben.
Ein prachtvoller Gutshof existierte ebenfalls im benachbarten Borg. Die seit dem Jahr 1987 planmäßig ausgegrabene Anlage derVilla Borg wurde von 1994 bis 2001 gemäß der Befunderekonstruiert. Die dreiflügelige Anlage erstreckt sich inklusive des Hofareal über eine Fläche von 7,5 ha. Das Haupthaus, dessen Rekonstruktion auch als Regionalmuseum für archäologische Funde genutzt wird, liegt quer zur Mittelachse der Anlage. Es besitzt eine große Empfangshalle mit einer Fläche von 100 m². Die Ausstattung der Wohn- und Wirtschaftsräume sowie desrömischen Bades wurde anhand vorgefundener Überreste sowie antiker Vorlagen rekonstruiert.
Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts wurden einKastell am Fuße desHalberges (Kastell Saarbrücken) und eine Siedlung inSankt Arnual durch eine zunächst hölzerne, dann steinerne Brücke über die Saar verbunden. Der auf einem Meilenstein nachgewiesene Ortsname der Siedlung am Saarbrücker Halberg warVicus Saravus (Saarort).[11] Mit diesem Vicus bildete sich zum ersten Mal im heutigen Saarbrücker Stadtgebiet ein Siedlungszentrum heraus. Hier kreuzten sich zwei Fernstraßen (Metz–Mainz,Straßburg–Trier). Der Vicus Saravus war ähnlich groß wie der Vicus von Reinheim-Bliesbrück und übertraf damit die Vici Contiomagus (Pachten),Wareswald beiTholey, Schwarzenacker und Nennig. Archäologisch bezeugte stattliche, ziegelgedeckte Gebäude mit bis zu 15 m Straßenfront, Fußbodenheizungen, großen Lagerkellern sowie Wasserleitungen von den umliegenden Bergen deuten auf die Bedeutung des Vicus im Gebiet der heutigen saarländischen Landeshauptstadt hin. Schmiedewerkzeuge und Eisenschlacken lassen Eisenverarbeitung vor Ort vermuten, während Gewichte mit Zahlzeichen auf einen Handelsort hinweisen. Arztbestecke belegen eine medizinische Versorgung. Aufgefundene Götterstatuetten und größere Grabsteine sowie eine Villenanlage lassen eine aufblühende gallorömische Kleinstadt erkennen.
Die keltische Götterwelt wurde allmählich den römischen Vorstellungen angepasst. Nur noch wenige Kulte, wie etwa der der Pferde- und FruchtbarkeitsgöttinEpona, konnten ihre ursprünglich keltische Ausprägung bewahren. InVölklingen-Ludweiler wurden mehrere Steinreliefs der Göttin aufgefunden. Die Verehrung des keltischen GottesTeutates, die durchJupitergigantensäulen am SaarbrückerEschberg, inSt. Wendel-Dörrenbach und in Schwarzenacker belegt ist, wurde dem römischen GöttervaterJupiter angeglichen. Diechristliche Religion breitete sich an der Saar besonders in der Spätantike im Gefolge der römischen Truppen und der massiven Förderung unter KaiserKonstantin aus. Trier wurde Bischofssitz und theologischer Wirkungsort derKirchenlehrerAmbrosius undHieronymus. Mit der Erhebung des Christentums zurStaatsreligion im römischen Reich durch den römischen KaiserTheodosius I. im Jahr 380 war der Bereich des heutigen Saarlandes christianisiert. Anhand des beim Abbruch der altenPachtener Kirche im Jahr 1891 gefundenen „Ursussteines“ mit einemChristusmonogramm☧ lässt sich belegen, dass bereits im dritten beziehungsweise vierten Jahrhundert n. Chr. Menschen christlichen Glaubens im heutigen Saarland gelebt haben.[12]
Die Zeit der ungebrochenen Prosperität der gallorömischen Kultur im Saarland endete mit der Krisenzeit des dritten nachchristlichen Jahrhunderts. Missernten, Aufstände und Barbareneinfälle, die Aufgabe desLimes zwischen Rhein und Donau brachten der Region einen spürbaren Niedergang. Durch den Einfall derFranken undAlemannen im Rahmen der beginnendenVölkerwanderung wurden das römische Saarbrücken, Schwarzenacker und Dillingen-Pachten im Frühling des Jahres 276 ausgeplündert und niedergebrannt. Münzdepotfunde beweisen, dass diese Überfälle auch den Tod von Einwohnern der Saarorte bedeutet haben müssen.
Der Wiederaufbau der Saarregion wurde unter KaiserProbus eingeleitet. Mit dem Überfall der Alemannen im Jahr 352 sanken die gallorömischen Saarorte abermals in Schutt und Asche. Eine relative Stabilisierung brachte die Herrschaftszeit KaiserValentinians I., der seit dem Jahr 367 in Trier residierte und in Konz an der Saar (Contionacum) eine prachtvolleKaiservilla errichten ließ. Zur Erhöhung der Sicherheit wurden an der Saar Kastelle in Merzig (Martiaticum), Saarbrücken und Pachten errichtet, doch währte diese späte Blütezeit nur noch kurz. Der Ansturm der Völkerwanderung bereitete der gallorömischen Kultur im Saarland ein jähes Ende. KaiserFlavius Honorius musste im Jahr 395 die kaiserliche Residenz von Trier nachMailand verlegen. Um 400 verlegte man die gallische Präfektur (eine der beiden obersten Verwaltungsbehörden des Westreichs für Gallien, Britannien und Spanien) von Trier nachArles.
In den Jahren bis 435 wurde Trier und sein Umland an Mosel und Saar viermal von den Franken und den mit ihnen verbündeten Stämmen geplündert. Darüber hinaus kamen Alemannen ins Saartal. DerweströmischeHeermeisterFlavius Aëtius bemühte sich, die römischen Provinz Gallien während dieser schwierigen Phase zu verteidigen. Mit Hilfehunnischer Hilfstruppen vernichtete er so im Jahre 436 das sich von Worms ausbreitendeBurgunderreich. In derSchlacht auf den Katalaunischen Feldern beiChâlons-en-Champagne konnte sich Aëtius mit Hilfe eines gemischten römisch-germanischen Heeres dem HunnenkönigAttila entgegenstellen und dessen Vorstoß zum Stillstand bringen. In der Folgezeit beherrschteArbogast der Jüngere, ein römisch gebildeter Christ mit vermutlich fränkischem Migrationshintergrund, bis nach 480 die Stadt Trier und ihr Umland an Mosel und Saar. Er regierte mit Hilfe verbliebener römischer Verbände und vielleicht fränkischerFoederaten ein relativ kleines Einflussgebiet. Seine Herrschaft ist als eine Übergangszeit zwischen römischer und fränkischer Herrschaft zu begreifen. In den 480er Jahren fiel Trier endgültig an die Franken, die diesen Raum schon in den Jahren zuvor bedrängt hatten. Diespätantike Kultur erlosch bald darauf. Handel mit römischen Münzen und schriftliche Nachrichten brechen weitgehend ab.
Am Ende des 5. Jahrhunderts leitete der fränkische KönigChlodwig I. aus derDynastie derMerowinger die Bildung eines westeuropäischen Großreiches mit Zentrum imPariser Becken ein. Er unterwarf in den 480er Jahren die gallorömische Bevölkerung und in den 490er Jahren den Stamm der Alemannen. Seinen Übertritt zumKatholizismus vollzog er wohl nach seinem Sieg über die Alamannen in derSchlacht von Zülpich. Dieser Schritt war eine wichtige Weichenstellung für den weiteren Verlauf der mittelalterlichen Geschichte des Saarlandes.[13][14]
In derVölkerwanderung brach die Römerherrschaft zusammen, was einen starken Bevölkerungsrückgang zur Folge hatte. Die bestehenden Siedlungen, das Straßennetz und die agrarisch genutzten Flächen des Saarlandes gerieten durch Überfälle, Kriege und Seuchen in Verfall. Die bis zum heutigen Tage andauernde Weiterbenutzung der keltischen Flussnamen des Saarlandes deutet aber auf eine Bevölkerungskontinuität hin. Die Weiterexistenz romanischer Sprachinseln östlich derSprachgrenze zeigen Ortsnamen wieWahlschied,Wahlen oderWelschbach an. Ebenfalls entlang der Mosel und imHochwald umTholey konnten sich romanische Siedlungen halten. Saarländische Ortsnamen, die direkt an die früheren römischen Ortsnamen anknüpfen, gibt es nur noch wenige, wie etwaBliesbolchen (Bollacum),Mettlach (Mediolacum),Besch (Bessiacum),Bübingen (Bubiacum),Borg (Burnacum),Münzingen (Miniciacum),Nennig (Nanniacum) oderSinz (Sentiacum). InPachten (Contiomagus) siedelten sich fränkische Neusiedler in den römischen Ruinen des Ortes an, dessen alter Name verloren ging. Der im Jahr 777 genannte Ortsname vonAuersmacher (Auricas Machera) deutet ebenfalls auf Ruinenkontinuität hin.
Während dieFranken westlich der Mosel von der ansässigen galloromanischen Bevölkerung assimiliert wurde, assimilierten sie an der Saar ihrerseits weitgehend die gallorömische Bevölkerung, was bis heute an dermoselfränkischen bzw.rheinfränkischen Mundart des Saarlandes spürbar ist. Die sogenannte dat-das-Linie, die beide Dialektvarianten voneinander abgrenzt, verläuft quer durch das Saarland. Dieser westmitteldeutsche Sprachraum unterlag im Laufe der ZeitVeränderungen durch Sprachbewegungen aus demoberdeutschen Raum. Sie drangen als Innovationen in die Talräume vor und wurden in bergigen Gebieten (zum Beispiel die Hunsrück-Barriere) gehemmt, wodurch es zur Ausbildung desRheinischen Fächers kam. Er ist das linguistische Übergangsgebiet vomNiederfränkischen über dasRipuarische undMoselfränkische zumRheinfränkischen.[15] Die älteste nachweisbare Sprachschicht des Saarlandes aus dem 13. Jahrhundert zeigt seine heutigen Gebietsgrenzen hauptsächlich eingebunden in die Sprachräume der Territorien Trier, Lothringen und Luxemburg. Die Sprache des Landes an der Saar wurde geformt und umgeformt von aus dem Norden (zum Beispiel niederdeutsche und mittelfränkische Sprachformen) und dem Süden (zum Beispielbaierisch-oberdeutsche undelsässisch-alemannische Sprachformen) kommenden Sprachbewegungen. Bei der aus dem Süden kommenden Sprachumbildung ist diefrühneuhochdeutscheDiphthongierung wichtig. Darunter versteht man die Entwicklung der Langvokaleî, û undiu (gesprochen: ü [y]) zuei, au undeu/äu. Die neuhochdeutsche Diphthongierung ging ab dem 12. Jahrhundert vom Südosten des deutschen Sprachraums (heutigesKärnten,Steiermark) aus und verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten nordwärts in den mitteldeutschen Sprachraum. Der Kontakt mit dem elsässisch-alemannischen Sprachraum ist zum Beispiel in der saarländischen Aussprache der „scht“-Formen gegen die „st“-Formen (zum Beispiel „fescht“, „Luscht“, „hascht“, „bischt“, „muscht“ statt „fest“, „Lust“, „hast“, „bist“, „musst“) festzustellen. Im 14. Jahrhundert setzten von Osten her entlang der Straße Kaiserslautern-Metz umfangreiche sprachliche Neuerungen ein. Dabei wurde der Osten des Saarlandes aus dem bisherigen trierisch-lothringischen Sprachverband gelöst, umgestaltet und zunehmend in den pfälzischen Raum eingebunden. Dabei hat sich in einem Zeitraum von etwa 1350 bis 1600 die heutige „dat/das-Linie“ herausgebildet. Seit der Industrialisierung wurde die Sprache im Saarland nicht mehr aus dem pfälzischen Raum beeinflusst, sondern durch die sich immer weiter verbreitende Schriftsprache.[16]
Vermutlich wurde die fränkische Neubesiedelung des Saarlandes teilweise durch das fränkische Königtum gelenkt. Zahlreiche fränkische Ortsnamen des Saarlandes auf -ingen, -heim oder -dorf verweisen auf ihre Gründer:Fechingen (bei den Leuten des Facho),Dillingen (bei den Leuten des Dullo),Völklingen (bei den Leuten des Fulkilo),Wadgassen (bei den Leuten des Wadugoz),Dudweiler (bei den Leuten des Dudo) oderLendelfingen (bei den Leuten des Landwulf).
Eine ersteChristianisierung hatte bereits in römischer Zeit stattgefunden. Im Gefolge der Taufe des fränkischen KönigsChlodwig I. aus der Dynastie derMerowinger durch denReimser BischofRemigius um das Jahr 500 wurden die meist noch heidnischen Neusiedler christianisiert, was die Integration der gallorömischen Bevölkerung erleichterte. Der christliche Glaube der germanischen Bevölkerungsschichten wurden durch eine Missionswelleangelsächsischer undiroschottischer Missionare im 6. Jahrhundert wieIngbert,Wendelin undOranna gefestigt.
Erste Züge einer diözesanen Organisation im Saarland werden durch das Testament des fränkischen Adeligen und Diakons derVerduner Kirche,Adalgisel Grimo, sichtbar. In der Urkunde bestimmte er am 30. Dezember 634 unter anderem, dass sein Besitz im Ort Tholey mitsamt der dort von ihm errichteten „loca sanctorum“ an dasBistum Verdun, dem zu dieser ZeitBischof Paulus vorstand, fallen sollte. Auf Bitten Adalgisel Grimos entsandte derBischof von Trier, der auch die Tholeyer Kirche weihte, Kleriker nach Tholey.
Die lateinisch verfasste und in einer Abschrift erhaltene Urkunde des Adalgisel Grimo gilt heute als die älteste erhaltene Urkunde des Rheinlandes.[17][18][19][20][21][22][23][24][25][26] Adalgisel Grimo, der über zahlreiche, weit gestreute Güter imaustrasischen Reichsteil, vor allem zwischen derMaas, denArdennen und demHunsrück, verfügte, war nach eigener Aussage an der Verduner Domkirche erzogen worden. Sein Stammbesitz könnte durch Zuweisung bei der Landnahme derFranken am Ende des 5. und zu Beginn des 6. Jahrhunderts in den Besitz seiner Familie gekommen sein, denn die in der Urkunde genannten Orte tragen alle vorgermanische Namen. Die Verwandtschaft Adalgisel Grimos mit dem Herzog Adalgisel gilt als gesichert. Dieser Herzog führte zusammen mit BischofKunibert von Köln die Regentschaft für den unmündigen UnterkönigSigibert III. und ist auch in der näheren Umgebung von KönigChilderich II. nachzuweisen.
Nach dem Bau seinerEigenkirche in Tholey hatte sich Adalgisel Grimo an den Trierer Bischof, vermutlichModuald, mit der Bitte gewandt, Kleriker zu schicken und die Tholeyer Kirche zu weihen. Der Urkundentext ist insofern eindeutig, als in Tholey nicht einem einzelnen Pfarrer, sondern einer Klerikergemeinschaft die Seelsorge obliegt. Es bleibt offen, ob dies eine lockere Gemeinschaft von Weltgeistlichen (Stiftsherren wie später imStift St. Arnual an der Saar) war, oder eine monastisch geregelte Gemeinschaft nach dembenediktinischen odercolumbanischen Vorbild.[27]
Ende des siebten Jahrhunderts gründete der fränkische AdligeLutwinus die Abtei Sankt Peter und Maria als Doppelkloster an der Stelle des heutigen Ortes Mettlach und trat selbst in das Kloster ein, das derBenediktinerregel unterstellt war. Als Liutwin späterBischof von Trier (697–715) wurde (zudem auchReims (717) undLaon), ergab es sich über mehrere Jahrhunderte hinweg, bis ins 10. Jahrhundert hinein, dass der Trierer Bischofsstuhl und die Leitung der Abtei inPersonalunion besetzt wurden.
Bereits 757/768 brachte Lantbert, wohl ein Verwandter Liutwins und Stammvater derWidonen, das Kloster Mettlach in seinen Besitz. Vermutlich im Jahr 782 wies dann KönigKarl der Große die daraus abgeleiteten Ansprüche von Lantberts Söhnen, darunterGuido von Nantes, auf Mettlach ab. Danach übten noch im 9. Jahrhundert dieKarolinger königliche Rechte in Mettlach aus, vor allem KaiserLothar I., der zu Beginn seiner Herrschaft den späteren GrafenWido I. von Spoleto in den Besitz des Klosters setzte. Nach dem Ende des karolingischen Herrscherhauses war die Abtei Mettlach dann ein Eigenkloster des Bistums Trier.
Die Personalunion endete, als BischofRuotbert von Trier (931–956) dem Kloster die freie Abtwahl zugestand. Ruotbert war es auch, der eine bislang auf denTrierer Dom gerichtetePfingstprozession aus dem Südosten der Diözese nach Mettlach umleitete und so die Tradition Mettlachs als Wallfahrtsort begründete.
Um das Jahr 990 baute Abt Lioffin eine Marienkirche als Grabkirche des Gründers. Diese Kirche in Form einesOktogons, nach dem Vorbild desAachener Doms, ist heute als derAlte Turm bekannt und stellt das älteste Bauwerk des Saarlandes dar. Derromanische Bau und eine in den 1220er Jahren erworbeneKreuzreliquie, dieMettlacher Staurothek, sind Zeugnisse der Bedeutung der Mettlacher Abtei im Mittelalter.
Lutwinus’ Enkel GrafWarnharius aus dem Geschlecht derWidonen (Vorfahren derSalier) schenkte Landbesitz an den MissionsbischofPirminius für die Gründung des an der heutigen saarländischen Grenze gelegenenKlosters Hornbach.[28]
Im 6. Jahrhundert trat Metz, das unter KönigSigibert I. zur HauptstadtAustrasiens wurde, als Zentralort des Saarraumes an die Stelle von Trier. Sigibert SohnChildebert II. übergab denBischöfen von ReimsKönigsgut an der Saar. An diese merowingische Schenkung erinnert bis heute das ehemalige BischofsdorfBischmisheim. Childeberts SohnTheudebert II. schenkte dem Metzer BischofArnulf von Metz den Königshof Merkingen, der vermutlich nach dem Tod des Metzer Bischofs inSankt Arnual umbenannt wurde. Arnulf, der zur Familie derPippiniden gerechnet wird, und sein als heilig verehrter VaterArnual galten in Metz und am fränkischen Königshof seit der ZeitKarls des Großen als Stammvater derKarolinger.[32][33][34]
Unter dem Metzer BischofChrodegang wurden die Kirchensprengel an der Saar erstmals geformt. Saarländische Ortsnamen mit demSuffix -kirchen, wie etwaWiebelskirchen, entstanden in dieser Zeit mit dem Bau von neuen Pfarrkirchen. In kirchenrechtlicher Hinsicht blieb aber das Bistum Metz weiterhin dem Trierer Bistum unterstellt, dessen Kirchenprovinzgrenzen mit denSuffraganbistümern Metz, Toul und Verdun sich an die politischen Strukturen derSpätantike anschließen. Dem Erzbistum Trier gelang es in den folgenden Jahrhunderten, mit demHochstift Trier eine eigene politische Landeshoheit aufzubauen. Der trierische Hochstiftsbesitz im Nordsaarland wurde später in die VerwaltungsämterSaarburg,Merzig undGrimburg eingeteilt.Völklingen undMalstatt bildeten die südlichsten Pfarrorte des Bistums Trier, währendOttweiler,Illingen undSt. Ingbert die nördlichsten Pfarreien des Bistums Metz waren. Die südlichen trierischen Pfarreien wurden durch dasArchidiakonat Tholey betreut, dessen frühgotische Abteikirche den Machtanspruch des Erzbistums ausdrücken sollte. Metz betonte mit dem Bau der ebenfalls frühgotischenStiftskirche St. Arnual seinerseits den eigenen Machtanspruch an der Saar. Die Diözesangrenzen zwischen Metz und Trier blieben im Wesentlichen (AusnahmeSt. Wendel (Bistum Verdun), 1326/28 Kauf durch denTrierer Kurfürsten und ErzbischofBalduin von Luxemburg) bis zu den kirchenpolitischen Umwälzungen des Jahres 1802 bestehen.
Mit dem späten achten bis zum Ende des 13. Jahrhunderts wuchs im Saarland die Bevölkerung an und eine Periode derRodungen setzte ein. Bereits in der Merowingerzeit waren die Orte zuGauen zusammengefasst worden. Die Gaue benannte man nach den wichtigsten Flüssen der Region. So wird imVertrag von Meerssen im Jahr 870 der obere sowie der untere Saargau, der Rosselgau, der Niedgau und der Bliesgau erwähnt. Zu dieser Zeit unbesiedelt war das teilweise gebirgige Waldland des Vosagus, das die heutigenVogesen, denPfälzer Wald, denHunsrück mit demSchwarzwälder Hochwald und denWarndt umfasste.
Auf den fruchtbarenMuschelkalkböden des Saar- und Bliesgaues wurden in einer zweiten Siedlungswelle Orte gegründet, deren Namen in der Karolingerzeit meist mit den Suffixen -weiler, -kirchen, -hausen sowie -hofen gebildet wurden. Die höheren Waldzonen des Saarlandes wurden hinsichtlich einer Besiedelung, die auf die Initiative von Adeligen oder Klöster zurückgeht, noch gemieden. Allerdings ging man jetzt an die Besiedelung der Nebenflusstäler, etwa im Nahegau. So liegen alle Altpfarreien des Saarlandes im Gebiet der fränkischen Erstbesiedelung.
ImVertrag von Verdun im Jahr 843 wurde das Karolingerreich aufgeteilt. Dabei fielen Metz und Trier an das Mittelreich (Lotharii Regnum)Lothars I. Nach dem Zerfall des Mittelreiches kam das Gebiet im Jahr 870 unter KönigLudwig dem Deutschen an dasOstfrankenreich, aus dem das heutige Deutschland hervorging. In dieser Zeit wurde das heutige Saarland durchÜberfälle der Wikinger undUngarn stark erschüttert. So fiel BischofWala von Metz am 11. April882 in derSchlacht bei Remich an der heutigen saarländisch-luxemburgischen Grenze gegen dieWikinger. Eine politische Stabilisierung der Region setzte mit dem Übergang des Königtums an die Dynastie derOttonen unter KönigHeinrich I. ein.
In diese Zeit fallen vermutlich der Bau der Gaugrafenburgen vonSaarbrücken, St. Ingbert (Stiefler Schloss) undAltfelsberg. DieBurg Homburg wurde spätestens bis 950 errichtet. Auf einer Burg bei St. Wendel, das damals noch „Basenvillare“ hieß, soll im Jahr 950 ein Zusammentreffen von KönigOtto I. und dem westfränkischen KönigLudwig IV. stattgefunden haben.[35] DieReichsburg Kirkel wird erstmals Ende des 11. Jahrhunderts erwähnt. Alle diese Burganlagen spielten für mehrere Jahrhunderte in der Geschichte des Saarlandes eine bedeutende Rolle.
Mit dem Sieg König Ottos I. über die kriegerischen Ungarn im Jahr 955 in derSchlacht auf dem Lechfeld begann eine friedlichere Periode an den Grenzen des Reiches. Befördert wurde diese Konsolidierung auch mit einem starken Bündnis zwischen Königtum und derReichskirche. So schenkte KaiserOtto III. am 14. April 999 imPetersdom inRom die Königsburg Sarabruca zusammen mit dem Königshof Völklingen und den Waldgebieten umQuierschied und im Warndt mitsamt den dazugehörigen Dörfern, Feldern, Wiesen, Wäldern, Eigenleuten, Amtspersonen, Kirchen, Zöllen, Märkten, Gewässern, Fischrechten sowie Mühlen dem Metzer BischofAdalbero II.[36] Bereits zehn Jahre später brachte KaiserHeinrich II. die Saarbrücker Burg in seinen Besitz, doch schenkteHeinrich IV. die Saarfestung im Jahr 1065 wiederum dem Metzer Bischof. Im Jahr 1180 übergab Heinrich die auf einem Saarfelsen gelegene Burg jedoch seinem Gefolgsmann Sigebert, dem er überdiesWadgassen an der Saar zum unbeschränkten Eigentum schenkte. Im Gefolge desInvestiturstreites gelang den Saarbrücker Grafen die Emanzipation von ihren geistlichen Lehnsherren in Metz. Damit begann der Aufbau einer eigenen Landeshoheit mit Saarbrücken als Zentrum.[37][38]
Mit dem Beginn desHochmittelalters erlebte das Land an der Saar, bedingt durch diehochmittelalterliche Warmzeit eine Phase ökonomischerProsperität. So hatte sich bereits im neunten Jahrhundert die Bevölkerung verdoppelt. Die Voraussetzungen für denGetreide- undWeinanbau verbesserten sich. Nun wurden auch an der mittleren und oberen SaarRebstöcke kultiviert und die ungünstigen Flächen des Warndtwaldes, des Hochwaldes, des Hunsrücks sowie des Pfälzer Waldes unter denPflug genommen. Zahlreiche neu gegründete Ortschaften deuten mit ihren Suffixen wie -scheid, -schied, -holz, oder -rath auf die umfangreichenWaldrodungen hin. Am Ende des 13. Jahrhunderts hatte das Saarland wieder den Bevölkerungsstand der antiken Prosperitätsphase erreicht. Mit ca. 820 Ortschaften kam das Saarland um das Jahr 1300 auf ein bisheriges Maximum. Der Bau vonHöhenburgen sollte der Sicherung des Landesausbaues dienen, gleichzeitig die Verkehrswege kontrollieren und die Einnahme vonZöllen sicherstellen. Diese Aufgaben oblagenMinisterialgeschlechtern, die vonLehnsherren dazu beauftragt worden waren.
Im 10. Jahrhundert entstand aus demoberlothringischen Territorium dasHerzogtum Lothringen als Lehen der deutschen Könige. Um das Jahr 1050 wurdeGerhard von Elsass, der bereits über Güter im Saargau und im Bliesgau verfügte, von KaiserHeinrich III. mit diesem Herzogtum belehnt. Als dasBlieskasteler Grafenhaus im Jahr 1237 imMannesstamm ausstarb, gelang es den lothringischen Herzögen, ihrem Territorium das Gebiet des späteren Oberamtes Schaumburg einzuverleiben. Dieser Besitz ging erst im Jahr 1787 von Frankreich an die HerrschaftPfalz-Zweibrücken über.
Ebenfalls aus ehemals oberlothringischem Gebiet entstand dieGrafschaft Luxemburg, die sich nach einem im Jahr 1060 von der TriererAbtei St. Maximin erhaltenen Lehen, der „Lucilinburhuc“, nannte. Der territoriale Besitz der Grafschaft ragte über die Mosel in das Saarland hinein.
Zu Beginn des 12. Jahrhunderts benannte sich eine Grafenfamilie, die denSaargaugrafen Sigebert I. als ihren Ahnherren angab, nach der Saarbrücker Burg. Sigebert hatte zum Hochadel derSalierzeit gehört. DieSaarbrücker Grafen befreiten sich nach und nach von der geistlichen Lehnshoheit desHochstiftes Metz und erreichten die Erblichkeit des Grafenamtes. Die Zerstörung ihrer Saarbrücker Burg durch KaiserFriedrich Barbarossa in einerFehde des Jahres 1168 führt ihre geschwächte Stellung hinsichtlich derstaufischen Königsmacht vor Augen. Wie stark diese Zerstörung der Saarbrücker Burganlage war, bleibt offen, denn bereits wenige Jahre später, im Jahr 1171 wurden die Grafen von Saarbrücken wiederum in ihrer Position bestätigt, wobei ihre Lehensuntertänigkeit unter die Bischöfe von Metz ausdrücklich betont wird.
Die Grafen von Saarbrücken zählten seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts zu den mächtigsten Geschlechter im südwestdeutschen Raum mit umfangreichem Landbesitz an der Saar, im Bliesgau, imElsass, in derPfalz und amMittelrhein sowie einträglichenVogteien. Ihre Machtstellung wird ebenso dadurch charakterisiert, dass sie im 12. Jahrhundert zweimal die Erzbischöfe vonMainz stellten. Wohl bald nach 1100 fiel ihnen auch die Vogtei über dasKlosterHornbach zu, dessen ausgedehnte Besitzungen zwischen der Blies und dem Pfälzer Wald lagen. Am Übergang über denSchwarzbach entstand hier die Burg Zweibrücken. Durch Erbteilung im Saarbrücker Grafenhaus kam Zweibrücken 1182/1190 an den jüngeren Sohn des Saarbrücker Grafen Simon I.,Heinrich I., der die Linie der Grafen von Zweibrücken begründete. Neben der Burg Zweibrücken bestand eine bürgerliche Siedlung, die im Jahr 1352 zusammen mit Hornbach Stadtrechte erhielt. In der nächsten Generation spalteten sich im Jahr 1212 dieGrafen von Leiningen ab. In Ermangelung erbberechtigter Nachkommen wurde der Besitz im Jahr 1385 an diePfalzgrafen bei Rhein aus der pfälzischen Linie derWittelsbacher verkauft und im Jahr 1394 als erledigtes Lehen endgültig eingezogen. Im Jahr 1410 wurde das neu gebildete FürstentumPfalz-Simmern-Zweibrücken geschaffen, das bis zum Ende desHeiligen Römischen Reiches bestand und dessen Herzöge zuerst dieKurpfalz und danachKurbayern erbten. AlsKönige von Bayern herrschte die wittelsbachische Dynastie über diese Gebiete bis zurNovemberrevolution des Jahres 1918.
Um ihre Lehensuntertänigkeit vom Hochstift Metz zu reduzieren, versuchten die Grafen von Saarbrücken, ihre Bindung an dasHochstift Trier zu verstärken. Dies geschah durch die Indienstnahme ihres Besitzes inWadgassen. Der Königshof Wadgassen („Villa Wadegozzinga“) war erstmals am 19. September 902 als Ausstellungsort einer UrkundeLudwigs des Kindes erwähnt worden. Im Jahr 1080 hatte KönigHeinrich IV. in einer inMainz ausgestellten Urkunde seinem Getreuen Sigebert die Villa Wadgassen („Villa Wuadegozzingen“) als Amtsgut bei dessen Bestellung zum Grafen im unterenSaargau überantwortet:[39][40]
Zwei von Sigeberts Söhnen besetzten als Geistliche hohe kirchliche Positionen, der Speyerer BischofBruno von Saarbrücken und der Mainzer ErzbischofAdalbert I. von Saarbrücken. Beim Tod von Sigiberts Haupterben,Friedrich von Saarbrücken, vermachten dessen Witwe Gisela, eine Enkelin des Grafen Dietmarvon Selbold-Gelnhausen, und der gemeinsame SohnSimon I. von Saarbrücken im Jahr 1135 gemäß einem Gelübde des Verstorbenen den Besitz Wadgassen derKirche von Trier mit allen Rechten zur Gründung einesAugustinerchorherrenstiftes. In der Umgebung Wadgassens bestand spätestens seit dem Spätmittelalter ein ähnliches Stift inSt. Arnual saaraufwärts.[41]
Der Trierer ErzbischofAlbero von Montreuil unterstellte dasKloster Wadgassen einerVogtei, die de facto bei denGrafen von Saarbrücken verblieb, und verlieh ihm das Predigt-, Tauf- und Begräbnisrecht sowie die freie Abtswahl.[42] Durch die Stiftung der Wadgasser Abtei konnte der Landesausbau an der mittleren Saar weiter gefördert werden. Mit den Klöstern in St. Arnual, Tholey, Neumünster (Ottweiler), Mettlach, Hornbach, Wadgassen,Wörschweiler,Merzig,Fraulautern,Gräfinthal,Wallerfangen sowie den DeutschordenskommendenSt. Elisabeth bei Saarbrücken und inBeckingen entwickelte sich eine dichte monastisches Struktur im Saarland, die die religiöse, ökonomische und kulturelle Entwicklung des Saarlandes entscheidend mitprägte.
In den folgenden Jahrhunderten prosperierte die Abtei Wadgassen zu einem geistig-kulturellen Zentrum der Region dessenZirkarie Wadgassen von Oberlothringen überSüddeutschland bis zumHarz reichte.[43] Der Abtei Wadgassen gehörten seit dem Spätmittelalter über 200 Güter, Gehöfte und Mühlen, Propsteien, Patronatsrechte und Pfarrkirchen.[44] Seltene Belege zeigen im 13. Jahrhundert einen Doppelkonvent mitMönchen undNonnen.[45][46] Wadgassen wurde zum Hauskloster des Saarbrücker Grafenhauses und zur gräflichen Grablege. Bischöfe und Domkapitel von Metz, Trier und Worms übertrugen dem KlosterPatronatsrechte undPfarrstellen. Durch adelige und stadtbürgerlicheMessstiftungen in Form von Übertragungen von Immobilien, Land- und Waldbesitz, Gewässern,Salinen, Weide- und Holzrechten,Zehntrechten,Abgaben und Renten sowie Zöllen wuchs der Reichtum der Abtei an. Zu den frommen Stiftern gehörten die Herzöge von Lothringen, die Grafen von Saarbrücken, Zweibrücken, Luxemburg,Forbach,Bitsch und Leiningen, dieRaugrafen und das aufstrebendeRittertum der gesamten Saarregion. Das Wadgasser Kloster betrieb vor Ort eineSchule und einHospital, übernahm im Jahr 1182 das Merziger Kloster, erwarb im Jahr 1466 dieHochgerichtsbarkeit und initiierte im Jahr 1480 mit demErheben der Gebeine der heiligenOranna eine eigeneWallfahrt beiBerus. Auch in derReformation widerstand die Abtei dem im Jahr 1575 protestantisch gewordenen Saarbrücker Landesherrn und strebte nach einerreichsunmittelbaren Stellung.
Die Saarbrücker Grafenfamilie erlebte mit der Positionierung von Familienmitgliedern alsBischöfe von Worms,Mainz undSpeyer den Aufstieg der nach Selbstbestimmung strebendenKaufmannsschicht in den rheinischen Städten. Nach Aufständen gegen die Bischöfe mussten diese den Bürgern Freiheitsrechte gewähren. In der Heimat der Bischöfe an der mittleren Saar selbst jedoch erreichten die Siedlungen nicht das Niveau der rheinischen Städte. Im 12. Jahrhundert entwickelte sich unterhalb der Saarbrücker Burg eine Burgsiedlung, aus der in der Folgezeit eine kleine ummauerte städtische Siedlung wurde, für die eigeneMaße,Münzen, eineöffentliche Waage undlombardische Fernhändler belegt sind. Die städtische Siedlung blühte zum Verwaltungsmittelpunkt der Grafschaft Saarbrücken auf. Allerdings verweigerten die alten Saarbrücker Grafen den Bewohnern die Verleihung derStadtrechte. Erst unter den Grafen von Saarbrücken-Commercy übergab GrafJohann I. im Jahr 1322 den beiden Schwestersiedlungen Saarbrücken und St. Johann am gegenüberliegenden Saarufer Freiheitsbriefe. Da der Doppelstadt allerdings kein freies Verfügungsrecht der Bürger über die eigenen Person und ihr Eigentum zugestanden wurde und die gräflichen Abgabenlasten und Frondienste weiterhin drückend blieben, konnte sich aus der Doppelstadt Saarbrücken-St. Johann fast bis zum Ende der Existenz der Grafschaft kein attraktiver Anziehungspunkt für Neusiedler entwickeln.[47]
Verschiedene Krisen, wie die Hungerkatastrophe der Jahre 1316 bis 1322, die Missernten der Jahre von ca. 1330 bis 1350 sowie die schwerenPestepidemie, die 1347 begann, führten einhergehend mitKlimafluktuationen zu einem dramatischen Rückgang der Bevölkerung des Saarlandes. Infolgedessen fielen im 14. und 15. Jahrhundert ca. 54 % der hochmittelalterlichen Dorfsiedlungen im Gebiet des heutigen Saarlandeswüst. An sie erinnern bis heute Mauerreste, Flurnamen, urkundliche Erwähnungen, Einzelhöfe oder Kapellen. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die heutigeOrannakapelle, die ehemals das religiöse Zentrum des Dorfes Eschweiler war, das endgültig nach 1566 aufgegeben wurde und dessen letzte Einwohner in das nahegelegene befestigteBerus umsiedelten. DieOranna-Wallfahrt zur Dorfkapelle von Eschweiler wurde im Jahr 1480 durch dasBistum Metz im Rahmen einer Untersuchung der Gebeine von Oranna und deren Gefährtin Cyrilla offiziell geprüft und bestätigt.
Der Rückgang der dörflichen Siedlungen muss auch im Zusammenhang mit einer verstärktenUrbanisierung des Saarlandes gesehen werden. Größere Ortschaften wie Saarbrücken, St. Johann,St. Wendel,Merzig oderBlieskastel boten höhere Sicherheit in gefahrvoller Zeit und bessere Versorgungsmöglichkeiten. Infolge des Wüstfallens vieler saarländischer Orte in der spätmittelalterlichen Krisenzeit verringerten sich auch diegrundherrlichen Einnahmen. Gleichzeitig verstärkte sich am Ende des Mittelalters aber auch die Produktion der saarländischenEisenschmieden und die Gewinnung vonSteinkohle beiOttweiler,Schiffweiler,Landsweiler sowie inSulzbach undRittenhofen.
In die spätmittelalterliche Epoche fallen auch der Aufbau feudaler Territorien mit der Akkumulation von ehemaligenKönigsrechten in der Hand von Fürsten und Grafen. Diesen Machtanspruch verdeutlichten die Adeligen mit dem Bau vonHöhenburgen, wie den kurtrierischen BurgenMontclair undDagstuhl, den lothringischen LandesburgenSiersberg und Altfelsberg, der zunächst luxemburgischen, dann lothringischen Landesburg Schaumburg überTholey, der BurgZweibrücken der Saarbrücker Grafen (später im Besitz von Pfalz-Zweibrücken), derBurg Nohfelden (zunächst Veldenz, dann Pfalz-Zweibrücken), den WasserburgenKerpen bei Illingen (Saarwerden) sowieOttweiler (Grafschaft Saarbrücken).
Das Hochstift Trier stieg seit der Zeit des ErzbischofsHeinrich II. von Finstingen im 13. Jahrhundert und während der langen Regentschaft vonBalduin von Luxemburg zur regionalen Macht auf. Begünstigt wurde diese Entwicklung dadurch, dass nacheinander zwei Verwandte Balduins denKaiserthron desHeiligen Römischen Reiches bestiegen hatten: sein BruderHeinrich VII. sowie sein GroßneffeKarl IV.
Balduins NeffeJohann amtierte alsKönig von Böhmen. Mit Hilfe von jüdischen Bankhäusern ausStraßburg undKöln verstand es Balduin, seine finanziellen Spielräume, die ihm bereits durch die Landeseinkünfte zukamen, noch erheblich zu erweitern. Balduin ließ die Landesteile in Ämtern zusammenfassen und diese von festen Amtssitzen aus verwalten.Amtmänner trieben von hier ausZölle undAbgaben ein, hielten ehrgeizigeVasallen in ihren Schranken und begünstigten die Expansion des trierischen Hochstiftes entlang desBliestales in Richtung Süden.
So konnte im Jahr 1326 von den Herren von Kirkel der OrtBasonevillare (Bosenweiler, heute St. Wendel) mitsamt derHochgerichtsbarkeit und demZollrecht, im Jahr 1328 alle restlichen örtlichen Rechte von denSaarbrücker Grafen gekauft werden. Die örtlicheWendalinus-Wallfahrt wurde durch Balduin gefördert, wobei eine neue Einnahmequelle für das Hochstift Trier erschlossen werden konnte, denn der heilige Wendelin wurde zum Viehpatron stilisiert und der St. WendelerViehmarkt entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Viehmärkte der gesamten Region. Der Wendelin-Kult verbreitete sich im süddeutschen Bereich besonders stark. Als Zentrum des Kultes um den Heiligen wurde Basonevillare-Bosenweiler schließlich in St. Wendel umbenannt. Es wird angenommen, dass auf Erzbischof Balduins Geheiß mit dem Bau einer neuenWendalinuskirche begonnen wurde. Auf demReichstag zuNürnberg erhielt Balduin im Jahr 1332 von KaiserLudwig dem Bayern in einem Sammelprivileg für 29 Städte, Dörfer, Burgen und Kapellen seines Bereichs, darunter Merzig, Saarburg und Grimburg, die Erlaubnis, sie mit Rechten, wie sie das FrankfurterStadtrecht beinhaltete, auszustatten. Die Kanzel der Hallenkirche wurde im Jahr 1462 vermutlich durch den berühmten TheologenNikolaus von Kues gestiftet, zu dessenPfründen Sankt Wendel gehörte. Sie trägt seinWappen und gilt als die zweitälteste Steinkanzel Deutschlands. Kurz darauf, im Jahr 1464, wurden die Mittelschiffgewölbe der Wallfahrtskirche mit einer symbolischen Darstellung des Zusammenwirkens der geistlichen und weltlichen Machthaber des Heiligen Römischen Reiches, der sogenannten „Wappenprozession“ versehen. Im Jahr 1512 wallfahrtete KaiserMaximilian I. während seines Aufenthaltes beim Trierer Reichstag zur Wendalinusbasilika nach St. Wendel.[48] Darüber hinaus ließ der Kaiser den saarländischen Heiligen vonLeonhard Beck bildlich darstellen und behauptete fortan, Wendelin zähle als schottischer Königssohn zu seiner eigenen „Sipp-,Mag- undSchwägerschaft“.[49][50]
Bereits im Jahr 1460 war es dem Trierer ErzbischofJohann II. von Baden gelungen, die zuvor schon hochstiftlich-trierische Stadt St. Wendel aus dem Metzer Bistumsverband zu lösen und dem Erzbistum Trier anzugliedern. Die Stadt blieb bis zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches ein Oberamt des Kurfürstentums Trier, dem unter anderem das nahegelegene HochgerichtTheley unterstand.
