Geophysik

DieGeophysik ist die Lehre der Erforschung und Beschreibung derErde und ihres Umfeldes mit den Methoden derPhysik.[1] Im Hinblick auf das Forschungsobjekt ist die Geophysik Teil derGeowissenschaften, im Bezug auf diewissenschaftliche Methodik gehört sie zur Physik.[2][3]
Klassisch erforscht die Geophysik die physikalischen Eigenschaften und Prozesse der festen Erde, also derErdkruste und desErdinnern, inklusive der Form der Erde, ihrerGravitations- undMagnetfelder, ihrer inneren Struktur und Zusammensetzung, ihrerDynamik und deren Ausdruck an der Oberfläche durchPlattentektonik,Magmenbildung,Vulkanismus undGesteinsbildung.[4] In dem Zusammenhang wird sie auch alsPhysik des Erdkörpers oder „Geophysik im engeren Sinne“ bezeichnet.[3][5]
Die moderne Definition der Geophysik umfasst im weiteren Sinn jedoch auch die Physik derHydrosphäre,Atmosphäre und andererPlaneten,[3] inklusive desWasserkreislauf, derStrömungsdynamik der Ozeane und Atmosphäre,Elektrizität undMagnetismus derIonosphäre undMagnetosphäre und der solar-terrestrischen Physik sowie analogen Problemen im Zusammenhang mit demMond und anderen Planeten.[4][6][7][8]
In der deutschen Hochschulpolitik wurde die Geophysik bis 2020 der Gruppe der sogenanntenkleinen Fächer zugerechnet, inzwischen zählt sie zu denmittelgroßenFächern.[9]
Physikalische Phänomene
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Geophysik gilt als interdisziplinäres Fach und findet in allen Bereichen der Geowissenschaften Anwendung. Um eine klarere Vorstellung davon zu bekommen, was Geophysik ist, werden in diesem Abschnitt Phänomene beschrieben, die in derPhysik untersucht werden, und wie sie mit der Erde und ihrer Umgebung zusammenhängen.
Schwerkraft
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Durch dieAnziehungskraft von Mond und Sonne kommt es alle 24 Stunden und 50 Minuten zuEbbe undFlut, beide wechseln sich also in einem Rhythmus von 12 Stunden und 25 Minuten ab.[10]
Durch die Schwerkraft werden tieferliegende Schichten durch die aufliegende Gesteine kompaktiert und die Dichte steigt im Erdinneren mit der Tiefe an.[11] Messungen derErdbeschleunigung und desGravitationsfeldes an der Erdoberfläche können zur Suche nach Mineralvorkommen genutzt werden (sieheSchwereanomalie undGravimetrie).[12] Das Schwerefeld der Oberfläche liefert Informationen über die Dynamik dertektonischen Platten. DieGeopotentialfläche, auchGeoid genannt, ist eine Modelllieurng desErdschwerefelds. Das Geoid wäre der globale mittlere Meeresspiegel, wenn die Ozeane im Gleichgewicht wären und sich durch die Kontinente erstrecken könnten (z. B. durch sehr schmale Kanäle).[13]
Wärmefluss
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Der aus der auskühlenden Erde resultierendeWärmefluss erzeugt sowohl dasErdmagnetfeld (Geodynamo) als auch diePlattentektonik (Mantelkonvektion).[14] Die wichtigsten Wärmequellen sind die primordiale Wärme undRadioaktivität, aber auchPhasenübergänge tragen dazu bei. Die Wärmeübertragung erfolgt hauptsächlich durchthermische Konvektion, obwohl sie über zweithermische Grenzschichten, dieKern-Mantel-Grenze und dieLithosphäre, hinweg stattfinden muss, über welche die Wärme durch Wärmeleitung transportiert wird.[15] Eine wichtige Rolle spielen während der Konvektion die für den Aufstieg von Material vorgeschlagenenMantelplumes, die große Teil der Wärme des Mantels durch Stofftransport bis zur Lithosphäre transportieren können.[16] Der insgesamt an der Erdoberfläche resultierende Wärmefluss beträgt etwa und stellt die Grundlage für die Energieförderung in derGeothermie dar.[17]
Seismische Wellen
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Seismische Wellen sind Schwingungen, die sich durch die Erde (Raumwellen) und entlang ihrer Oberfläche ausbreiten (Oberflächenwellen). Die Wellen werden mithilfe vonSeismographen alsSeismogramme aufgezeichnet. Messungen seismischer Wellen können zum einen der Erforschung der Quelle, z. B. Position undHerdmechanismus einesErdbebens, aber auch der Strukturerkundung, also der Erforschung des Mediums, basierend auf dem Ausbreitungsverhaltens der Wellen in diesem, dienen. Die gesamte Erde besitzt eine kontinuierlicheEigenschwingung und jede Messung zeigt kontinuierliches Hintergrundrauschen, die alsMikroseimik bezeichnet wird.