Bei Hoheitsstreitigkeiten um Herrschaft über die Saarregion im 14. Jahrhundert konnte sich das Erzbistum Trier unter Erzbischof Balduin von Luxemburg gegen seinen Erzrivalen Lothringen durchsetzen. Der Gefahr eines möglichen Waffenganges zwischen Hochstift Trier und Herzogtum Lothringen ins Auge sehend, versicherte sich Balduin des Rückhaltes der Dynastien des Westriches, der Grafen von Homburg, Saarbrücken, Zweibrücken, Saarwerden, Veldenz sowie Bitsch.HerzogRudolf von Lothringen, der sich noch 1333 durch demonstrative Abwesenheit auf dem Mannengericht inMerzig geweigert hatte, die Trierer Oberhoheit über Dillingen und Siersberg anzuerkennen, musste im Jahr darauf vertraglich Balduins Lehenshoheit anerkennen. Rudolf empfing in einer feierlichen Lehensübergabe von Trier Burg und StadtSierck,Laumesfeld,Berus,Dalem, Siersberg,Felsberg,Wallerfangen sowie einen Teil von Montclair mit Merzig. Im Gegenzug musste der Herzog auf frühere Besitzrechte an einem Gebiet verzichten, das von Perl an der Mosel über Saartal und Hochwald bis an die obere Blies reichte. Balduin hatte diese Gebietsübergabe im Vorfeld mit archivalischen Dokumenten absichern lassen. Im Jahr 1334 erlangte diese Gebietsaufteilung zwischen Trier, Luxemburg und Lothringen Rechtskraft. Da Herzog Rudolf in derSchlacht bei Crécy am 26. August 1346 fiel, blieb Balduin eine Anfechtung des Kompromisses erspart.
Darüber hinaus nutzte Balduin die angespannte Finanzlage des saarländischen Adels, um die Lehenshoheit über deren Eigengüter, Burgen und Ortschaften zu erlangen. So erwarb er im Jahr 1335 von den Grafen von Zweibrücken ihr Land, um sie wieder damit zu belehnen. Ähnlichen Erfolg hatte Erzbischof Balduin mit Blieskastel. Der Ort an der Blies war vom Bischof von Metz an dieHerren von Finstingen verpfändet worden. Die Finstinger lagen mit den Grafen von Saarbrücken und Zweibrücken inFehde. Balduin finanzierte den Grafen im Herbst 1337 einen Kriegszug gegen das finstingische Blieskastel. Nach dessen Eroberung mussten die Grafen Balduin die Burg und die Herrschaft Blieskastel übergeben. Den Bischof von Metz fand Balduin für den Verlust seines Pfandes Blieskastel mit einer Entschädigungssumme ab.
Neben dem Hochstift Trier konnten sich auch die Grafen von Saarbrücken machtpolitisch im Gebiet des heutigen Saarlandes behaupten. GrafSimon IV. von Saarbrücken-Commercy gelang es, sein Herrschaftsgebiet zu verdichten. Es reichte von derNied zwischenMetz undSt. Avold im Westen undPirmasens im Pfälzer Wald im Osten. Der Norden wurde vomKloster Fraulautern an der Saar bzw. Neumünster an der Blies begrenzt.Herbitzheim imKrummen Elsass bildete mit seinem Kloster die südliche Begrenzung des Saarbrücker Herrschaftsgebietes mit seinen Zentren Saarbrücken und St. Arnual.
Im Jahr 1308 war der Luxemburger GrafHeinrich von Luxemburg zumrömisch-deutschen König gewählt worden. Er und sein SohnJohann, der 1310 König von Böhmen wurde, begründeten die Machtstellung der Luxemburger im mittelalterlichen Deutschen Reich (Heiliges Römisches Reich). Im Jahr 1354 wurde die Grafschaft Luxemburg vom späteren KaiserKarl IV. zumHerzogtum erhoben. Erster Herzog wurdeWenzel I. Mit dem Tod des römisch-deutschen KaisersSigismund im Jahr 1437 starb die Hauptlinie des Hauses Luxemburg aus, womit die Vorherrschaft im Reich endete. Im Jahr 1441 verkaufte die letzte Herzogin aus dem Haus Luxemburg das Land an das französischeHaus Burgund. Es blieb staatsrechtlich ein Lehen des Reiches. Nach dem Tod des letzten BurgunderherzogsKarl der Kühne im Jahr 1477 kam Luxemburg mit dem gesamten burgundischen Erbe an Karls TochterMaria von Burgund und ihren Ehemann, den späteren römisch-deutschen KaiserMaximilian I. von Habsburg. Im Jahre 1482 gelangte Luxemburg innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unter die Herrschaft derHabsburger.
Im späten Mittelalter setzte im ganzen Saarland auch eine Verschriftlichung der Verwaltung sowie einen Installation ortsfester Amtsleute ein. Das Herzogtum Lothringen richtete zu Beginn des 14. Jahrhunderts drei Baillagen ein. Neben Nancy und den Vogesen war dasWallerfangen/Vaudrevange in der Nähe der Mündung derPrims in die Saar. Der genaue Zeitpunkt der Stadtwerdung Wallerfangens ist nicht belegt. Im Jahr 1276 wird Wallerfangen in einer Urkunde noch als Ort bezeichnet. Die erste Bezeichnung als Stadt datiert aus dem Jahr 1334. Zu dieser Zeit muss also ein Ausbau der Siedlung mit Mauern, Toren und Türmen bestanden haben. Die kleine mittelalterliche Stadt lag an wichtigen Handelswegen und verfügte über einen Saarhafen. Der lothringische HerzogFriedrich III. hatte Wallerfangen einenFreiheitsbrief zur Förderung von Handel und Gewerbe verliehen. So konnten die Bürger der jungen Stadt eine unabhängige Verwaltung aufbauen, die Verteidigung der Stadt organisieren sowie eineniedere Gerichtsbarkeit institutionalisieren. Im Bezug zu Handel und Gewerbe bildeten sichZünfte undGilden.
Im ausgehenden Mittelalter besaß Wallerfangen nunStadtrecht und war unter dem Namen „Walderfingen“ Amtssitz desDeutschen Bellistums des Herzogtums Lothringen. Daneben wurde der französische NameVaudrevange gebraucht. Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts bis in die frühe Neuzeit war Wallerfangen („Walderfang“, „Walderfingen“) eine mit Mauern umwehrte herzoglich-lothringische Provinzhauptstadt. Ihr Einflussbereich, der deutschsprachige Teil des Herzogtums Lothringen mit Namen „Baillage d’Allemagne“, erstreckte sich im frühen 17. Jahrhundert bis weit in das heutige Frankreich hinein. Wallerfangen war eine Stadt der „Blaugräber“, deren Produkt, die blaue FarbeAzurit, gefördert aus senkrechten Schächten und unter Nutzung der überkommenen römischen Stollen, in ganz Europa verkauft wurde.Albrecht Dürer soll mit „Wallerfanger Blau“ gemalt haben.[51][52]
Nicht nur im Herzogtum Lothringen, sondern auch in derGrafschaft Luxemburg existierte eine Zweiteilung zwischen „pays romans“ und „quartier allemand“. Im Hochstift Metz gab es eine Zuständigkeit für die „terre d’Allemagne“ und in der Grafschaft Saarbrücken wurden um 1400 die französischsprachigen Gebiete zwischen Mosel und Maas einem „Gouverneur en roman pays“ unterstellt.
Mit der Formierung der Landeshoheit der Adelsherrschaften im Gebiet des heutigen Saarlandes verstärkten die Landesherren auch ihre Bemühungen um eine Separierung des eigenen Territorium. Balduin von Luxemburg erwirkte für das Hochstift Trier im Jahr 1314 mit dem „Privilegium de non evocando“, dass landesinterne Streitfälle nicht vor ein auswärtiges Gericht gezogen werden konnten. Pfalz-Zweibrücken zog im Jahr 1470, Nassau-Saarbrücken im Jahr 1514 nach. Darüber hinaus wollten die Feudalherren auch verhindern, dass ihre Untertanen an einen auswärtigen Gerichtshofappellieren konnten. Im Jahr 1542 gelang dies dem Herzogtum Lothringen und im Jahr 1562 auch Kurtrier bis zu einem Streitwert von 500Gulden. Das absolute Apellationsverbot (Privilegium de non appellando illimitatum) erreichte Kurtrier erst im Jahr 1721 und Pfalz-Zweibrücken im Jahr 1762. Nassau-Saarbrücken hingegen konnte das Privileg nicht erlangen.
Im 16. Jahrhundert setzte sich diese Entwicklung mit den Bestrebungen zur Schaffung eines eigenen Landesrechtes fort. Im Jahr 1519 erließ das Herzogtum Lothringen die „Coutumes générales du Duché de Lorraine en baillages de Nancy, Vosges et Allemagne“, die 1599 für das Bellistum Wallerfangen in deutscher Sprache erschienen. Pfalz-Zweibrücken erließ im Jahr 1536 eine eigene Gerichtsordnung, Kurtrier im Jahr 1537. Ebenfalls im 16. Jahrhundert folgte die Grafschaft Saarbrücken. Das Hochstift Metz erließ eine eigene Gerichtsordnung im Jahr 1601, das Herzogtum Luxemburg im Jahr 1623. In den übrigen saarländischen Herrschaften der Klöster und Ritterherrschaften galt das Reichsrecht. Hinsichtlich des Kriminalrechtes und des Strafprozessrechtes galt seit 1532 hierzu dieConstitutio Criminalis Carolina, diePeinliche Gerichts- oderPeinlicheHalsgerichtsordnung KaiserKarls V..
Neben den Fürsten und Grafen von Lothringen, Luxemburg, Saarbrücken, Trier und Zweibrücken existierten im Saarland zahlreiche Reichsherrschaften, wieSchwarzenholz, das der Abtei Fraulautern unterstand, und Mischherrschaften, wie die VierherrschaftVierherrschaft Lebach oder dasHochgericht Nalbacher Tal. Hier war zum Beispiel die mittlere bzw. kurtrierische Vogtei für das Oberdorf Nalbach,Bilsdorf,Piesbach und halb Bettstadt zuständig, während die oberste und unterste bzw. kurpfälzische Vogtei fürKörprich, halb Bettstadt,Diefflen sowie das Nalbacher Unterdorf bis zum Fußbach zuständig war.[53]Außer demReichsdorf Michelbach als juristischer Kuriosität (heute zuSchmelz (Saar)) konnte keiner der saarländischen Orte zurReichsstadt aufsteigen. Ebenfalls gab es im Gebiet des Saarlandes keinReichskloster.
Aufgrund der politischen Zersplitterung verwendete man seit dem 13. bis ins 19. Jahrhundert für die Region den Begriff „Westrich“ („Land im Westen des Reiches“). Der Westrich besaß keine fest definierten Grenzen. Grob umfasste er die Region zwischenHunsrück undVogesen im Westen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Durch die Verwendung der im 19. und 20. Jahrhundert neu gebildeten NamenDeutsch-Lothringen,Moselle,Krummes Elsass,Pfälzerwald undSaarland wurde der Gebrauch des Namens Westrich zurückgedrängt.
Der Westrich bildete – auch zur Zeit der vielfachen Verwendung des Begriffs im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit – keine politische Einheit. Entsprechend der Mode der damaligen Zeit wurde dem Westrich daher ein eigenes Wappen zugeeignet, ein Schild sieben- oder achtmal schräg geteilt von blau und gold. So wurde der Westrich als „Westerreich“ auch auf demQuaternionenadler als Teil einer fiktiven Reichsverfassung dargestellt. DerKosmographSebastian Münster deutet das Westerreich in seiner inBasel im Jahr 1550 erschienenen „Cosmographia“ als Pendant zuÖsterreich.[54]
Die bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches regierende DynastieNassau-Saarbrücken ging über weibliche Erbfolge auf die älteste Dynastie der Grafen von Saarbrücken zurück. Diese war mitSimon III. (1168–1233) nur in der männlichen Linie erloschen. Über die Erbtochter Mathilde († 1274), verehelicht mit Simon vonCommercy († 1247/48), gelangte die Grafschaft an beider Sohn, dessen Name Simon IV. (1271–1308) bereits die dynastische Kontinuität signalisierte. Die neue Grafenlinie Saarbrücken-Commercy herrschte etwa hundert Jahre lang, bevor sie mitJohann II. im Jahr 1381 ebenfalls im Mannesstamm ausstarb.
Erbtochter Johanna (1330–1390) verehelichte sich mit dem GrafenJohann von Nassau-Weilburg. Beider SohnPhilipp I. von Nassau-Saarbrücken-Weilburg begründete die gräfliche Linie Nassau-Saarbrücken, die bis zum Ende des Alten Reiches regierte. Zusammen ergibt dies eine dynastische Kontinuität des Hauses Saarbrücken über einen Zeitraum von mehr als 700 Jahren.
Der Bestand der Dynastie Nassau-Saarbrücken war durch die Erbvereinigung desGesamthauses Nassau gesichert. Diese Dynastie hatte sich im Jahr 1255 in zwei Hauptlinien geteilt: Zur Walramschen Linie, die mitAdolf von Nassau (ca. 1255–1298) einen König des Heiligen Römischen Reiches hervorbrachte, zähltenNassau-Idstein, Nassau-Wiesbaden,Nassau-Weilburg,Nassau-Saarbrücken,Nassau-Ottweiler undNassau-Usingen. Von letzteren stammen die heute noch regierendenGroßherzöge von Luxemburg ab.
Aus der Ottonischen Linie gingen durch Erbteilungen die Grafen vonNassau-Hadamar,Nassau-Beilstein undNassau-Dillenburg hervor. Letztere erbten im Jahr 1544 dasFürstentum Orange (Fürstentum Oranien) und stellten mitWilhelm I. von Nassau-Oranien denStatthalter der Niederlande und zeitweise mitWilhelm III. von Oranien-Nassau den König vonEngland,Schottland,Irland undWales. Der deutsche Zweig des Hauses Nassau-Dillenburg verästelte sich in die LinienNassau-Siegen, Nassau-Beilstein undNassau-Dietz. Aus dieser Linie stammen die heute noch regierendenKönige der Niederlande.
Mit dem Begründer der Dynastie Nassau-Saarbrücken,Graf Philipp I. von Nassau-Saarbrücken (1368–1429) und dessen zweiter EhefrauElisabeth von Lothringen (ca. 1395–1456) gelangte höfische Kultur in die Saarregion. Elisabeth gilt als Wegbereiterin desProsaromans infrühneuhochdeutscher Sprache. Sie initiierte um 1437 die Übersetzung und Bearbeitung von vier französischenhöfischen Romanen (Chanson de geste): „Herpin“, „Sibille“, „Loher und Maller“ und „Huge Scheppel“. Nach dem Tod ihres Gemahls Philipp im Jahr 1429 übernahm Elisabeth bis 1438 bzw. bis 1442 die Regentschaft für ihre unmündigen SöhnePhilipp II. (1418–1492) undJohann III. (1423–1472). Zu den Kindern Elisabeths gehörte auchMargarethe von Rodemachern (1426–1490).[55]
Unter Elisabeths Regentschaft entwickelte sichSaarbrücken zu einerResidenzstadt mit der Grafenburg auf dem steil zur Saar abfallenden Burgfelsen als Kernpunkt. Bis dahin existierte noch keine ortsgebundene zentrale Verwaltung. Die Landesherren bereisten stattdessen ständig ihre verstreut liegenden Residenzen wieCommercy (Commarchen),Weilburg und Saarbrücken, um den Herrschaftsanspruch durch ihre Präsenz zu untermauern.
Elisabeth starb am 17. Januar 1456. Entgegen den Gepflogenheiten der alten Grafen von Saarbrücken, die sich in derAbteikirche Wadgassen bestatten ließen, wählte Elisabeth die StiftskircheSt. Arnual als ihre letzte Ruhestätte. Ihr farbig gefasstes Grabmal mit Ganzkörperskulptur nachburgundischem Vorbild befindet sich in der dortigenStiftskirche, die in der Folge 180 Jahre lang zurErbgrablege des HausesNassau-Saarbrücken wurde. Danach wurde die Saarbrücker Schlosskirche zur Erbgrablege.
Noch zu ihren Lebzeiten hatte Elisabeth für ihre Erbfolge gesorgt. Im Jahr 1439 teilte sie ihre Besitztümer unter ihren beiden Söhnen auf: das rechtsrheinische Territorium sprach sie ihrem älteren Sohn Philipp, dem Grafen vonNassau-Weilburg, zu, den linksrheinischen Bereich vergab sie an ihren jüngeren Sohn Graf Johann von Nassau-Saarbrücken. Elisabeths Sohn Johann verkaufte mit Zustimmung seiner Mutter Elisabeth die Herrschaft Commercy für 42.000 Gulden an das herzogliche Haus Lothringen und konnte damit ein Anrecht aufSaargemünd erwerben, womit er sein Herrschaftsgebiet deutlich nach Osten rückte.
Johanns SohnJohann Ludwig von Nassau-Saarbrücken wurde drei Monate nach dem Tod seines Vaters geboren. Seine Mutter Elisabeth vonWürttemberg hatte bis zu ihrer Wiederverheiratung mit GrafHeinrich von Stolberg-Wernigerode dieVormundschaft inne. Danach übernahmen diesePhilipp von Nassau-Weilburg undEberhard von Württemberg.
Johann Ludwig lebte bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr inWeilburg. Erimmatrikulierte sich 1483 inHeidelberg und 1485 inTübingen. Anschließend verbrachte er eine kurze Zeit am Hof des HerzogsRené II. von Lothringen, um daraufhin inParis zu studieren.
Im Jahr 1490 übernahm Johann Ludwig die Herrschaft selbst. Gleich zu Beginn seiner Regentschaft kam im Jahr 1491 ein Erbschaftsvertrag der LinienNassau-Weilburg undNassau-Saarbrücken zustande. In der Folge war er als Militär und Diplomat unter KaiserMaximilian I. tätig, der im Jahr 1503 die Residenz Saarbrücken besuchte.
Im Jahr 1495 begleitete Johann Ludwig seinen Schwager PfalzgrafAlexander von Pfalz-Zweibrücken und dessen Vetter BischofAntoine de Croÿ auf einerWallfahrt überVenedig,Kreta,Rhodos undZypern insHeilige Land, wo er im Jahr 1495 in derJerusalemerGrabeskirche zumRitter vom Heiligen Grab geschlagen wurde.
Auf demReichstag zu Worms im Jahr 1495, an dem der Saarbrücker Graf Johann Ludwig teilnahm, kam Nassau-Saarbrücken mit Pfalz-Zweibrücken zumOberrheinischen Reichskreis. Die saarländischen Territorien Kurtriers und Luxemburgs wurden demBurgundischen Reichskreis zugeteilt. OhneReichsstandschaft blieben das saarländischeReichsdorf Michelbach, die saarländischenReichsritterschaften undReichsherrschaften sowie das trierischeDomkapitel.
Graf Johann Ludwig stand auch noch KaiserKarl V. als Ratgeber zur Seite, der ihn im Jahr 1544 in Saarbrücken besuchte, und nahm im Jahr 1521 amReichstag in Worms teil, wobei er diereformatorische LehreMartin Luthers ablehnte. Teilweise wirkten sich die Unruhen desBauernkrieges zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch auf Nassau-Saarbrücken aus.
Nach dem Tod seiner ersten FrauElisabeth von Pfalz-Zweibrücken erlangte Graf Johann Ludwig durch die Verheiratung mit Gräfin Katharina von Moers-Saarwerden zunächst eine Hälfte derGrafschaft Saarwerden. Nach dem Tod des Erben des zweiten Teils fiel im Jahr 1527 auch der Rest der Grafschaft an Nassau-Saarbrücken.
Im Jahr 1544 teilte Johann Ludwig seinen Besitz unter die SöhnePhilipp (Saarbrücken),Johann (Homburg und Ottweiler) und Adolf (Saarwerden) auf. Johann Ludwig, der bis zu seinem Lebensende derkatholischen Kirche treu ergeben blieb, wurde in der StiftskircheSt. Arnual beigesetzt.[56]
Das Territorium des heutigen Saarlandes war vor der Reformation kirchlich folgendermaßen untergliedert:Der westliche Teil unterstand dem Archidiakonat Tholey des Erzbistums Trier mit den DekanatenRemich,Perl,Merzig undWadrill.
Der östliche Teil gehörte zum Bistum Metz und war in folgende Archipresbyteriate untergliedert: Neumünster, ein adeliges Frauenstift bei Ottweiler, Hornbach, einer Benediktinerabtei, St. Arnual, einem Augustinerchorherrenstift sowieWaibelskirchen an der Nied. Geringe Teile des heutigen Saarlandes gehörten bistumsmäßig zumErzbistum Mainz, wie etwaNiederkirchen im Ostertal.[57]Religiöse Oberhoheit hatten nur Gebiete, die als Landesherrschaftreichsunmittelbar waren, also nur demKönig oderKaiser unterstanden. Dazu zählte der Erzbischof und Kurfürst von Trier, der in größeren Teilen des heutigenLandkreises Merzig-Wadern, inTheley und den umliegenden Dörfern zusammen mit Lothringen, in der StadtSt. Wendel und den nördlich davon gelegenen Dörfern sowie inBlieskastel undSt. Ingbert die politische Landeshoheit innehatte. Allerdings waren St. Wendel, St. Ingbert und Blieskastel zeitweise verpfändet.
Ebenso war der Metzer Bischof auch Landesherr desHochstiftes Metz. Ihm unterstandenPüttlingen und dessen Nachbarorte.
Dem Herzog von Lothringen unterstanden als Landesherr weite Gebiete an der mittleren Saar mitWallerfangen als Hauptort. Ein von dort rüsselartig nach Nordosten reichendes Gebiet mit demSchaumberg und derAbtei Tholey gehörte ebenfalls dazu.
DemhabsburgischenHerzogtum Luxemburg unterstanden einige heute saarländische Moselorte.
Der Herzog von Pfalz-Zweibrücken besaß landesherrliche Rechte im RaumNohfelden, an der mittlerenOster sowie an der unterenBlies.
Den Grafen von Nassau-Saarbrücken unterstand ein Gebiet, das ungefähr dem heutigenStadtverband Saarbrücken, demLandkreis Neunkirchen und dem Gebiet um die StadtHomburg entspricht.
Im Norden des heutigen Saarlandes beanspruchten auch einzelne Adelige den Status der Reichsunmittelbarkeit, wie etwa dieHerren von Dagstuhl und dieHerrschaft Eberswald.
Darüber hinaus existierten mehrere Gemeinherrschaften wie etwaLebach oderUchtelfangen. Auch wurden zuweilen Herrschaftsrechte durch Eigentums- und Patronatsrechte eingeschränkt. Weitere Komplikationen der Herrschaftsverhältnisse brachten Herrschaftsteilungen durcherbrechtliche Bestimmungen oder Herrschaftsübertragungen,Belehnungen,Verpfändungen sowiefeudalrechtliche Dorfteilungen in einzelneVogteien, wie dies etwa im Hochgericht Nalbacher Tal der Fall war.
Bisher ist unbekannt, wann genau die Bewohner der Gegend an der Saar zum ersten Mal in Kontakt mit den Schriften desReformatorsMartin Luther traten und von den diesbezüglichen Reaktionen der weltlichen und geistlichen Würdenträger des Heiligen römischen Reiches erfuhren. Es ist zu vermuten, dass spätestens nach dem Auftreten Luthers auf demReichstag zu Worms im Frühling 1521 die reformatorische Kunde auch an die Saar gelangte. Bereits für die Jahre 1519/1521 waren die Schriften Luthers in derReichsstadtMetz nachweislich bekannt und im Jahr 1521 berief PapstLeo X. einen päpstlichen Kommissar, der gegen reformatorische Umtriebe in Lothringen und den umliegenden Gebieten vorgehen sollte. Im Jahr darauf, 1522, predigte der Straßburger ReformatorMartin Bucer auf derBurg Nanstein überLandstuhl, die sich im Besitz vonFranz von Sickingen (1481–1523) befand. Im Oktober 1522 trat der ReformatorJohann Schwebel (1490–1540) auf, der ab 1523 in Zweibrücken alsHofprediger wirkte und dort im Jahr 1525 sein theologisches Werk „Hauptstück und Summa des gantzen Evangeliums“ veröffentlichte.
HerzogLudwig II. von Pfalz-Zweibrücken (1502–1532) ließ der Verkündigung des evangelischen Predigers Johann Schwebel freien Lauf. Auf dem Reichstag zu Worms hatte Herzog Ludwig Martin Luther persönlich erlebt. Es darf auch vermutet werden, dass Ludwigs GemahlinElisabeth von Hessen (1503–1553), Tochter des LandgrafenWilhelm I. von Hessen (1466–1515) und nahe VerwandtePhilipps I. von Hessen, des größten Förderers der Reformation, der neuen Konfession im Herzogtum Zweibrücken erheblichen Auftrieb verschaffte. Im Jahr 1529 ermöglichte Herzog Ludwig den Schweizer Theologen die Reise zumMarburger Religionsgespräch, indem sie auf der Reise durch sein Herzogtum weitgehend dieBistümerSpeyer,Mainz undWorms umgehen konnten. Gemeinsam mit den Schweizer Reformatoren umZwingli reiste der Zweibrücker Prediger Schwebel 1529 zum Marburger Religionsgespräch.
Bereits im Jahr 1528 hatte der Metzer BischofJohann von Lothringen, zu dessen Bistum der östliche Teil des heutigenStadtverbandes Saarbrücken, derSaarpfalz-Kreis und Teile desLandkreises Neunkirchen zählten, die reformatorischeAbendmahlspraxis in Zweibrücken gerügt. Da Herzog Ludwig bereits im Jahr 1532 30-jährig an derSchwindsucht starb, wurde sein ältester SohnWolfgang von Pfalz-Zweibrücken (1520–1569) sein Nachfolger. Aufgrund der Minderjährigkeit des Erbprinzen übernahm zunächst Ludwigs jüngerer BruderRuprecht von Pfalz-Veldenz von 1533 bis 1543 die Regentschaft. Ruprecht vertrat die Ideen der Reformation entschiedener als sein verstorbener Bruder. Er beauftragte den Zweibrücker Prediger Johann Schwebel mit der Erstellung einer neuenKirchenordnung für Pfalz-Zweibrücken und ordnete die Verwendung der deutschen Sprache imGottesdienst an. In denPfarreien des Herzogtums wurden nun alle Pfarrer einer strengenVisitation zur Ermittlung der bestehenden Verhältnisse unterzogen. Reformatorisches Gedankengut gelangte bald auch in die Orte an der unterenBlies, die nicht zum Territorium von Pfalz-Zweibrücken gehörten, so in die OrteGersheim undHöchen.
Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken (1520–1569) konsolidierte nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte im Jahr 1543 die lutherischeLandeskirche und gab ihr – auf der Basis desAugsburger Religionsfriedens – im Jahr 1557 eine neue Kirchenordnung. Inzwischen hatte inHeidelberg der Pfälzer KurfürstFriedrich III. (1515–1576) den reichsrechtlich nicht anerkanntenCalvinismus eingeführt. Sein ErbeJohann Casimir (1543–1592) führt im Jahr 1583 erneut die calvinistische Konfession in derKurpfalz ein, und im Jahr 1588 tat HerzogJohann I. (1550–1604) in Pfalz-Zweibrücken ebensolches. Bereits im Jahr 1571 hatte Herzog Johann dieLeibeigenschaft seiner Untertanen abgeschafft, mehr als 200 Jahre bevor dies durch dieFranzösische Revolution geschah.
Die für das Gebiet des heutigen Saarlandes maßgeblichen Bischöfe, die Erzbischöf und Kurfürsten von Trier sowie die Bischöfe von Metz hielten, anders als einigemitteldeutsche Bischöfe, an der traditionellen katholischenKonfession fest. Die Erzbischöfe von Trier konnten allerdings nicht verhindern, dass in Teilen ihres Bistums die Reformation Erfolge feiern konnte. Selbst in Randgebieten des Hochstiftes, also des Kurfürstentums, wechselten ganze Gebiete die Konfession. Im kurtrierischen AmtBlieskastel hatten Lehensleute des Erzbischofes, dieHerren von Eltz inBallweiler,Biesingen,Erfweiler-Ehlingen,Rubenheim undWecklingen, die Herren vonSteinkallenfels inBliesmengen-Bolchen sowie dieJunker von Mauchenheim inReinheim, die Verbreitung der reformatorischen Lehre gefördert. Erst um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert gelang es Trier, das Gebiet für den traditionellen Katholizismus zurückzugewinnen, da von 1553 bis 1634 das Amt Blieskastel aufgrund einerVerpfändung unter dem reformatorischen Einfluss von Nassau-Saarbrücken gestanden hatte. Auch in der Umgebung hatten Angehörige des Ritterstandes durch die Berufung reformatorischerPrediger versucht, den Bekenntnisstand der Bewohner ihrer Dörfer zu verändern. Dies geschah inEppelborn,Uchtelfangen,Knorscheid,Reisweiler,Gonnesweiler,Neunkirchen/Nahe undSötern, blieb aber hinsichtlich der Sache der Reformation weitestgehend erfolglos.
Mit der Ausbreitung der Reformation forderten die Landesherren zunehmend für sich das Recht, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen. Diese Möglichkeit wurde ihnen jedoch erst nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung im Jahr 1555 im Augsburger Religionsfrieden zugestanden. Doch lag dasPatronatsrecht, also die Neubesetzung einervakant gewordenen Pfarrstelle, üblicherweise nicht beimLandesherrn, sondern beim jeweiligen Patronatsherrn. Das war in der Regel ein regionaler Adeliger sowie einKloster oderStift, die allerdings nicht im selben Gebiet ansässig sein mussten.
Der in Trier geborene,calvinistisch ausgerichtete TheologeCaspar Olevian trat nach auswärtigen Studien ab August 1559 in seiner Heimatstadt als öffentlicher Prediger auf. Durch sein kraftvolles Auftreten und seine mitreißende evangelische Predigt verschaffe er der reformatorischen Sache erheblichen Zulauf. ErzbischofJohann VI. von der Leyen nahm allerdings Olevian und zahlreiche seiner Sympathisanten gefangen und ließ diese erst frei, nachdem diese gelobt hatte, entweder zum rechtmäßigen katholischen Glauben zurückzukehren oder aber die Stadt zu verlassen. Viele erklärten, wieder katholisch werden zu wollen, eine nicht geringe Anzahl von Bürgern, darunter auch Olevian, wanderte aus. Die Reformation in Trier war damit gescheitert. Die katholische Kirche reagierte mit denKonzil von Trient (1545 bis 1563) auf die massiven Verwerfungen im kirchlichen Bereich und begann, umfassende Neuordnungen einzuführen. Mit den großangelegten Visitationen der Erzdiözese Trier im Jahr 1569 und derSynode für das Bistum Metz bereits im Jahr 1561 in Vic-sur-Seille gelang ein Neuanfang. Die durch die Umwälzungen der Reformation zugrunde gegangenenmonastischen Niederlassungen, dasBenediktinerinnenkloster Neumünster bei Ottweiler, dieZisterzeWörschweiler sowie dasAugustiner-Chorherren-Stift Sankt Arnual, blieben für die katholische Kirche verloren.
Das Herzogtum Lothringen stand entschieden auf der Seite des traditionellen Katholizismus und trat allen Versuchen einer Reformation der Kirche entgegen. Im Herzogtum, das sich geradezu alsBollwerk des Katholizismus sah, gründeten dieHerzöge von Guise, einer LothringerNebenlinie, in denHugenottenkriegen dieKatholische Liga. Keinem lothringischenLehensmann gelang die Einführung der Reformation, dieHerren von Hagen zur Motten undStreiff von Lewenstein scheiterten jeweils bei dem Versuch, die kleine Seigneurie Eppelborn zu reformieren.
Für die Lande an der Saar wurde die Reformation mit den sogenannten Sickingenschen Fehden, demReichsritterkrieg und demGroßen Bauernkrieg relevant.Franz von Sickingen (1481–1523) hatte im Jahr 1504 die HerrschaftLandstuhl mit Burg Nanstein geerbt. InLandau ließ er sich von Vertretern derrheinischen,schwäbischen undfränkischen Ritterschaft zumHauptmann wählen und begann im Jahr 1522 eineFehde gegen den Trierer ErzbischofRichard von Greiffenklau zu Vollrads (1467–1531). Sickingens Kriegsziel war es, das trierische Hochstift in seine Gewalt zu bringen und dann für seine Familie in ein protestantisches Fürstentum umzuwandeln. Auf dem Kriegszug nach der Bischofsstadt Trier nahm der Reichsritter die kurtrierische Stadt St. Wendel im Sturm, zerstörte das ebenfalls kurtrierische Blieskastel und eroberte dieGrimburg beiWadern. Am 8. September 1522 begann er mit der Belagerung Triers. Der Bruch des im Jahr 1495 von KaiserMaximilian I. proklamierten „Ewigen Landfriedens“ rief jedoch ein Fürstenbündnis auf den Plan. KurfürstLudwig V. von der Pfalz sowie Landgraf Philipp von Hessen vertrieben Sickingen und verfolgten ihn im Rahmen einerReichsexekution bis zu seiner Burg Nanstein. Bei der Beschießung von Sickingens Burg im Mai 1523 kam der Reichsritter ums Leben. Das blutige Ende der Fehde Sickingens steht symbolhaft für den Verfall des Rittertums und den Aufstieg der Territorialstaaten in derFrühen Neuzeit.
Im Herbst des folgenden Jahres, 1524, begann der große Bauernkrieg. Im linksrheinischen Gebiet sammelten sich die Unzufriedenen unter der Führung von Erasmus Gerber. In seinem „Hellen Haufen“ hatten sich zeitweise 30.000 Anhänger versammelt, weit mehr, als alle Städte des Westrichs zusammen an Einwohnern hatten. Anfang des Jahres 1525 lagerten ca. 4000 Teilnehmer des Aufstandes in einem Wald beiSaargemünd. Dort erhielten sie Zuzug aus den Grafschaften Saarbrücken und Zweibrücken-Bitsch sowie dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Auch in derHerrschaft Dagstuhl und dem kurtrierischen AmtSaarburg hatte es Proteste gegeben. Schließlich kam zu Plünderungen der KlösterGräfinthal undWintringen. Wenig später verschanzten sich die Aufständischen in den Mauern des unter nassau-saarbrücker Vogtei stehenden FrauenklostersHerbitzheim imKrummen Elsass. Die Adeligen versammelten ihre Truppen beiVic-sur-Seille, darunter HerzogAnton von Lothringen (1489–1544),Claude von Guise (1496–1550) mit französischen Hilfstruppen, sowie aus dem Westrich die Grafen von Bitsch und von Nassau-Saarbrücken. Nachdem die Bauern die Bischofsresidenz Zabern (Saverne) erobert hatten, rückte das Fürstenheer in die Stadt. Am 17. Mai 1525 legten die Bauern die Waffen nieder und begannen mit dem Abzug, doch aus ungeklärten Umständen begann ein brutales Gemetzel an den abziehenden Bauern. Schätzungen hinsichtlich der Opfer schwanken zwischen 15.000 und 30.000 Menschen. Welchen Anteil Aufständische aus dem Gebiet des heutigen Saarlandes an der Sache hatten, ist unklar. Unruhen im Amt Ottweiler und imKöllertal wurden durch die Besatzung derBurg Montclair unter Graf Johann von Sayn in ihren Anfängen unterdrückt.
DieDynastie Nassau neigte seit dem Jahr 1525 wie auch die anderen Mitglieder desWetterauer Grafenvereins der Reformation zu. Während die Grafen von Nassau-Dillenburg sich später dem Calvinismus zuwandten und Nassau-Oranien zur Speerspitze des internationalen Calvinismus avancierte, blieb Nassau-Weilburglutherisch.
Das gräfliche Haus Nassau-Saarbrücken stand im Zeitalter der Reformation lange unentschlossen zwischen den Mächten. In der Grafschaft Saarbrücken hielt GrafJohann Ludwig (1472–1545) bis zu seinem Tod im Jahr 1545 an der alten Religion fest und hinterließ seinen drei SöhnenPhilipp (1509–1554),Johann (1511–1574) undAdolf (1526–1559) ein rein katholisches Territorium. Erst mit der Einführung der Reformation im Jahr 1574 wurde Nassau-Saarbrücken zum Frontstaat im Zeitalter der Religionskriege.
Adolf erbte den BesitzKirchheim amDonnersberg und weitere Besitzungen in der Pfalz und dem späterenRheinhessen. DieGrafschaft Saarwerden an der oberen Saar im Krummen Elsass verwalteten die drei Brüder gemeinsam.
Selbst ohne Engagement für die Reformation profitierte Graf Philipp II. von Nassau-Saarbrücken (1509–1554) von den sich auflösenden Strukturen der alten Kirche und brachte zahlreiche Klöster unter seine Herrschaft. So übertrug im Jahr 1544 die letzte Äbtissin das Kloster Herbitzheim an die Grafen von Nassau-Saarbrücken. Nach einem Vertrag mit dem Herzog von Lothringen 1581, in dem dieser seine Rechte an Herbitzheim aufgab, verblieb der Besitz bis zur französischen Revolution bei den Grafen von Saarbrücken. Graf Philipp II. nutzte die Reformation, um Nassau-Saarbrücken zu einer Form zu erweitern, die den Grenzen des heutigen Saarland zunehmend nahekam. Auch wenn er sich in seinen letzten Lebensjahren mit Ratgebern und Amtsträgern des lutherischen Bekenntnisses umgab, blieb er in religiöser Hinsicht allerdings weiterhin Katholik. Er sagte KaiserKarl V. auf demAugsburger Reichstag per Vertrag vom 7. Juli 1548 die Einführung desAugsburger Interims zu. Als er im Jahr 1554 starb, wurden die nassauischen Territorien neu geordnet.
Die bisher gemeinsam verwaltete Grafschaft Saarwerden wurde nun dem jüngsten Bruder Adolf zugesprochen. Dieser war, beeinflusst durch seine Verwandten des Hauses Nassau-Weilburg in Kirchheimbolanden, mit dem Gedankengut der Reformation in Kontakt gekommen. Wohl nicht gegen den Willen der Bevölkerung der Grafschaft Saarwerden wurde durch Adolf im Jahr 1557 dort die pfalz-zweibrückische Kirchenordnung mit derAugsburger Konfession eingeführt sowie einSuperintendent installiert. Adolf nahm aber auchhugenottische Flüchtlinge aus Frankreich auf, die zeitweise durch den berühmten ReformatorGuillaume Farel (1489–1565) betreut wurden. Als Adolf im November 1559 kinderlos starb, fiel sein Besitz seinem katholischen Bruder Johann in Saarbrücken zu, doch dieser ließ die Reformation in Saarwerden unangetastet.
Johann von Nassau-Ottweiler herrschte nun als Johann IV. von Nassau-Saarbrücken (1511–1574) über die Grafschaften Ottweiler, Saarbrücken und Saarwerden sowie über Teile der Herrschaften Kirchheimbolanden undLahr. Er hatte zeitweise am Kaiserhof inBrüssel gelebt, danach in Kriegsdiensten Kaiser Karls V. und KönigPhilipps II. vonSpanien gestanden, setzte aber den reformatorischen Missionsversuchen des Straßburger PredigersJohannes Marbach (1521–1581) keinen Widerstand entgegen. Er duldete die Berufung evangelisch-lutherischer Pfarrer nach Saarbrücken und St. Johann, lehnte aber Heiratswünsche von Kanonikern des Stiftes St. Arnual kategorisch ab. Nachdem der St. Arnuale dieReichsunmittelbarkeit beansprucht und vor demReichskammergericht geklagt hatte, löste der Graf 1569 das Stift auf und verwandte dessen Einkünfte zugunsten der Lateinschule in Saarbrücken, dem heutigenLudwigsgymnasium. Zeitlebens blieb Johann offiziell dem Katholizismus treu.
Da keine legitimen Erben vorhanden waren, setzte Johann zu Lebzeiten die Linie Nassau-Weilburg als Universalerben ein. Mit dem Tod Johanns im November 1574 wurde an der Saar der Weg für die Reformation frei.
Die Nassau-Weilburger Erben waren durch ihren SuperintendentenKasper Goltwurm (1524–1559) strikt lutherisch erzogen. Der ältere GrafAlbrecht (1537–1593) übernahm im Jahr 1574 die Regierung im Amt Ottweiler, wo er die Reformation einführen ließ. GrafPhilipp III. (1542–1602) führte amNeujahrstag 1575 durch den Superintendenten Gebhard Beilstein (ca. 1533–1613) die Reformation in Nassau-Saarbrücken ein. Diekatholische Messe wurde strikt verboten und die reformatorische Predigt allenthalben installiert. Im Gefolge der nassau-weilburgischen Reformation an der Saar findet sich auch in der Reichsherrschaft Illingen des RittersHans von Kerpen im Jahr 1576 der erste evangelische Pfarrer.
Die Saarbrücker Kirchenordnung von 1574 verbot nicht nur katholische Praktiken wieWallfahrten,Reliquienkult undHeiligenverehrung, sondern auch „heidnische Bräuche“ zuFastnacht,Walpurgisnacht,Pfingsten undJohannistag. Mit der Abschaffung der Heiligenverehrung wurde die Zahl derFeiertage radikal reduziert. DasLandesbischofsamt der Grafen mit dem Recht zur Pfarrereinsetzung und derKonfiszierung der Kircheneinnahmen führte zur politischen Festigung der gräflichen Machtposition. Lediglich diePrämonstratenserabtei Wadgassen, dieDeutschordenskommenden Saarbrücken und Beckingen sowie dieAugustinerinnenabtei in Fraulautern konnten unter dem Schutz Lothringens am katholischen Glauben festhalten. DenWiedertäufern in der Grafschaft wurde eine geordnete Auswanderung gestattet, die Unterschrift unter dieKonkordienformel (1577) unterblieb und der Geistlichkeit wurden zur Vermeidung von Streitigkeiten religiöse Dispute untersagt. Darüber hinaus wurde die Teilnahme an den französischen Religionskriegen strengstens verboten.
GrafLudwig von Nassau-Saarbrücken (1565–1627), SohnAlbrechts von Nassau-Weilburg-Ottweiler aus der Ehe mit Anna von Nassau-Dillenburg (1541–1616), der TochterJohanns VI. von Nassau-Dillenburg (1536–1606) und NichteWilhelms I. von Nassau-Oranien, dem Anführer des Aufstandes derNiederlande gegen die Großmacht Spanien, konnte im Jahr 1602 die Herrschaft in Saarbrücken und schließlich auch inIdstein undWiesbaden übernehmen. Saarbrücken stieg damit zum Mittelpunkt des Walramschen Gesamtbesitzes und zu größerer politischer Bedeutung auf. Graf Ludwig heiratete, nach seiner Bildungsreise überGenf in den protestantischen Süden und in die französische HauptstadtParis,Anna Maria von Hessen-Kassel (1567–1626), die Schwester des gebildeten LandgrafenMoritz, der sich im Jahr 1605 der calvinistischen Konfession zuwandte. So ist es wenig verwunderlich, dass Graf Ludwig und dessen SohnWilhelm Ludwighugenottische Glaubensflüchtlinge aus Frankreich in seinem Territorium willkommen hieß und ihnen großzügig Land für ihre Dorfgründungen Ludwigsweiler (heuteLudweiler) und Nassauweiler (heuteNaßweiler) imWarndt zur Verfügung stellte. Nach Ludwigs Tod begründete die Erbteilung des Jahres 1629 die Linien Nassau-Saarbrücken, Nassau-Idstein und Nassau-Weilburg, deren Nachkommen sich alle als Grafen von Nassau-Saarbrücken bezeichneten.[58][59][60][61][62][63][64][65][66][67][68]
Im Gefolge der Friedenszeit im 16. Jahrhundert bis zum Ausbruch desDreißigjährigen Krieges wuchs die Bevölkerung des Saarlandes zunehmend. DieBodenschätze des Landes wurden erstmals seit der Römerzeit wieder systematisch abgebaut und verarbeitet. So sindSchleifmühlen für dieAchatverarbeitung beiGüdingen,Brebach undScheidt erwähnt. Ebenso nahm derKupfer- undAzuritabbau in Wallerfangen zu. Auch inWalhausen wurde nach Kupfer gegraben. Seit dem Jahr 1462 förderte man inSulzbachSteinkohle. Mit dem Übergang des Ortes an dieGrafschaft Saarbrücken begann auch dieEisenverarbeitung und dieSalzsiederei ausSolequellen. InNeunkirchen an der Blies begann im Jahr 1593 die gewerbsmäßige Eisenschmelze. Im lothringischen Teil des Saarlandes nahm dieGlashütte inDifferten die Produktion auf. Die saarländischen Wälder nutzte man zur Herstellung vonHolzkohle, die höhere Temperaturen bei der Eisenverhüttung erzielen konnte, und zur Produktion vonPottasche für die Glasherstellung. Zur kontinuierlichen Versorgung derEisenhämmer,Drahtziehereien,Edelsteinschleifereien,Gipsstampfmühlen,Harnisch-Schleifmühlen,Lohmühlen,Ölmühlen,Papiermühlen,Sägemühlen,Schlackenmühlen, Schleifmühlen sowie derWalkmühlen mit Wasserkraft wurden zunehmendMühlenweiher angelegt.Blechmühlen,Tabaksmühlen undPulvermühlen kamen im 18. Jahrhundert hinzu. Für dieGlasherstellung und denZiegelbrand wurden in zunehmendem Maße die Wälder des Saarlandes gerodet. Ebenso wurdenSümpfe trockengelegt, um zusätzliche landwirtschaftliche Produktionsfläche zu gewinnen.
Die gestiegene Wirtschaftskraft des Landes zeigte sich auch in der allgemeinen Bautätigkeit der Bewohner, der Infrastrukturmaßnahmen sowie imSchlossbau. Erstmals seit der Römerzeit wurde die Saar unterhalb der Saarbrücker Burg wieder mit einer steinernen Brücke bequem überquerbar gemacht. Das heuteAlte Brücke genannte Bauwerk wurde in den Jahren 1546/1547 unter GrafPhilipp II. erbaut, angeblich nachdem KaiserKarl V. die Saar an dieser Stelle wegenHochwassers mehrere Tage lang nicht überqueren konnte.
Ebenso ließ Graf Philipp II. die für das Jahr 1326 erstmals erwähnteWasserburg Bucherbach inKöllerbach um die Mitte des 16. Jahrhunderts umfassend erneuern.
DieHohenburg überHomburg wurde unter der Herrschaft von GrafJohann IV. seit dem Jahr 1560 zu einer Bergfestung ausgebaut und ab dem Jahr 1570 errichtete man in Neunkirchen ein neues Schloss als Vierflügelanlage. Ebenfalls als Vierflügelanlage errichtete GrafPhilipp III. von Nassau-Saarbrücken ab dem Jahr 1576 dasJagdschloss Philippsborn sowie GrafAlbrecht von Nassau-Weilburg dasSchloss Ottweiler.
In den Jahren 1602 bis 1617 wurde auf dem Saarbrücker Burgfelsen anstelle der mittelalterlichen Festungsanlage einRenaissanceschloss errichtet, das man mitGobelins aus dem Besitz vonWilhelm von Oranien ausstattete, deren Bildinhalte die Historie des nassauischen Herrscherhauses glorifizierten. Der großzügige Umbau desSaarbrücker Schlosses wurde unter Philipps NachfolgerLudwig II. vollendet und um einBallhaus als Sporthalle für das beliebteJeu de Paume ergänzt.
Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken unter HerzogJohann I. ließ in den Jahren von 1580 bis 1596 dieBurg Kirkel zu Wohnzwecken umbauen. Darüber hinaus wurden Adelssitze inBirkenfeld,Jägersburg bei Homburg sowie in Zweibrücken errichtet.
Auch dem rangniederen Adel des Saarlandes gelang es im 16. Jahrhundert, über Kirchenkarrieren gesellschaftlich aufsteigen. Die erreichte Rangerhöhung zeigte man unverzüglich auch im Neubau repräsentativer Gebäude. So wurde im Jahr 1540Johann IV. Ludwig von Hagen zum Erzbischof von Trier gewählt. Seine beiden Brüder Heinrich (1480–1549) und Kaspar (1510–1551) erhob der Kirchenfürst zu trierischen Amtmännern in Blieskastel und St. Wendel und versah sie mit verschiedenen Lehen.
Philipp Christoph von Sötern, der im JahrBischof von Speyer und im Jahr 1623 zusätzlich Erzbischof von Trier sowieFürstabt von Prüm wurde, ließ denPalas derBurg Dagstuhl und das kurfürstliche Amtshaus inMerzig neu errichten.Karl Kaspar von der Leyen, der von 1652 bis 1676 als Erzbischof und Kurfürst von Trier amtierte, belehnte im Jahr 1660 seinen Bruder Hugo Ernst von der Leyen († 1665)[69] mit der kurtrierischenHerrschaft Blieskastel.
Für die Grafschaft Saarbrücken war die Position zwischen dercalvinistischenKurpfalz und denkatholischen Herrschaften Lothringen und Kurtrier angespannt. Im Rahmen derGegenreformation wurdeSaarwerden von Lothringen besetzt,Wadgassen in den Jahren 1571/1572 verwüstet undSt. Avold im Jahr 1577 annektiert. Die SaarbrückerSchirmvogtei über dieAbtei Fraulautern erlangte Lothringen im Jahr 1581.[70]
Konflikte mit Lothringen und Pfalz-Zweibrücken regelte GrafLudwig in mehreren Verträgen in den Jahren 1603, 1621 und 1623 friedlich. So konnte etwa die Saar vonHerbitzheim im Elsass bis Saarbrücken durch Vertiefung derFahrrinne besserschiffbar gemacht werden. Der zuvor als reinesJagdgebiet der Grafen von Saarbrücken genutzteWarndt wurde für die Ansiedelung französischerHugenotten freigegeben, die dasGlasbläserhandwerk mitbrachten und so die Glasindustrie an der Saar einführten. Der Holzreichtum des Warndtwaldes wurde zum Befeuern derGlashütten verwendet.[71]
Ebenfalls im 16. Jahrhundert wurde allenthalben die kirchliche und staatlicheAdministration durch Verschriftlichung und Einstellung studierter Experten professionalisiert. Ebenso wurden in den Städten Saarbrücken (1472), St. Wendel (1494) und Zweibrücken (1460) Stadtschulen eingerichtet oder ausgebaut. Die nächstenHochschulen waren die im Jahr 1473 gegründeteUniversität in Trier und die im Jahr 1574 eröffnete Hochschule derJesuiten inPont-à-Mousson (Mussenbrück). Für dielutherischen Söhne des Saarlandes warMarburg die nächstgelegeneUniversität, daHeidelberg calvinistisch ausgerichtet war. ZuGymnasiumsgründungen kam es inHornbach im Jahr 1559 und Saarbrücken im Jahr 1604. Finanziert wurden die Bildungseinrichtungen durch die Enteignungen der Klöster und Stifte in Hornbach, St. Arnual und Herbitzheim.
DerBotanikerHieronymus Bock, der in Zweibrücken und Saarbrücken tätig war, als Leibarzt des Saarbrücker GrafenPhilipps II. praktizierte und am Saarbrücker Hof einenKräutergarten anlegte, widmete seinStandardwerk überHeilpflanzen seinem Saarbrücker Dienstherrn. PfalzgrafKarl I. von Pfalz-Birkenfeld gegründete dieBibliotheca Bipontina. Der Saarbrücker GrafLudwig II. beauftragte seinenRegistratorJohann Andreae mit der Ordnung des SaarbrückerArchivs und den MalerHenrich Dors damit, sämtlicheGrabmäler der Familie abzuzeichnen, woraus im Jahr 1632 ein bedeutendesEpitaphienbuch erwuchs.[72][73]
Johann Michael Moscherosch arbeitete von 1631 bis 1634 als Amtmann des lutherischen Zweiges derGrafen von Kriechingen inKriechingen und war als solcher in dem zu dieser Zeit zur Hälfte kriechingischenSaarwellingen eingesetzt. Im Jahr 1636 stellte ihn der pommerscheHerzog von Croy-Arschot als Amtmann seines Anteils an der nicht weit von Criechingen entfernten „sechsherrigen“ HerrschaftFinstingen ein. Diese Stelle versah er bis zum Jahr 1642. Nach diesen Tätigkeiten imlothringischen Grenzraum flüchtete Moscherosch vor den Wirren desDreißigjährigen Krieges nach Straßburg, wo er von 1645 bis 1655 Polizeichef und Steuerbeamter war. Unter demPseudonym Philander von Sittewald lässt er in seinem Werk „Gesichte“ (Visiones) die Saar als personifiziertenFlussgott zeitgenössischeTorheiten negativ beurteilen und weist den Leser auf die positiven Bildungsmöglichkeiten des Landes an der Saar hin.[74]
Mit dem 17. Jahrhundert begann eine lange Phase der kriegerischen Verheerungen des Saarlandes, die die Städte und Dörfer der Region entvölkerten. Zahlreiche saarländische Orte fielen wüst. Die Grafschaft Saarbrücken stand mehrfach vor der vollständigen Annexion durch das Königreich Frankreich. Um dies zu verhindern, dienten die Saarbrücker Grafen in der königlichen Armee. Die Zerstörungen desDreißigjährigen Krieges (1618–1648) setzten sich imDevolutionskrieg (1667–1668), demHolländischen Krieg (1672–1679), demPfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697), demSpanischen Erbfolgekrieg (1701–1714), demPolnischen Thronfolgekrieg (1733–1738) sowie in den kriegerischen Auseinandersetzung derFranzösischen Revolution und den vonNapoleon Bonaparte angezettelten Kriegen fort.
Der Dreißigjährige Krieg begann für das Saarland im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Spanische Truppen besetzten nach der Absetzung von KurfürstFriedrich V. von der Pfalz seit dem Jahr 1621 die pfälzischen Gebiete. Konfessionell stellte dies für die kleinen protestantischen Territorien an der Saar eine direkte Gefährdung dar. So musste sich die Reichsherrschaft Illingen seit 1626 wieder dem Katholizismus zuwenden. Seit dem Mai 1627 wurden in Saarbrücken kaiserlich kratzische Truppen unter ihrem Anführer Johann Philipp Craz (Graf Kratz zu Scharffenstein, 1590–1635)[75] einquartiert. Sie zerstörten die Schlösser Philippsborn, Neunkirchen und Bucherbach. Die Grafschaft Saarwerden wurde im Jahr 1629 durch das Herzogtum Lothringen besetzt und wieder dem Katholizismus zugeführt.
Im Sommer 1631 begannen in Saarbrücken Hexenprozesse, die als Reaktion auf die Kriegsnot, die Seuchen und die religiösen Bedrängungen gedeutet werden können. Nach derSchlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631[76] konnte der schwedische KönigGustav Adolf II. die Truppen des Kaisers aus der Pfalz vertreiben und verlegte zur Sicherung seiner militärischen Position eine Garnison nach Zweibrücken. Zum Dank für die Errettung aus der Gefahr benannte GrafWilhelm Ludwig von Nassau-Saarbrücken seinen 1632 geborenen Sohn dann auch nach dem schwedischen HerrscherGustav Adolf. Wilhelm Ludwig schloss sich wie die übrigen Mitglieder des Hauses Nassau demHeilbronner Bund an und zog schwedische Garnisonen nach Saarbrücken und Homburg. Doch erlitten die Schweden in derSchlacht bei Nördlingen am 6. September 1634 eine Niederlage. Darüber hinaus kam es in den Jahren 1634 und 1635 zu einer verheerendenPestepidemie, der ein großer Teil der Bewohner desWestriches anheimfiel. Für die Überlebenden verschlimmerte sich die Ernährungslage durch die Zerstörungen so sehr, dass der Wadgasser Abt Philipp Gretsch von Kannibalismus in der Region berichtete.
Das Ende des Heilbronner Bundes brachte die Protestanten in eine bedrohte Situation. Der kaiserliche GeneralMatthias Gallas überquerte im Sommer 1635 mit kroatischen und spanischen Truppen den Rhein, drängte die Protestanten zurück, eroberte Kaiserslautern, brandschatzteKusel und belagerte Zweibrücken. Der Saarbrücker und der Zweibrücker Hof flüchteten daraufhin nach Metz. Frankreich nützte die wirre Situation mit zunehmenden Expansionsbestrebungen an seiner Ostgrenze. So kam es in den Jahren 1632 bis 1661 zur Besetzung von Lothringen, der Verwüstung von St. Arnual und auch der militärischen Ausbreitung im Elsass seit dem Jahr 1633. Seit dem Sommer 1635 war Saarbrücken unterKardinal Richelieu zum französischen Militärstützpunkt gemacht worden, doch seit September desselben Jahres kam der Gegenschlag der kaiserlichen Truppen in Fahrt. Matthias Gallas konnte Wallerfangen erobern, und HerzogCarlo I. Gonzaga von Mantua nahm Saarbrücken ein.
Kaiser Ferdinand III. versuchte nun, die Grafschaft Saarbrücken ganz zu liquidieren. Im Jahr 1637 ordnete dasReichskammergericht die Beschlagnahmung des Nassauischen Territoriums aufgrund von Majestätsbeleidigung und Rebellion an, und der Kaiser belehnte seinen FeldherrnKarl IV. von Lothringen mit der Grafschaft Saarbrücken, deren Regierung der lothringische Oberamtmann Georges Durand übernahm. Die politische und jurisdiktionelle Verwaltung wurde in Saarbrücken, die militärische in Homburg installiert.
Im Herbst 1644 quartierte Frankreich Truppen in St. Johann und Saarbrücken ein, und es kam zu Plünderungen, sodass die Saarbrücker Grafenwitwe Anna Amalie (1595–1651, Dynastie Baden-Durlach) bei der Regierung des jungen Königs Ludwig XIV. protestierte. Daraufhin versprach die französische Regierung militärische Zurückhaltung. Während der Verhandlungen zumWestfälischen Frieden pochte Gräfin Anna Amalia auf die Rückgabe der beschlagnahmten Grafschaft Saarbrücken, denn Kaiser Ferdinand III. erklärte seine Bereitschaft, die TriererSuffraganbistümer Metz, Toul und Verdun sowie Teile des Elsass aus dem Reichsgebiet auszugliedern und Frankreich zu übergeben. Die Gräfin konnte sich schließlich, unterstützt vomWetterauer Grafenverein, mit ihrer Forderung durchsetzen, und die gräflichen Territorien wurden vertraglich restituiert. Dennoch weigerten sich Lothringen und Frankreich, sich aus der Grafschaft zurückzuziehen.
Der Westfälische Frieden unterstellte die drei lothringischen Bistümer (Toul, Metz, Verdun →Trois-Évêchés) offiziell der französischen Krone. Der lothringische Herzog Karl IV., der hier nicht beteiligt war, und dessen Verhandlungen mitKardinal Mazarin scheiterten, nahm die Kriegshandlungen wieder auf und bedrohte im Jahr 1652 sogar Paris. Er verspielte jedoch die gewonnenen Vorteile und auch seine Glaubwürdigkeit, als er danach gleichzeitig mit Mazarin und derFronde des Princes Unterredungen führte. Spanien warf ihm vor, die Ursache für das Scheitern des Aufstands zu sein, und ließ ihn am 25. Januar 1654 inBrüssel verhaften und imAlcázar von Toledo internieren. Die Intervention und die Erfolge seines BrudersNikolaus Franz brachten ihm am 15. Oktober 1659 allerdings wieder die Freiheit und imVertrag von Vincennes von 28. Februar 1661 sogar sein Herzogtum zurück.
Als er sich aber 1669 weigerte, der AufforderungLudwigs XIV. nach einer Auflösung seiner Armee Folge zu leisten, fielen französische Truppen im Sommer 1670 erneut in Lothringen ein. Karl IV. musste ein weiteres Mal fliehen, nahm aber erneut im Dienst des Kaisers den Kampf gegen die Franzosen auf. Am 11. August 1675 kämpfte er zusammen mitGeorg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg gegen MarschallFrançois de Créquy in derSchlacht an der Konzer Brücke. Wenig später erkrankte er schwer und starb am 18. September inAllenbach beiWirschweiler, zwischen Birkenfeld und Bernkastel.
Das Saarland war durch die katastrophalen Kriegsfolgen schwer gezeichnet. Lothringen hielt Saarwerden undHerbitzheim weiterhin besetzt. GrafGustav Adolf von Nassau-Saarbrücken, der im Jahr 1659 aus der Vormundschaft entlassen worden war, machte sich an den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes, holte geflüchtete Landeskinder zurück und warb Neusiedler für die Landwirtschaft und Facharbeiter für die Glasindustrie inKlarenthal (benannt nach seiner Frau,Eleonore Klara, heute ein Ortsteil im Westen Saarbrückens) an. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es zur Neubesiedelung des Landes an der Saar mitTirolern,Schweizern und Lothringern im Rahmen einermerkantilistischenPeuplierungspolitik.[77] Ende des 17. Jahrhunderts wandertenWallonen in denHunsrück ein.[78]
Gegen die Versuche Ludwigs XIV., das Königreich Frankreich in Richtung Rhein auszudehnen, wehrte Graf Gustav Adolf sich nach Kräften. So weigerte er sich im Jahr 1662, den vom französischen König geforderten Lehnseid zu leisten. Damit schlug der erste Versuch Ludwigs XIV., die Grafschaft Saarbrücken zu annektieren, fehl.
Im Jahr 1665 beschlagnahmte der lothringische Herzog Karl IV. für seinen unehelichen SohnKarl Heinrich von Lothringen-Vaudémont die Gebiete am Oberlauf der Saar und die Grafschaft Saarbrücken als Versorgungsterritorium. Allerdings besetzte bereits im Jahr 1670 das Königreich Frankreich Lothringen und verblieb dort bis zum Jahr 1697. Karl Heinrich wurde schließlich mit der ehemaligen Saarbrücker HerrschaftCommercy abgefunden.
Mit dem Angriff auf die Niederlande durch Frankreich wurde das Gebiet des heutigen Saarlands durch Truppendurchzüge schwer belastet. Die Einwohner mussten sogenannteKontributionen leisten, also die durchziehenden Truppen versorgen. Der französische Heerführer undMarschall von FrankreichHenri de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne, schlug im Dezember 1673 in Saarbrücken sein Winterquartier auf und forderte den Saarbrücker Grafen Gustav Adolf zur Zusammenarbeit auf. Als sich dieser weigerte, wurde er nach Lothringen verschleppt.
Nachdem der Graf wieder freigelassen worden war, Saarbrücken aber weiterhin französisch besetzt blieb, trat er in die militärischen Dienste KaiserLeopolds I. ein. Er nahm daher in kaiserlichen Diensten im Jahr 1676 an den Kämpfen inPhilippsburg und 1677 imElsass teil. Er erlag den Verletzungen, die er in der Schlacht beiKochersberg nordwestlich vonStraßburg erlitten hatte. Bestattet wurde er, nach verschiedenen Zwischenstationen, schließlich in derStraßburger Thomaskirche. Dort wurde von 1802 bis 1990 sein mumifizierter Leichnam in einem Glassarkophag ausgestellt. Die Überführung und endgültige Beisetzung in das von seiner Gemahlin errichtete Grabmal in derSchlosskirche in Saarbrücken erfolgte erst im Jahr 1998.
Im Auftrag des Kaisers konnte der lothringische HerzogKarl V. im April 1677 schließlich das französisch besetzteDillingen am Unterlauf derPrims zurückerobern und gelangte Ende Mai nach schweren Kämpfen in den Besitz von Saarbrücken. Die Rückeroberung Lothringens scheiterte jedoch, sodass sich die kaiserliche Armee Anfang September 1677 nach Straßburg zurückzog.
Der noch minderjährige Sohn des Saarbrücker Grafen Gustav Adolf,Ludwig Crato (Kraft), erbte 1677 beim Tod seines Vaters die GrafschaftenSaarbrücken undSaarwerden. Weil er noch minderjährig war, übernahm zunächst seine MutterEleonore Clara, geborene Gräfin von Hohenlohe-Neuenstein, die Herrschaft. Die französische und lothringische Besetzung blieb auch nach demFrieden von Nimwegen (1678/1679) bestehen, der denFranzösisch-Niederländischen Krieg sowie die damit verbundenen Kriege beendete.
Im Rahmen derReunionspolitik war es Frankreichs Ziel, sein Territorium bis zum Rhein auszudehnen. Dazu wollte man die rechtliche Stellung der dreiTriererSuffraganbistümerMetz,Toul undVerdun (Trois-Évêchés, deutsch: „drei Bistümer“) ausnutzen. Schon im Jahr 1552 waren die drei Bistümer gemäß den Bestimmungen desVertrages von Chambord durch denfranzösischen KönigHeinrich II. besetzt worden. Obwohl faktisch nun unter französischemProtektorat stehend, waren sie nominell noch im Territorialverband desHeiligen Römischen Reiches verblieben. Mit demWestfälischen Frieden von 1648 war Frankreich dann der vollständige Besitz der Hochstifte bestätigt worden. In denVerträgen von Nimwegen 1678/79 waren mit Anerkennung des Reiches auch die zehn Reichsstädte des Elsasses, derSundgau, dieFranche-Comté sowie weitere Territorien unter die Herrschaft des französischen Königs gekommen.
KönigLudwig XIV. setzte im Jahr 1679 auf Vorschlag seines AußenministersColbert inMetz,Breisach,Besançon undTournai sogenannteReunionskammern ein, die mit Hilfe alter Verträge (meist bezogen auf mittelalterlicheLehensverhältnisse) die angebliche historische Zugehörigkeit bestimmter Gebiete gerichtlich feststellen sollten. Diese Gerichtsverfahren sollten die expansionistischen Ziele Ludwigs XIV. juristisch legitimieren. Sie beruhten auf fragwürdigen Grundlagen und waren auch schon im 17. Jahrhundert und selbst innerhalb Frankreichs umstritten.
Nach französischer Auffassung waren mit den Erwerbungen des Westfälischen Friedens 1648 und des Friedens von Nimwegen 1678/79 auch alle Gebiete, die irgendwann einmal in lehnsrechtlicher Abhängigkeit von diesen Territorien gestanden hatten, als „Dependenz- und Pertinenzstücke“ der Souveränität des französischen Königs unterworfen. Dies galt nach französischer Interpretation selbst für Gebiete, die 1648 schon seit Jahrhunderten keine Lehen der von Frankreich erworbenen Territorien mehr waren. Man benutzte zur Durchsetzung dieses Anspruchs das juristische Mittel derReunionsklage, mit der im alten Recht der Inhaber eines Gutes gegen dessen Aufteilung beispielsweise durch Erben vorgehen und seine „Wiedervereinigung“ einfordern konnte, wenn ein Dismembrationsverbot (Aufteilungsverbot) bestand. Die Reunionspolitik ging also von der Verfassungsstruktur des Lehnsrechtes aus und benutzte die (vermeintlichen) Rechte der zwischen 1648 und 1679 durch den französischen König erworbenen Herrschaftstitel als Hebel. Sie behauptete dagegen nicht, die zu annektierenden Gebiete seien früher einmal französisch gewesen.
Die mit französischen Juristen besetzten Reunionskammern sprachen ihre Urteile freilich durchweg im Sinne Ludwigs XIV. Die betroffenen Landesherren und Städte erhielten daraufhin die Aufforderung, dem französischen König einen Lehnseid zu leisten und wurden militärisch besetzt. Außerdem drohte Ludwig XIV. den Herrschaften Pfalz-Zweibrücken, Pfalz-Veldenz, Zweibrücken-Bitsch, Saarwerden, Nassau-Ottweiler, Nassau-Saarbrücken sowie Blieskastel im Falle der Verweigerung der Unterwerfung mit der Enteignung. Durch Lehnshuldigungen in den Jahren 1680 und 1681 gelangten Blieskastel, Nassau-Saarbrücken, Saarwerden und Nassau-Ottweiler unter französische Oberhoheit. Auch die lothringischen Ämter Forbach, Schaumburg über Tholey, Saargemünd, Merzig-Saargau, Siersburg-Dillingen, Wallerfangen, Berus sowie Oberhomburg-St. Avold wurden allesamtreuniert.
Zur Sicherung der Neuerwerbungen ließ Frankreich zahlreiche Festungswerke erbauen. Die mächtigste Festung an der Saar warSaarlouis. Ab 1680 ließ Ludwig XIV.(Louis XIV) zum Schutz der neuen Ostgrenze das nach ihm benannte Saarlouis errichten. Den festungsmäßigen Ausbau vonWallerfangen hatte man verworfen, da es im Kriegsfall vom Limberg aus hätte beschossen werden können.
Der BaumeisterSébastien Le Prestre de Vauban entwarf dieFestungsstadt in ausreichender Entfernung zum Limbergmassiv symmetrisch in Sternform mit sechs Bastionen zur Aufstellung von Kanonen. Die Pläne stammten vonThomas de Choisy. Ein wichtiges Element der Verteidigungsanlagen war derPont-écluse (dieSchleusenbrücke). Durch ihn konnte im Verteidigungsfall nach dem Prinzip einer Inundationsfestung (Überschwemmungsfestung) die an der Stadtmauer vorbeifließende Saar mit eingelegten Balken aufgestaut werden, um so das Umland zu überfluten. Dadurch sollte es einem Belagerer erschwert werden, Kanonen an die Stadt heranzubringen sowie Erdwerke und Laufgräben anzulegen.
Im Zusammenhang mit der Errichtung der Stadt entstanden im Umland einige neue Siedlungen, beispielsweiseBeaumarais,Picard, Bourg-Dauphin (heuteNeuforweiler) undFelsberg (Steinbrüche), die vorwiegend mit innerfranzösischer Bevölkerung besiedelt (peupliert) wurden.[79] Auch dieGeschichte der Dillinger Hütte ist geprägt von der Entwicklung der Festung, insbesondere vom Bedarf an Eisenwaren während des Aufbaus.
Im Jahr 1683 verlieh Ludwig XIV. Saarlouis bei einem Besuch das Stadtwappen mit der aufgehenden Sonne und den dreibourbonischen Lilien. Der Wappenspruch lautetDissipat Atque Fovet: Sie (die Sonne) zerstreut (die Wolken) und erwärmt (die Erde).
Das Baugelände der Festung Saarlouis war laut dem LisdorferWeistum von 1458 ursprünglich Besitz derPrämonstratenserabtei Wadgassen. Innerhalb des heutigen Innenstadtgebietes hatten zwar dieAbtei Fraulautern und einige Bürger der damaligen StadtWallerfangen freie Güter, doch unterstanden diese der Oberherrlichkeit (nicht derGrundherrschaft) der Abtei Wadgassen. Wadgassen verfügte somit über die Hochgerichtsbarkeit, das Jagdrecht und andereRegalien. Mit dem Festungsbau musste Wadgassen das Gebiet an den französischen König abtreten.[80]
Nach der Gründung der StadtSaarlouis im Jahr 1680 wurden die Einwohner von Wallerfangen in den Jahren 1687/88 zwangsweise in die neue Stadt umgesiedelt. Im Zuge dessen wurden auch die meisten Gebäude in Wallerfangen abgetragen, um Baumaterial für die Häuser in Saarlouis zu gewinnen. Die ehemalige befestigte Stadt Wallerfangen entwickelte sich zu einer aus wenigen Einzelgehöften bestehenden Siedlung zurück.
Antoine Bergeron de La Goupillière, derIntendant derjenigen annektierten Gebiete, die man nun zurProvince de la Sarre zusammenfasste, bezog im Jahr 1685 seinen Amtssitz im neuerbauten Saarlouis. Die neugegründete Saarprovinz reichte vonPfalzburg im Süden bisMont Royal beiTraben-Trarbach an der Mosel. Sie umspannte das heutige Saarland, Deutschlothringen, große Teile der Pfalz mit den GrafschaftenSponheim,Leiningen undFalkenstein amDonnersberg und reichte bis an das linke Rheinufer.
Zur Förderung der Wirtschaft wurden die Leibeigenschaft und die innerterritorialen Zollschranken aufgehoben, Märkte eingerichtet, Straßen gebaut und ein Verwaltungsapparat installiert. Politische und jurisdiktionelle Hauptstadt der neugeschaffenen Großregion war Saarlouis. Werbemaßnahmen sollten zur Wiederbesiedelung der kriegsverwüsteten Länder führen. Zahlreiche Zuwanderer aus dem schweizerischen und österreichischen Alpenraum, Oberdeutschland sowie Zentralfrankreich siedelten sich daraufhin im heutigen Saarland an.
Für die bisherigen deutschen Landesherren bedeutete die Gründung der Saarprovinz einen erheblichen Verlust an politischer Macht. Zwar wurden die bestehenden territorialen Einheiten, wie z. B. die Grafschaften Saarbrücken, Saarwerden und Ottweiler nicht aufgelöst. Deren Regenten mussten jedoch ihre Kontrolle über die Gesetzgebung vollständig, über die Rechtsprechung und Exekutivgewalt teilweise abgeben. Ein französischer Beamtenapparat wurde eingerichtet, welcher der bestehenden Administration der alten Landesherren übergeordnet war.
Die Reaktionen darauf waren verschieden. GrafJohann Ludwig von Nassau-Ottweiler beispielsweise verweigerte Ludwig XIV. den Lehnseid. Er übergab die Herrschaft 1680 seinem Sohn Friedrich Ludwig und zog sich in die nassauischen Länder jenseits des Rheins zurück. Johann Ludwig kämpfte bis zu seinem Tod 1690 im Winterlager seines Regiments gegen Frankreich.Eleonora Klara von Nassau-Saarbrücken wählte einen völlig anderen Weg. Sie leistete dem französischen König nach anfänglichem Hinhalten den Lehnseid für die Grafschaften Saarbrücken und Saarwerden. Ihr SohnLudwig Kraft machte, sobald er alt genug war, eine steile Karriere in der französischen Armee.[81] Am Hof in Versailles gelangte er zu großem Ansehen und wurde von Ludwig XIV. sehr geschätzt, wie die Memoiren des Herzogs von Saint-Simon sowie die Briefe der Herzogin von Orléans bezeugen.[82][83]
Mit demEdikt von Fontainebleau widerrief KönigLudwig XIV. am 18. Oktober 1685 dasEdikt von Nantes. Mit letzterem hatte im Jahr 1598Heinrich IV. den französischenProtestanten Religionsfreiheit zugesichert und die mehr als dreißigjährigenHugenottenkriege beendet. Infolge des Widerrufs wurden die Protestanten der Saarprovinz zwar nicht massiv zum Glaubenswechsel gedrängt. Dennoch förderte die französische Verwaltung in starkem Maße den Katholizismus durch die Einrichtung von Gottesdiensten in Kirchen, die Einführung katholischer Feiertage oder Wallfahrten und den Zuzug von Katholiken. Durch zahlreiche Maßnahmen wurde die katholische Kirche der Saarprovinz stark an Frankreich und dessen Ordensstrukturen angebunden. DenReformierten wurde die Religionsausübung vollständig verboten, ihre Kirchen wurden geschlossen oder zerstört und ihre Geistlichen des Landes verwiesen.Konvertiten sicherte man vier Jahre Steuerfreiheit zu, während man die Konversion zum Protestantismus verbot.
Am 30. August 1680 konnte der Metzer BischofGeorges d’Aubusson de La Feuillade in einer Scheune in St. Johann gegenüber der seit der Reformation protestantisch gewordenen Johanneskirche (heuteBasilika St. Johann) eine erstekatholische Messe feiern. Am 6. Juli 1683 kam König Ludwig XIV. mit seiner Gemahlin KöniginMarie Thérèse, demDauphinLouis, seinem Bruder HerzogPhilipp von Orléans und einem großen Gefolge auf seiner Reise zur Besichtigung der neuangelegten FestungSaarlouis nach St. Johann, um am Folgetag an einem feierlichen Gottesdienst in der St. Johanner Notkirche in der gräflichen Remise teilzunehmen.[84] Am 21. Dezember 1684 wurde die Johanneskapelle auf Druck des französischen Königs dem protestantischen Kultus entzogen und wieder der katholischen Kirche unterstellt.[85] Die finanzielle Unterstützung der St. Johanner Pfarrei, die nun auch den Namenspatron Ludwigs XIV., den heiligenLudwig von Frankreich, zum zweiten Patron erhielt, blieb auch erhalten, als die Grafschaft Saarbrücken wieder ans Reich abgetreten wurde. Die Zuwendungen wurden erst im Zuge derFranzösischen Revolution eingestellt.[86][87] Nach demFrieden von Rijswijk, bei dem Frankreich im Jahr 1697 die reunierten Gebiete an der Saar (mit Ausnahme der Festung Saarlouis samt Umland) zurückgeben musste, blieb die Johanneskirche auf Druck des KaisersLeopold I. und der katholischenReichsstände gegen die Forderungen Englands, Hollands, Schwedens und der evangelischen Reichsfürsten weiterhin katholisch und bildete somit die Basis für die Rekatholisierung Saarbrückens und St. Johanns im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung. Im Jahr 1758 wurde der aktuell bestehende barocke Neubau eingeweiht, der in einer Gemeinschaftsaktion von KönigLudwig XV., FürstWilhelm Heinrich, Kollekten des PapstesBenedikt XIV., der geistlichenKurfürsten, mehrerer katholischer Städte, desDeutschen Ordens, der Königin von Polen (als Herzogin von Lothringen)Katharina Opalińska sowie des Metzer Bischofs Claude de Saint Simon finanziert worden war.[88][89]
Nachdem Frankreich im Jahr 1688 in derKurpfalz einmarschiert war, um es als angebliches ErbeLiselottes von der Pfalz, der Schwägerin Ludwigs XIV., zu beanspruchen, entschloss sich das Reich zum Krieg gegen Frankreich, um die Reunionen rückgängig zu machen (Pfälzischer Erbfolgekrieg). Bei zwei Einfällen in kurpfälzisches Gebiet 1688 und 1693 letzten Endes wieder zurückgedrängt, griffen die Franzosen bei ihren Rückzügen systematisch zum Mittel der Verwüstung ganzer Landstriche und Städte. Ottweiler, Merzig, St. Wendel, Kaiserslautern und zahlreiche andere Orte wurden geplündert und anschließend niedergebrannt. Die renommierte Zweibrücker Bibliothek (Bibliotheca Bipontina) verbrachte man nachNancy und das Zweibrücker Schloss, wie viele andere mittelalterliche Burgen, wurde gesprengt.
Mit der Beendigung des Pfälzischen Erbfolgekrieges imFrieden von Rijswijk 1697 wurden schließlich alle Reunionen außerhalb des Elsasses restituiert und an ihre Herrscher innerhalb des Heiligen Römischen Reichs zurückgegeben. Dies betraf Nassau-Saarbrücken, Pfalz-Zweibrücken, Blieskastel und viele kleinere Herrschaften sowie die Festungen Luxemburg, Bitsch, Homburg und Mont Royal. Das lothringische Herzogtum wurde in den Grenzen von 1670 wiederhergestellt.
Behaupten konnte Frankreich den Besitz von Pfalzburg, Saarlouis, Longwy, Straßburg sowie der drei Bistümer Metz, Toul und Verdun. Saarlouis verlor fast sein gesamtes Umland, und die Saarprovinz wurde aufgelöst. Der Beamtenapparat wurde allerdings in Saarlouis belassen, da Ludwig XIV. Saarlouis als Brückenkopf einer zukünftigen Wiedereroberung des Gebietes nutzen wollte.
Auch Graf Ludwig Kraft von Nassau-Saarbrücken konnte, wie auch die anderen deutschen Landesherren der Saarregion, nach dem Frieden von Rijswijk im Jahr 1697 seine vollen Rechte als Landesherr innerhalb des Heiligen Römischen Reichs übernehmen. Seine Rechtsprechung, Justiz und Regierung waren also wieder unabhängig; die französische Administration zog sich zurück. Gleichwohl unterhielt Ludwig Kraft weiterhin gute Beziehungen zum französischen Königshof. Seine langjährige erfolgreiche Karriere in der französischen Armee setzte er fort und kämpfte 1701 imSpanischen Erbfolgekrieg bereits wieder für Frankreich. Ludwig Kraft von Nassau-Saarbrücken wurde über seine TochterKaroline von Nassau-Saarbrücken Ahnherr zahlreicher deutscher und europäischer Herrscherhäuser.
Ludwig Krafts Nachfolger als Graf von Nassau-Saarbrücken wurde im Jahr 1713 sein BruderKarl Ludwig, der in seiner Regierungszeit die Industrialisierung des Landes förderte. ImWarndt baute er das Glashandwerk aus, das bereits unterLudwig II. durch Ansiedlung vonHugenotten begründet worden war. InSulzbach/Saar errichtete er die Salzwerke ab 1719 neu und ließ einGradierwerk errichten. Nach ihm wurde auch der neu gegründete Ort Karlingen benannt (heute französisch:Carling). Da seine beiden Söhne schon als Kleinkinder verstarben, ging die Herrschaft in Nassau-Saarbrücken an seinen SchwiegervaterFriedrich Ludwig von Nassau-Ottweiler über. Zur Förderung der Wirtschaft ließ dieser im Jahr 1723 eine Glashütte inFriedrichsthal und eine weitere im Jahr 1724 imFischbachtal gründen. Aus der Hütte in Friedrichsthal ging später die gleichnamige Stadt hervor, an der Stelle der kurzlebigen Glashütte im Fischbachtal entstand späterRußhütte. Im Jahr 1726 gründete er die OrtschaftFriedrichweiler, und 1727 ließ er Sulzbach neu besiedeln. Zeitweilig betrieb er dasNeunkircher Eisenwerk in Eigenregie. Mit seinem Tod im Jahr 1728 endete auch die Linie Nassau-Ottweiler.
Die Besitzungen gingen auf die LinieNassau-Usingen über. Nach Erlangung seiner Volljährigkeit übernahm damit im Jahr 1741Wilhelm Heinrich (Nassau-Saarbrücken) die Regentschaft in Saarbrücken.
ImPolnischen Thronfolgekrieg (1733–1738) wurde das Gebiet des heutigen Saarlandes wiederum zu einem militärischen Aufmarschgebiet. Die Schwiegervaterschaft des polnischen KönigsStanislaus I. Leszczyński mit dem französischen Königshaus brachte ihm schließlich im Jahr 1737 die Herzogtümer Lothringen und Bar ein.
Als der eigentliche Herzog von Lothringen und Bar (seit 1729–1737),Franz III. Stephan (1708–1765), im Jahr 1736 die KaisertochterMaria Theresia geheiratet hatte, musste er am 13. Februar 1737 auf Lothringen und Bar verzichten und wurde im Tausch dafür als Franz II. Großherzog der Toskana (1737–1765) sowie ab 21. November 1740 Mitregent in den Habsburgischen Erblanden und seit 1745 alsFranz I. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Im diplomatischen Einvernehmen zwischen dem Kaiser und der französischen Krone war Stanislaus I. Leszczyński, der Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV., daraufhin zum Herzog von Lothringen und Bar ernannt worden. Nach dem Tod von Herzog Stanislaus infolge einer tragischen Brandverletzung im Jahr 1766 fiel das Herzogtum Lothringen mit Bar an das Königreich Frankreich, womit sich die französische Grenze bis zur Saar vorschob.[90]
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlebte die Region an der Saar einen bis dahin nicht gekannten wirtschaftlichen Aufschwung. Der neue Wohlstand dokumentierte sich in besonderem Maße im Neu- und Ausbau von Schlössern, Abteien und Kirchen. So entstand etwa das barockeResidenzschloss Saarbrücken, erbaut vonFriedrich Joachim Stengel, die SaarbrückerLudwigskirche oder das großdimensionierteSchloss Karlsberg bei Homburg mit seiner riesigen Parkanlage und seinem prunkvollenklassizistischen Mobiliar, das sich heute im Besitz derBayerische Schlösserverwaltung befindet.
Ansätze der frühenIndustrialisierung erlebte das Gebiet schon im 18. Jahrhundert durch diemerkantilistische Verstaatlichung derSteinkohlengruben und den Ausbau wie auch die Neuerrichtung vonEisenhütten,Glashütten und Keramik-Manufakturen. Der Adel an der Saar bemühte sich ganz im Geist desaufgeklärtenAbsolutismus, seine Territorien wirtschaftlich und sozial voranzubringen und auch für den internationalen Markt zu produzieren. So erfuhr dieDillinger Hütte eine ungewöhnliche Ausweitung des Absatzmarktes durch denAmerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1778–1783, als die französische Kriegsmarine die gesamte Eisenproduktion des Werkes über mehrere Jahre hin aufkaufte, um damit die aufständischen nordamerikanischen Kolonisten in ihrem Kampf gegenEngland unterstützen zu können.[91]
Die großen sozialen und politischen Umwälzungen derFranzösischen Revolution begannen sich schon in den 1750er Jahren bemerkbar zu machen. So widersetzten sich die Bauern verstärkt der Erfüllung derFrondienste und der herrschaftlichen Abgaben. Dem versuchten die Adeligen an der Saar zu entgegnen, indem sie, wie etwa ReichsgräfinMarianne von der Leyen, im Jahr 1786 dieLeibeigenschaft aufhoben. Wo dies nicht geschah, kam es im Frühling 1789 zu Volksversammlungen, bei der Beschwerdeschriften (Cahiers de Doléances) mit zahlreichen Kritikpunkten verfasst und unterschrieben wurden.[92] Zu grundsätzlichen Reformen waren die Adeligen an der Saar allerdings nicht bereit und versuchten, durch einzelne Zugeständnisse den Volkszorn zu besänftigen.
Der Trierer Kurfürst und ErzbischofClemens Wenzeslaus von Sachsen war zunächst den Ideen derAufklärung nicht abgeneigt. So förderte er im Kurfürstentum besonders das Schulwesen und suchte durch einToleranzedikt im Jahr 1783 sowie durch Schaffung verschiedener gemeinnütziger Einrichtungen, Bildung und Wohlstand zu heben. Seine Haltung in kirchlichen Dingen war schwankend. Er behielt dieJesuiten auch nach Auflösung des Ordens im Land und protestierte gegen radikale Reformen seines kaiserlichen GroßcousinsJosephs II. in Religionsangelegenheiten, schützte aber den Trierer Weihbischof und PapstkritikerJohann Nikolaus von Hontheim. Darüber hinaus stellt er im Jahr 1786 dieEmser Punktation mit aus, die eine größere Unabhängigkeit der Kirche desHeiligen Römischen Reiches von Rom zum Ziel hatte. Erschreckt durch den Ausbruch der Französischen Revolution stellte der Trierer Kurfürst allerdings alle Reformen ein und übte ein strengeres Regiment aus. Den Emigranten und den flüchtigen Mitgliedern des ihm verwandten französischen Hofes bot er eine Zufluchtsstätte und seine Residenz Koblenz wurde Mittelpunkt der französischenRoyalisten, die hier eine eigene Armee aufbauten (Armée de Condé). Clemens Wenzeslaus von Sachsen war der Onkel des französischen KönigsLudwig XVI. und der Großcousin von dessen EhefrauMarie-Antoinette von Österreich-Lothringen. Er unterstützte seine beiden vor der Revolution nach Koblenz geflohenen NeffenKarl undLudwig, die jüngeren Brüder des amtierenden Königs von Frankreich, großzügig finanziell und organisierte emigrierte französische Offiziere für eine geplante feudale Konterrevolution in Frankreich.[93][94][95][96]
In derfranzösischen Nationalversammlung wurde in derSitzung vom 4. August 1789 der Forderung der Beschwerdeschriften aus allen Provinzen Frankreichs entsprochen und alle Sonderrechte desAdels und desKlerus mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die Beschneidung der Feudalherrschaft wurde von der Bevölkerung an der Saar an mehreren Orten mit dem Pflanzen einesFreiheitsbaumes, Musik und Tanz sowie fröhlichem Zechen gefeiert.[97] Offene ausgebrochene Volksaufstände in Blieskastel und Saarwerden wurden auf Befehl der Feudalregenten mit oberrheinischen Kreistruppen niedergeschlagen.[98]
In derDillinger Papiermühle und Druckerei wurde 1790 einPatriotischer Bericht von dem Departement der Mosel an die Einwohner auf dem Lande gedruckt, der propagandistisch die Errungenschaften derFranzösischen Revolution feiert.
Die noch bestehenden Feudalrechte wurden immer kritischer hinterfragt. So ließ man über den Abgeordneten Lasalle im Jahr 1791 bei der französischen Regierung inParis nachfragen, ob diese Rechte noch Geltung hätten. Dabei wurde mitgeteilt, dass dies noch so sei. Das heißt, dass auch noch im Jahr 1791 Abgaben an den Saarbrücker Fürsten geleistet wurden.[99] Erst unter dem massiven Druck der Bevölkerung verfügte FürstLudwig von Nassau-Saarbrücken am 20. Januar 1793 die Abschaffung derLeibeigenschaft sowie eine Minderung der Feudallasten und hoffte, damit seine Herrschaft noch sichern zu können: „Da wir nun durch gegenwärtige Erlasse und Erleichterungen den Untertanen den deutlichsten Beweis Unserer Landesväterlichen Liebe geben, so halten Wir Uns auch im Voraus versichert, daß dieselben sich hierdurch zur ferneren, schuldigen Treue, Vertrauen und Ergebenheit gegen Uns und Unser Fürstliches Haus werden verbunden erachten und zum Wohlstand des Landes alles, was an ihnen liegt, mit allen Kräften beitragen.“[100]
Im Jahr 1792 begann derErste Koalitionskrieg zwischen Frankreich und einer Koalition aus Österreich, Preußen und weiteren Staaten. Die Hoffnung der adeligen Herrschaften – besonders Preußens – auf leichte Territorialbeute in Frankreich zerstob am 20. September 1792 in derNiederlage von Valmy in derChampagne. Als der aus Lothringen stammende GeneralAdam-Philippe de Custine im November 1792 den Vormarsch der französischen Rheinarmee begann, waren Teile der Bevölkerung Saarbrückens und Blieskastels bereits im offenen Aufruhr gegen die angestammte Herrschaft und hatten eigene „Landschaftsversammlungen“ gebildet, die Forderungen zur politischen Veränderung stellten. So musste etwa in Saarbrücken Regierungspräsident Johann Friedrich Hammerer von Hammerstein abgesetzt werden. In den Folgejahren besetzten französische Truppen nach wechselndem Kriegsverlauf das gesamtelinke Rheinufer. Am 14. Februar 1793 wurde dasOberamt Schaumburg, das bis zum Tode des letzten Herzogs von LothringenStanislaus I. Leszczyński 1766 lothringisch, dann französisch und durch einen Gebietstausch (Gebiete umLandau und an derLauter beiWeißenburg an Frankreich)[101] nach 1787 pfalz-zweibrückisch war, an die französische Republik angeschlossen.
Im Mai desselben Jahres flohen der Saarbrücker Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken mit seiner FrauKatharina Kest sowie die Blieskasteler Reichsgräfin Marianne von der Leyen vor der Revolution aus ihren Territorien. Im September und November kam es zu Kämpfen zwischen französischen und preußischen Truppen zwischen Blies und Saar. Nach dem Tod von Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken im Jahr 1794 imAschaffenburger Exil wurde sein SohnHeinrich Ludwig von Nassau-Saarbrücken offiziell zwar Herrscher des saar-nassauischen Territoriums, konnte die Herrschaft aber nicht antreten, da das Land ab 1793 von französischen Revolutionstruppen besetzt war. Mit seinem Unfalltod beiCadolzburg erlosch die Dynastie im Mannesstamm.[102] Sein HalbbruderAdolph von Ottweiler aus der Ehe seines Vaters Ludwig mit Katharina Kest starb 1812 während des napoleonischenRusslandfeldzuges.[103] Aus der Walramischen Linie des Hauses Nassau, zu der auch Nassau-Saarbrücken gehörte, blieb nur die LinieNassau-Weilburg. Im Jahr 1806 erhielt sie dieHerzogswürde. Infolge desDeutschen Krieges von 1866 wurde Nassau von Preußenannektiert. HerzogAdolf von Nassau wurde im Jahr 1890 Großherzog des saarländischen NachbarlandesLuxemburg. Die Linie Nassau-Weilburg ging mit seiner Tochter, GroßherzoginCharlotte, im Haus Luxemburg-Nassau auf.[104][105]
Im Jahr 1792 wurde Saarbrücken von französischen Revolutionstruppen besetzt, die das Barockschloss plünderten und besetzten. In den darauf folgenden Kämpfen mit den preußischen Bundestruppen, in deren Reihen auch der Saarbrücker Erbprinz Heinrich als Offizier diente, geriet das Schloss im Jahr 1793 in Brand und wurde weitgehend zerstört.[106]
Nach dem Ausbruch derFranzösischen Revolution und auch nach Beginn des Ersten Koalitionskriegs (1792–1797) blieb HerzogKarl II. August von Pfalz-Zweibrücken aufgrund der ihm von der französischen Regierung versicherten Neutralität in seinem Herzogtum, das von französischen Truppen umgeben war. Nach der HinrichtungLudwigs XVI. sollte auch Karl II. August inParis der Prozess gemacht werden. Bevor er von französischen Truppen am 9. Februar 1793 gefangen genommen werden konnte, floh er überKaiserslautern nachMannheim. Im folgenden halben Jahr war das Homburger Schloss Karlsberg abwechselnd inpreußischer und französischer Hand. Unter preußischem Schutz wurde begonnen, die Einrichtung über Kaiserslautern nach Mannheim zuevakuieren. Nach der Kapitulation der französischen Truppen inMainz zog sich dieEntsatzarmee durch dasGlantal zurück, und es kam zuPlünderungen. Am 28. Juli 1793 wurde Schloss Karlsberg zur allgemeinen Plünderung freigegeben und am Abend angezündet.
Erst im Juli 1794 gelang den Franzosen der Durchbruch bis an denRhein. Im Zusammenhang mit den Bestrebungen des Jahres 1793, das Christentum abzuschaffen, wurde am 8. Juni 1794 in Saarlouis dasFest der Göttin der Vernunft begangen.[107] Zeugnisse des antireligiösenBildersturms der Zeit sind etwa die geköpften Skulpturen des Wallerfanger Kreuzweges auf dem Limberg von Pierrar de Corail. Bereits im Vorjahr 1793 hatte man Saarlouis, dessen Name an den französischen König Ludwig XIV. erinnerte, nach der Hinrichtung König Ludwigs XVI. in „Sarrelibre“ (dt. etwa „Saarfreiheit“) umbenannt.[108] Ähnliche Umbenennungsaktionen betrafen in der Region auch christliche Ortsnamen wieSt. Avold, das 1794 aus antikirchlichen Gründen in „Rosselgène“ (dt.Rosselquelle) umbenannt wurde. Ebenso erfolgten hier zahlreiche Straßenumbenennungen, die die neuen revolutionären Ideale vonFreiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit feierten.[109]Am 17. Oktober 1797 wurde das Gebiet an der Saar wie alle linksrheinischen Territorien in einem geheimen Zusatzartikel desFriedensvertrages von Campo Formio, geschlossen zwischen Frankreich, vertreten durchNapoléon Bonaparte, und dem römisch-deutschen KaiserFranz II., Frankreich zugeschlagen. Der Friede beendete den am 20. April 1792 von Frankreich begonnenen Ersten Koalitionskrieg. Eine offizielle Regelung dieser Grenzverschiebung wurde auf demRastatter Kongress (9. Dezember 1797 bis 23. April 1799) getroffen, der jedoch wegen des Ausbruches desZweiten Koalitionskrieges nicht regulär beendet wurde.
Der zentrale Teil des heutigen Saarlandes – knapp die Hälfte der heutigen Fläche – kam zu dem 1798 errichtetenSaardepartement mit der Präfektur-Hauptstadt Trier. Das Saardepartement erstreckte sich von derNordeifel beiBlankenheim bis in das heutige Saarland. Der größte Teil des 4935 Quadratkilometer umfassenden Gebietes gehörte zuvor zumKurfürstentum Trier. AlsArrondissementhauptstadt fungierteSaarbrücken. DerSaargau und ein Riegel bis Tholey kamen zumDepartement de la Moselle. Das hier gemeinte Moseldepartement mit dem Präfektursitz Metz ist territorial nicht deckungsgleich mit dem aktuellen Moseldepartement. Das Departement war zunächst in neun Distrikte gegliedert (Metz, Bitsch, Bolchen, Briey, Longwy, Morhange, Saargemünd, Saarlouis, Diedenhofen) und zählte zu Beginn des 19. Jahrhunderts etwa 351.000 Einwohner.[110][111][112][113][114][115] Ein kleines Stück im Nordwesten des heutigen Saarlandes gelangte zumWalddepartement, Gebiete im Osten zumDépartement du Mont-Tonnerre (Donnersberg-Département) mit der Zentrale in Mainz. Die neuen Departements wurden am 13. April 1802 offiziell an Frankreich angegliedert.
Während derNapoleonischen Herrschaft teilte das Gebiet des heutigen Saarlandes die Geschicke desErsten Kaiserreichs. Nach der Ausdehnung von Napoleons Herrschaft über Mitteleuropa zielte der französische Kaiser auf die politische und ökonomische Kontrolle ganz Europas, was zahlreiche Kriege und daraus resultierende Volksaufstände zur Folge hatte. In Saarbrücken weilte Napoleon siebenmal. Alleine im Saardepartement wurden für seine Kriegszüge in den Jahren 1801 bis 1913 annähernd 13600 Wehrpflichtige ausgehoben, von denen vermutlich 5000 ihr Leben ließen.[116] Der Brückenübergang über die Saar zwischen St. Johann und Saarbrücken, die heute sogenannteAlte Brücke, diente umfangreichen Truppendurchzügen und Gefangenentransporten. Von Februar bis März 1812 überquerten allein 60.000 Soldaten mit 26.000 Pferden und über 200Artilleriegeschützen zusammen mit Napoleon selbst den Saarübergang, während russische, österreichische und schwedische Kriegsgefangene die Brücke in der anderen Richtung passierten. Nach demRusslandfeldzug 1812 und derVölkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 eilte Napoleon vor der geschlagenen französische Armee am 6. November 1813 zum letzten Mal über die Saarbrücke. Die Seuchen, die während des Rückzuges ausbrachen, forderten alleine in Saarbrücken über 1000 Todesopfer. Bei der Eroberung Saarbrückens durch die Preußen sprengten die Franzosen am 7. Januar 1814 zwei Brückenbögen der Saarbrücke in die Luft, sodass die Preußen am 9. Januar bei der Sulzbachmündung über die Saar setzen mussten.[117]
An die Herrschaft Napoleons erinnert in Blieskastel derNapoleonsbrunnen, der von begeisterten Napoleon-Befürwortern errichtet wurde. DerObelisk-Brunnen im Stil desEmpire ist an der Spitze mitLorbeer-Festons als Symbole der Ehrbezeigung geschmückt. Eine sich um den Obeliskschaft windendeUräusschlange als Symbol des Schutzes spendet Wasser und nimmt indirekt Bezug aufNapoleons Ägyptenfeldzug der Jahre 1798 bis 1801. Die Inschrift lautet: „A NAPOLEON premier Empereur des Francais. Le Canton de Bliescastel le 28e floréal an XII.“ (dt. Übersetzung: „Für Napoleon, den ersten Kaiser der Franzosen, Der Kanton Blieskastel am 28.Floréal des Jahres 12.“) Die Datierung des Revolutionskalenders (gemeint ist der 18. Mai 1804) bezieht sich auf die Übergabe des Senatsbeschlusses imSchloss Saint-Cloud, mit dem Napoleon dieerbliche Kaiserwürde auf Lebenszeit überantwortet worden war. Im Jahr 1922 wurde der Napoleonsbrunnen auf Anordnung vonVictor Rault, dem damaligen Präsidenten derRegierungskommission des Saargebietes, restauriert. Die französische Inschrift wurde 1939 unter der nationalsozialistischen Herrschaft entfernt und 1946 wieder hergestellt.[118][119][120]
PapstPius VII., dessen Pontifikat davon geprägt war, dass die Kirche durch dieRevolution weitgehend enteignet und völlig zerschlagen worden war, konnte durch Verhandlungen mitNapoleon Bonaparte imKonkordat von 1801, das Verhältnis der katholischen Kirche zum französischen Staat neu regeln. Der Papst musste darin anerkennen, dass die katholische Kirche nicht mehrStaatsreligion war. In einerPäpstlichen Bulle vom 29. November 1801 hob der Papst die alten Diözesangrenzen auf und legte neue Grenzen fest, die mit denen der Departement-Territorien zusammenfielen.
Die französische Annexion der linksrheinischen Teile des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Jahr 1798 war im Frieden von Luneville 1801 durch KaiserFranz II. völkerrechtlich ratifiziert worden. Dadurch war der größte Teil des weltlichen Erzstiftes und Kurfürstentums Trier an Frankreich gefallen. Durch die päpstliche Bulle vom 29. November 1801 wurde nun auch die geistliche Herrschaft des Trierer Erzbischofs in den jetzt französisch gewordenen ehemaligen Bistumsteilen beendet. Ein neues französisches Bistum Trier in verkleinerter Form bildete man daraufhin aus ehemals trierischen, kölnischen und speyerischen Territorien. Die trierische Untermosel ging an das neueBistum Aachen. Den rechtsrheinische Rest des alten Erzbistums und Kurfürstentums regierte der in sein Zweitbistum Augsburg geflüchtete Erzbischof Clemens Wenzeslaus – vertreten durch WeihbischofJohann Michael Josef von Pidoll – noch bis zu seinem Tod im Jahr 1812 von derFestung Ehrenbreitstein. Danach wurde dieses Restterritorium von Generalvikaren verwaltet. Napoleon ernannte als ersten Bischof des französischen Bistums TrierCharles Mannay, der von 1802 bis 1816 die Geschicke der Diözese versah und dessen Amtsgewalt auch von Papst Pius VII. bestätigt worden war.[121]
Das Bistum Trier entsprach geographisch dem Saardepartement, das Bistum Metz dem Moseldepartement. Bischof Mannay gelang es mit der Erlaubnis der staatlichen Behörden, das kirchliche Leben neu zu organisieren. 1810 erreichte er, dass die wichtigste Bistumsreliquie, derHeilige Rock, wieder von Augsburg nach Trier rückgeführt wurde. DieReliquie kam am 7. Juli 1810 in Saarbrücken an und gelangte unter strenger Geheimhaltung über Völklingen, Saarlouis, Wallerfangen und Fremersdorf nach Merzig, der ersten trierischen Pfarrei auf dem Weg. Hier bereiteten über 1000 Gläubige einen triumphalen Empfang, der auch als Ausdruck des Gefühls der Erleichterung zum Ende der revolutionären Wirren gedeutet werden kann. Die Merziger Nationalgardisten und Pfarrprozessionen begleiteten den Zug schließlich bis nach Trier, wo die erste Ausstellung der Reliquie seit 150 Jahren stattfand.[122] Nach Napoleons unwiderruflichem Sturz verzichtete Bischof Mannay 1816 auf das Bistum Trier aufgrund des politischen Drucks von Seiten Preußens.[123]
Die Rechtsverhältnisse der protestantischen Kirche an der Saar wurden am 8. April 1802 durch das Organische Gesetz über die Neuordnung der protestantischen Kirche in Frankreich und auf dem linken Rheinufer geregelt.[124]
Die Zeit des Zusammenbruchs der alten Ordnung und der Etablierung neuer Herrschaften war günstig für die Entstehung gesetzloser Zustände, die zur Ausbreitung brutaler räuberischer Bandenkriminalität beitrugen. Prominentestes Beispiel für diese Entwicklung in dieser Zeit ist eine lose Gruppe um den SerienstraftäterJohannes Bückler, den sogenannten „Schinderhannes“, der zusammen mit seinen wechselnden Kumpanen ausgehend von der Hunsrückregion durch Einbruch, Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, Hehlerei, schwere Körperverletzung mit Todesfolge, Raubmord und Mord in Erscheinung trat, 1798 aus der Haft in Saarbrücken fliehen konnte und schließlich 1803 in Mainz zusammen mit 19 Mittätern unter der Guillotine endete.[125]
In der Silvesternacht 1813/1814 war es dempreußischenGeneralfeldmarschallGebhard Leberecht von Blücher gelungen, in Höhe derBurg Pfalzgrafenstein denRhein mit rund 50.000 preußischen und russischen Soldaten zu überqueren. Mit dieser Aktion begann das Ende der napoleonischen Herrschaft über das Gebiet des heutigen Saarlandes. In seiner Schrift „An die Bewohner des linken Rheinufers“ vom 1. Januar 1818 machte Blücher der Bevölkerung die neue politische Situation unmissverständlich und drastisch klar: „Ich werde euer Eigenthum sichern. Jeder Bürger, jeder Landmann bleibe ruhig in seiner Wohnung, jeder Beamte an seinem Platz, und setze ungestört seine Dienstverrichtung fort. Von dem Augenblick des Einrückens der verbündeten Truppen muß jedoch alle Verbindung mit dem französischen Reiche aufhören. Wer sich dieser Anordnung nicht fügt, begeht Verrath an den verbündeten Mächten, wird vor ein Militairgericht gestellt und erleidet die Todesstrafe.“[126]
Bereits am 7. Januar kamen erste Vorhuten der Preußen in St. Johann an der Saar an, am 11. Januar 1814 war Blücher bis zurSaar vorgestoßen und hatte die Franzosen unter MarschallAuguste Frédéric Louis Viesse de Marmont zur Flucht gezwungen. Durch den Vormarsch der preußischen Truppen wurde auch die durch das heutige Saarland verlaufendefranzösische Telegraphenlinie von Metz nach Mainz unterbrochen. Im Februar 1814 wurden die Departements Saar, Rhein und Mosel, Wälder und Donnersberg vonJustus von Gruner provisorisch zum preußischenGeneralgouvernement Mittelrhein zusammengefasst. Die Verwaltungseinheit bestand vom 2. Februar bis zum 15. Juni 1814. Am Folgetag, dem 16. Juni 1814, wurde das Gebiet rechts (südlich) der Mosel, mit Ausnahme der Stadt Koblenz, derGemeinschaftliche Landes-Administrations-Kommission mit Sitz inKreuznach zugeordnet, die unter der Verwaltung desKaisertums Österreich und desKönigreichs Bayern stand. Österreichische und bayerische Truppen, befehligt von GeneralFrimont in Mainz bzw. Delamotte inWorms, lösten die preußischen ab. Geleitet wurde die paritätisch besetzte Kommission auf österreichischer Seite von Hermann Freiherr von Heß und auf bayerischer Seite vonFranz Xaver von Zwackh.[127]
NachdemNapoleon Bonaparte zur Abdankung gezwungen worden war, wurde mit dem BourbonenLudwig XVIII. dererste Pariser Frieden am 31. Mai 1814 geschlossen, laut dessen Bestimmungen Frankreich auf die Staatsgrenzen von 1792 beschränkt wurde. Die westsaarländischen Orte sollten demnach bei Frankreich verbleiben. Damit wäre der Festungsgürtel von Straßburg über Landau bis Saarlouis dem unterlegenen Kriegsgegner erhalten geblieben. Dies befürwortete vor allemZarAlexander I., der die wiedereingesetzte Bourbonenmonarchie wohlwollend behandeln wollte, damit ihr Prestige innerhalb der französischen Bevölkerung durch unpopuläre Kriegsverluste nicht belastet würde. Abweichend von der Staatsgrenze von 1792 sollte das Kerngebiet des Fürstentums Nassau-Saarbrücken ebenfalls an Frankreich fallen. Propreußische Kräfte innerhalb des Bürgertums an der mittleren Saar waren von dieser Entscheidung bestürzt. Am 21. September 1814 mussten dieGemeindeverwaltungen an der Saar König Ludwig XVIII. den Treueeid schwören.[128]
In der Schlussakte desWiener Kongresses am 9. Juni 1815 wurde imWiener Ballhausplatzpalais festgelegt, dass die Kreise Merzig, Saarburg und Ottweiler Preußen zufallen sollten, während der übrige Teil des heutigen Saarlandes zum Kaisertum Österreich kommen sollte. Plan Österreichs war zunächst gewesen, amRhein ein neues Vorderösterreich zu schaffen, das nach heutigen BegriffenRheinhessen, diePfalz und das heutige Saarland umfasst hätte. Darauf wurde dann von Seiten Österreichs zugunsten der staatlichen Geschlossenheit verzichtet. Die DynastienHabsburg-Lothringen undWittelsbach hatten sich das Gebiet als Faustpfand behalten, um dasKönigreich Sachsen unterFriedrich August I. vor einer Übernahme durch die Hohenzollern zu schützen. Bayern unter KönigMaximilian I. Joseph erhielt durch den Staatsvertrag mit Österreich vom 14. April 1816 die gesamte Pfalz, musste allerdings zum Ausgleich dasSalzburger Land an dasKaisertum Österreich abgeben.[129] Am 1. Juli 1816 unterzeichneten die Bevollmächtigten des Kaisertums Österreich und des Königreiches Bayern auf der einen und die des Königs von Preußen auf der anderen Seite inWorms das sogenannte Territorialausgleichspatent, in dem Österreich und Bayern Gebiete an Preußen abtraten.[130][131][132]
Nach derRückkehr Napoleons von seinem VerbannungsortElba am 1. März 1815, der Vereidigung der Munizipalität an der Saar im April 1815 auf den wiedergekehrten Kaiser, Kämpfen zwischen bayerischen und französischen Truppen bei St. Johann an der Saar und dessen endgültiger Niederlage beiWaterloo am 18. Juni 1815 sowie seiner Verbannung auf die InselSt. Helena wurden imZweiten Pariser Frieden die westsaarländischen Orte von Frankreich abgetrennt und an Preußen (Rheinprovinz) übergeben.[133]Dabei hatten mehrere Bittschriften von Kaufleuten aus Saarbrücken und St. Johann und eine Unterschriftenaktion unter Federführung des Saarbrücker BürgermeistersHeinrich Böcking, die den Anschluss der Saarorte an die preußische Monarchie zum Ziel hatten, einen nicht unerheblichen Anteil.[134]
Als im Zuge derBefreiungskriege 1814/15 die Frage der künftigen staatlichen Zugehörigkeit der Saarorte diskutiert wurde, war Böcking neben Philipp Fauth der herausragendste Verfechter einer Angliederung anPreußen. So gehörte Böcking – Schwiegersohn des HüttenunternehmersFriedrich Philipp Stumm – verschiedenen Delegationen an, insbesondere der im Sommer 1815 zurPariser Friedenskonferenz entsandten Deputation. Mit dem Unterhändler Preußens in den Pariser Friedensverhandlungen im Jahre 1815,Karl August Freiherr von Hardenberg, stand man in engstem Kontakt.[135]
Im Zweiten Pariser Frieden wurde der Grenzverlauf dementsprechend definiert und am20. November1815 von KönigFriedrich Wilhelm III. von Preußen,KaiserFranz I. von Österreich und ZarAlexander I. von Russland paraphiert. Die Kantone Saarbrücken, St. Johann, Saarlouis und Rehlingen mussten an Preußen abgetreten werden. Der Wortlaut des Vertrags von 1815 beschrieb den Verlauf der neuen Staatsgrenze Frankreichs vonPerl an derMosel bis zur Mündung derLauter in denRhein wie folgt (in zeitgenössischer Übersetzung, mit entstellten Ortsnamen):[136]
„VonPerle läuft sie durchLaunsdorf,Wallwick,Schardorff,Niederweiling,Pellweiler, so daß alle diese Ortschaften mit ihren Kirchspielen bey Frankreich verbleiben, bis nachHouvre, und folgt sodann den ehemahligen Gränzen desFürstenthums Saarbrücken, dergestalt, daßSaar-Louis, und der Lauf derSaar mit den zur Rechten der oben bezeichneten Linie liegenden Ortschaften und ihren Kirchspielen außerhalb der Französischen Gränze bleiben. Von den Gränzen des ehemahligen Fürstenthums Saarbrücken bleibt die Demarcations-Linie die nähmliche, die gegenwärtig Deutschland von denDepartements der Mosel und desNieder-Rheins scheidet, bis an dieLauter, welche ferner bis an ihren Ausfluß in den Rhein die Gränze bildet.“
Die zu Lasten Frankreichs vollzogene Grenzziehung des Zweiten Pariser Friedens an der Saar war für dessen Außenpolitik ein ständiger Dorn im Auge. Sowohl nach dem Ersten Weltkrieg als auch nach 1945 versuchte Paris diese zu revidieren. Umgekehrt wurde die antifranzösische Petition der propreußischen Bürger an der Saar[137] zum kolportierten Geschichtsbild[138] und im 20. Jahrhundert im Vorfeld der beiden Saarabstimmungen 1935 und 1955 von deutscher Seite in propagandistischer Weise als untrüglicher Beweis für die historische Anhänglichkeit der Saarbevölkerung an das preußisch-deutsche Mutterland herangezogen. Tatsächlich wurden die neuen Herren in ehemals französisch geprägten Orten an der Saar mit Skepsis und Ablehnung empfangen. Jahrelange Grenzstreitigkeiten an der Westgrenze des heutigen Saarlandes folgten. Im Kreis Saarlouis wehrten sich die GemeindenMerten und Bibling(en) so heftig gegen den Anschluss an Preußen, dass sie 1829 an Frankreich abgetreten wurden. Im Kreis Merzig fandenScheuerwald undMandern bereits 1827 wieder zu Frankreich zurück. Die Zerstückelung der Saarregion in preußische, bayerische, französische, sächsische und oldenburgische Territorien wurde in der öffentlichen Meinung der zeitgenössischen Bevölkerung negativ wahrgenommen. Die Ergebenheitsadresse der Bürger von Saarlouis an den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm VI. vom 6. August 1817 bezeichnete den Anschluss der Saar an Preußen als „politisches Unglück“.[139][140]
Am 30. November 1815 erfolgte durch einen offiziellen Festakt der preußischen Regierung die feierliche Besitzergreifung der Saarorte durch den königlich-preußischen Kommissarius Mathias Simon im Auftrag KönigFriedrich Wilhelms III.[141] Während eines Aufenthaltes in Saarbrücken erteilte derStaatskanzlerKarl August von Hardenberg am 27. November 1815 dem in preußischen Diensten stehenden Oberappellationsrat Mathias Simon, der bisher in Trier als Richter fungiert hatte, die Vollmacht, das neue Gebiet unter dem TitelGroßherzogtum Niederrhein für Preußen in Besitz zu nehmen.[142] Die Landesgrenze zwischen Preußen und Frankreich wurde im Jahr 1827 und endgültig im Jahr 1829 in derGrenzkonvention zwischen Preußen und Frankreich definiert.[143]
Auf dem Wiener Kongress war das Gebiet der im Winterfeldzug 1814 im Rahmen derBefreiungskriege von Frankreich zurückeroberten linksrheinischen Gebiete südlich der Mosel zunächst überwiegend Österreich zugesprochen worden, doch einigten sich Österreich und Bayern imVertrag von München, dass Gebiete der vormaligen Départements Donnersberg, Saar und Niederrhein an Bayern fallen sollten. Mit Inkrafttreten dieses Vertrages am 1. Mai 1816 wurde die Gemeinschaftliche Landes-Administrations-Kommission aufgelöst und die Verwaltung dem bayerischen Rheinkreis übertragen. Die Besitzverteilung auf dem linken Rheinufer erfolgte am 14. April 1816 im bayerisch-österreichischen Staatsvertrag. Demzufolge erhielt das Königreich Bayern das Gebiet des Rheinkreises. Damit kamen die heutigen saarländischen Kreise Homburg und St. Ingbert an Bayern. Im Gegenzug mussten von Bayern dasHausruckviertel, dasInnviertel, das AmtVils inTirol sowie dasHerzogtum Salzburg an Österreich abgetreten werden. Die Inbesitznahme des Rheinkreises durch das Königreich Bayern erfolgte am 30. April 1816.[144][145][146] DieGrenzkonvention zwischen Bayern und Frankreich regelte im Jahr 1825 den Verlauf der Grenze zwischen dem Königreich Bayern und dem KönigreichFrankreich.
Da der letzte Herzog von Pfalz-Zweibrücken,Karl II. August, der als Thronfolger Bayerns vorgesehen war, im Jahr 1795 im revolutionsbedingtenMannheimer Exil gestorben war, wurde dessen jüngerer BruderMaximilian I. Joseph der erstebayerische König. Zahlreiche Staatsbeamte und Künstler des Homburger Hofes, wie etwa der Tholeyer KommendatarabtPierre de Salabert, der GeneralChristian von Zweybrücken, der Maler und ArchitektJohann Christian von Mannlich oder etwa der MalerLudwig Neureuther, wanderten im Zuge der französischen Revolutionskriege nachMünchen ab und wurden so zu Wegbereitern des am 1. Januar 1806 proklamierten jungen Königreiches Bayern. Darüber hinaus gelangte die umfangreiche Homburger Gemäldegalerie ebenfalls nach München und bildete den Grundstock derAlten Pinakothek. Karl II. Augusts Nichte und gleichzeitig Tochter von dessen Bruder Maximilian I. Josef,Auguste, musste als Bedingung, dass ihr Vater zum König von Napoleons Gnaden erhoben werden konnte, im Jahr 1806 dessen Stiefsohn, den italienischen VizekönigEugène de Beauharnais heiraten. Über sie setzte sich in weiblicher Linie die Genealogie des in der Französischen Revolution im Mannesstamm ausgestorbenen Saarbrücker Grafen- bzw. Fürstenhauses und ebenso die des Hauses Pfalz-Zweibrücken im schwedischen, portugiesischen, brasilianischen und russischen Herrscherhaus im 19. Jahrhundert fort.
Die beiden mächtigsten Herrscher nach dem Wiener Kongress auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes, Max I. Josef sowie Friedrich Wilhelm III., waren Abkömmlinge des Saarbrücker Grafenhauses.Karoline von Nassau-Saarbrücken[147] war die Großmutter des ersten bayerischen Königs Maximilian I. Joseph sowie die Urgroßmutter von dessen FrauKaroline. Hinsichtlich des preußischen Königshauses war sie die Urgroßmutter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. In Bezug auf das österreichische Kaiserhaus war Karoline die Ururgroßmutter des österreichischen Kaisers und ungarischen KönigsFranz Joseph I. sowie von dessen EhefrauElisabeth von Österreich-Ungarn („Sisi/Sissi“).
Um die Präsenz Preußens in der neuerworbenen Rheinprovinz und an der Saar sichtbar zu verdeutlichen und als historisch geworden zu untermauern, betraute Friedrich Wilhelm III. seinen Sohn und späteren NachfolgerFriedrich Wilhelm IV. in den 1830er Jahren damit, die hoch über dem Saartal gelegeneKlause Kastel durch seinen BaumeisterKarl Friedrich Schinkel als national-dynastisches Monumenten zu restaurieren. Bei einem Besuch, den Friedrich Wilhelm im Jahr 1833 dem saarländisch-luxemburgisch-lothringischen IndustriellenJean-François Boch abstattete, hatte ihm dieser die Gebeine vonJohann von Böhmen (auch Johann von Luxemburg) aus der Dynastie der Luxemburger übergeben, die in den Wirren der Französischen Revolution in den Besitz des Fabrikanten gelangt waren. Das preußische Königshaus ließ daraufhin, den aus der Region stammenden Herrscher in einem Prunksarkophag in der Klausenkapelle beisetzten. Das böhmische Wappen auf dem Sarkophag wird von Löwen gehalten, die überdies eine Inschriftentafel stützen, auf der die stilisierte böhmischeWenzelskrone nach einem mittelalterlichen Kronenvorbild derMünchener Residenzschatzkammer zu sehen ist. Zum 500. Todestag Johanns von Böhmen im Jahr 1846 ließ Friedrich Wilhelm IV. einStabkreuz auf der Felsplattform über der Saar aufstellen. Die vom preußischen Hofhistoriograph und HeraldikerRudolf von Stillfried-Rattonitz entwickelte großformatige Ahnentafel an der Westwand der Grabkapelle endet in den Wappen der HäuserHohenzollern undWittelsbach, der Familie, aus der die Gemahlin Friedrich Wilhelms IV.,Elisabeth Ludovika von Bayern, stammte. Darüber hinaus zeigt der Wappenstammbaum in der Kapelle damit die beiden wichtigsten Herrscherdynastien an der Saar im 19. Jahrhundert: Hohenzollern-Preußen und Wittelsbach-Bayern. Die miteinander verschlungenen Ahnenbänder, die überdies von einem dasGottesgnadentum symbolisierenden Engel mit Ketten zusammengezurrt werden, sollen auch die Verbundenheit der beiden deutschen Königreiche symbolisieren. Nach diesem Vorbild ließ Rudolf von Stillfried-Rattonitz in der Folgezeit auf der als national-dynastisches Denkmal neugestaltetenBurg Hohenzollern die Stammbaumhalle gestalten, deren Geblütslinien ebenfalls genealogischen Maßstäben nicht unbedingt entsprechen.[148] Die Anlage über dem Saartal ist nicht nur ein Zeugnis der romantischen Veranlagung Friedrich Wilhelms IV., sondern auch eine Machtdemonstration Preußens, das 1815 die Herrschaft an der Saar übernommen und die Luxemburger Dynastie in der Region abgelöst hatte. Im Jahr 1946 wurden die Gebeine König Johanns auf Veranlassung des Großherzogtums Luxemburg aus dem Territorium des damaligen Saarlandes in einer Art „Ent-Borussifizierungsaktion“ aus der Grabkapelle entführt und nach Luxemburg in die Krypta unter derKathedrale unserer lieben Frau gebracht, wo sie bis heute ruhen.[149]
Aufgrund der immer stärker werdenden wirtschaftlichen Bedeutung des Industrieraumes an der Saar weilten Vertreter des preußischen Königshauses im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert relativ häufig zu Besuch vor Ort. Darüber hinaus zeugte der spätere preußische König und deutsche KaiserWilhelm I. mit der saarländischen AdeligenOctavie de Lasalle einen Sohn. Das im Jahr 1840 geborene Kind wurde der gesellschaftlichen Konvention entsprechend zur Welt gebracht, aber anschließend Pflegeeltern übergeben, was für die leibliche Mutter eine lebenslange psychische Belastung darstellte. Das sozial-karitative Engagement ihrer Familie führte zu einer engen Zusammenarbeit mitRosa Flesch, der Gründerin derFranziskanerinnen von Waldbreitbach, die bis heute im Saarland in der Krankenpflege und der Sozialarbeit umfangreich tätig sind.[150][151][152]
Nach demWiener Kongress, vor allem durch denZweiten Pariser Frieden, fielen die größten Teile des heutigen Saarlandes an die KönigreichePreußen undBayern, kleinere Teile an andere Staaten desDeutschen Bundes, nämlich dasFürstentum Lichtenberg mitSt. Wendel an das HerzogtumSachsen-Coburg-Saalfeld und dasFürstentum Birkenfeld an dasGroßherzogtum Oldenburg. Die preußischen Gebietsteile kamen zu dem neu gebildetenRegierungsbezirk Trier in derProvinz Großherzogtum Niederrhein, die 1822 in derRheinprovinz aufging, die bayerischen Gebietsteile zum neu gebildetenRheinkreis, seit 1835Rheinpfalz genannt. Die modernen Errungenschaften der Französischen Revolution blieben auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes alsCode civil erhalten. Dennoch hegten die Menschen des gesamten linksrheinischen Bereiches – besonders die Katholiken – größte Ressentiments gegenüber der neuen preußischen Herrschaft und wurden im Gegenzug als revolutionsaffine, profranzösische,papistische unsichereKantonisten angesehen. Die preußischen Verwaltungskreise Merzig, Saarlouis, Ottweiler, Saarbrücken und – ab 1834 – auch St. Wendel wurden von der Bezirksregierung in Trier verwaltet. Der Oberpräsident der Rheinprovinz hatte seinen Dienstsitz in Koblenz. Nahezu sämtliche preußische hohe Amtsträger der Landkreise und Oberpräsidien innerhalb der Region entstammten den östlichen Provinzen des Staates Preußen und waren der heimischen Bevölkerung gegenüber distanziert eingestellt. Seit 1823/1834 existierte einProvinziallandtag als eine Art Parlament in Koblenz.[153] Die Provinzialstände hatten weitgehend beratende Funktion. Wo sie über Angelegenheiten der Provinz beschließen durften, unterstanden sie königlicher Aufsicht. Ein Gesetzgebungs- oder Steuerbewilligungsrecht besaßen sie nicht.[154]
In den bayerischen Teilen des heutigen Saarlandes waren die politischen Verhältnisse liberaler ausgeprägt. Mit derBayerischen Konstitution vom 1. Mai 1808 war die ersteverfassungsrechtliche Grundlage des Königreichs Bayern und die ersteständeunabhängigeVolksvertretung in einem deutschen Staat eingeführt worden. Sie war unter der Ägide des leitenden MinistersMaximilian von Montgelas entstanden. Die Hauptbestimmungen der Konstitution enthielten die vom König als einem Organ des neuen Staates garantierten Grundrechte:Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, (gleiche Steuerpflicht, gleicher Zutritt zu allen Staatsämtern, Abschaffung der Leibeigenschaft, Sicherheit der Person und desEigentums,Gewissens- undReligionsfreiheit,Pressefreiheit im Rahmen bestimmterZensurgesetze. Dazu kamen Bestimmungen über Beamte, die Unabhängigkeit der Richter, eine neueGerichtsverfassung sowie die Schaffung einheitlicher Bestimmungen überStraf- undZivilrecht für das ganze Königreich und schließlich dasMilitär. Wegen eines striktenZensuswahlrechts und weil die Nationalrepräsentation nie zusammentrat, kann man von einem Scheinkonstitutionalismus sprechen. Dennoch waren in der Verfassung Tendenzen angelegt, die später die Entwicklung Bayerns zu einerkonstitutionellen Monarchie im Gegensatz etwa zuPreußen oderÖsterreich erleichterten.[155][156]
Ende 1831 verlegte der Journalist und Herausgeber der liberal-demokratischen ZeitungDeutsche TribüneJohann Georg August Wirth auf Einladung des ehemaligen Homburger LandkommissärsPhilipp Jakob Siebenpfeiffer seine Wirkungsstätte vonMünchen nach Homburg, da dort ein freierer Geist herrschte. Die Region rund um Homburg und dem benachbartenZweibrücken konnte sich nach demWiener Kongress zu einem Zentrum derdemokratischen Bewegung entwickeln, da dasKönigreich Bayern dem Rheinkreis seine durch dieFranzösische Revolution von 1789 eingeführten Freiheitsrechte beließ, um so u. a. auch von den für den Staat vorteilhaften Steuergesetzen zu profitieren. Wirth und Siebenpfeiffer waren die Initiatoren desHambacher Festes mit etwa 20.000 bis 30.000 Teilnehmern. Es gilt als HöhepunktbürgerlicherOpposition in der Zeit derRestauration und zu Beginn desVormärz. Die Forderungen der Festteilnehmer nachnationaler Einheit,Freiheit undVolkssouveränität hatten ihre Wurzeln im Widerstand gegen die restaurativen Bemühungen desDeutschen Bundes.
Das Hambacher Fest ist im Zusammenhang mit anderen Ereignissen zu sehen, so etwa demWartburgfest von 1817, derfranzösischen Julirevolution von 1830, dempolnischen Novemberaufstand (1830/31), derBelgischen Revolution (1830/31), demFrankfurter Wachensturm von 1833 sowie schließlich derMärzrevolution 1848/1849.
Die beginnendeFrühindustrialisierung beeinflusste zunehmend die Lebensverhältnisse der Bevölkerung und führte ursächlich in Teilen dieser zum sich gleichzeitig entwickelndenPauperismus.[157] Die Obrigkeit aus Bayern benachteiligte die Wirtschaft der Pfalz durch hoheZoll- undSteuerabgaben. Die Steuern waren zwei- bis viermal so hoch bemessen wie in „Altbayern“.[158] Durch die Eingliederung in den 1828 gegründetenbayerisch-württembergischen Zollverein am 20. Dezember 1829 erleichterte sich zwar der grenzüberschreitende Handel innerhalb dieses Zollvereins, jedoch erschwerte sich der Warenaustausch mit Kleinstaaten in anderen Zollvereinen.[159] Im Jahre 1829 stiegen nach einer Missernte die Nahrungsmittelpreise. Die Not in der Bevölkerung verschärfte sich durch strenge Winter um 1830 sowie die schlechte Ernte des Jahres 1831. Als Folge stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel in der Zeit zwischen 1829 und 1832 um mehr als ein Drittel.[160][161] Das Hambacher Fest erzeugte in der deutschen Presse starke Resonanz. Die zurückkehrenden Festteilnehmer stellten in ihren StädtenFreiheitsbäume auf, um ihre Verbundenheit zu zeigen, so etwa inBlieskastel undLautzkirchen.[162] Im Gegensatz zum friedlichen Ablauf der Hambacher Festtage entlud sich nach dem 27. Mai 1832 in vielen Gemeinden die aufgestaute Wut über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. So kam es zu kleineren lokalen Aufständen. Der Schwerpunkt der Protestwelle gegen die Regierung war in St. Wendel. Erst nach Einmarsch von 1000 preußischen Soldaten und der Verhängung des Ausnahmezustands kehrte dort Ruhe ein.[163] Generell reagierte der Deutsche Bund in den Jahren nach 1832 mit vermehrterRepression. Die reaktionären Maßnahmen, die eine drastische Verschärfung der Karlsbader Beschlüsse von 1819 bedeuteten, brachten die republikanische Bewegung somit vorerst zum Erliegen.[164] Am 18. Juni 1832 wurde Siebenpfeiffer festgenommen. Mit Hilfe von Freunden konnte er 1833 aus dem Gefängnis fliehen und über dasElsass in dieSchweiz entkommen. Er erhielt in der Schweiz nicht nur Asyl, sondern auch eine Anstellung an derUniversität Bern als Professor fürStraf- undStaatsrecht. Wirth wurde ebenfalls verhaftet und konnte in die Schweiz fliehen. Er wurde 1848 in dieFrankfurter Nationalversammlung gewählt, verstarb jedoch kurz darauf am 26. Juli 1848 in Frankfurt. An das Hambacher Fest erinnert in Homburg seit 1992 der „Freiheitsbrunnen“.
Aufgrund der politischen Unruhen in St. Wendel in den Jahren 1831/1832 sowie der großen Entfernung zum Hauptteil des Herzogtums verkaufte Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha das Fürstentum Lichtenberg im Staatsvertrag vom 31. Mai 1834 für eine Jahresrente von 80.000 Talern an Preußen. Am 22. September desselben Jahres erfolgte dieErbhuldigung für den preußischen König. Preußen gliederte die Ländereien alsKreis St. Wendel in denRegierungsbezirk Trier derRheinprovinz ein. Die Stadt St. Wendel hatte von 1824 bis zu ihrem Tod im Jahre 1831 als Verbannungsort von Ernsts EhegattinLuise von Sachsen-Gotha-Altenburg gedient. Die Herzogin war 1826 gegen ihren Willen von ihrem Ehemann geschieden und von ihren Kindern, dem ErbprinzErnst II. und PrinzAlbert, dem späteren Gemahl der britischen KöniginVictoria, getrennt worden.
ImRevolutionsjahr 1848 kam es an verschiedenen Orten an der Saar zur politischen Organisation von Bürgervereinen, die Petitionen und Demonstrationen unternahmen. Demokratisch gesinnte Beamte wurden vom preußischen Obrigkeitsstaat gemaßregelt. In Saarbrücken und St. Johann an der Saar gründete man eine Bürgerwehr als vorbeugende Maßnahme gegen französische Plünderer oder gegen mögliche Revolten der besitzlosen Unterschicht, die unter der Wirtschaftsmisere der 1840er Jahre besonders zu leiden hatte. Die Bürgerwehr wurde mit Waffen und Uniformen ausgestattet, die Bürgerstöchter nähten eine schwarz-rot-goldene Trikolore und bestickten sie mit dem damaligen deutschenDoppeladler. Ein Saarbrücker Komitee mit dem RechtsanwaltFerdinand Dietzsch an der Spitze richtete sich mit einer Petition an den preußischen KönigFriedrich Wilhelm IV. Gefordert wurde ein preußisches und ein gesamtdeutsches Parlament, freies und allgemeines Wahlrecht, Presse- und Versammlungsfreiheit, Volksbewaffnung statt eines stehenden Heeres, Ministerverantwortlichkeit sowie eine gerechte Besteuerung. Dietzsch wurde für Saarbrücken auch in dasFrankfurter Paulskirchenparlament gewählt.[165] Für St. Wendel und Ottweiler wurde der KaufmannCarl Philipp Cetto in die Mainmetropole entsandt.[166] Am 28. April 1849 wies der preußische König die ihm von der parlamentarischenKaiserdeputation angetragene Kaiserkrone endgültig zurück. Dies führte zurReichsverfassungskampagne, die in einenbürgerkriegsähnlichen Konflikt eskalierte. Der König ließ die Revolution gewaltsam niederschlagen und verfügte rechtswidrig, dass die preußischen Mitglieder der Nationalversammlung ihr Mandat niederlegen mussten. Damit war die Märzrevolution praktisch gescheitert. Am 16. Juni 1849 kam es zu einem Zusammenstoß zwischen preußischen Truppen und revolutionären Freischärlern in Homburg. Bald darauf endete die Revolutionsbewegung in der Saargegend.
ImPrümer Zeughaussturm vom 18. Mai 1849 hatten sich demokratisch gesinnte Anhänger derRevolution von 1848 bewaffnet, um die Reichsverfassungskampagne militärisch zu unterstützen. Die Aktion in dem EifelstädtchenPrüm war – wie die weiteren Maiaufstände in derRheinprovinz und anderen TeilenPreußens – eine Folge der konterrevolutionären Politik König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, der denPreußischen Landtag aufgelöst hatte. Etwa 100 Revolutionäre aus Prüm,Trier,Wittlich,Bitburg und anderen Orten der Region hatten die Waffenkammer der preußischenLandwehr in Prüm erstürmt. Sie gaben einige Schüsse ab, und einige Landwehrleute, die das Waffendepot bewachen sollten, verbrüderten sich mit ihnen. Trotz dieses Erfolgs kam es nicht zu einer revolutionären Erhebung in der Moselgegend und zahlreiche Beteiligte wurden festgenommen. Von den 43 Personen, die 1850 angeklagt wurden, verurteilte das Landgericht Trier sechs zu fünf JahrenZwangsarbeit. DasMilitärgericht in Saarlouis verurteilte drei Landsturmsoldatenzum Tode: Johann Manstein ausLaufeld beiManderscheid, Anton Seilen und Nikolaus Alken aus Prüm hatten sich geweigert, auf die Revolutionäre zu schießen, weil diese ihnen bekannt waren. Am Sonntag, dem 14. Oktober 1849, wurden sie im Fort Rauch der Festung Saarlouiserschossen.[167] Zwei der AnführerLudwig Simon undVictor Schily, die nach der Niederschlagung der Reichsverfassungskampagne in die Schweiz geflohen waren, wurden 1851 in Abwesenheit zum Tode verurteilt.[168] Für die in Saarlouis füsilierten Männer wurde in der StadtpfarrkircheSt. Ludwig einSeelenamt abgehalten. Die zahlreiche Beteiligung der Bevölkerung an der Messe kann als eine deutliche Solidaritätsbekundung mit den Hingerichteten und den Zielen der Revolution von 1848 gedeutet werden.[169] Im Jahr 1850 mussten sich die Bürgervereine in den preußischen Saarkreisen auflösen.[170][171][172]
Infolge der frustrierenden politischen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Notsituation mit Missernten, Bevölkerungswachstum und erbrechtsbedingter Grundbesitzzersplitterung entschlossen sich alleine im preußischen Teil des Saarlandes in den 1840er Jahren etwa 7500 Menschen, nach Nordamerika,Brasilien und Innerfrankreich auszuwandern. Die höchsten Auswanderungszahlen verzeichneten die Gebiete, die eine relativ weite Entfernung von den damaligen Zentren des Steinkohlenbergbaus aufwiesen. Erst in den 1870er Jahren verschwand die prekäre Versorgungslage aufgrund der sich rasant entwickelnden saarländischen Industrie, die vielen Menschen Arbeit und Lohn bot.[173][174][175]
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten in den Städten an der Saar etwa 100 bis 250 Einwohner pro Quadratkilometer. Im Saar-Nahe-Bergland betrug die Bevölkerungsdichte etwa 25 bis 50 E/km². Im Saarkohlenwald und im Schwarzwälder Hochwald lagen die Werte bei 10 bis 25 E/km². Die höchsten Werte im ländlichen Raum erreichte der Saargau und der Bliesgau mit 50 bis 75 E/km². Trotz des Eisenhüttengewerbes im Hunsrück und im Saartal und des Glasmanufakturwesens im Warndt und im Saarkohlenwald war das Saarland zu dieser Zeit noch weitgehend bäuerlich geprägt.[176][177]
Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts begann sich die saarländische Keramik- und Glasindustrie in Mettlach, Merzig, Wallerfangen und Wadgassen (Villeroy & Boch), dersaarländische Steinkohlebergbau sowie die Eisen- und Stahlindustrie zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor innerhalb des Deutschen Bundes zu entwickeln.
Das Land an der Saar – zusammen mit Teilen Lothringens und des Elsasses – gehörte über vier Jahrhunderte zu den wichtigsten Gebieten der Glasherstellung in Europa. Die erste größere saarländische Glashütte stand seit 1616 inLudweiler. Bereits um 1680 betrieb dieAbtei Wadgassen eine eigene Glasmanufaktur. Für denWarndt sind 23 Glashüttenstandorte belegt. Holz und Sand für die Glashütten, klares Wasser sowie auch Farne und Heckengewächse für diePottasche waren in diesem ausgedehnten Waldgebiet reichlich vorhanden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Glasherstellung zum drittgrößten Industriezweig im Saarland. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählten die Glasfabriken inVölklingen-Fenne und inWadgassen zu den bedeutenden Glashütten Europas, die mit insgesamt über 1300 Arbeitern Glasartikeln produzierten, die in ganz Europa und nach Übersee verkauft wurden.[178] In Wadgassen wurden Gläser geblasen, farbig überfangen, geschliffen, graviert und bemalt. Darüber hinaus wurde auch seit 1846Pressglas in verschiedenen Farben bis hin zuUranglas nach französischer (Bleikristall) oder böhmischer (Halbkristall ohne Bleioxyd) Art mit Ausnahme vonOpalglas produziert. Ab den 1880er Jahren fertigte man ganze Speiseservice aus Pressglas mitSchliffimitationen.[179][180][181]
Im Jahr 1763 wurde diePorzellanmanufaktur Ottweiler durch FürstWilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken errichtet. Das dort hergestellte Porzellan zeichnete sich durch einen besonders sauberen weißen Scherben aus, zurückzuführen auf die verwendete verhältnismäßig teure „Passauer Kaolin-Erde“.[182] Unter der Regierung seines SohnesLudwig von Nassau-Saarbrücken wurde der Betrieb neu organisiert. Im Rahmen von Einsparungsmaßnahmen wurden günstigere, lokale Erde verwendet, was sich in einem neuen cremefarbenen Erscheinungsbild der Produkte widerspiegelte. Im Jahr 1776 begann die Herstellung von kostengünstigeremSteingut. Mit Ausbruch der französischen Revolution und den darauffolgenden politischen und wirtschaftlichen Wirrejahren stellte im Jahr 1800 die Manufaktur endgültig ihren Betrieb ein, die Gebäude wurden verkauft.[183][184][185] In derselben Epoche existierte auch im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken eine Keramikproduktionsstätte,Zweibrücker Porzellan-Manufaktur.[186][187][188]
Im Jahr 1790 wurde in Saargemünd eine erste Keramikfabrik gegründet. Versorgungsprobleme mit dem Material und die Konkurrenz durch englische und französischen Manufakturen zwangen allerdings im Jahr zur Übergabe des Unternehmens an den bayerischen Unternehmer Paul Utzschneider (1771–1844). 1830 stellte man dann die Brennöfen von Holz auf Steinkohle um, was den enormen Holzverbrauch beendete. Ab 1860 war die Produktion komplett auf den Betrieb mit Dampfmaschinen umgestellt. Im Jahr 1791 entstand in Wallerfangen eine vonNicolas Villeroy gegründeteSteingutfabrik, die sich später zu denKeramischen Werken von Villeroy und Boch entwickelte. Anfangs konnte Villeroy im kleinen Wallerfangen nicht genügend Produktionsmitarbeiter finden, weshalb er die ersten Arbeiter aus der bereits bestehenden Steingutfabrik inFrauenberg beiSaargemünd mitbrachte. Die Frauenberger Arbeiter hatte man bei dessen Gründung mehrheitlich aus den KeramikmanufakturenAttert,Arlon undSeptfontaines,Bubenhausen,Zweibrücken,Höchst,Kelsterbach,Gutenbrunn undDirmstein rekrutiert. Die technische Leitung legte man in Wallerfangen zunächst in die Hände eines versierten Mitarbeiters aus Frauenberg, Jakob Heckel. Heckel war vorher in derHöchster Porzellanmanufaktur beschäftigt gewesen, die im Jahr 1796 in Konkurs gegangen war. Intensive Forschungen wurden in Wallerfangen auf dem Gebiet des Dekordruckes unternommen. Das Faiencerie-Unternehmen in Frauenberg war bereits im Jahr 1785 durch Jean Thibault mit der Genehmigung desComtes de Vergennes gegründet worden. Die Produktionsräume lagen im ehemaligen Frauenberger Schloss, das der Graf von Vergennes mitsamt der zugehörigen Herrschaft erworben hatte. Bereits wenige Jahre später, im August 1789, kaufte sich der aus Metz stammende Nicolas Villeroy als Teilhaber mit einem Anteil von 10 % in Frauenberg ein. Schließlich entschied man sich für Wallerfangen als neuen Firmenstandort. Die Entscheidung für Wallerfangen als Produktionsstandort wurde deshalb gefällt, da man die Saar als Transportweg nutzen konnte. Die Wälder der Umgebung boten genügend Holz als Brennmaterial. Darüber hinaus bot sich der Ort an, da die nahegelegenenSteinkohlengruben des aufblühenden Saarreviers effizienten Brennstoff für die Keramiköfen liefern konnten. Bereits im Jahr 1780 erwarb Villeroy eine Förderkonzession für dieHostenbacher Grube, um Brennmaterial für die Rohbrandöfen gewinnen zu können.[189]
Um 1815 begann man in Wallerfangen britischeGastarbeiter – einige davon aus der PorzellanstadtStoke-on-Trent – anzuwerben. Noch Jahre später war der englische Einfluss in Wallerfangen erheblich. Nicolas Villeroy reiste in den darauf folgenden Jahren oft nach England, um sich mit den dortigen Produktionsverfahren vertraut zu machen. Die englischen Arbeiter waren besonders im Kupferdruckatelier der Firma tätig, das im Jahr 1825 eingerichtet wurde. Im Jahr 1836 verband Nicolas Villeroy sein Unternehmen mit demjenigen vonJean-François Boch zu dem späteren WeltunternehmenVilleroy & Boch.[190] Durch die Zusammenarbeit bei der Lieferung von Rohstoffen war man im Jahr 1818 erstmals mit der im Jahr 1809 in dersäkularisiertenBenediktiner-AbteiSt. Peter inMettlach gegründeten Keramikmanufaktur Boch-Buschmann geschäftlich in Kontakt gekommen. Die Geschäftsbeziehungen wurden fortan intensiviert, sodass es am 14. April 1836 in derFremersdorfer Saarmühle vertraglich zur Fusion der Unternehmen in Wallerfangen und Mettlach kam. Damit war das Unternehmen Villeroy & Boch aus der Taufe gehoben. Hintergrund der Fusion war die Hoffnung, so besser gegen die englischen Keramikimporte auf den europäischen Kontinent gewappnet zu sein.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich dieFirma Adt von kleinster manueller Fertigung in ihren Werken in Ensheim und Forbach zumWeltmarktführer fürPapierlackwarenprodukte entwickelt.[191]
Der Bergbau an der Saar hatte seit derkeltischen Zeit stattgefunden. Belegt ist er seit dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. durch einen geschnitzten Kännelkohlen-Fund im Frauengrab von Rubenheim. Diese Kohle stammt nachweislich aus Neunkirchen-Heinitz (Flöz Tauentzien) und war anstehend abgebaut worden. Diese „Heinitzer Keltengrube“ gilt als der bislang älteste Nachweis für den Steinkohlenabbau in Deutschland. Auch inrömischer Zeit wurde an der Saar oberflächennaher Kohlenabbau betrieben. Als Beleg dafür kann ein Grab aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. aus Roden mit Schmuck aus Heinitzer Kännelkohle herangezogen werden.[192][193]
Schriftlich ist der Abbau von Steinkohle erst seit dem späten Mittelalter belegt.Oberflächennahe Schürfbetriebe waren an anstehenden Flözen im Sulzbachtal desSaarkohlenwaldes, um Neunkirchen und im Gebiet von Ensdorf,Griesborn undSchwalbach tätig. Im Jahr 1371 gewährte KaiserKarl IV. dem GrafenJohann von Nassau-Saarbrücken das Bergbaurecht.[194] Im „Schöffenweistum von Neumünster“ aus dem Jahr 1429 wird die Kohlegewinnung und -nutzung beiOttweiler behandelt. Die Bergordnung des Saarbrücker GrafenPhilipp III. von Nassau-Saarbrücken aus dem Jahr 1586 regelte Fördermengen, Abbau und Verladung von Steinkohle. Aus der gleichen Zeit ist eineZunftordnung der Kohlengräber der Dörfer Dudweiler und Sulzbach überliefert. Hauptverschiffungsort der saarländischen Steinkohle war zu dieser Zeit die St. Johanner Kohlenwaage (Kohlrech/Kohlwaag), die für 1608 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde.[195] DieserAbbau erfolgte aber jahrhundertelang nur oberflächennah und in kleinem Umfang. Unter FürstWilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken (1718–1768) änderte sich das. Er ließ sämtliche Gruben seines Herrschaftsbereiches ab 1750/51 verstaatlichen und es begann ein planmäßiger Steinkohlenbergbau mit Wasserableitungen, planmäßigemMarkscheidewesen und ersten staatlichen Sozialmaßnahmen für Bergleute („Bruderbüchse“).[196]
Mit der Annexion des Saarlandes an das revolutionäre Frankreich gingen sämtliche fürstliche Grubenanlagen in französischen Besitz über. Unter Kaiser Napoleon I. gründete Frankreich in Geislautern eine kaiserliche Bergakademie, die vonJean Baptiste Duhamel geleitet wurde.[197] Unter der Leitung von Jean-Baptiste Duhamel wurde in Geislautern im Jahre 1810 der „Saarkohlenatlas“ (Duhamel-Atlas) als Ergebnis einer systematischengeodätischen Bodenerkundung herausgebracht. Der Atlas gilt heute noch als kartographisches Standardwerk der Markscheidewissenschaft.[198] Duhamel zu Ehren wurde später der Duhamel-Schacht desBergwerkes Ensdorf nach ihm benannt.[199] Die meisten Saar-Gruben befanden sich seit demWiener Kongress im Besitz der beiden Staaten Preußen und Bayern. Der Bau neuer Schächte auf der GrubeHostenbach unter Zuhilfenahme einerDampfmaschine bedeutete den Beginn der Steinkohlen-Tiefbau-Förderung im Saarland.[200][201] Die Kohlenförderung wurde zur Schlüsselindustrie an der Saar. Größter Abnehmer der Kohlenförderung war die saarländische Eisenindustrie. Im Jahr 1832 wurde der etwa elf Kilometer lange Saarstollen bei St. Johann angehauen, der die Gruben des Sulzbachtales entwässern sollte und auch sämtliche Steinkohlenfördermengen des Saarkohlenwaldes zur Saar hin aufnehmen sollte.[202] Zuständig für die Kohlenförderung war das Berliner Finanzministerium, das das Land an der Saar als wohlfeile Einnahmequelle für denFiskus betrachtete und darauf bedacht war, die Investitionssummen vor Ort möglichst gering zu halten.[203][204][205][206]
In den Jahren 1848/49 wurde die Bahnstrecke Ludwigshafen-Homburg-Bexbach(Ludwigsbahn) fertiggestellt, die 1867 mit St. Ingbert verbunden wurde. Mit dem Bau desBahnhofs in St. Johann in den Jahren 1850–1852 und dem damit erreichten Anschluss an das deutsche undfranzösische Eisenbahnnetz wurde ein umfangreiches Wirtschaftswachstum eingeleitet. ÜberForbach war nunParis mit dem Saarland eisenbahntechnisch verbunden. Im Jahr 1860 eröffneten die Bahnstrecken von Saarbrücken nach Trier (Saarstrecke) undLuxemburg. Die im selben Jahr in Betrieb genommene Linie von Neunkirchen überKreuznach nachBingerbrück eröffnete den Zugang zum Rhein. Im Jahr 1870 war der Abschnitt Saarbrücken–Saargemünd–Straßburg vollendet.[207][208]
Im Jahr 1856 wurde dasEisenhüttenwerk Burbach in Betrieb genommen. Es entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zum größten Unternehmen im gesamten Umland. Mit der Eröffnung derKreissparkasse Saarbrücken im Jahr 1858 entstand das erste große Geldinstitut an der Saar. Bis heute ist sie die größte saarländischeSparkasse. Im Jahr 1863 wurde die Handelskammer in Saarbrücken gegründet, die alsIndustrie- und Handelskammer des Saarlandes bis heute fortbesteht. Durch die Fertigstellung desSaar-Kohlen-Kanal im Jahr 1866 erhielt Saarbrücken über denRhein-Marne-Kanal den Anschluss an das französische Wasserstraßennetz und – neben der natürlichen Saar-Mosel-Route – darüber hinaus einen zweiten Wasserstraßenzugang zum Rhein. In den beiden Saarhäfen Luisenthal und dem Hafen zwischen Malstatt und St. Johann wurden nun pro Jahr zwischen 500.000 und 650.000 Tonnen Kohlen auf den Saar-Kohlen-Kanal zur Verschiffung gebracht. Hatte die Kohlenförderung an der Saar im Jahr 1773 noch 21.000 Tonnen betragen, so waren es 1872 schon 4.222.000, im Jahr 1910 wurden 10.982.000 Tonnen abgebaut. (Die größte Fördermenge wurde im Jahr 1957 mit 16.290.000 Tonnen erreicht. Damals waren annähernd 65.000 Mitarbeiter bei den Saargruben beschäftigt.)[209]
In den 1860er Jahren versuchte die französische Regierung vergeblich das lukrative Saarkohlebecken durch Kauf zurückzugewinnen und so die Grenzen von 1814 wiederherzustellen.[210] Im Jahr 1873 begann auf derVölklinger Hütte dieEisen- undStahlerzeugung. Im Jahr 1890 waren die „Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke“ der größteStahlträgerhersteller innerhalb des Deutschen Reiches. Eine weitere wichtige Unternehmerfamilie an der Saar war die DynastieStumm, die mit ihrem HauptvertreterCarl Ferdinand von Stumm-Halberg zu den bedeutenden Industriellendynastien derMontanindustrie Südwestdeutschlands zählte. In fünf Generationen waren in der Zeit derProto-Industrialisierung im 18. Jahrhundert, in der Zeit derindustriellen Revolution und derHochindustrialisierung im 19. Jahrhundert von dem UnternehmenGebrüder Stumm mehr als zwanzigEisenhämmer undEisenhütten betrieben oder errichtet worden.[211]
Im Jahr 1909 gelang nach komplizierten Verhandlungen der Zusammenschluss der bis dahin eigenständigen Stadtgemeinden Malstatt-Burbach, St. Johann an der Saar und (Alt-)Saarbrücken zur GroßstadtSaarbrücken. Den mit Abstand größten Bevölkerungszuwachs verzeichnete die Hüttenstadt Malstatt-Burbach. In Dörfern wie Dillingen oder Neunkirchen stieg die Einwohnerzahl von wenigen Hunderten zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den fünfstelligen Bereich; nach 1900 lebten in Dillingen rund 10.000, in Neunkirchen 35.000 und Malstatt-Burbach mehr als 38.000 Einwohner. Um das Jahr 1900 zog sich ein nahezu geschlossenes Bebauungsband zwischen Dillingen/Beckingen bis Saarbrücken mit Werten von 400 bis 800 E/km² und im Raum von Saarbrücken bis Wiebelskirchen lagen Werte von 800 bis 1200 E/km² vor. Zwischen den Jahren 1810 und 1961 verbuchten die industriellen Zonen an der Saar einen Bevölkerungszuwachs von über 2000 %.[212][213]
Während sich die Industriebetriebe an der Saar in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für denTake-off profiliert hatten, so entwickelte sich das Montanrevier nach der Jahrhundertmitte neben demRuhrgebiet undOberschlesien zu einem der führenden Industriestandorte. Die Saar erreichte hinsichtlich der deutschen Steinkohle- und StahlproduktionMarktanteile von bis zu 20 %. Als die eigentliche saarländische Industrialisierungsphase können die Jahre 1850 bis 1874 bezeichnet werden, da in diesem Zeitraum das Produktions- und Beschäftigungswachstum wesentlich höher ausfiel als in den vorangehenden und folgenden Jahrzehnten. Bis zum Ende desGründerbooms in den 1870er Jahren nach der Reichsgründung behauptete sich das Saarrevier als deutsche Führungsregion, wobei nach wie vor die Steinkohlenförderung den wichtigsten Standortvorteil ausmachte. Ohne Kohle hätte es im 20. Jahrhundert nicht das heutige Saarland und seine Geschichte gegeben. In den Jahren von der Reichsgründung 1870/71 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 wuchs der preußische Bergbau an der Saar kontinuierlich aufgrund der Absatzsteigerung der Kohle und seiner Marktführerschaft im Südwesten des Deutschen Reiches. Alle wichtigen Wirtschaftszweige fußten auf Kohle und Koks oder waren erst durch das Wachstum dieser Branche entstanden. Weiterhin prägte der Kohlebergbau die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Arbeiteten im Jahr 1850 etwa 10.000 Beschäftigte im Steinkohlebergbau, so wuchs die Zahl für die gesamte Region, einschließlich der angrenzenden lothringischen Gruben, auf nahezu 80.000 an. Davon arbeiteten mehr als 50.000 in den preußischen Staatsgruben. Insgesamt entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten die Produktion im Bergbau jedoch langsamer als die Zahl der Beschäftigten. Behindert wurde die ökonomische Entwicklung, abgesehen von der Konkurrenz der privatwirtschaftlich geführten lothringischen Gruben, weiterhin durch die Eigentumsstruktur: Die preußischeFinanzverwaltung legte für die Saarkohle einen höheren Preis fest, sodass ihr Preisniveau deutlich über dem der Ruhrkohle lag. Zudem fiel im Jahr 1863 der günstigere Einkaufspreis für die Saarindustrie weg. Die leitenden Direktoren waren hinsichtlich der Direktiven aus Berlin weisungsgebunden und mussten sich mit unflexiblen Behörden auseinandersetzen.
Bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert war die Saar-Region kaum mit anderen Regionen wirtschaftlich verflochten, was vor allem auf den staatlichen Unternehmensbesitz im Kohlebergbau und die großen Familienunternehmen – nicht nur in der Eisenindustrie – zurückzuführen ist. Lange bildete das lokal agierende Unternehmertum einen weiteren bedeutenden Standortvorteil. Es verfügte über ausreichend Privatkapital, optimale Handelsbeziehungen, investierte gezielt in seine Betriebe, stattete die Produktionsanlage optimal aus und prägte so die saarländische Industrielandschaft. Unternehmerische Vernetzungen entstanden durch die Beteiligung von Kapitaleignern aus dem familiären oder persönlichen Umfeld. Häufige Absprachen,Kartelle und Verkaufsgemeinschaften steigerten die eigenen Gewinne. Ab 1900 veränderten sich jedoch diese traditionellen Markt- und Eigentumsstrukturen und die Region wurde in die immer stärker werdenden Verflechtungen westdeutscher und westeuropäischer Bergbaureviere integriert.[214]
Zusätzlicher Standortvorteil der saarländischen Industrielandschaft war eine qualifizierte Stammarbeiterschaft mit hoher Leistungsbereitschaft. Die Arbeiter kamen aus der Region, besonders aus dem nördlichen Saarland. Nach ersten Provisorien wurden sie zunächst inSchlafhäusern untergebracht, wo sie unter der Woche die Nacht verbrachten. Im Jahr 1910 waren es 39 Häuser mit knapp 5.000 Bewohnern. Für die zwischen Grube und Heimatort pendelnden Bergarbeiter bürgerten sich die Begriffe „Saargänger“, „Ranzenmänner“ oder „Hartfüßler“ ein. Um diese lästigen Wanderungen zwischen Wohn- und Arbeitsort zu vermeiden, versuchte man ab den 1840er Jahren, die Arbeiter vor Ort anzusiedeln. Dabei wurde das System derPrämienhäuser vonLeopold Sello, von 1816 bis 1857 Präsident der Königlich-Preußischen Bergwerksdirektion in Saarbrücken, eingeführt, um den Bergarbeitern der saarländischen Gruben unter preußischer Verwaltung Wohnraum in der Nähe des Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Die Bergleute konnten sich den Bau eines eigenen Hauses nur deshalb leisten, weil sie von ihrem Arbeitgeber durch eine Prämie (Zuschuss, verbilligtes Darlehen) gefördert wurden. Ab 1870 spielte das Prämienhaus in der Politik der Grubenverwaltung eine geringere Rolle, da verbesserte Verkehrsmöglichkeiten das Pendeln der Bergleute ermöglichten. Zahlreiche Arbeiter lebten aber weiterhin auf ihrem ererbten Kleinstbauernhof und bewirtschafteten diesen zusammen mit der eigenen Familie.[215][216][217] Zusätzlich finanzierte der Staat Lazarette für verletzte Bergleute, Berufsschulen, Konsum- und Sparvereine sowie dasKnappschaftswesen.
Die Industrialisierung brachte dem Gebiet der mittleren Saar ein enormes Bevölkerungswachstum: Wohnten hier um 1800 erst etwa 117.000 Menschen, so waren es um die Jahrhundertmitte bereits 250.000 und um das Jahr 1900 etwa 700.000. Durch die staatliche Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht gelang es im 19. Jahrhundert, die Analphabetenquote auf vier Prozent zu drücken. Der Anteil von Jugendlichen, die die wenigen Gymnasien an der Saar (Saarbrücken, Saarlouis, St. Wendel, Neunkirchen seit 1900, Dillingen seit 1907) besuchten, war recht gering. Mädchen konnten im Saarland erstmals in den 1920er Jahren das Abitur ablegen. In das öffentliche Kulturleben an der Saar investierten die drei Monarchien Preußen, Bayern und Oldenburg – außer in Militärkapellen – keine relevanten Summen, sodass die Bürger mit Konzerten und Theateraufführungen selbst initiativ werden mussten. Der im Jahr 1839 gegründete „Historisch-antiquarische Verein für die Städte Saarbrücken und St. Johann und deren Umgebung“ baute eine Sammlung aus keltischen und gallorömischen Funden auf. Im Jahr 1881 wurde der Geschichtsverein im Zeichen des neu erstarkten national orientierten Geschichtsbewusstseins unter dem Namen „Historischer Verein für die Saargegend“ neu formiert.[218] Parallel zum Zerfall derStändegesellschaft engagierten sich jetzt aufgeschlossene, interessierte Bürger in den unterschiedlichsten Vereinen – besonders beliebt waren gleichfalls Turn- und Gesangsvereine – und brachten so neben Bürgerstolz wachsendes Gemeinschaftsgefühl zum Ausdruck.
Die besondere regionale Konstellation obrigkeitsstaatlicher und unternehmerisch-paternalistischer Aufsicht im 19. und frühen 20. Jahrhundert verzögerte – im Vergleich zu anderen Regionen des Deutschen Reiches – an der Saar die Entstehung einer Arbeiterbewegung und ihre politische, gewerkschaftliche, soziale und kulturelle Weiterentwicklung. Anfänge einer politischen Arbeiterbewegung zeigten sich im Saarrevier erst ab etwa 1870. Sie war konfrontiert mit den zwar in vielfacher Hinsicht widerstreitenden, gegenüber der sozialistischen Arbeiterbewegung jedoch meist kongruenten Intentionen der patriarchalischen Unternehmerschaft, der Regierungen sowie der christlichen Kirchen. Als SPD-Agitatoren begannen, politische Bergarbeiterversammlungen an Grubenstandorten und Wohnorten im Saarrevier abzuhalten, wurde Carl Ferdinand Stumm mit seinem patriarchalischen Regime der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kontrolle ihr entschiedenster Kontrahent. Auf seine Initiative hin beschloss im Jahr 1877 die Mehrheit der Saar-Unternehmer das sogenannte „Sozialistengesetz der Saarindustrie“. In privatökonomischer Prävention auf das BismarckscheSozialistengesetz von 1878 im Reich sah es vor, sozialdemokratische oder der Sozialdemokratie verdächtige Arbeiter umgehend zu entlassen und auch in sonstigen Betrieben an der Saar nicht mehr einzustellen. Indem man Druck auf die jeweiligen privaten Vermieter ausübte, sollte das auch den Wohnungsverlust und damit die Pauperisierung zur Folge haben oder gar den Exodus von Sozialdemokraten aus der Region erzwingen. Parallel dazu wurden sozialdemokratische Redner durch Hausdurchsuchungen und Versammlungsverbote massiv eingeschränkt, von der Polizei in Haft gesetzt und als Rädelsführer zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Sozialdemokratie an der Saar wurde so schnell in die Illegalität getrieben und behalf sich mit der Gründung von Tarnorganisationen. Die ersten Ortsvereine von Gewerkschaften an der Saar entstanden ebenfalls in den 1870er Jahren. An den Gruben und Eisenhütten konnte sich in dieser Zeit wegen der repressiven Verhältnisse an der Saar noch keine Gewerkschaftsgruppe etablieren. Dies erfolgte erst während einer intensiver Phase immer wieder aufflammener Streikaktionen der Saarbergleute in den Jahren von 1889 bis 1893. Gestreikt wurde sowohl im preußischen als auch im bayerischen Staatsbergbau gegen die harten Arbeitsbedingungen und die als unzureichend empfundene Lohnhöhe. Der „Rechtsschutzverein“ in Bildstock (Friedrichsthal) und der dortige Bau des Rechtsschutzsaales, eines der ersten Gewerkschaftsgebäude in Deutschland, verdeutlichen die erste Gründung einer regionalen freigewerkschaftlichen Organisation an der Saar. Im Rahmen der Einweihungsfeierlichkeiten des Rechtsschutzsaales 1892 hieltAugust Bebel eine Rede in Bildstock, im Folgejahr 1893 fand in dem Gebäude die einzigeSPD-Wahlkampfveranstaltung im Saarrevier zurReichstagswahl 1893 statt, auf derWilhelm Liebknecht sprach. Als die Mitglieder des Bildstocker Rechtsschutzvereins (1890–1893) sich über das preußische Gebiet hinaus auch im bayerischen St. Ingbert sowie im lothringischen Forbach etablieren wollten, zerschlugen in einer konzertierten Aktion die staatlichen Stellen Preußens, Bayerns und des Reichslandes Elsaß-Lothringen diese grenzüberschreitenden Bemühungen sehr rasch.[219][220][221][222][223]
Zu Beginn desDeutsch-Französischen Krieges fand im August 1870 unmittelbar an der Stadtgrenze Saarbrückens die für beide Seiten mit großen Verlusten verbundeneSchlacht bei Spichern statt.[224][225][226] Nach der Kriegserklärung des französischen KaisersNapoleon III. gegen Preußen am 19. Juli 1870 hatten sich die preußischen Truppen zunächst aus Saarbrücken zurückgezogen, so dass die französische Armee am 2. August Saarbrücken einnehmen konnte. Die Franzosen errichteten auf denSpicherer Höhen (auf französischem Gebiet) umfangreiche und geschickte Grenzbefestigungen. Dennoch gingen am 6. August 1870 die deutschen Truppen zum Angriff über und konnten nach schweren Verlusten (auf deutscher Seite fielen fast dreimal so viele Soldaten wie auf französischer) die Höhen erobern. Die Schlacht wurde von den Deutschen mit großem propagandistischem Aufwand gefeiert, obwohl sie für den Ausgang des gesamten Krieges nicht von alles entscheidender Bedeutung war.[227] Im Rathaus von Saarbrücken, dem heutigenAlten Rathaus, wurde mit demSaarbrücker RathauszyklusAnton von Werners in Erinnerung an die Kriegsereignisse eine patriotische Gedenkstätte eingerichtet.[228][229] Des Weiteren wurde dasWinterbergdenkmal errichtet. Die Schlacht von Spichern avancierte im Kaiserreich in der patriotischen Sicht der Bevölkerung an der Saar zum fundamentalen saarländischen Beitrag auf dem Weg hin zur Gründung des Deutschen Reiches.[230] Während dieReichseinigung und die Angliederung großer Teile Lothringens und des Elsass an Deutschland an der mittleren Saar für Zustimmung sorgten, blieb die Reaktion jenseits der bisherigen Grenze verhalten bis ablehnend. Die Bewohner des neugegründetenReichslandes Elsaß-Lothringen, erhielten nach den Bestimmungen desFriedensvertrages von Frankfurt die elsass-lothringische Staatsangehörigkeit, hatten aber die Möglichkeit, sich bis zum 1. Oktober 1872 für die Beibehaltung der französischen Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Ursprünglich war vorgesehen, dass diejenigen, die sich für die französische Staatsbürgerschaft entschieden (sogenannteOptanten), ihre Heimat zu verlassen hätten. Sie durften dabei ihr Eigentum mitnehmen bzw. frei veräußern. Insgesamt hatten 160.878 Einwohner des neuen Reichslandes, das heißt etwa 10,4 % der Gesamtbevölkerung, für die französische Staatsbürgerschaft optiert und verließen ihre angestammte Heimat oft nach Innerfrankreich. Der Anteil der Optanten war besonders hoch im Oberelsass, wo 93.109 Personen (20,3 %) erklärten, die französische Staatsbürgerschaft behalten zu wollen, und deutlich geringer im Unterelsass (6,5 %) und in Lothringen (5,8 %).[231] Nach der Bevölkerungszählung des Jahres 1872 hatte die lothringische Nachbarstadt Metz nur noch etwa 33.000 Einwohner, nachdem circa 15.000 Metzer infolge der Annexion ausgewandert waren. Metz übertraf also mit 31,75 % Auswanderern bei weitem die übrigen Gebiete.
Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und der Schlacht bei Spichern vor den Toren Saarbrückens führte die Gründung des Deutschen Reiches und die Angliederung des Reichslandes Elsaß-Lothringens im Frieden von Frankfurt zur Bildung eines großen gemeinsamen Wirtschaftsraumes bis zur neuen französischen Grenze. DerGründerkrach nach demBörsenkrach des Jahres 1873, wobei im Speziellen der Einbruch derFinanzmärkte gemeint ist, ließ die Roheisenpreise an der Saar sinken und es kam zu Absatzschwierigkeiten im Bergbau bis etwa 1880. Reaktion auf diese Krise war die zweite Auswanderungswelle aus dem Saarland, die von 1880 bis 1890 ihre Hochphase erreichte.[232][233] Bis zum Ersten Weltkrieg erlebt die Großregion Saarland-Lothringen-Elsass-Luxemburg nach dieser Phase einen immensen wirtschaftlichen Aufschwung und ein noch nie dagewesenes Bevölkerungswachstum. Zahlreiche neue sozialpolitische Errungenschaften wie dieSozialversicherung und dieKrankenversicherung wurden an der Saar entsprechend der Entwicklung im übrigen Deutschen Kaiserreich eingeführt. Das Land an der Saar verlor seine Grenzlage und es entstand das drittgrößteSchwerindustriegebiet des Deutschen Reiches (nach demRuhrgebiet undOberschlesien), das als „Saarrevier“ und seit den 1890er Jahren meist als „Saargebiet“ bezeichnet wurde.[234]
Die demokratische Partizipation an der Saar war durch das monarchische Prinzip und Bestimmungen wie dem preußischenDreiklassenwahlrecht beschränkt. DiesesWahlsystem wurde in Preußen von 1849 bis zumEnde der Monarchie im Jahre 1918 verwendet, um die Abgeordneten desAbgeordnetenhauses zu wählen. Das Abgeordnetenhaus war diezweite Kammer desPreußischen Landtages. Auch bei den Kommunalwahlen fand das Dreiklassenwahlrecht gemäß derPreußischen Gemeindeordnung Anwendung.[235] Die Bezeichnung rührt daher, dass die Wähler ein nachSteuerleistung in drei Abteilungen („Klassen“) abgestuftes Stimmengewicht besaßen. Wenn man davon absieht, dass nur Männer wählen durften, war es ein allgemeines Wahlrecht. Es war aber grundsätzlich ein ungleiches Wahlrecht, weil die Stimmen je nach Klasse einen sehr unterschiedlichen Erfolgswert hatten. Auf kommunaler Ebene war das Dreiklassenwahlrecht bereits 1845 in derRheinprovinz eingeführt worden.[236] Das Dreiklassenwahlrecht war in der revidiertenpreußischen Verfassung vom 31. Januar 1850 verankert und begünstigte Wohlhabende überproportional.
An der Saar war auch nach 1870 die protestantische Elite aus Unternehmern, Kaufleuten und preußischen Beamten bei gleichzeitig existierender katholischer Bevölkerungsmehrheit politisch und gesellschaftlich tonangebend. Zur Festigung ihrer Position bildete die protestantische Oberschicht auch familiär dichte Netzwerke. Parteipolitisch waren sie meist bei den Nationalliberalen beheimatet. Energischster und profiliertester Vertreter dieser Führungsschicht warCarl Ferdinand von Stumm-Halberg. AlsGeheimer Kommerzienrat,Freiherr, Abgeordneter impreußischen Abgeordnetenhaus,Reichstagsabgeordneter und Gründungsvorsitzender der konservativenDeutschen Reichspartei war er einer der einflussreichsten Männer Preußens[237] und reichsten Personen des Deutschen Reiches.[238] Stumms bestimmender Einfluss auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik Kaiser Wilhelms II. in den 1890er Jahren führte dazu, dass in Berlin von der „Ära Stumm“ gesprochen wurde.Bismarck soll ihn aufgrund seines Einflusses „König Stumm“,Friedrich Naumann ihn wegen seines Reichtums und seines autoritär-patriarchalischen Auftretens „den Scheich von Saarabien“ genannt haben.[239][240][241] Stumm war ein überzeugter Vertreter desObrigkeitsstaates und des konservativenPaternalismus, was sich im Führungsstil des Stahlwerkes deutlich ausdrückte. Das Mildern der sozialen Probleme seiner Arbeiterschaft – wie etwa der Bau von Krankenhäusern, Sozialeinrichtungen und Kirchen aus privaten Mitteln – war Mittel zum Zweck, um sie ruhig und produktiv zu halten. Er gewährte soziale Versorgung und verlangte dafür unbedingten Gehorsam. Dies führte so weit, dass seine Arbeiter ihn vor einer Heirat um Erlaubnis fragen mussten. In seinem Herrschaftskreis gestattete er Arbeitern weder Raum für Eigeninitiativen, noch Möglichkeiten für politische oder gewerkschaftliche Tätigkeiten und galt als militanter Vertreter einer ‚Herr-im-Hause‘-Überzeugung.[242] Zusammen mit Reichskanzler Bismarck und anderen Nationalliberalen vertrat Stumm die Überzeugung, dass der politische Katholizismus mit seiner Zentrumspartei und die Sozialdemokratie den Untergang des protestantisch-preußisch dominierten Deutschen Reiches zum Ziel hätten. Und gegen diese beiden Gegner ging Stumm auch massiv an der Saar vor.
Im Gefolge der gescheiterten Revolution von 1848/1849 war es überall imkatholischen Milieu des Rheinlandes und an der Saar zu einer intensivierten Kirchlichkeit, respektive des Ordens- und Vereinslebens, mit ausgeprägt antipreußischer Stoßrichtung gekommen. Die Einführung des undemokratischenDreiklassenwahlrechtes in Preußen (so befanden sich über 80 % der Bevölkerung des Landkreises Saarlouis in der III. Klasse) beantworteten der gemäßigt liberale Saarlouiser Pfarrer und Dechant Franz Hecking sowie die übrigen Pfarrer des Landkreises Saarlouis mit demonstrativen eigenen Wahlenthaltungen und einem mehr oder weniger verdeckten Aufruf zum Wahlboykott an die Bevölkerung. Die Wahlbeteiligung im katholisch geprägten Landkreis Saarlouis marginalisierte sich daraufhin im Jahr 1849 auf 7,6 %. Insgesamt vermutete das Saarlouiser Landratsamt in einem internen Gutachten vom 6. Dezember 1849 hinsichtlich der politischen Einstellung der Kleriker, dass die Geistlichkeit des Kreises hinsichtlich einer zukünftigen deutschen Reichseinigung dem katholischen HausHabsburg-Lothringen in Wien den Vorzug gegenüber derHohenzollerndynastie in Berlin geben würden. Infolge des Einflusses der Pfarrer würde, so die Befürchtung des Trierer Regierungspräsidenten Wilhelm Sebaldt auf dem Lande ein systematischer Preußenhaß (sic!) erzeugt werden.[243]
Die ursprünglichen Landarbeiter, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus den dünn besiedelten ländlichen Nachbarregionen des Hunsrücks und der Pfalz als Arbeiter in das Industrierevier an der Saar strömten, gehörten nahezu alle der katholischen Konfession an. Fremde Umgebung, ungewohnte, getaktete Industriearbeit, ein neuer Wohnort mit Menschen anderer Mundart sowie die protestantische Oberschicht im Alltag wie am Arbeitsplatz bereiteten ihnen erhebliche Eingewöhnungsschwierigkeiten. In dieser für sie harten Situation war ihr katholischer Glaube der einzige Halt. Die katholische niedere Geistlichkeit, die tagtäglich mit diesen Herausforderungen konfrontiert war und oft selbst der Arbeiterschicht entstammte, versuchte die Neuankömmlinge an einer Politisierung in Richtung sozialistischer Ideen zu hindern. Als alternative Engagementfelder empfahlen sie das Zentrum, die politische Partei des deutschen Katholizismus, katholische Arbeiter- und Gewerkschaftsvereine, religiöse Freizeitvereine sowie die Lektüre eigener katholischer Zeitungen und Schriften. Die dadurch entstehende, in sich geschlossene katholische Sozialwelt bewirkte auf politischer Ebene, dass das Zentrum an der Saar ab der Jahrhundertwende zur stärksten Partei und die katholischen Gewerk- und Arbeitervereine schon vorher zur Konkurrenz der freien Gewerkschaften wurden.[244]
Die wachsenden Auseinandersetzungen zwischen katholischer Kirche und protestantisch orientiertem preußischen Staatswesen erreichten ihren Höhepunkt im sogenanntenKulturkampf ab dem Beginn der 1870er Jahre. Reichskanzler Bismarck vermutete, dass sich die deutschen Katholikenultra-montan, (über die Berge; gemeint sind die Alpen) nach Rom zum Papst statt zum Kaiser und gleichzeitigen protestantischenSummus Episcopus nach Berlin hin orientieren könnten. Zusammen mit ihm argwöhnten die Nationalliberalen einen zu großen Einfluss der katholischen Kirche auf die Erziehung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen. Die Regierung in Trier entzog deshalb Ordensleuten an der Saar die Unterrichtserlaubnis. Die verschiedenen Kulturkampfgesetze betrafen besonders die katholische Geistlichkeit. So wurden etwa Pfarrer Gondorf inIttersdorf und KaplanImand ausDillingen verhaftet und schließlich aus dem Deutschen Reich ausgewiesen. Ebenso wurde der Trierer BischofMatthias Eberhard im Jahr 1874 inhaftiert und anschließend zu einer Geldstrafe von 130.000 Goldmark sowie einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Eberhard starb sechs Monate nach seiner Haftentlassung auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes. Zum Zeitpunkt seines Todes waren 250 Priester vor Gericht gestellt worden und 230 Pfarreien seiner 731 Pfarreien umfassenden Diözese vakant, ca. 100 Priester saßen in Haft, 212 waren ins Ausland geflohen und sämtliche katholische Organisationen wurden polizeistaatlich überwacht.[245] Auf diese staatlichen Maßnahmen folgten zahlreiche Protestveranstaltungen im überwiegend katholisch geprägten Land an der Saar, die zugleich als Parteikundgebungen der Zentrumspartei und Werbeveranstaltung katholischer Vereine organisiert waren.[246]
Eine besondere Dramatik erreichte der Kulturkampf im Saarland in Marpingen: Im Sommer 1876 behaupteten drei achtjährigen Mädchen inMarpingen, Katharina Hubertus, Susanna Leist und Margaretha Kunz, ihnen sei im Härtelwald mehrfach dieJungfrau Maria erschienen. Die erste Erscheinung wollten die Mädchen am 3. Juli 1876, die letzte am 3. September 1877 gehabt haben. Die Berichte überMarienerscheinungen, die von den Kindern später mehrfach widerrufen wurden und von der römisch-katholischen Kirche nicht anerkannt werden, zogen bereits nach wenigen Tagen Tausende vonPilgern an. Bald waren auch andere Menschen, Kinder und Erwachsene, davon überzeugt, die Erscheinung gesehen zu haben, oder berichteten davon, auf wunderbare Weise von Erkrankungen geheilt worden zu sein. Die Menschenansammlungen erregten die Aufmerksamkeit der preußischen Behörden, die daraufhin am 13. Juli 1876 mit Hilfe des Militärs die betende und singende Pilgerschar am Erscheinungsort auflöste. Vor dem Hintergrund des Kulturkampfes zwischen dem Deutschen Kaiserreich und der römisch-katholischen Kirche kam es in der Folge zu Verhaftungen, der Sperrung des Härtelwaldes und zur Einweisung der drei Kinder in eineBesserungsanstalt. Die Marienerscheinungen in Marpingen erregten europaweit Aufmerksamkeit. PrinzessinHelene in Bayern, Erbprinzessin von Thurn und Taxis, Schwester der österreichischenKaiserin Elisabeth, war eine der überzeugtesten prominenten Pilger. Der Ort Marpingen wurde von Anhängern als „deutschesLourdes“ bezeichnet und beschäftigte Gerichte im Rheinland sowie denpreußischen Landtag in Berlin.[247][248][249] Ab Herbst 1876 nahmen die Marpinger Marienerscheinungen in der deutschen Presse einen verhältnismäßig breiten Raum ein. Dabei wiederholten sich die Angriffe der liberalen Presse auf die katholischeVolksfrömmigkeit, wie sie bereits 1844 während der Wallfahrten zumHeiligen Rock in Trier zu beobachten waren. Die einzelnen Berichte in der Presse bedienten sich dabei einerklischeehaften Darstellung der katholischer Volksmassen an der Saar als „pfaffenhörig“ und intellektuell unterentwickelt.[250] Die überregionale liberale Presse sah in dem Ereignis vor allem eineultramontane Verschwörung.[251] Trotz staatlicher Unterdrückung erstarkte in der Folgezeit der Katholizismus an der Saar zahlenmäßig und organisatorisch zunehmend. Das katholische Milieu wurde entschieden gestärkt und die Ressentiments innerhalb der Bevölkerung gegenüber der preußischen Obrigkeit wurden zementiert.[252]
Die Prosperitätsphase an der Saar wurde durch denErsten Weltkrieg, der unmittelbar nach der Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Frankreich in derSchlacht in Lothringen im August 1914 an die Grenzen des Saarlandes heranrückte, jäh unterbrochen. DasKreuz von Saarburg erinnert bis heute an die ersten blutigen Kampfhandlungen beiSaarburg an der oberen Saar. Im Jahr 1916 erreichte der Krieg mit derSchlacht um Verdun, die zu den längsten und verlustreichstenMaterialschlachten des Ersten Weltkrieges zählt, einen grausamen Höhepunkt der Feindseligkeiten in der lothringischen Grenzregion. Im Herbst 1918 wurde die militärische Lage für das Deutsche Reich immer aussichtsloser. Die extremen Belastungen der Bevölkerung durch den mehr als vier Jahre währenden Krieg gipfelte im allgemeinen Schock über die Niederlage. DieNovemberrevolution von 1918/19 führte in der Endphase des Weltkrieges zum Sturz der Monarchie im Deutschen Reich und zu dessen Umwandlung in eineparlamentarischeDemokratie, dieWeimarer Republik.
Auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes endete dieMonarchie mit der Ausrufung der republikanischen Staatsform am 7. November 1918 für den bayerischen Landesteil, am 9. November 1918 für denpreußischen Landesteil und am 11. November 1918 für denoldenburgischen Landesteil. In den größeren Ortschaften an der Saar übernahmenArbeiter- und Soldatenräte die Macht und organisierten Bürgerwehren, so rief in Saarbrücken ein Arbeiter- und Soldatenrat am 9. November 1918 die „Soziale Republik“ aus.[254] Am 22. November marschierten die französischen Besatzungstruppen ein, beendeten die Revolution und richteten als Verwaltungsorgan die „Administration supérieure de la Sarre“ unter General Henri Wirbel ein. Die Kontrolle über die Grubenverwaltung übernahm der „Service du Contrôle des Mines du Bassin de la Sarre“ (seit 1920 „Mines domaniales françaises de la Sarre“).[255] Auch im Nachbarland Elsaß-Lothringen, wo der Landtag am 11. November 1918 die unabhängige Republik ausgerufen hatte, beendete der Anschluss an Frankreich die revolutionären Bestrebungen. In der lothringisch-elsässischen Grenzregion reagierten einige Bevölkerungsteile, insbesondere die katholischen, zunächst enthusiastisch auf den Anschluss an Frankreich, der erklärtes Ziel sämtlicher französischer Politiker seit 1871 gewesen war und der im14-Punkte-Programm desUS-amerikanischen PräsidentenWoodrow Wilson am8. Januar1918 in einer programmatischen Rede vor beiden Häusern desUS-Kongresses so gefordert worden war. Die Begeisterung der Elsässer und Lothringer ließ nach, als die Franzosen begannen, ihreAssimilationspolitik rigoros durchzusetzen und auch die nach 1870 eingewanderte Personen deutscher Abstammung und deren Nachkommenvertrieben. Etwa 250.000 Menschen mussten von Dezember 1918 bis Oktober 1920 das ehemalige Reichsland verlassen.[256][257]
Bei den Verhandlungen der Siegermächte des Ersten Weltkrieges im Jahr 1919 in Versailles hatte der französische MinisterpräsidentGeorges Clemenceau die vollständige Angliederung des Landes an der Saar an Frankreich alsReparation für die im Krieg durch das Deutsche Reich in Frankreich verursachten Kriegsschäden verlangt. Clemenceau konnte sich mit diesem Ansinnen jedoch nicht gegen den US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson durchsetzen, der das Selbstbestimmungsrecht der Saarländer am 28. März 1919 imRat der Vier der mächtigsten Siegernationen (Frankreich, Großbritannien, Italien und USA), betonte. So kam es am 13. April 1919 nach heftigem Streit zwischen Clemenceau und Wilson, der vom britischenPremierministerDavid Lloyd George unterstützt wurde, zu einer Krompromisslösung, nach der ein neu zu schaffendes Saargebiet zeitweilig einer internationalen Regierungskommission unterstellt werden sollte. Erst nach Ablauf einer festzusetzenden Frist sollte die Bevölkerung an der Saar über ihr weiteres Schicksal selbst abstimmen.[258]
An der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung nahm die preußische Bevölkerung an der Saar am 19. Januar 1919 noch teil (Zentrum: 47 %, SPD: 36,6 %,Liberal-demokratischen Arbeitsgemeinschaft: 13,8 %,DNVP: 1,6 %). Die Bürger an der Saar beteiligten sich darüber hinaus auch noch an den Wahlen zum preußischen (26. Januar 1919) und bayerischen Landtag (2. Februar 1919). Damit war erstmals an der Saar auch dasFrauenwahlrecht etabliert. Das Recht blieb der weiblichen Saarbevölkerung auch während der Saargebietszeit erhalten, während im angrenzenden, 1918 französisch gewordenen Lothringen und Elsass die Frauen erst 1944/45 vom Wahlrecht Gebrauch machen durften.[259] Im Nachbarland Luxemburg war das Frauenwahlrecht 1919 eingeführt worden.[260]
Zu Beginn des Jahres 1919 übernahm GeneralJoseph Louis Marie Andlauer die französische Militärverwaltung des Saargebietes. Die Bergleute an der Saar traten Ende März bis Anfang April in einen Streik. Ebenso kam es im Oktober 1919 zu gewalttätigen Demonstrationen mit Todesopfern, sodass General Andlauer den Ausnahmezustand über das gesamte Saargebiet verhängte. Unter seinem Nachfolger Henri Wirbel (der auch sein Vorgänger gewesen war) wurden ab November 1919 zahlreiche Politiker, Journalisten, Beamte und Bürger, die die französische Besatzungspolitik missbilligten, ins Deutsche Reich ausgewiesen.[261]
Nach der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg kam das Gebiet an der mittleren Saar gemäß den Artikeln 45 bis 50 desVersailler Vertrags (Saarstatut), der am 28. Juni 1919 ratifiziert worden war, (dort als „Territoire du Bassin de la Sarre“ oder „Bassin de la Sarre“ bezeichnet; dt. „Saarbeckengebiet“ oder „Saargebiet“) unter die Regierung desVölkerbundes. Die Bezeichnung „Saarland“ oder „Saarlande“ als Pluralbezeichnung wurden parallel verwendet.[262] Das Territorium umfasste die kreisfreie Stadt Saarbrücken, die Landkreise Ottweiler, Saarlouis und Saarbrücken, Teile der Kreise Merzig und St. Wendel (alle Staat Preußen) sowie den bayerischen Bezirk St. Ingbert, elf Gemeinden des bayerischen Bezirkes Homburg und 15 Gemeinden des bayerischen Bezirks Zweibrücken. Die Grenzen des Saarbeckengebietes waren im Artikel 48 des Versailler Vertrages beschrieben worden. Die genaue Grenze zu Bayern legte ein Abgrenzungsausschuss fest, der aus einem internationalen Gremium (Großbritannien, Frankreich,Belgien,Japan, Deutsches Reich) gebildet wurde.[263][264][265][266]
Am 10. Januar 1920 wurde das Saarbeckengebiet mit einemMandat des Völkerbundes für 15 Jahre unter französische Verwaltung gestellt. Das Mandatsgebiet mit einer Fläche von 1912 km² und 770.030 Einwohnern (1927) umfasste den Südteil der preußischen Rheinprovinz und den Westteil der bayerischen Rheinpfalz. Die Grenzziehung orientierte sich an den Wohnorten derBergleute, die in den Kohlengruben des Saarreviers arbeiteten. Kleiner zugeschnitten als das heutige Saarland, gehörten der südlicheHunsrück (Schwarzwälder Hochwald) als sogenannterRestkreis Merzig-Wadern und der nördlicheSaargau zwischen Saar undMosel nicht zum Saargebiet. Im Jahr 1935 sollte laut Versailler Vertrag eineVolksabstimmung über den künftigen Status des Saargebietes stattfinden. In einer freien Abstimmung sollte die Bevölkerung über folgende Möglichkeiten entscheiden:
Wirtschaftlich wurde das Saar(becken)gebiet in das französischeZoll- undWährungsgebiet integriert. Eine Zollgrenze zwischen dem Saargebiet und dem Deutschen Reich war bereits am 7. November 1919 eingerichtet worden. Zwischen 1920 und 1925 war das Saargebiet dann Freihandelszone, bevor es nach fünfjähriger Übergangsfrist nahezu vollständig – ab Juni 1925 gab es Sonderkonditionen – in das Zollsystem Frankreichs eingebunden wurde.[267] Der französische Franc/Franken wurde am 1. Juni 1923 als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. AlsReparationsleistung wurde Frankreich das Eigentum an den Saargruben übertragen. Frankreich erhielt das volle und unbeschränkte, völlig schulden- und lastenfreie Eigentum an den Saarkohlengruben mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht. Damit war der französische Staat größter Arbeitgeber im Saargebiet, was in der Folgezeit Lohntarifauseinandersetzungen oftmals auch zu nationalen Auseinandersetzungen werden ließ.[268][269] Die „Mines Domaniales Françaises de la Sarre“ betrieben 29 Bergwerke, 65 Förderschächte, 88 Hilfsschächte, 26 Kohlewäschen, vier Kohlekraftwerke sowie eine Kokerei.[270]
Die Grubenverwaltung richtete für die Kinder der Beschäftigten sogenannteDomanialschulen ein. Sie wurden von der französischen Bergwerksverwaltung auch für deutsche Volksschulkinder geöffnet oder speziell für diese eingerichtet. Die Domanialschulen dienten als Instrument der französischen Besatzungsmacht im Kontext des auf 15 Jahre befristeten Völkerbundmandats, an dessen Ende die Abstimmung der Saarbewohner über die Zukunft ihres Landes stehen sollte. Die Kinder sollten in den Domanialschulen, in denen auf Französisch und Deutsch unterrichtet wurde, mit der französischen Sprache und Kultur vertraut gemacht werden (‚Pénétration culturelle‘ oder ‚Pénétration pacifique‘), in der Hoffnung, dass sie Jahre später bei der Saarabstimmung 1935 für den Verbleib des Saargebiets bei Frankreich votieren würden.[271][272] Zahlreiche Eltern befürchteten eine indoktrinär-kulturelle Zwangsanpassung des Landes an der Saar an Frankreich. Dielaizistisch orientierten Domanialschulen unterstanden darüber hinaus als bekenntnislose Bildungseinrichtungen nicht dem Einfluss der Kirchen, was der saarländische Klerus missbilligte, denn die traditionelle katholische Prägung der Kinder und Jugendlichen an der Saar schien ihnen dadurch aufs Höchste gefährdet. Die Domanialschulen wurden in den Augen der Kirche als Angriff auf katholische Wertevermittlung wahrgenommen. In dieser Sorge wurden Eltern und Klerus von deutschnationalistischen Kreisen umHermann Röchling unterstützt. Die Lehrerschaft der übrigen Schulen des Saargebietes setzte es sich fortan zum Ziel, die deutschnationale Identitätsbildung ihrer Schüler zu forcieren.[273][274][275]
Der Katholizismus war im Saargebiet die stärkste gesellschaftliche und politische Kraft. Er blieb es bis zum Ende der 1950er Jahre. Etwa 75 % der saarländischen Bevölkerung gehörten in der Saargebietszeit der katholischen Kirche an, und es bestand eine intensive Kirchlichkeit, die das gesamte Leben der Menschen, ihre sozialen, kulturellen und politischen Wertvorstellungen und Verhaltensweisen, bestimmte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Verwurzelung der Menschen im katholischen Milieu demnach überaus stark, wofür auch die sehr hohen Rekrutierungszahlen von Klerikern und Ordensleuten aus den Pfarrgemeinden des Saargebietes Zeugnis ablegten. Zahlreiche katholische Intellektuelle an der Saar waren von der inneren Zielsetzung durchdrungen, durch Bildung und politische Einflussnahme ihre in der Preußenzeit als inferior empfundene Situation zu überwinden. Diese Menschen entstammten meist Arbeiter-, Bauern- und Handwerkerkreisen, die oft als erste ihrer Herkunftsfamilien zu Bildung und kulturellem, sozialem sowie politischem Einfluss gelangt waren und ihre Position mit ungeheurem Elan und Engagement in Konvikten und Priesterseminaren, Lehrerseminaren und Universitäten sowie gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen erkämpft hatten. Dieser Emanzipations- und Partizipationsprozess verlieh der bisher durch eine protestantischeBorussifizierung marginalisierten katholischen Bevölkerungsmehrheit Gewicht und Selbstbewusstsein, was sich in der Bildungsarbeit der katholischen Organisationen an der Saar, der politischen Einflussnahme sowie in großzügigen Gemeindehaus- und Kirchenbauten – mit der kathedralartigenSaarbrücker Michaelskirche als architektonischem Höhepunkt – dokumentierte.[276]
Zur kulturwissenschaftlichen Flankierung des deutschen Anspruchs auf die Rückgliederung des Saargebiets wurde 1926 unterHermann Aubin inFrankfurt am Main dieSaarforschungsgemeinschaft gegründet, welche die Geschichte (zum Beispiel die Herausgabe des „Saaratlas“) sowie die künstlerische und volkskundliche Kultur des Landes an der Saar erfassen und dokumentieren sollte. In diesem Zusammenhang kam es auch von Seiten andererEthnologen zu vermehrter musealer Sammeltätigkeit von Objekten saarländischer, aber auch elsass-lothringischer Volkskunde.[277] Das im Jahr 1908 in Saarbrücken eröffnete „Saarmuseum“ wurde im Jahr 1925 durch seinen LeiterHermann Keuth in das „Heimatmuseum Saarbrücken“ mit dezidiert völkisch-nationaler Konzeption umgewandelt, wobei die nationalkulturelle Vernetztheit des Saargebietes mit dem Rheinland, der Pfalz und Elsass-Lothringen besonders betont wurde. Als Konkurrenz zu diesem Museumskonzept gründete die Regierungskommission des Saargebietes das „Staatliche Museum Saarbrücken“ mit einer umfangreichen Präsentation der vor- und frühgeschichtlichen sowie römerzeitlichen Geschichte des Landes an der Saar. Ergänzt wurde diese historische Schau durch eine moderne Kunstausstellung mit Werken vonWassily Kandinsky,Käthe Kollwitz, Schlemmer,Emil Nolde,Oskar Schlemmer,Otto Dix,Edvard Munch,Pablo Picasso,Henri Matisse sowieAmedeo Modigliani. Darüber hinaus wurden durch das Museum auch zeitgenössische saarländische Künstler – etwaOtto Weil,Richard Wenzel,Mia Münster,Fritz Zolnhofer,Edgar Jené oderFritz Grewenig – des im Jahr 1922 gegründeten „Saarländischen Künstlerbundes“ gefördert.[278] Grewenigs Kunstschule wurde im Jahr 1924 zurStaatlichen Schule für Kunst und Kunstgewerbe Saarbrücken umgewandelt und Grewenig war bis 1936 ihr erster Direktor. Im Jahr 1937 wurde das „Heimatmuseum Saarbrücken“ mit dem „Staatlichen Museum Saarbrücken“ zumSaarlandmuseum vereinigt.[279]
DieRegierungskommission des Saargebietes (Commission de gouvernement du Bassin de la Sarre) übernahm Ende Februar 1920 die Regierungsgewalt im Saargebiet und löste damit die vorherige französische Militärverwaltung ab. Sie residierte im bisherigen Saarbrücker Gerichtsgebäude, der Präsident im bisherigen Saarbrücker Kreisständehaus. Der Kommission gehörten fünf Mitglieder an, und zwar ein Deutscher, der aus dem Saargebiet stammen musste, ein Franzose und drei weitere Mitglieder, die weder Deutsche noch Franzosen sein durften.[280] Die Mitglieder der Regierungskommission wurden vomVölkerbundsrat berufen. Als Präsidenten der Regierungskommission amtierten nacheinanderVictor Rault (26. Februar 1920 bis 18. März 1926, Frankreich),George Washington Stephens (18. März 1926 bis 8. Juni 1927,Kanada),Ernest Wilton (8. Juni 1927 bis 1. April 1932,Großbritannien) sowieGeoffrey Knox (1. April 1932 bis 1. März 1935, Großbritannien). Die Regierungskommission des Saargebietes wirkte durch ihre Verwaltungsorganisation, die der einer Regierung entsprach. Sie gliederte sich in verschiedene ministeriumsähnliche Ressortbereiche.[281][282][283][284]
Im August 1920 kam es zu einem umfangreichen Beamtenstreik aus versorgungspolitischen Gründen und aus Widerstand gegen die Pflicht, den Amtseid auf die Regierungskommission abzulegen. Die Regierungskommission reagierte darauf mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes, einem vorübergehenden Erscheinungsverbot der prodeutschenSaarbrücker Zeitung und mit Ausweisungen aus dem Saargebiet. Infolge des Streiks trat das saarländische Mitglied der Regierungskommission Alfred von Boch (1860–1943) von seinem Amt zurück und wurde durch den frankreichfreundlichen Saarlouiser Bürgermeister Jakob Hector ersetzt.[285]
Zur Forcierung der Elektrifizierung des Saargebietes wurde im Jahr 1921 dieSaarland-Lothringen-Elektrizitäts-AG aus Vorgängerorganisationen gegründet.[286] Im September 1928 wurde der Flughafen St. Arnual mit der Einrichtung der Fluglinien Saarbrücken-Frankfurt und Saarbrücken-Paris eröffnet. Er war allerdings nur als Provisorium gedacht, da man bereits die Planungen für einen größerenFlughafen in Ensheim begonnen hatte.[287] Die Medizin und das Gesundheitswesen an der Saar entwickelten sich in den 1920er Jahren stark. Die bestehenden Krankenhäuser wurden ausgebaut und modernisiert. Zur Förderung der Hygiene wurde ebenso die Wasserversorgung ausgebaut, öffentliche Bäder errichtet und die städtischen Müllabfuhren reformiert. Die Sanitärprodukte der Firma Villeroy & Boch trugen wesentlich zu einer Demokratisierung der heimischen Hygiene bei.[288][289][290][291]
Auf Drängen der Bevölkerung richtete man am 24. März 1922 erstmals den Landesrat (30 Abgeordnete) als beratende Volksvertretung der Saarbevölkerung ein. Die Wahl zum ersten Landesrat fand am 25. Juni 1922 statt (Zentrum: 47,7 %, SPD: 15,1 %, LVP: 12,8 %, HuL: 8,3 %, KPD: 7,5 %, DDP: 3,9 %, MuK: 2,1 %, USPD: 1,5 %). Erster Präsident des Landesrates wurde der ZentrumspolitikerBartholomäus Koßmann.[292][293][294][295][296][297]
Vom 5. Februar bis zum 15. Mai 1923 kam es zum bisher längsten Arbeitskampf in der saarländischen Geschichte. Ging es äußerlich betrachtet zunächst noch um einen Lohnkampf, so trat doch zunehmend die Unterstützung des Protestes gegen die französischeBesetzung des Ruhrgebietes am 11. Januar 1923 in den Fokus. Auch die Arbeiterparteien SPD und KPD unterstützten den prodeutschen Protest im Saargebiet. Regierungskommissionspräsident Rault ließ Militär gegen die Streikenden aufmarschieren, die Presse wurde zensiert,[298] Notverordnungen wurden erlassen, und es kam zu Kündigungen. Das kanadische Regierungskommissionsmitglied Richard Deans Waugh trat unter Protest gegen diese – von ihm als rücksichtslos und unreflektiert empfundenen – Maßnahmen von seinem Amt zurück. Ebenso tadelte der Völkerbund die Notverordnungen der Regierungskommission. Die Einführung des französischen Franken als alleiniges Zahlungsmittel im Saargebiet befriedete den Konflikt mit der Zeit. Die Bergleute profitierten von der neuen Währung gegenüber der inflationärenMark. Der hunderttägige Streik kann nicht nur als Ausdruck für die nach wie vor schwierige Versorgungslage weiter Teile der Bevölkerung an der Saar gewertet werden, sondern auch für defizitäres Entgegenkommen der französischen Politiker gegenüber dem ehemaligen Kriegsgegner.[299][300][301]
Die von deutscher Seite stark geförderte und von der Regierungskommission stark missbilligteJahrtausendfeier der Rheinlande im Juni 1925, geprägt durch überbordenden Fahnenschmuck, Theateraufführungen, Fackelzüge und Sonnwendfeiern, ließ mit ihrem Bekenntnis zu deutschem Volk und Reich auch für den letzten Unentschlossenen deutlich zu Tage treten, wie eine spätere Volksabstimmung an der Saar zweifellos ausgehen werde. Historischer Hintergrund des deutschnationalen Propagandafestes war das im Jahr 921 zwischen demostfränkischen KönigHeinrich I. und demwestfränkischen KönigKarl III. geschlossene Friedensabkommen (Vertrag von Bonn). In der Folge hatte sich im Jahr 925 derlothringische HerzogGiselbert dem ostfränkischen König unterworfen. Lothringen war damit als fünftesStammesherzogtum dem Ostfränkischen Reich (dem späterenHeiligen Römischen Reich) eingegliedert worden. Dieses Ereignis wurde nun von deutschnationaler Seite propagandistisch als Anschluss Lothringens, des Saargebietes und der gesamten Rheinlande an ein „deutsches Reich“ gedeutet. Das Hissen der an den Obrigkeitsstaat des Kaiserreichs gemahnenden schwarz-weiß-roten deutschen Flagge an den Häusern des Saargebietes dokumentierte den Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung, das Rad der Geschichte wieder in Richtung Deutschland zurückzudrehen.[302] In ähnlicher Weise wurde im Jahr 1932 in Homburg die Jahrhundertfeier desHambacher Festes von 1832 zur Bekenntnisfeier für die Rückkehr des Saargebietes zu Deutschland instrumentalisiert.[303]
Besonders die Besetzung des Saar(becken)gebietes durch französischeKolonialtruppen (etwa 25 % der Besatzungstruppen stammten aus Afrika und warenmuslimischen Glaubens) wurde als tiefe antizivilisatorische Erniedrigung, als „Schwarze Schmach“, empfunden und bestärkte die Bevölkerung des Saargebietes in ihrem Wunsch, insDeutsche Reich zurückzukehren. So meinte diesbezüglich auch der deutscheReichspräsidentFriedrich Ebert in einer Rede am 13. Februar 1923, „[d]aß die Verwendung farbiger Truppen niederster Kultur als Aufseher über eine Bevölkerung von der hohen geistigen und wirtschaftlichen Bedeutung der Rheinländer eine herausfordernde Verletzung der Gesetze europäischer Zivilisation ist […]“[304] Der französischen Regierung in Paris war diese Sichtweise bewusst und ihr Handeln war als absichtsvoll-rassistische Provokation gedacht. Von der Bevölkerung an der Saar wurden die oft aus Marokko stammenden Besatzungstruppen als „Mockscher“ (verballhornt von französisch „Marocains“) bezeichnet.
Ab 1927 wurden auch Briten und Belgier als Schutztruppen eingesetzt, 1930 zogen die letzten Besatzungstruppen ab.[305] Die politische Unruhe in der Bevölkerung des Saargebietes aufgrund der politischen Situation und der wirtschaftlichen Not infolge derWeltwirtschaftskrise ab 1929 gipfelte in mehreren großen Streiks und Demonstrationen der Bergarbeiter und Beamten. Sämtliche saarländischen Parteien unterstützten bis zum Amtsantritt Hitlers alsReichskanzler am 30. Januar 1933 den Rückkehrwunsch. Bereits im Oktober 1922 hatte sich in Saarbrücken eine erste Ortsgruppe derNSDAP gegründet. Nach dem MünchenerHitlerputsch war die Saar-NSDAP verboten und erst 1926 unter Auflagen wieder erlaubt worden. Im Januar 1931 verbot die Regierungskommission das Tragen von NS-Parteiuniformen, im Folgejahr 1932 die paramilitärischen Organisationen der NSDAP. Hinsichtlich ihrer Mitgliederzahlen war die Saar-NSDAP in den 1920er Jahren aufgrund der Stärke des politischen Katholizismus an der Saar nur eine Kleinstpartei. Sie löste sich am 26. Februar 1934 offiziell zugunsten der sogenannten „Deutschen Front“ auf, die sich offiziell überparteilich gab, aber von der NS-Regierung in Berlin ferngesteuert wurde.[306] Die Deutschnationale Partei, die deutsch-saarländische Volkspartei, die deutsch-bürgerliche Mitte, das katholische Zentrum sowie die NSDAP-Saar schlossen sich am 14. Juli 1933 zur „Deutschen Front“ zusammen, die den Anschluss an das Deutsche Reich propagierte. Das Zentrum, das bisher im überwiegend katholisch geprägten Saargebiet die stärkste politische Kraft gewesen war, neutralisierte sich mit dem Aufgehen in der „Deutschen Front“ praktisch selbst und ordnete sich damit den Interessen Hitlers hinsichtlich der Saar unter.[307] Als quasi hymnischer Bekenntnisgesang wurde allenthalben auf den prodeutschen Veranstaltungen eine Neutextung desSteigerliedes unter dem Titel „Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar“ populär, die 1920 von dem Saarbrücker LehrerHanns Maria Lux gedichtet worden war.
Bis zur Machtübernahme der nationalsozialistischen Regierung im Deutschen Reich am 30. Januar 1933 gab es keine Frage, wie sich die Saarbevölkerung bei der anstehenden Saarabstimmung entscheiden würde. Die im Versailler Vertrag nach 15 Jahren vorgesehene Abstimmung über die politische Zukunft des Saargebietes schien für die Zeitgenossen nur eine Formsache zu sein. Bei allen relevanten politischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen im Saargebiet bestand im Hinblick auf die Abstimmung des Jahres 1935 Einigkeit hinsichtlich der Wiedervereinigung mit dem deutschen Vaterland. Selbst Frankreich rechnete fest mit dem Verlust der Abstimmung und schloss am 3. Dezember 1934 inRom einen Rückgliederungsvertrag mit der deutschen Regierung, bei der das Deutsche Reich 900 Millionen Franc an Paris für den Rückkauf der Saarbergwerke und Eisenbahnlinien des Saargebietes zahlen sollte.[308] Das an der Westgrenze des Saargebietes von Frankreich auf eigenem Territorium ab 1930 gebaute Verteidigungssystem derMaginot-Linie zementierte die Vorahnung Frankreichs hinsichtlich des drohenden Verlustes des Saargebietes.
Mit der sogenanntenMachtergreifung der NSDAP unterAdolf Hitler imDeutschen Reich änderte sich im Jahr 1933 die Politik derSaar-SPD im Saargebiet. Sie propagierte nun unter ihrem ParteivorsitzendenMax Braun, der die Regierung Hitlers öffentlich als „Blut- und Henkerregime“ brandmarkte, denStatus quo, also die Beibehaltung der Mandatsverwaltung im Saargebiet bis zum Sturz von Hitlers Diktatur. Erst nach der Rückgewinnung der Demokratie in Deutschland sollte die Rückgliederung des Saargebietes an das Deutsche Reich erfolgen. Die Saar-SPD versuchte beim Völkerbund eine Verschiebung der Saarabstimmung um 5 bis 10 Jahre zu erreichen, bis Hitler – so die Hoffnung – nicht mehr an der Macht sei.
Gleichzeitig verstärkte die NS-Regierung in Berlin ihre propagandistische Maßnahmen, um auf die Saarbevölkerung politisch einzuwirken. In geschickter Weise warfen die „Deutsche Front“ und die NSDAP allen, die wegen der diktatorischen Verhältnisse im Deutschen Reich an einer Entscheidung für die Rückkehr nach Deutschland zweifelten oder sie ablehnten, nationalen Verrat undSeparatismus vor. Sie verkürzten die Abstimmungsfrage der Saarabstimmung auf die Alternativen „Deutsches Vaterland“ oder „französischer Erbfeind“. Damit wurde ganz bewusst von den konkreten undemokratischen Zuständen in Deutschland zugunsten einer rein emotional-nationalen Entscheidung abgelenkt. Die antisemitischen Maßnahmen im Reich ließen auch an der Saar eine judenfeindliche Stimmung aufkommen.[309][310] Von Berlin aus gesteuert, rollte eine gewaltige Propagandawelle mit Broschüren, Presseartikeln, Büchern, Ausstellungen, Radiosendungen des Reichsrundfunkes und Filmberichten durch das Land an der Saar und das gesamte Deutsche Reich. Am 27. August 1933 veranstaltete die NS-Regierung zusammen mit dem „Bund der Saarvereine“ amNiederwalddenkmal oberhalb der StadtRüdesheim am Rhein eine politische Saarkundgebung mit weit über 80.000 Teilnehmern, bei der Hitler vor einer begeisterten Menge den Anschluss des Saarlandes an das Deutsche Reich forderte.[311] Der „Bund der Saarvereine“ war bereits im Jahr 1919 als Organisation gegründet worden, die sowohl im Saargebiet als auch im gesamten Deutschen Reich die nationale Zusammengehörigkeit des Saargebietes und Deutschlands propagierte.[312] Im November 1933 beauftragte Hitler VizekanzlerFranz von Papen, der mit der WallerfangerinMartha von Papen verheiratet war, zum „Saarbevollmächtigten“ der Reichsregierung. Am 6. Mai 1934 organisierteNS-ReichspropagandaleiterJoseph Goebbels in Zweibrücken an der unmittelbaren Grenze des Saargebietes mit dem sogenannten „Tag der deutschen Saar“ eine prodeutsche Massenveranstaltung, bei der angeblich 200.000 „Saardeutsche“ teilnahmen. Am 26. August 1934 sprach Adolf Hitler bei derKoblenzer Saarkundgebung vor angeblich 150.000 Zuhörern, während Max Braun von der Saar-SPD undFriedrich Pfordt von der Saar-KPD inSulzbach auf einer antifaschistischen Gegendemonstration vor 60.000 Menschen gegen den Anschluss des Saargebietes an NS-Deutschland redeten. Hauptorganisator der antifaschistischen Kundgebung vom 26. August 1934 warRichard Kirn, der spätere stellvertretende Ministerpräsident des Saarlandes in der Nachkriegszeit.
Die Saar-KP nahm unnachgiebig gegen die Errichtung der offen faschistischen Diktatur Stellung, blieb aber in der Rückgliederungsfrage zunächst bei der Forderung nach bedingungsloser Rückgliederung an das Deutsche Reich. Erst im Sommer 1934, also nur sechs Monate vor der Saarabstimmung, hatte sich die Saar-KP unter Friedrich Pfordt auf Weisung derKommunistischen Internationalen zum Zusammengehen mit der Saar-SPD unter Max Braun und Rückkehrgegnern des katholischenZentrums wie Johannes Hoffmann in einer „Einheitsfront“ gegen Hitler und für die Beibehaltung des „Status Quo“ durchgerungen. Innerhalb desKommunistischen Jugendverbandes Deutschlands engagierte sich der junge WiebelskircherErich Honecker in Zusammenarbeit mitHerbert Wehner stark für den „Status Quo“. Die „Einheitsfront“ hoffte, Hitler an der Saar zu schlagen und damit auch im Deutschen Reich das Ende der nationalsozialistischen Diktatur einzuleiten, wie es etwa im „Saarlied“ vonBertolt Brecht undHanns Eisler aus dem Jahr 1934 gefordert wurde.
Die politischen Richtungskämpfe in der Zentrumspartei des Saargebietes und in den christlichen Saar-Gewerkschaften entschied der prodeutsche Flügel um den Führer der christlichen Bergarbeiter, der Landesratsabgeordnete der Zentrumspartei Peter Kiefer, für sich. Er befürwortete bedingungslos die Kooperation mit der NSDAP und forcierte eine Integration der katholischen Organisationen in der „Deutschen Front“. Daraufhin folgte im Oktober 1933 die Selbstgleichschaltung und Auflösung der katholischen Saar-Zentrumspartei sowie die Unterstellung der christlichen Gewerkschaften und der katholischen Zeitungen unter die Führung der „Deutschen Front“. Johannes Hoffmann, der Chefredakteur der katholischen „Saarbrücker Landeszeitung“, lehnte das NS-System in erster Linie aufgrund der Verfolgung oppositioneller Katholiken und der katholischen Verbände ab. Nach seiner politisch bedingten Entlassung bei der Landeszeitung gab Hoffmann ab Mai 1934 die „Neue Saar-Post — Unabhängige Tageszeitung für christliche und deutsche Kultur“ heraus. Sie bezog offen Stellung gegen den Terror des NS-Regimes. Das offene Eintreten der katholischen Bischöfe von Trier und Speyer,Franz Rudolf Bornewasser undLudwig Sebastian, sowie des überwiegenden Teiles des Klerus an der Saar für die Rückgliederung des Saargebietes zum Deutschen Reich, auch zu Hitlerdeutschland, schwächte den Kampf der katholischen Opposition entscheidend.[313][314] Ab September 1934 rief die »Neue Saar-Post« offen für den Erhalt des Status quo auf, ebenso wie die erst am 30. November 1934 gegründete oppositionelle Partei „Deutscher Volksbund für christlich-soziale Gemeinschaft“, die kaum noch Wirkung entfalten konnte. Eine effektive Kooperation der katholischen „Status-quo-Bewegung“ mit der Einheitsfront von Saar-SPD und Saar-KP kam nicht zustande, da die ideologischen Vorbehalte der Katholiken gegenüber den Kommunisten nicht zu überbrücken waren. Die Rednerauftritte einiger weniger katholischer Geistlicher auf Veranstaltungen der Einheitsfront, etwa von PaterHugolinus Dörr am 26. August 1934 in Sulzbach, blieben die absolute Ausnahme.[315][316][317]
Die fünfzehnjährige „Heim ins Reich“-Politik aller übrigen saarländischen Parteien konnten bis zurVolksabstimmung am 13. Januar 1935 nicht mehr ausgeglichen werden. Auf jeden, der für die Beibehaltung des „Status quo“ plädierte, wurde zum Beispiel in den Werken Hermann Röchlings, massiver Druck ausgeübt. Drohbriefe erreichten die Redaktion der sozialdemokratischen Parteizeitung „Volksstimme“ und ein (missglücktes) Bombenattentat auf deren Chefredakteur Max Braun wurde verübt. Im August 1934 war NS-GauleiterJosef Bürckel zum Saarbevollmächtigten der Reichsregierung ernannt worden.[318] Er agierte im Saargebiet durch seineStrohmännerAlois Spaniol undJakob Pirro.[319] Aufgrund der aufgeheizten und gewaltbereiten Situation an der Saar musste der Völkerbund in Genf im Vorfeld der Saarabstimmung internationale Schutztruppen (Italien, Schweden, Großbritannien, Niederlande) zur Beruhigung der Lage entsenden. Zahlreiche Saarländer, die zum Zeitpunkt der Abstimmung im Ausland oder im Deutschen Reich ansässig waren, wurden extra zur Stimmabgabe ins Saargebiet gebracht. Der „Ordnungsdienst“ der „Deutschen Front“ schüchterte in den Tagen vor der Abstimmung die Bevölkerung ein und brachte selbst Alte und Kranke zu den Urnen. Die Regierungskommission des Saargebietes hatte im Vorfeld der Abstimmung jede Propaganda untersagt, worauf die „Deutsche Front“ allenthalben Plakate mit der Aufschrift „Maulhalten ist die erste Bürgerpflicht“ in Stellung brachte. Die überwältigende Mehrheit der Abstimmungsberechtigten nahm Hitler nicht als ernste Gefahr wahr oder befürwortete sogar seine Politik. So stimmten dann am 13. Januar 1935 bei einer Wahlbeteiligung von 98 % 90,73 % für eine Vereinigung mit Deutschland, 8,86 % für den Status quo und nur 0,4 % der Wähler für eine Vereinigung des Saargebietes mit Frankreich. Die Auszählung der etwa 500.000 Stimmzettel und die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses hatten im evangelischen Gemeindehaus, der sog.Wartburg stattgefunden. An dieses Ereignis erinnern im Saarland bis heute mehrere Straßen mit dem Namen „Straße des 13. Januar“ (unter anderem in Saarbrücken, Völklingen und Blieskastel). Nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses und der Aufhebung des Propagandaverbotes verwandelten sich die Straßen des Saargebietes in Fahnenwälder aus Hakenkreuzflaggen, und Massenansammlungen zeigten der versammelten in- und ausländischen Presse[320][321] sowie den internationalen Schutztruppen unter Absingen desHorst-Wessel-Liedes euphorisch denHitlergruß. Die Redaktion der „Volksstimme“ wurde geplündert und an vielen Orten erhängte man symbolisch Max-Braun-Puppen an Straßenlaternen und Masten.
Ab 1933 war das Saargebiet zum Zufluchtsort vieler im Deutschen Reich Verfolgter geworden, allen voran Juden, Kommunisten und Sozialdemokraten, aber auch von Oppositionellen beider christlicher Konfessionen. Man schätzt, dass zwischen 5000 und 6000 Menschen das Saargebiet als Exilgebiet nutzten. Durch seine Sonderstellung war das Saargebiet des Weiteren ein wichtiger Drehpunkt für das Einschleusen antirassistischer Propaganda ins Deutsche Reich. Nach dem deutlichen Mehrheitsergebnis für den Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland flohen mehrere Tausend Gegner des Nationalsozialismus und von Verfolgung Bedrohte aus dem Saargebiet, vor allem nach Frankreich, wie etwa Johannes Hoffmann, der spätere ersteMinisterpräsident des Saarlandes, der unmittelbar nach Hitlers „Machtergreifung“ massiv Stellung gegen das NS-System bezogen hatte,Erich Weinert,Gustav Regler oder Erich Honecker, der in der Nachkriegszeit wichtige politische Funktionen in derDeutschen Demokratischen Republik übernahm.[322][323] Für das NS-Regime war der überwältigende Sieg bei der Volksabstimmung im Saargebiet am 13. Januar 1935 ein erster großer außenpolitischer Erfolg. Das Datum dieser Niederlage der Alliierten im Kampf um Demokratie und Freiheit blieb nicht unvergessen: Genau am zehnten Jahrestag der Saarabstimmung, am 13. Januar 1945, bombardierten die Alliierten in einem letzten großen britischen Bombenangriff Saarbrücken.
Das Saargebiet gehörte ab dem 1. März 1935 wieder uneingeschränkt zum Deutschen Reich, was im Rahmen eines großen propagandistischen Massenspektakels mit Aufmärschen in Anwesenheit von Adolf Hitler, Joseph Goebbels, Heinrich Himmler sowie der Bischöfe von Trier und Speyer – Bornewasser und Sebastian – vor demRathaus St. Johann in Saarbrücken gefeiert wurde. Allenthalben kam es im Gefolge der Angliederung zu politisch motivierten Straßenumbenennungen. Das Land an der Saar wurde aber – entgegen der Erwartung vieler Zeitgenossen – nicht wieder an Preußen und Bayern zurückgegliedert, sondern blieb als politische Einheit unter dem neuen Namen „Saarland“ erhalten (Reichsland Saarland).[324][325] In der Parteiorganisation der NSDAP bildete es zusammen mit der bayerischen Pfalz denGau „Saar-Pfalz“. Das Saarland wurde durchJosef Bürckel, ab 1935 zunächst alsReichskommissar, ab August 1940 dann alsReichsstatthalter in Saarbrücken verwaltet. Diesem waren auch die Pfalz und ab 1940 das deutsch besetzteLothringen unterstellt.[326]
Der förmliche Zusammenschluss dieser drei Verwaltungseinheiten zum geplantenReichsgau Westmark ist aber nicht mehr zustande gekommen. Nach der Rückgliederung des Saargebiets in das Deutsche Reich infolge der Abstimmung 1935 wurde der „Reichssender Saarbrücken“ als Teil der „Reichs-Rundfunk GmbH Berlin“ gegründet. Bereits im Jahr 1929 war eine erste Rundfunksendung aus dem Saarland gesendet worden. In der Nachkriegszeit wurde aus dem Reichssender das „Radio Saarbrücken“ aus der dann derSaarländische Rundfunk hervorging.
Das neue „Gautheater (Westmark)“ in Saarbrücken, das heutigeSaarländische Staatstheater, wurde in den Jahren 1937 und 1938 nach Entwürfen vonPaul Otto August Baumgarten im neoklassizistischen Stil erbaut und mit großem propagandistischen Pomp eingeweiht. Offiziell wurde es demSaarland von Hitler für das Abstimmungsergebnis im Jahr 1935, mit dem die Saarländer sich für eine Angliederung an das Deutsche Reich entschieden hatten, „geschenkt“, wobei dann doch ein Großteil von der Stadt Saarbrücken finanziert werden musste. Das Gebäude sollte nach dem Willen der Machthaber an der Grenze des Deutschen Reiches als „kulturelles Bollwerk“ gegen Frankreich dienen.
Die Grubenbetriebe der „Mines Domaniales Françaises de la Sarre“ wurden am 1. März 1935 in den Reichsbergwerksbesitz überführt und vom OberbergamtBonn verwaltet. Dieses überführte die Saargruben am 13. Dezember 1935 in eine Reichsaktiengesellschaft, die Saargruben AG, mit einer alleinigen Inhaberschaft des Deutschen Reiches. Im Zuge der kriegsvorbereitenden Autarkiebestrebungen wurden die Saargruben durch den Einsatz von großen Schrämmaschinen, Ladegeräten, neuen Sicherheitsvorkehrungen und silikoseverringernden Spülbohrern zu den modernsten Gruben in Europa ausgebaut. Im Kriegsjahr 1941 erreichte die Kohlenförderung an der Saar 14.431.000 Tonnen.[327]
Unmittelbar nach der NS-Machtübernahme war es bereits zu Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung des Saarlandes gekommen. Ihre Vorfahren hatten sich zur Zeit des Ancien Régimes im Kurtrierischen, in Ostfrankreich und im Saarbrücker Umland gegen die Zahlung von Schutzgeldern niederlassen dürfen. Innerhalb der saarländischen Städte waren sie der bürgerlichen Schicht zugeordnet. Hier hatten sie Warenhäuser, Kreditinstitute und mittelständische Fabriken gegründet. Auf dem Land dominierten sie den Agrarhandel. Die antijüdischenNürnberger Gesetze traten im Saarland mit Zeitverzögerung erst im März 1936 in Kraft. Das hatte zur Folge, dass die Juden aus dem öffentlichen Leben an der Saar verdrängt und ihre Geschäfte weit unter Wert „arisiert“ wurden. Im Jahr 1938 wurden im ganzen Land im Zuge dersogenannten Reichskristallnacht Synagogen niedergebrannt, jüdische Friedhöfe geschändet und es kam zu brutalen antisemitischen Exzessen durch örtlicheSS-Einheiten und auch von Teilen der saarländischen Zivilbevölkerung. Im Jahr 1933 lebten im Saarland etwa 4600 Juden. Aufgrund von Emigration waren es zu Beginn des Krieges nur noch etwa 500. NS-Gauleiter Bürckel ließ sie zusammen mit pfälzischen und badischen Juden ab Sommer 1940 im Rahmen derWagner-Bürckel-Aktion in Zusammenarbeit mitfranzösischen Kollaborateuren in das von derVichy-Regierung betriebeneCamp de Gurs am Fuß derPyrenäen deportieren. Die meisten dieser Häftlinge wurden, soweit sie unter den extremen Bedingungen, die zu einer hohenMortalitätsrate führten, bis dahin überlebt hatten, anschließend von dort ab August 1942 erneut deportiert und in denGaskammern derVernichtungslager von KZ-Schergen ermordet, was den französischen Behörden bewusst war. Damit hatte Bürckel sein ehrgeiziges Ziel erreicht und das Saarland „judenfrei“ gemacht. Insgesamt wurden ca. 700 Saarländer jüdischen Glaubens im Rahmen der nationalsozialistischen Verfolgung ermordet. Nur wenige Überlebende kehrten nach 1945 ins Saarland zurück.[322][323][328][329]
Darüber hinaus wurden saarländischeZigeuner (Sinti und Roma) und Menschen mitgleichgeschlechtlicher Orientierung aus rassistisch-ideologischen Gründen inKonzentrationslager verschleppt und ermordet. Etwa 3000 Saarländer wurden von den NS-Behörden als erbkrank eingestuft und 2400 von ihnenzwangssterilisiert. Die Patienten derIrrenheilanstalt Merzig sowie die des Landeskrankenhauses Homburg wurden nach Hessen verbracht und dort sämtlich getötet. Vorläufigen Listen zufolge sind die Opferzahlen innerhalb des Saarlandes mit etwa 700 zu beziffern.[330][331] Der Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser missbilligte öffentlich diese Tötung psychisch Kranker im Jahr 1941. Die Maßnahmen gegen die Juden ließ er in der Öffentlichkeit unerwähnt. Gemeindliche Laienorganisationen der beiden christlichen Kirchen im Saarland wurden im Jahr 1937 verboten und dieKonfessionsschule abgeschafft.
Dennoch existierten im Untergrund weiterhin christliche Jugendgruppen, wie der sogenannte „Graue Orden“. Unter der Führung des aus Elversberg stammendenFritz Leist erfasste der von den GedankenRomano Guardinis geprägte Bund mehrere hundert Mitglieder in ganz Süd- und Westdeutschland. Anfang 1938 verhaftete die Gestapo führende Mitglieder des „Grauen Ordens“, unter ihnen Leist undWilli Graf. Nach etwa drei Monaten wurden alle aufgrund einer nach demAnschluss Österreichs an das Deutsche Reich ergangenenAmnestie entlassen. Die beiden Saarbrücker Studenten Graf undHeinrich Bollinger schlossen sich im Jahr 1942 der WiderstandsorganisationWeiße Rose an. Willi Graf wurde am 19. April 1943 wegenHochverrats,Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung vomVolksgerichtshof unter VorsitzRoland Freislerszum Tode verurteilt. Anders als bei den Geschwistern Scholl undChristoph Probst wurde das Urteil jedoch nicht sofort vollstreckt, da dieGestapo noch monatelang erhoffte, in Verhören Namen von Mitverschwörern aus ihm herauszupressen. Am 12. Oktober 1943 wurde Graf imGefängnis Stadelheim mit demFallbeilenthauptet.[332][333] Jegliche oppositionelle Haltung gegen das NS-Regime innerhalb der beiden christlichen Kirchen wurde mit Hausdurchsuchungen, Festnahmen, Versetzungen und KZ-Haft im Keim erstickt. Gegen Oppositionsreste innerhalb der früheren Sozialdemokratie und des Kommunismus ging das diktatorische Regime ebenso hart vor.[334]
Der auf französischer Seite als Verteidigungssystem gebautenMaginot-Linie wurde auf deutscher Seite seit 1936 als Verteidigungslinie derWestwall entgegengestellt. Bereits am 7. März 1936 hatte Hitler die bisher entmilitarisierte Zone auf dem linken Rheinufer entgegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages durch deutsche Truppen besetzten lassen. Im März 1936 wurden Saarlouis und Saarbrücken wieder Garnisonsstädte. Im St. Johanner Stadtwald errichtete man dazu ein großes militärisches Areal, die Below-Kaserne, die seit der Nachkriegszeit die Universität des Saarlandes beherbergt.[335]
Zu Beginn desZweiten Weltkrieges wurde ein zehn Kilometer breiter Streifen entlang der Reichsgrenze, die sogenannte „Rote Zone“ von der Zivilbevölkerung geräumt. Die innerhalb der Zone Wohnhaften wurden im Rahmen des „Sicherungsmarsches West“ meist nach Hessen und Thüringen ausgesiedelt. Entsprechend wurde auch auf französischer Seite in Lothringen geräumt. Hier wurden die Menschen nach Innerfrankreich evakuiert. Während des sogenanntenSitzkrieges stießen französische Truppen im September 1939 bis zu acht Kilometer auf deutsches Gebiet vor und hielten zwölf Ortschaften der geräumten saarländischen Grenzregion bis Mitte Oktober 1939 besetzt.[336][337] Am 14. Juni 1940 kam es zum deutschen Angriff an der Saarfront, und die Maginotlinie wurde durchbrochen. Erst nach dem siegreich beendetenFrankreichfeldzug durfte die „Rote Zone“ des Saarlandes im Jahr 1940 wiederbesiedelt werden. Die Rückkehrer fanden ihre Wohnungen und Häuser meist in einem von einquartierten Soldaten der Deutschen Wehrmacht verwüsteten und geplünderten Zustand vor. Durch die Annexion Lothringens, des Elsasses und Luxemburgs war die Großregion dem deutschen Herrschaftsbereich unterstellt.
Mehrere zehntausend Menschen aus ganz Europa wurden ins Saarland verschleppt und dort in Betrieben als Zwangsarbeiter eingesetzt, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen hart arbeiten mussten und oft misshandelt wurden. Die Zwangsarbeiter lebten außerhalb ihrer Arbeitszeit meist in bewachten Barackenlagern. Auch in Privathaushalten wurden Zwangsarbeiter eingesetzt. Zwangsarbeiter- und Gefangenenlager gehörten während des Zweiten Weltkrieges zum saarländischen Alltagsbild.[338]
DasGestapo-LagerNeue Bremm bei Saarbrücken an derGoldenen Bremm beiSaarbrücken wurde ab 1940 zunächst alsArbeitslager für Fremd- undZwangsarbeiter, dann fürKriegsgefangene genutzt; teilweise auch zur „Auslagerung“ von Gefangenen aus dem Saarbrücker GefängnisLerchesflur. Das für Frauen und Männer bestimmte Holzbarackenlager diente auch als Durchgangslager für das KonzentrationslagerNatzweiler-Struthof im Elsass, dasKZ Dachau,Mauthausen,Buchenwald,Ravensbrück u. a. Das Lager „Neue Bremm“ bestand bis zum Einmarsch der US-Truppen im Winter 1944/45. Die Häftlinge – unter anderem ausFrankreich, derSowjetunion,Polen undEngland – wurden gequält, misshandelt und zum Teil getötet. Die Zahl der Ermordeten wird auf einige Hundert geschätzt, die der Insassen insgesamt auf etwa 20.000 Häftlinge. Das deutsche Lagerpersonal (zum Teil SS-Chargen) wurde nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes vor dem „Tribunal Général du Gouvernement Militaire de la Zone d’Occupation Française“ inRastatt im Jahr 1946 wegenKriegsverbrechen,Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Diebstahl, Misshandlung Gefangener, Mord und Totschlag angeklagt und überwiegend verurteilt. Von den 36 Angeklagten wurden 14 zumTod durch Erschießen verurteilt, unter ihnen der Lagerleiter,SS-UntersturmführerFritz Schmoll aus Schiffweiler, sein AssistentPeter Weiss ausForbach beiBaden-Baden sowie der Führer der WachmannschaftKarl Schmieden aus Saarbrücken. Alle Todesurteile wurden vollstreckt.[339][340]
Aufgrund der exponierten Grenzlage war das Saarland von den Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges besonders hart betroffen. Während die Luftangriffe des Ersten Weltkrieges auf Städte und Dörfer an der Saar noch vergleichsweise leicht gewesen waren, so verwüsteten die Bombenangriffe der Alliierten das Saarland in verheerender Weise. Ziel der Gegner des Deutschen Reiches war es, durch massive Verwüstungen, die Kapitulation zu erzwingen. Ab Sommer 1942 erfolgten gezielte Angriffe auf die Betriebe im Saarland, die für die Kriegswirtschaft und die Rüstungsindustrie wichtig waren. DerStrategie der flächigen Bombardierung lag die Annahme zugrunde, das Bombardieren von Wohngebieten anstelle militärischer Anlagen würde denKampfwillen der Zivilbevölkerung schwächen. Der erste schwere alliierteLuftangriff auf Saarbrücken erfolgte in der Nacht vom 29. auf den 30. Juli 1942. Bis dahin hatte es nur Artilleriebeschuss und Jagdbomberattacken gegeben. Die Luftangriffe erreichten im Jahr 1944 ihren Höhepunkt. Der schwerste Angriff fand in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober 1944 auf Saarbrücken statt, als mehrere hundert britische Bomber in mehreren Angriffswellen Sprengbomben, Brandbomben und Luftminen über der Stadt abwarfen.[341] Dabei fanden hunderte Menschen den Tod, 45.000 wurden obdachlos und 70 % der Stadt waren unbewohnbar geworden. Infolge der Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944 in Nordfrankreich schob sich die Front ab Mitte November von Westen her gegen das Saarland. Im Oktober 1944 wurden sämtliche kampffähigen Männer zwischen dem 16. und dem 60. Lebensjahr zum sogenanntenVolkssturm einberufen. Diese konnten aber den überlegenen Gegnern der Deutschen Wehrmacht nichts mehr entgegensetzen. Nach dem Tod von NS-Gauleiter Bürckel im September 1944 wurdeWilli Stöhr dessen Nachfolger. Ende März 1945 flüchtete Stöhr mit der Gauleitung vor den alliierten Truppen über den Rhein.
Im November kam es zu schweren Kämpfen zwischen deutschen und US-amerikanischen Truppen zwischen Mosel und Saar amOrscholzriegel. Eine zweite geplante Evakuierungswelle hatte zum Ziel, möglichst große Teile der Bevölkerung zu bergen. Als die Gefahr durch das Heranrücken der alliierten Truppen immer näher rückte, wurde Ende November 1944 die zweite Evakuierung der Bevölkerung angeordnet, die mit Beginn des Monats Dezember 1944 durchgeführt wurde. Diese eher planlose Evakuierung wurde allerdings nicht mehr von allen Bevölkerungsteilen mitgetragen. Viele Saarländer zogen es vor, in dieser anarchischen Situation das erwartete Kriegsende vor Ort abzuwarten und versteckten sich bei den zahlreichen Bombenangriffen und dem dauerhaften US-Artilleriebeschuss vom westlichen Saarufer her in Bunkern, Kellern oder Felsenstollen. Am 2./3. Dezember 1944 konnten die US-Amerikaner Saarlouis einnehmen. Die schweren Kämpfe mit zerstörerischem Beschuss zogen sich allerdings bis ins Frühjahr 1945 hin und es gelang den US-Truppen erst am 21. März 1945, das Gebiet des Saarlandes vollständig zu erobern.[342] Mit der Gründung des Regierungspräsidiums Saar und der Ernennung vonHans Neureuter als Regierungspräsident am 4. Mai 1945 begann das neue staatliche Eigenleben des Saarlandes und die Abtrennung vom Deutschen Reich, dessenWehrmacht am 8. Mai 1945 bedingungslos kapitulierte.[343]
Die Geschichte des Saarlandes von 1945 bis 1956/59 war von erheblichen politischen und mentalen Konflikten geprägt. Die umfangreichen Aufbauleistungen nach den schweren Zerstörungen desZweiten Weltkrieges prägen die Identität des Landes an der Saar hinsichtlich seiner gesellschaftlichen und politischen Verfasstheit, seiner Wirtschaft und Kultur bis heute. Die Weiterentwicklung bzw. Schaffung eines saarländischen Sonderbewusstseins waren Grundlage des seit 1956/59 föderal eigenständigen Bundeslandes Saarlandes.[344]
Nach dem Zweiten Weltkrieg beabsichtigte Frankreich ursprünglich, das gesamtelinksrheinische Gebiet von Deutschland abzuspalten. Diese Pläne wurden jedoch auf den Außenministerkonferenzen derAlliierten unter Verweis auf dieAtlantikcharta abgelehnt, die festgelegt hatte, dass es keine Gebietsveränderungen geben dürfte, die nicht mit den frei geäußerten Wünschen der betroffenen Völker übereinstimmen. Um keine Zwistigkeiten mit Frankreich aufkommen zu lassen, stimmten dieUSA jedoch einer Abtrennung des Saarlandes zu, dessen Gebiet gegenüber 1920 vor allem im Nordwesten und im Norden etwas vergrößert wurde. Am 10. Juli 1945 rückten französische Besatzungstruppen in das Saarland ein, das die dortigen US-Einheiten verließen.[345]Oberst Louis G. Kelly, der Befehlshaber der US-Truppen, hatte bereits am 4. Mai 1945 den Saarbrücker RechtsanwaltHans Neureuter mit der Bildung einer saarländischen Zivilverwaltung in dem neu geschaffenen Regierungspräsidium Saar beauftragt. Am 1. Juli 1945 wurde die Einheitsgewerkschaft der beschäftigtenArbeitnehmer an der Saar zur Vertretung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen gegründet. Als erste Nachkriegszeitung erschien am 27. August 1945 wieder dieSaarbrücker Zeitung (gegründet 1761) als „Neue Saarbrücker Zeitung“. Der Schulunterricht konnte am 1. Oktober aufgenommen werden. Das erste Kino eröffnete am 16. Oktober 1945.[346]
Am 30. August 1945 wurdeGilbert Grandval zum neuen Militärgouverneur des Saarlandes ernannt. Am 3. Oktober 1945 besuchte GeneralCharles de Gaulle das Saarland und sicherte die Unterstützung Frankreichs beim Wiederaufbau zu. Am 2. Januar 1946 begann dieSequesterverwaltung der Steinkohlegruben an der Saar. Die Wiederaufnahme des Sendebetriebes von „Radio Saarbrücken“ erfolgte am 17. März 1946, die Gründung der selbständigen Saarländischen Eisenbahnen (SEB, ab 1950Eisenbahnen des Saarlandes, EdS) am 22. Dezember 1946.[347]
Die Bergwerke an der Saar unterstanden seit der US-Besetzung der Amerikanischen Kontrollkommission (Saar-Mining-Mission). Aufgrund von Arbeitskräftemangel und Kriegszerstörungen erreichten die Saargruben damals nur eine Tagesförderung von etwa 1.300 Tonnen pro Tag. Am 10. Juli 1945 gingen die Saargruben in den Besitz der „Mission Française des Mines de la Sarre“ über, die ab dem 1. Januar 1948 „Régie des Mines de la Sarre“ hieß. Die saarländische Kohlenförderung wurde bis zum 1. April 1949 als Kriegsreparation in einen interalliierten Kohlen-Verteiler eingebracht. Ab dann war sie ganz in französischer Verfügungsgewalt.[348]
Anfang 1946 wurde die Bildung politischer Parteien erlaubt, die sich vom 6. bis 11. Januar gründeten. Die CVP, die SPS sowie die Einheitsgewerkschaften befürworteten die Wirtschaftsgemeinschaft mit Frankreich.[349] Bei den ersten demokratischen Kommunalwahlen nach dem Krieg im Saarland am 15. September 1946 wurden bei einer Wahlbeteiligung von 93,8 % folgende Ergebnisse erzielt:CVP 52,4 % der Stimmen,SPS 25,5 %,KPS 9,1 %, Freie Listen 13 %.
Am 16. Februar 1946 wurde das Saarland der Zuständigkeit desAlliierten Kontrollrates entzogen. Mit Wirkung vom 20. Juli 1946 erweiterte man das Landesgebiet durch vormals preußische undbirkenfeldisch-oldenburgische Gemeinden. Am 22. Oktober 1946 errichtete man eineZollgrenze zum restlichen Deutschland.[350]
Da die französische Militärregierung im besetzten Saarland mit der Arbeit von Regierungspräsident Hans Neureuter unzufrieden war, löste Militärgouverneur Gilbert Grandval im Oktober 1946 das Regierungspräsidium auf und setzte stattdessen dieVerwaltungskommission des Saarlandes ein. Das Kollegium spiegelte dabei die politischen Mehrheitsverhältnisse wider, wie sie sich aus den Gemeinderatswahlen vom 15. September 1946 ergeben hatten: Von den sieben Direktorensitzen, die dem Amt eines Ministers entsprachen, wurden drei durch die CVP, zwei durch die SPS und einer durch die KPS (ab 1947 durch dieDPS) besetzt; der siebte Direktor war parteilos.
Im Mai 1947 beschloss die Kommission die Bildung einerVerfassungskommission zur Vorbereitung einersaarländischen Verfassung. Zwischen Mai und September 1947 wurde durch die Verfassungskommission des Saarlandes die Verfassung des Saarlandes ausgearbeitet. Präsident der Kommission warJohannes Hoffmann, saarländischer Ministerpräsident zwischen Dezember 1947 und 1955. Die Verfassungskommission bestand aus zehn Mitgliedern der CVP, fünf Mitgliedern der SPS, jeweils zwei Mitgliedern der KPS und der DPS sowie dem parteilosen JuristenAlfred Levy als Sachverständigem der Militärregierung. Die Vorlage des Entwurfs erfolgte am 20. September, die Veröffentlichung am 25. September, wenige Tage vor derLandtagswahl.[351]
Der erste Landtag des Saarlandes bzw. die Verfassungsgebende Versammlung des Saarlandes wurde am 5. Oktober 1947 mit einer Wahlbeteiligung von 95,7 % gewählt. Die CVP erhielt 51,17 %, die SPS 32,78 %, die KPS 8,43 % und die DPS 7,62 % der Stimmen. Damit hatten sich 91,57 % der Wähler für die drei Parteien entschieden, die den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich und die Autonomie des Saarlandes vom untergegangenen Deutschen Reich befürworten. Nur die KP war dagegen. Dieses Votum wurde als Zustimmung des Volkes zur Präambel der Verfassung gewertet, obwohl die Wahl vorher nicht als Referendum über die Annahme der Verfassung deklariert worden war. Das verfassungsgebende Parlament nahm am 8. November 1947 mehrheitlich den Verfassungsentwurf an.[352]
Am 17. Dezember 1947 trat die Verfassung des Saarlandes in Kraft. Die seit dem 8. Oktober 1946 bestehende Verwaltungskommission wurde bis zur Bildung einer Regierung für wenige Tage als Übergangsregierung eingesetzt. Ihre Tätigkeit endete am 20. Dezember 1947. Die Verfassunggebende Versammlung wurde zum ersten saarländischen Landtag und fungiert damit als Legislativorgan des Saarlandes. Das erste Kabinett unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann nahm seine Arbeit auf. Im Landtag hatte die CVP die absolute Mehrheit und ging dennoch eine Koalition mit der SPS ein. AmSilvestertag 1947 endete damit die Zeit derMilitärregierung im Saarland.[353]
In der Präambel der Verfassung wurden die Unabhängigkeit des Saarlandes vom Deutschen Reich und der wirtschaftliche Anschluss an das französische Wirtschaftsgebiet festgelegt. Der Französischen Republik oblagen die Auslandsvertretung sowie die militärische Verteidigung des Landes, das dadurch faktisch nur eine eingeschränkte Autonomie besaß.Die Präambel derVerfassung des Saarlandes betonte demokratische und antifaschistische Staatsziele einer parlamentarischen Demokratie mit einem echten Mehrparteiensystem:[354][355]
„Das Volk an der Saar, berufen, nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches sein Gemeinschaftsleben kulturell, politisch, wirtschaftlich und sozial neu zu gestalten, durchdrungen von der Erkenntnis, daß sein Bestand und seine Entwicklung durch die organische Einordnung des Saarlandes in den Wirtschaftsbereich der französischen Republik gesichert werden können, vertrauend auf ein internationales Statut, das die Grundlage für sein Eigenleben und seinen Wiederaufstieg festlegen wird, gründet seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluß des Saarlandes an die französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr, die einschließen: die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom Deutschen Reich, die Landesverteidigung und die Vertretung der saarländischen Interessen im Ausland durch die französische Republik, die Anwendung der französischen Zoll- und Währungsgesetze im Saarland, die Bestellung eines Vertreters, der Regierung der französischen Republik mit Verordnungsrecht zur Sicherstellung der Zoll- und Währungseinheit und seiner Aufsichtsbefugnis, um die Beobachtung des Statuts zu garantieren, eine Organisation des Justizwesens, die die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Rahmen des Statuts gewährleistet.
Der Landtag des Saarlandes, vom Volke frei gewählt, hat daher, um diesem Willen verpflichtenden Ausdruck zu verleihen und – nach Überwindung eines Systems, das die menschliche Persönlichkeit entwürdigte und versklavte –, Freiheit, Menschlichkeit, Recht und Moral als Grundlagen des neuen Staates zu verankern, dessen Sendung es ist, Brücken zur Verständigung der Völker zu bilden und in Ehrfurcht vor Gott dem Frieden der Welt zu dienen, die folgende Verfassung beschlossen::“
Der wirtschaftlichen Anschluss an das französische Wirtschaftsgebiet hatte für die Bevölkerung wirtschaftlich positive Folgen und löste – noch vor dem westdeutschen „Wirtschaftswunder“ – ein starkes Wirtschaftswachstum aus, das den politischen Konsens im Land zunächst stärkte; auch gab es mit derMouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France seit dem 10. Juli 1945 eine starke frankophile Bewegung im Saarland. Die Wirtschaftsordnung des Saarstaates hatte durchaus protektionistisch-dirigistische Züge.[356] Trotz der positiven ökonomischen Seiten der saarländisch-französischen Wirtschaftsunion wurde weiterhin ein vollkommener politischer Anschluss an Frankreich in weiten Kreisen der Bevölkerung abgelehnt.
DieRechtspflege des Saarlandes – ähnlich wie die der Bundesrepublik Deutschland – wurzelte weiterhin in der juristischen Tradition des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Die Vollstreckung derTodesstrafe war – anders als in der Bundesrepublik – im Saarland möglich, aber nur bei einstimmiger Zustimmung der Regierung des Saarlandes zulässig. Darüber hinaus gab es die Möglichkeit derBegnadigung sowie derAmnestie (Artikel 95). Mit Wirkung vom 20. Dezember 1956 wurde die Todesstrafe vollständig abgeschafft."[357][358][359][360] Die staatlichen Sozialleistungen des Saarlandes übertrafen die der damaligen Bundesrepublik Deutschland und Frankreichs etwa bei der Kranken- und Unfallversicherung für Rentner und Kriegshinterbliebene, der Kinderzulagen ab dem ersten Kind zum Lohn (BRD ab dem 3. Kind), der Frauenzulage zum Lohn, der Frauen- und Kinderzulagen bei der Kriegsopferversorgung, bei Überstunden- und Feiertagszuschlägen, beim Mindeststufenlohn in der gesamten Privatwirtschaft, beim gesetzlichem Mindestlohn, Schlechtwettervergütungen bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall in der kalten Jahreszeit sowie bei der unbefristeten Arbeitslosenunterstützung.[361]
Mit Wirkung vom 8. Juni 1947 wurden 61 Gemeinden derLandkreise Trier undSaarburg wieder aus dem Saarland ausgegliedert, da die USA und Großbritannien gegen diesen, in ihren Augen zu umfangreichen Gebietszuwachs protestiert hatten. So musste Frankreich nach zehn Monaten einen Teil seiner Grenzziehungen wieder rückgängig machen. Gleichzeitig wurden 13 vormals bayerische (6), birkenfeldische (3) oder preußische (4) Gemeinden der KreiseBirkenfeld undKusel dem Saarland angegliedert. Im Jahre 1949 wurde die Grenze durch den Anschluss der ehemals pfälzischen GemeindeKirrberg ein letztes Mal geändert.
Am 16. Juli 1947 wurde die Saarwährung „Saarmark“ in der Parität 1Reichsmark = 1 Saarmark eingeführt; sie hatte den Hintergrund, die im zweiten Schritt vorgesehene Einführung des französischen Francs vorzubereiten. Mit diesem Schritt sollte der Verbringung von Reichsmark-Beständen aus den anderen westlichen Besatzungszonen, dem Gebiet der späterenBundesrepublik, in das Saarland mit dem Ziel der späteren Umwechslung in den damals wesentlich stabileren Franc vorgebeugt werden. Am 15. November 1947 wurde der französische Franc offizielles Zahlungsmittel, am 23. März 1948 die Zollunion offiziell bestätigt; später wurden die französischen Münzen (nicht jedoch die Scheine) durch eigene „Saar-Franken“ ergänzt, die jedoch den analogen französischen Münzen genau glichen, und auch die Währungskonvergenz blieb bestehen. Zur Präsentation der Leistungskraft der Saarwirtschaft wurde im Jahr 1950 dieSaarmesse in Saarbrücken ins Leben gerufen.[362][363][364][365]
Im Januar 1946 wurden imLandeskrankenhaus Homburg medizinisch-klinische Fortbildungskurse eingerichtet, die die Grundlage für das am 8. März 1947 durch dieUniversität Nancy in Homburg gegründete „Centre Universitaire d’Études Supérieures de Hombourg“ waren. Anfang 1948 bot man zusätzlich erste philosophische, naturwissenschaftliche und juristische Lehrveranstaltungen an, sodass schließlich am 15. November 1948 dieUniversität des Saarlandes mit den Standorten Homburg und Saarbrücken eröffnet werden konnte. Einen der ersten Vorträge hielt am 15. Dezember 1948 im Rahmens des Saarländisch-Französischen Kulturabkommens der französische AußenministerRobert Schuman. Dank ihres zweisprachigen Lehrkörpers vereinte die Universität des Saarlandes deutsche und französische Bildungstraditionen und besaß seit ihrer Gründung ein internationales Profil, das im Jahr 1950 mit der Proklamation zur „europäischen Universität“ und 1951 mit der Einrichtung desEuropa-Instituts seinen sichtbaren Ausdruck fand.[366][367][368][369]DieSchule für Kunst und Handwerk war bereits am 14. Juli 1946 in Saarbrücken gegründet worden, der Unterricht amStaatliche Konservatorium begann am 20. Oktober 1947 ebenfalls in der Saarmetropole. Das Saarbrücker Theater eröffnete am 6. März 1948.[370]
Im Juli 1948 erhielten alle Saarländer eine eigene Staatsangehörigkeit. Die von Frankreich eingesetzte Regierung, vorwiegend aus Emigranten und von den Nationalsozialisten Verfolgten bestehend, sorgte dafür, dass im Saarland nachhaltigerentnazifiziert wurde als in irgendeinem anderen Teil Westdeutschlands. Die politische Neuorganisation an der Saar wurde von den Verantwortlichen vor allem als „Entpreußung“ verstanden. Das Saarland war seit dem 13. Mai 1950 assoziiertes und ab 2. Mai 1951 ordentliches Mitglied desEuroparats. Die Bundesrepublik Deutschland trat dem Gremium erst am 14. Juli 1950 zunächst als assoziiertes Mitglied bei und wurde im Mai 1951 vollberechtigtes Mitglied.[371] In Bezug auf den weiteren deutschsprachigen Raum war damit das Saarland nach Luxemburg (1949) das zweite Mitgliedsland des Europarates (Österreich 1956,Schweiz 1963,Liechtenstein 1978).[372] Im Jahr 1951 trat das Saarland als Teil der saarländisch-französischen Wirtschaftsgemeinschaft derEuropäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) bei.
Bereits im Jahr 1950 hatte dasInternationale Olympische Komitee das Saarland als eine „selbstständige olympische Nation“ anerkannt. Daraufhin nahm das Saarland im Jahr 1952 mit 37 Sportlern an denOlympischen Spielen in Helsinki teil.[373][374] DieSaarländische Fußballnationalmannschaft war seit 1950 eigenständiges Mitglied des WeltfußballverbandesFIFA. Als Nationaltrainer fugiertenAuguste Jordan (1950–1952) undHelmut Schön (1952–1956). 1954 gelang esTherese Zenz bei denKanu-Weltmeisterschaften inMâcon, erstmals für das Saarland einen Weltmeisterschaftstitel zu erlangen.[375]
Am Heiligabend des Jahres 1953 nahm mitTelesaar der erste Fernsehsender des Landes seinen Betrieb auf, am Neujahrstag 1955 der SenderEurope 1 mit seiner architektonisch spektakulären Sendehalle nach dem Vorbild desParaboleum inRaleigh imUS-BundesstaatNorth Carolina. Die Anlage war durch die private RundfunkgesellschaftTMC Monte Carlo und ihren HauptaktionärFürst Rainier III. von Monaco initiiert worden. Durch die starke Richtcharakteristik der bis 282 m hohen Antennen war der Empfang des Senders bisNordafrika möglich.[376] Ab 1955 wurde derSender Felsberg-Berus zum stärksten Rundfunksender auf dem Territorium Deutschlands und zu einer der größtenRundfunksendeanlagen der Erde ausgebaut.[377][378]
Am 20. Mai 1953 einigten sich die französische und die saarländische Regierung darauf, dass ab dem 1. Januar 1954 die Saargruben (Namenswechsel von „Régie des Mines de la Sarre“ zu „Saarbergwerke“) gemeinsam verwaltet werden und der Vorstand sowie der Saargrubenrat paritätisch besetzt werden sollten.[379]
Nach anfänglicher Zustimmung derBevölkerung zu dem neuen Status, was sicherlich auch mit der raschen wirtschaftlichen Erholung noch vor dem sogenannten „Wirtschaftswunder“ in der Bundesrepublik zusammenhing, stieg der Widerwille gegen die Regierung in den 1950er Jahren an. Parteien, die gegen eine Eigenstaatlichkeit eintraten – vor allem die großen Parteien der Bundesrepublik – wurden nicht zugelassen. Das Grundrecht aufMeinungsfreiheit wurde eingeschränkt. Sowohl dieChristliche Volkspartei des Saarlandes als auch dieSozialdemokratische Partei des Saarlandes waren Befürworter des Saarstatuts. Die prodeutscheDemokratische Partei Saar, die von der Linie des MinisterpräsidentenJohannes Hoffmann abwich, wurde im Auftrag des französischen AußenministersRobert Schuman verboten. Die Saarregierung rechtfertigte diesen Schritt damit, dass ein Staat keiner Partei ein Betätigungsfeld bieten dürfe, die seine Existenz grundlegend ablehne.
DieVierte Französische Republik (1946–1958), die politische Schutzmacht der Regierung Hoffmann, war infolge von Parteienzersplitterung durch extreme politische Instabilität gekennzeichnet. In elf Jahren gab es 25 Regierungen. Obwohl auf wirtschaftlichem Gebiet durchaus erfolgreich, scheiterte die IV. Republik letztlich an den verlustreichenDekolonialisierungskonflikten inIndochina undNordafrika. DerAlgerienkrieg und ein drohenderMilitärputsch besiegelten ihr Schicksal und ermöglichten die Rückkehr GeneralCharles de Gaulles an die Macht. PolitischeStreiks, die sich aus Arbeitskämpfen für höhere Löhne entwickelt hatten, destabilisierten die Position der Regierung. Ebenso hatte die kommunistischen GewerkschaftCGT zu massenhaften Arbeitsniederlegungen aufgerufen, um einen Beitritt Frankreichs zumMarshall-Plan und damit zum westlichen Lager unter Führung der USA zu verhindern. DieParti communiste français schied daraufhin aus dem Regierungsbündnis aus, der Streik wurde gewaltsam niedergeschlagen.[380] Weitere Destabilisierungsaspekte waren die Auseinandersetzung um dieEuropäische Verteidigungsgemeinschaft, die die politische Debatte von 1952 bis 1954 dominierte und zum Auseinanderbrechen mehrerer Regierungen führte, die Wahl des StaatspräsidentenRené Coty, zu der im Dezember 1953 13 Wahlgänge erforderlich waren, die militärischen Herausforderungen zunächst imIndochinakrieg, der 1954 mit der Niederlage Frankreichs und der Unabhängigkeit vonVietnam (damalsNord- undSüdvietnam),Laos undKambodscha endete und schließlich der Algerienkrieg, der zum Scheitern der Vierten Republik führte.[381] Die politischen Unsicherheiten wirkten sich auf die Entwicklung der französischen Währung aus, an die die saarländische Wirtschaft per Verfassungspräambel auf Gedeih und Verderb gekoppelt war. Das sogenannte westdeutscheWirtschaftswunder mit seiner stabilen monetären Koppelung an das Währungsstem der USA sowie die vergleichsweise Konfliktlosigkeit des politischen Systems der jungen Bundesrepublik wirkten anziehend auf die Menschen an der Saar.[382]
BundeskanzlerKonrad Adenauer verweigerte jeden Kontakt zu der als „separatistisch“ bezeichnetenRegierung Hoffmann. Am 18. November 1952 riefen derDeutsche Bundestag und die verbotene prodeutsche DPS dazu auf, bei derLandtagswahl ungültigeStimmzettel abzugeben, was rund ein Viertel derWahlberechtigten auch tat (sogenannter „Weißer Sonntag“ am 30. November 1952). Darüber hinaus beschwerte sich dieBundesregierung mehrfach beim Europarat über die Situation an der Saar. Bundeskanzler Konrad Adenauer nahm nun doch Kontakt zur Regierung des Saarlandes unter Ministerpräsident Hoffmann auf, um seine Projekte der Westbindung und der Aussöhnung mit Frankreich nicht zu gefährden. Dieser neue Kurs mündete in der Unterzeichnung desSaarstatuts am 23. Oktober 1954 in Paris durch den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer und den französischen Ministerpräsidenten und AußenministerPierre Mendès France als Teil derPariser Verträge. Frankreich sollte seine Einflussnahme zugunsten derWesteuropäischen Union vermindern, die ökonomische und monetäre Union des Saarlandes und Frankreichs wäre unter einer intensiveren wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit der Bundesrepublik fortgeführt worden und sämtliche Parteien – auch Gegner der Verfassungspräambel der Saarstaatsverfassung – hätten eine Zulassung erhalten, an der politischen Willensbildung an der Saar teilzunehmen.[383]
Am 24. Dezember 1954 billigte diefranzösische Nationalversammlung das Saarstatut.[384] In der deutschen Innenpolitik wurde Adenauer wegen des Saarstatuts scharf angegriffen, obwohl das Statut eine Volksabstimmung[385] vorsah. Vor allem die SPD und FDP sahen darin eine De-facto-Abtretung des Saarlands an Frankreich, obwohl weder die Angliederung des Saarlandes an Frankreich oder die Bundesrepublik Deutschland noch der Status quo des Saarlandes zur Debatte stand.
Etwa achteinhalb Monate vor der Volksabstimmung über das Saarstatut, im Februar 1954, versuchte dasMinisterium für Staatssicherheit derDeutschen Demokratischen Republik, Ministerpräsident Hoffmann durch einePaketbombe zu töten oder ihn zumindest lebensgefährlich zu verletzen.[386] DerAttentatsversuch konnte allerdings abgewendet werden. Die saarländischen Kriminalpolizei vermutete im Laufe ihrer Ermittlungen bald die DDR als Initiator der Sprengstoffaktion, was im Jahr 1997 durch weitere Ermittlungen bestätigt wurde.[387][388] Hintergrund des Attentatsversuches dürfte der Versuch der DDR gewesen sein, die Billigung des Saarstatuts zu verhindern, da die aus ihr resultierende Stärkung der Autonomie des Saarlandes eine Voraussetzung für die Verwirklichung desSchuman-Plans sowie der Pariser Verträge und damit auch für die Aufnahme der Bundesrepublik in dieNATO gewesen wäre. Die DDR hoffte vermutlich, durch die Ablehnung des Statuts einen Beitrag zur gesamtdeutschen Verständigung zu leisten, die sie durch den Eintritt der Bundesrepublik in den nordatlantischen Militärpakt in immer weitere Ferne gerückt sah. Darüber hinaus plante die Staatssicherheit der DDR mit der im Bombenpaket enthaltenen Parole „Deutsch ist die Saar“, der Öffentlichkeit durch ein Attentat den angeblich übersteigertenNationalismus anonym agierender prodeutsche Kräfte vor Augen zu führen und damit das Weiterbestehen einerfaschistischen bzw. nationalsozialistischen Gesinnung in Westdeutschland zu dokumentieren. Insofern hätte ein erfolgreiches Attentat, hinter dem man bundesrepublikanische Kreise als Drahtzieher vermutet hätte, die sich entwickelnde Achse zwischen Deutschland und Frankreich eventuell schwer beschädigt.[389]
Mit dem zur Abstimmung gestellten Saarstatut wären die bestehende Autonomie sowie die Wirtschaftsunion mit Frankreich festgeschrieben worden, und das Saarland hätte zum Kern eines neuen, vereinigten Europas werden können. Dabei konnte Hoffmann mit der Unterstützung der französischen Regierung rechnen und auch Bundeskanzler Adenauer billigte das Statut. Doch die oppositionellen Kräfte im eigenen Land, die stattdessen einen baldigen Wiederanschluss an Deutschland forderten, wehrten sich mit der gegen den Ministerpräsidenten gerichteten Parole „Der Dicke muss weg“ massiv. Erst am 23. Juli 1955 wurden die prodeutschen Oppositionsparteien CDU, DPS und DSP offiziell zugelassen, die sich zumDeutschen Heimat-Bund zusammenschlossen. Damit begann der Abstimmungskampf.[391]
Am 23. Oktober 1955 wurde schließlich nach einem heftig geführten politischen Schlagabtausch eine Volksbefragung[385] über die Zukunft des Landes durchgeführt, wobei 67,7 % der Saarländer mit „Nein“ stimmten und sich damit gegen dasSaarstatut entschieden. Das Saarstatut war die Vision des saarländischen MinisterpräsidentenJohannes Hoffmann, der das Saarland zum ersten europäischen Territorium machen wollte. Die Planung ganzer Stadtteile in und umSaarbrücken, die die heute inBrüssel,Luxemburg undStraßburg befindlichen Institutionen derEuropäischen Union aufnehmen sollten, war bereits angelaufen. Bereits im Jahr 1952 hatte Robert Schuman dazu aufgerufen, Saarbrücken zum Sitz der Montanunionsbehörden zu machen.
Noch in der Nacht der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses gestand Ministerpräsident Johannes Hoffmann seine Niederlage ein und legte sein Regierungsamt nieder. Der tiefe politische Riss, der damals durch die saarländische Bevölkerung ging, trübte jahrzehntelang den Blick auf positive Errungenschaften der Hoffmann-Ära. Die Erfahrung zahlreicher negativer Auswirkungen der frankreichorientierten saarländischen Autonomie, der Wunsch nach zollfreiem Erwerb von Waren aus dem Land des beginnenden deutschenWirtschaftswunders sowie die Sehnsucht nach der Rückkehr zum traditionellen deutschen Nationalstaatsverband hatten den Ausschlag bei der Abstimmung gegeben.
Am 29. Oktober 1955 wurde als Übergangsregierung das KabinettWelsch eingesetzt, das am 18. Dezember Wahlen zur Neukonstituierung des saarländischen Landtages durchführte. Die am 10. Januar angetretene neue saarländische Landesregierung unter MinisterpräsidentHubert Ney („Heimatbund-Regierung“) initiierte am 31. Januar 1956 eine Grundsatzerklärung des saarländischen Landtages zur Vereinigung des Saarlandes mit der Bundesrepublik Deutschland.
Das Ergebnis derVolksabstimmung werteten die politisch Verantwortlichen in den beteiligten Regierungen Westdeutschlands und Frankreichs als Wunsch der Mehrheit der Saarländer, sich der Bundesrepublik Deutschland anzuschließen. Am 27. Oktober 1956 wurde inLuxemburg derSaarvertrag abgeschlossen. Von bundesdeutscher Seite waren Vertreter des Saarlandes nur beratend zu den Verhandlungen hinzugezogen worden. Unterzeichnungsberechtigte Vertragspartner waren sie nicht.[392] Die Zustimmung der französischen Nationalversammlung zum Luxemburger Saarvertrag erfolgte am 12. Dezember, die des Deutschen Bundestages am 14. Dezember 1956. Am gleichen Tag erklärte der Landtag des Saarlandes den Beitritt zum Geltungsbereich desGrundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gemäßArtikel 23. Die Beitrittserklärung war mit 35 Stimmen, bei zwei kommunistischen Gegenstimmen und 13 Enthaltungen der DPS, angenommen worden. Hauptgrund der Enthaltungen der DPS war, dass die Partei vor dem erklärten Beitritt erst die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Konditionen hinsichtlich der Beibehaltung der hohen saarländischen Sozialstandards hatte klären wollen. Die übrigen saarländischen Parteien sahen die Beitrittserklärung als nationaldeutsches Bekenntnis an, das nicht durch das Stellen finanzieller Bedingungen aufgehalten werden dürfe.[393]
Nachdem auch dieAbgeordnetenkammer desGroßherzogtums Luxemburg am 27. Dezember 1956 ihr Placet gegeben hatte, trat das Saarland am 1. Januar 1957 als zehntesLand (ohne West-Berlin) derBundesrepublik Deutschland bei (sogenanntekleine Wiedervereinigung).Am gleichen Tag wurden dieEisenbahnen des Saarlandes (EdS) mit einem Schienennetz von 534 KilometernBahnstrecke in dieDeutsche Bundesbahn überführt und Teil derBundesbahndirektion Saarbrücken.[394] Die saarländische Post wurde in dieDeutsche Bundespost integriert.[395]
Am 30. September 1957 wurden die saarländischen Gruben in den Besitz der neugegründeten Saarbergwerke AG mit Sitz in Saarbrücken überführt. Das Grundkapital wurde mit 35 Milliarden Francs angegeben. Anteilseigner der AG waren mit 26 % das Saarland und mit 74 % die Bundesrepublik Deutschland. Unmittelbar nach dieser Überführung begann die Kohlenkrise auf dem Energiemarkt und die ersten „Feierschichten“ mussten gefahren werden. Das Unternehmen richtete als Versuch zur Bewältigung der Krise große Verbundbergwerke ein, gründete neue Betriebe wie die „Grube Warndt“ (1957–1963), trieb die Mechanisierung voran und investierte in die Technik der Kohleveredelung. Die Beschäftigtenzahlen, die 1957 noch 64.961 Personen betragen hatten, sanken im Jahr 1960 auf 52.964, im Jahr 1970 auf 26.883, im Jahr 1980 auf 24.752, im Jahr 1990 auf 19.609, im Jahr 2000 auf 10.032 und im Jahr 2010 auf 3.208.[396]
Im Zuge der Reform der Verfassung des Saarlandes wurde die bisherige Verfassungspräambel ersatzlos gestrichen, die Todesstrafe abgeschafft und statt „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“, hieß es nun durch Gesetz vom 20. Dezember 1956 weitgehender formuliert: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“, (Artikel 12 Absatz 2). Hinsichtlich der sogenannten „Rechtsbereinigung“, also der Angleichung saarländischer Gesetze und Verordnungen an die Maßstäbe der Bundesrepublik, war der juristische Reformprozess erst in den 1970er Jahren abgeschlossen. Die Angleichung der saarländischen Parteienlandschaft an die Westdeutschlands war erst Mitte der 1960er Jahre vollzogen. Der Anschluss des Saarlandes an das bundesdeutsche Autobahnnetz erfolgte im Dezember 1963, der Anschluss an das bundesdeutsche Wasserstraßennetz erst im Jahr 1987.[397]
Am 6. Juli 1959, dem sogenannten „Tag X“, erfolgte die ökonomische Integration des Saarlandes in den Wirtschaftsraum der Bundesrepublik Deutschland. Dabei wurde die bisherige Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich aufgehoben und dieD-Mark als sichtbares Zeichen der wirtschaftlichen Rückgliederung des Saarlandes an Westdeutschland als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. Die ursprünglich auf maximal drei Jahre angesetzte Übergangszeit war damit also – wie allgemein erwartet – um ein halbes Jahr abgekürzt worden. Der spätestmögliche Zeitpunkt wäre der 31. Dezember 1959 gewesen. Das Datum der Währungsumstellung und wirtschaftlichen Angliederung war der Bevölkerung erst am Samstag, dem 4. Juli, von BundeswirtschaftsministerLudwig Erhard über Radio Saarbrücken mitgeteilt worden, um Devisenspekulationen keinen Vorschub zu leisten. Am Sonntag, dem 5. Juli 1959, um 24 Uhr öffnete MinisterpräsidentFranz Josef Röder nach einer kurzen Ansprache vor Tausenden von Menschen bei Homburg-Eichelscheid die Zollschranke, und die „Aktion Mairegen“ – so der Tarnname desBundesgrenzschutzes – brachte 580 Millionen DM ins Saarland. Der Währungsumtausch begann montagmorgens bei den Banken. Der offizielle Umtauschkurs war 100 Franken zu 0,8507 Mark.
Die Übergangszeit erwies sich für die saarländische Wirtschaft als schwere Belastungsprobe, da Handel und Industrie bisher einen gesicherten Absatzmarkt in Frankreich hatten. Nach der Angliederung an die Bundesrepublik war die saarländische Wirtschaft durch den großen bundesdeutschen Wirtschaftsraum bedroht. Der saarländische Einzelhandel hatte bereits vor der Rückgliederung unter demSchmuggel von preiswerteren Produkten aus der Bundesrepublik gelitten. Nach dem „Tag X“ überschwemmten bundesdeutsche Firmen den saarländischen Markt mit ihren Produkten und leiteten den Niedergang vieler saarländischer Produkte und Marken ein.[398] Für die saarländischen Arbeitnehmer bedeutete der wirtschaftliche Anschluss des Saarlandes an die Bundesrepublik Deutschland einen spürbaren Kaufkraftverlust. Das durchschnittliche Preisniveau lag im Saarland nach dem ökonomischen Beitritt um 5 bis 6 % höher als im übrigen Bundesgebiet. Besonders hatten sich Nahrungsmittel verteuert. Durch ein Investitionshilfegesetz und Steuervergünstigungen wurden Selbstständige und Arbeitgeber in hohem Maße unterstützt. Höhere Arbeitslosigkeit als unmittelbare Folge des Anschlusses blieb aus. Doch die notwendigen Investitionen im Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftsbereich sowie die Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur führten dazu, dass das Saarland im Jahr 1964 den höchsten Schuldenstand pro Einwohner von allen westdeutschen Flächenstaaten aufzuweisen hatte.[399]
Ende der 1950er Jahre wurde der die saarländische Wirtschaft dominierende Bergbau und die damit zusammenhängende Montanindustrie von einer Absatzkrise hart betroffen. Während im Jahr 1959 noch 56,7 % aller saarländischen Arbeitsplätze der Kohle- und Stahlindustrie zugeordnet waren, verringerte sich dieser Anteil bis 1979 auf 36,4 %. Verstärkt wurde die krisenhafte Stimmung durch das schwereGrubenunglück von Luisenthal, dem schwersten Unfall des mehrere Jahrhunderte dauernden saarländischen Bergbaues, dem am 7. Februar 1962 299 Menschen zum Opfer fielen. Zwischen 1968 und 1978 verringerte sich die Zahl der Bergleute von 31.000 auf 22.000. Da der saarländische Bergbau im internationalen Vergleich nicht mehr konkurrenzfähig war, wurden Gruben aufgegeben. Mit der Schließung des Bergwerkes Saar endete der Steinkohlenbergbau im Saarland, auch nach starken Protesten um bergbaubedingte Erdbeben, Ende Juni 2012.
Insgesamt verdrängte die saarländische Eisen- und Stahlindustrie in den 1960er Jahren den Steinkohlenbergbau als ökonomischen Leitsektor. Doch auch dieser Industriezweig wurde in den Jahren 1975 und 1976 von einer globalen Stahlkrise erheblich getroffen. Von den 40.000 Stahlarbeitern des Saarlandes verloren 7000 ihre Beschäftigung, und die Produktion sank um 30 bis 40 Prozent. Während zuvor noch Vollbeschäftigung geherrscht hatte, stieg die Arbeitslosenquote jetzt auf 7,2 %. Die traditionsreichen Eisenwerke von Neunkirchen und Burbach mussten in der Folge dieser Krise schließen. Mit aufwändigen Konzentrations- und Rationalisierungsmaßnahmen versuchte die saarländische Industrie, dem Umbruch Herr zu werden, doch brach Mitte der 1980er Jahre der Absatz aufgrund einer europaweiten Stahlkrise erneut ein. Zur Rettung der noch bestehenden Hüttenwerke verschuldete sich das Saarland zu dieser Zeit mit 1,45 MilliardenDM. Dennoch schnellte die Arbeitslosenquote auf 13,4 % in die Höhe. Damit lag sie 4 Prozentpunkte über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Bis zum Jahr 1988 stieg die Schuldenlast des Saarlandes auf 10 Milliarden DM an. Durch die staatlichen Stützungsmaßnahmen von Bundesregierung und der saarländischen Landesregierung konnten die Hüttenwerke von Dillingen und Völklingen stabilisiert werden. Im Jahr 2007 beschäftigten sie 11.000 Mitarbeiter und überstanden auch die weltweite Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009. Der weltweite Export von Grobblechen, Qualitätsstahl und Spitzendraht wurde gesichert.
Flankiert wurden die Subventionen durch die Ansiedlung von Betrieben und wirtschaftliche Unterstützung von Firmenneugründungen. Zwischen 1968 und 1975 konnten 120 Betriebe neu angesiedelt werden, die 18.000 Menschen neue Arbeit boten. Der größte Ansiedlungserfolg gelang der Regierung des Saarlandes mit den Ford-Automobilwerken in Saarlouis-Röderberg. Die saarländische Automobilindustrie und ihre Zulieferbetriebe boten um das Jahr 2010 rund 40.000 Menschen einen Arbeitsplatz.
Die saarländische Metallbranche wurde allmählich vom expandierenden Dienstleistungssektor überflügelt, der heute zwei Dritteln der saarländischen Beschäftigten Arbeit bietet. Bildung, Forschung und Technologietransfer bieten aktuell wirtschaftliche Erneuerung und Wachstum. So arbeiteten 2010 zwischen 8000 und 9000 Menschen im BereichPharmazeutik und Medizintechnik. An derUniversität des Saarlandes wurde im Jahr 1986 eine technische Fakultät etabliert. Bis zum Ende der 1980er Jahre entstanden in diesem Zusammenhang dasDeutsche Forschungszentrum für künstliche Intelligenz, dasFraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik am Standort St. Ingbert, dasMax-Planck-Institut für Informatik sowie das Innovations- und Technologiezentrum Saar.
Im Jahr 1990 gründete man dasLeibniz-Institut für Neue Materialien, das sich mit derNanotechnologie beschäftigt. ImSchloss Dagstuhl wurde dasLeibniz-Zentrum für Informatik angesiedelt und im Jahr 2000 wurde Saarbrücken Sitz derDeutsch-Französischen Hochschule. Im Jahr 2008 konnte die Universität des Saarlandes ihr sechzigjähriges Bestehen feiern. Mit den Nachbaruniversitäten Metz, Nancy, Luxemburg und Lüttich beteiligt sie sich seit 2009 an dem Projekt derUniversität der Großregion.
Bereits im Jahr 1980 wurde die RegionSaar-Lor-Lux zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Luxemburg ins Leben gerufen. Seitdem arbeiten Behörden und Institutionen der drei Länder zur Förderung der wirtschaftlichen, kulturellen, touristischen und sozialen Entwicklung verstärkt zusammen. Die Region wurde später um Rheinland-Pfalz und das belgische Wallonien erweitert. Aktuell pendeln etwa 200.000 Menschen täglich über die nationalen Grenzen der Großregion zu ihrem Arbeitsplatz. Etwa 30.000 Menschen aus Frankreich arbeiten im Saarland. Die Region verzeichnet die höchste grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitnehmern derEuropäischen Union.[400] Mit demSchengener Übereinkommen vom 14. Juni 1985 („Schengen I“, erweitert 1990 durch „Schengen II“)[401][402], das auf Initiative des französischen StaatspräsidentenFrançois Mitterrand und des deutschen BundeskanzlersHelmut Kohl zwischenDeutschland,Frankreich,Belgien,Niederlande undLuxemburg an Bord des luxemburgischen SchiffsPrincesse Marie-Astrid im Drei-Länder-Eck zwischen dem luxemburgischenSchengen, dem saarländischenPerl sowie der lothringischen GemeindeApach geschlossen wurde, ebnete man einem Europa ohne Binnengrenzkontrollen den Weg und der Waren- und Personenverkehr zwischen dem Saarland und seinen unmittelbaren Nachbarn Luxemburg und Frankreich wurden wesentlich erleichtert.
Ab dem Jahr 1970 führte das Saarland eine umfassendeGebiets- und Verwaltungsreform durch, die die bisher 345 selbständigen saarländischen Gemeinden zu 50 Gemeinden zusammenfasste. Damit sollte der wirtschaftliche Strukturwandel verwaltungsmäßig unterstützt werden. Diese Reformen führten zu jahrelangen Streitigkeiten, Identifikationsproblemen und politischen sowie juristischen Machtkämpfen.
Eine weitere Maßnahme der Landesregierung war die Verbesserung der Infrastruktur. Hier band man das Saarland intensiver als bisher an das internationale Autobahn- und Flugverkehrsnetz an. Der Ausbau der Saar als Schiffsverkehrskanal wurde in den Jahren 1980 bis 1987 betrieben.
Der politische Strukturwandel nach der Volksabstimmung und die damit verbundene Niederlage der SPS und der CVP waren zu bewältigen. Nach bundesdeutschem Vorbild etablierten sich im Saarland die CDU, die SPD sowie die FDP. Erst in den ausgehenden 1960er und beginnenden 1970er Jahren fusionierten die CDU mit der CVP und die FDP mit der DPS. Die Jahre von 1959 bis 1979 wurden stark von MinisterpräsidentFranz-Josef Röder geprägt, der Koalitionsregierungen der CDU mit CVP, SPD und FDP führte. Röders Amtsnachfolger und ParteikollegeWerner Zeyer musste nach der für die SPD positiv ausgegangenen Landtagswahl des Jahres 1985 sein Amt an den bisherigen Saarbrücker Oberbürgermeister und SPD-KandidatenOskar Lafontaine abgeben. In Lafontaines Amtszeit, die bis zum Jahr 1998 andauerte, fielen die schwierigen Probleme des Stahlstandortes Saar und die Entscheidungen zur Förderung derInformatik. Nachdem sich Lafontaine für einen Wechsel in die Bundespolitik entschieden hatte, folgte ihm sein ParteigenosseReinhard Klimmt im Amt.Im September 1999 endete mit der Landtagswahl die 14 Jahre andauernde Phase der SPD-geführten Regierung des Saarlandes. Neuer Ministerpräsident wurdePeter Müller. Im Jahr 2011 wurde Müller von seiner ParteikolleginAnnegret Kramp-Karrenbauer im Amt abgelöst, da er vomBundesrat zum Richter in denZweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt worden war.[403][404]
Am 1. Oktober 1998 waren sämtliche Saarbergwerke mit den Ruhr- und Rheingruben zurRAG Deutsche Steinkohle AG mit Sitz inHerne vereinigt worden. Im Jahr 2004 wurden die Förderstandorte Warndt/Luisenthal und Ensdorf zum „Bergwerk Saar“ zusammengeschlossen. Warndt/Luisenthal wurde am 1. Januar 2006 stillgelegt. Im Jahr 2010 verlegte man die ersten von 1400 Saarbergmänner zumBergwerk Ibbenbüren imTecklenburger Land und insRuhrgebiet.[405]
Durch den Kohleabbau der Deutsche Steinkohle AG im Kohlefeld Primsmulde (Drei-Standorte-Konzept derSaarbergwerke AG seit 1988) kam es zu zahlreichen bergbaubedingtenErdbeben. Aus dem Gebiet Primsmulde Süd förderte das Unternehmen weit mehr als die Hälfte seiner damaligen Kohleförderung im Saarland. Es beschäftigte dort rund 3500 Bergleute. Mit dem Jahreswechsel 2007/2008 nahm die Häufigkeit der Beben spürbar zu. Am 3. Januar 2008 wurde ein Beben mit der Stärke 3,4 auf derRichterskala gemessen. Die für die Beurteilung der Folgen wichtige Schwinggeschwindigkeit erreichte damals 42,3 Millimeter pro Sekunde. Am 23. Februar 2008 kam es durch einen Einsturz im Abbaufeld Primsmulde Süd zum bisher größten Erdbeben in der Geschichte des Saarlandes. In einer Tiefe von 1.500 Metern mit dem EpizentrumBilsdorf erreichte das Beben eine Stärke von 4,0. Die Schwinggeschwindigkeit des Gesteins erreichte bis zu 93,5 Millimeter pro Sekunde. Nach Angaben der Polizei inSaarbrücken kam es zu Sachschäden an Gebäuden. Das Beben war im ganzen Landkreis Saarlouis zu spüren. Die bereits seit geraumer Zeit laufenden Protestbewegungen gegen den Kohleabbau in der Primsmulde erreichten unmittelbar darauf ihren Höhepunkt.[406] Daraufhin wurde am 23. Februar 2008 von der saarländischen Landesregierung unter MinisterpräsidentPeter Müller für dasBergwerk Saar ein einstweiliger Abbaustopp verfügt.[407][408][409][410][411]
Am 30. Juni 2012 wurde die letzte saarländische Steinkohlegrube, dasBergwerk Saar mit Hauptstandort Ensdorf, geschlossen. Zur Erinnerung an die lange historische Verwobenheit der Geschichte des Saarlandes mit dem Steinkohleabbau errichtete man im Jahr 2016 auf der Bergehalde Duhamel des ehemaligen Bergwerkes in Ensdorf die weithin sichtbare, begehbare Großskulptur „Saarpolygon“.[412][413]
Weil Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer im Anschluss an ihre Wahl zur CDU-Generalsekretärin im Februar 2018 endgültig in die Bundespolitik wechselte, trat am 28. Februar 2018Tobias Hans die Amtsnachfolge als zwölfter Ministerpräsident des Saarlandes an.[414][415]
An kulturellen Höhepunkten der Epoche des Strukturwandel, sind unter zahlreichem anderen die seit 1980 bestehendenMax-Ophüls-Filmfestspiele, die Erklärung derVölklinger Hütte zumWeltkulturerbe durch dieUNESCO im Jahr 1994, die Eröffnung derHistorischen Museums Saar im Jahr 1985 sowie die Erweiterung der Modernen Galerie desSaarlandmuseums um einen vierten Pavillon im Jahr 2017 zu nennen.[416][417]
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1135–1182 | Simon I. |
1182–1207 | Simon II. |
1207–1245 | Simon III. |
1245–1271 | Lauretta (Vormundschaftsregierung) |
1271–1274 | Mathilde (Vormundschaftsregierung) |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1274–1308 | Simon IV. |
1308–1342 | Johann I. |
1308–1342 | Johann II. |
1342–1381 | Johanna (Vormundschaftsregierung) |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1381–1442 | Philipp I. |
1429–1455 | Elisabeth von Lothringen (Vormundschaftsregierung) |
1442–1472 | Johann II./III. |
1472–1545 | Johann Ludwig |
1545–1554 | Philipp II. |
1554–1574 | Johann III./IV. |
1575–1602 | Philipp III. |
1602–1627 | Ludwig II. |
1627–1640 | Wilhelm Ludwig |
1640–1642 | Kraft |
1659–1677 | Gustav Adolf |
1677–1713 | Ludwig Kraft |
1713–1723 | Karl Ludwig |
1723–1728 | Friedrich Ludwig |
1741–1768 | Wilhelm Heinrich (1. Fürst) |
1768–1794 | Ludwig |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1574–1593 | Albrecht III. |
1593–1627 | Ludwig II. |
1640–1690 | Johann Ludwig |
1690–1728 | Friedrich Ludwig |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1180–1234 | Heinrich I. |
1234–1284 | Heinrich II. |
1284–1308 | Walram I. |
1308–1312 | Simon |
1312–1327 | Agnes von Saarbrücken (Vormundschaft) |
1327–1366 | Walram II. |
1366–1394 | Eberhard II. |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1394–1398 | Ruprecht II. |
1398–1410 | Ruprecht III. |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1410–1459 | Stefan |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1459–1489 | Ludwig I.der Schwarze |
1489–1490 | Kaspar |
1490–1514 | Alexanderder Hinkende |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1514–1532 | Ludwig II.der Jüngere |
1532–1569 | Wolfgang |
1569–1604 | Johann I.der Hinkende |
1604–1635 | Johann II.der Jüngere |
1635–1661 | Friedrich |
1661–1681 | Friedrich II. Ludwig |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1681–1697 | Karl I. (als Karl XI. König von Schweden) |
1697–1718 | Karl II. (als Karl XII. König von Schweden) |
1718–1731 | Gustav Samuel Leopold |
1731–1734 | Interregnum, Zweibrücken fällt an die Linie |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1734–1735 | Christian III. |
1735–1775 | Christian IV. |
1775–1795 | Karl II. August |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1300–1307 | Diether von Nassau |
1300–1306 | Heinrich II. von Virneburg (inoffizieller Gegenerzbischof) |
1307–1354 | Balduin von Luxemburg |
1354–1362 | Boemund II. von Saarbrücken |
1362–1388 | Kuno II. von Falkenstein |
1388–1418 | Werner von Falkenstein |
1418–1430 | Otto von Ziegenhain |
1430–1439 | Rhaban von Helmstätt |
1439–1456 | Jakob I. von Sierck |
1456–1503 | Johann II. von Baden |
1503–1511 | Jakob II. von Baden |
1511–1531 | Richard von Greiffenklau zu Vollrads |
1531–1540 | Johann III. von Metzenhausen |
1540–1547 | Johann IV. Ludwig von Hagen |
1547–1556 | Johann V. von Isenburg |
1556–1567 | Johann VI. von der Leyen |
1567–1581 | Jakob III. von Eltz |
1581–1599 | Johann VII. von Schönenberg |
1599–1623 | Lothar von Metternich |
1623–1652 | Philipp Christoph von Sötern |
1652–1676 | Karl Kaspar von der Leyen |
1676–1711 | Johann Hugo von Orsbeck |
1711–1715 | Karl Josef von Lothringen |
1716–1729 | Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg |
1729–1756 | Franz Georg von Schönborn |
1756–1768 | Johann Philipp von Walderdorff |
1768–1801 | Clemens Wenzeslaus von Sachsen |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1176–1206 | Simon II. |
1206–1207 | Friedrich (Ferry) I. |
1206–1213 | Friedrich (Ferry) II. |
1213–1220 | Theobald I. |
1220–1251 | Matthäus II. |
1251–1302 | Friedrich (Ferry) III. |
1303–1312 | Theobald II. |
1312–1328 | Friedrich (Ferry) IV. |
1329–1346 | Rudolf |
1346–1390 | Johann I. |
1390–1431 | Karl II. |
1431–1433 | Isabella undRenatus I. von Anjou |
1431–1441 | Anton I. |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1431–1453 | René I. |
1453–1470 | Johann II. |
1471–1473 | Nikolaus I. |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1473–1508 | René II. |
1508–1544 | Anton II. |
1544–1545 | Franz I. |
1545–1608 | Karl III. |
1545–1552 | Christina von Dänemark, Regentin |
1552–1559 | Nikolaus, Herzog von Mercoeur, Regent |
1608–1624 | Heinrich II. |
1625–1625 | Franz II. |
1625–1634 | Karl IV. |
1634–1641 | Nikolaus II. Franz |
1641–1675 | Karl IV. (2. Mal) |
1675–1690 | Karl V. Leopold, Titularherzog |
1690–1729 | Leopold Joseph Karl |
1729–1736 | Franz III. Stephan |
1737–1766 | Stanislaus I. Leszczyński |
1766–1774 | Ludwig XV. |
1774–1792 | Ludwig XVI. |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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seit 1685 | Intendant der Saarprovinz: Antoine Bergeron, Seigneur de la Goupilière |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1800–1803 | Joseph Bexon d’Ormschwiller |
1803–1810 | Maximilien Xavier Képler |
1810–1813 | Alexandre François Bruneteau |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1815–1840 | Friedrich Wilhelm III. |
1840–1858 | Friedrich Wilhelm IV. |
1858–1888 | Wilhelm I. |
1888–1888 | Friedrich III. |
1888–1918 | Wilhelm II. |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1816 bis 1834 | Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1815–1825 | Maximilian I. Joseph |
1825–1848 | Ludwig I. |
1848–1864 | Maximilian II. Joseph |
1864–1886 | Ludwig II. |
1886–1916 | Otto I. |
1886–1912 | Luitpold |
1912–1918 | Ludwig III. |
Unter der Verwaltung desGroßherzogtums Oldenburg:
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1817–1829 | Peter Friedrich Ludwig |
1829–1853 | Paul Friedrich August |
1853–1900 | Nikolaus Friedrich Peter |
1900–1918 | Friedrich August II. |
1919 | Konrad Hartong (kommissarisch) |
1919–1923 | Walther Dörr |
1923–1924 | Karl Nieten (kommissarisch) |
1924–1932 | Walther Dörr |
1932–1937 | Herbert Wild |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1918–1920 | Joseph Louis Marie Andlauer (Administration Supérieure de la Sarre) |
Präsidenten der Regierungskommission des Saargebietes:
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1920–1926 | Victor Rault,Frankreich |
1926–1927 | George Washington Stephens,Kanada |
1927–1932 | Ernest Wilton,Vereinigtes Königreich |
1932–1935 | Geoffrey Knox, Vereinigtes Königreich |
Gauleiter Pfalz-Saar, Saarpfalz bzw. Westmark:
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1935–1944 | Josef Bürckel |
1944–1945 | Willi Stöhr |
Amtszeit | Amtsinhaber |
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1945/1946 | Hans Neureuter, Regierungspräsident des Saarlandes |
1946/1947 | Erwin Müller, Vorsitzender der Verwaltungskommission des Saarlandes |
Amtszeit | Amtsinhaber(in) |
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1947–1955 | Johannes Hoffmann |
1955–1956 | Heinrich Welsch |
1956–1957 | Hubert Ney |
1957–1959 | Egon Reinert |
1959–1979 | Franz-Josef Röder |
1979–1979 | Werner Klumpp (kommissarisch) |
1979–1985 | Werner Zeyer |
1985–1998 | Oskar Lafontaine |
1998–1999 | Reinhard Klimmt |
1999–2011 | Peter Müller |
2011–2018 | Annegret Kramp-Karrenbauer |
2018–2022 | Tobias Hans |
seit 2022 | Anke Rehlinger |