Es wird in dieSeismik und dieSeismologie unterschieden, die Seismologie befasst sich mit Erdbeben und anderen Phänomenen natürlicher seismischer Wellen, während sich die Seismik primär mit künstlich angetretenen Wellen, also Wellen die für die Messung selbst erzeugt werden, befasst. Als direkte Konsequenz eines Erdbebens ist die Erforschung und Registrierung seismischer Wellen fundamentaler Bestandteil desKatastrophenschutzes.
Elektrizität
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im globalen Stromkreis, abwärts von derIonosphäre in die Erde und durchGewitter wieder aufwärts, fließt ein Strom von etwa 1800Ampere. Der Fluss manifestiert sich durchBlitze unter den Wolken undSprites über den Wolken. In oberflächennähe besteht ein abwärts gerichtetes elektrisches Feld von durchschnittlich 120Volt pro Meter. Relativ zur festen Erde ist die Atmosphäre durchkosmische Strahlung positiv geladen.[18]
In geophysikalischen Untersuchungen, insbesondere in derProspektion, werden eine Vielzahl von elektrischen Methoden eingesetzt, die alsGeoelektrik bezeichnet werden. Die Methoden beruhen entweder auf der Messung von Eigenpotentialen oder der Einspeisung von erzeugten Strömen in den Untergrund, deren Spannungsabfall bei Ankunft an Messsonden verwendet wird um die Widerstandsverteilung im Boden zu rekonstruieren und so auf verschieden leithfähige Materialien rückzuschließen.
Elektromagnetische Wellen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Natürlicheelektromagnetische Wellen treten insbesondere in derIonosphäre,Magnetosphäre und demäußeren Erdkern auf.
Die Erzeugung von elektromagnetischen Wellen ist häufiger Gegenstand der geophysikalischen Prospektion, so z. B. demBodenradar, derElektromagnetischen Induktionsmessung (EMI), derTransienten-Elektromagnetik (TEM) oder derMagnetotellurik.
Magnetismus
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Das Erdmagnetfeld schützt die Erde vorkosmischer Strahlung, insbesondere demSonnenwind, und wird seit langem zur Navigation genutzt. Es hat seinen Ursprung imäußeren Erdkern, in dem durch denWärmefluss der auskühlenden Erde das flüssige Metall in Bewegung gesetzt (Konvektion) und durch dieCorioliskraft zu schraubenförmiger Rotation gebracht wird. Die Wechselwirkung des sich bewegenden leitfähigen Materials mit dem Erdmagnetfeld erzeugt elektrische Ströme (Induktion), die wiederum eigene Magnetfelder erzeugen und so das Erdmagnetfeld aufrechterhalten.[19]


Das Erdfeld entspricht in etwa einem gekipptenDipol, ändert sich jedoch im Laufe der Zeit (ein Phänomen, dass als geomagnetische säkulare Variation bezeichnet wird). Meistens bleibt dergeomagnetische Pol in der Nähe desgeografischen Pols, aber in zufälligen Abständen von durchschnittlich 440.000 bis zu einer Million Jahren kehrt sich die Polarität des Erdfeldes um. Diese Polsprünge umfassen 184 Polaritätsintervalle in den letzten 83 Millionen Jahren, wobei sich die Häufigkeit im Laufe der Zeit ändert, wobei die jüngste kurze vollständige Umkehrung desLaschamp-Ereignis vor 41.000 Jahren während derletzte Eiszeit stattfand. Im Rahmen derMagnetostratigraphie werden in dieMagnetisierung von Gesteinen zur Datierung und Plattenrekonstruktion genutzt.[20]
Die in der geophysikalischen Untersuchung des Magnetfeldes wird alsGeomagnetik bezeichnet und umfasst die Erforschung des Erdmagnetfeldes selbst und Methoden zurgeophysikalischen Prospektion mithilfe der Detektion magnetischer Anomalien.
Radioaktivität
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Derradioaktive Zerfall ist für etwa 80 % dererdinneren Wärme verantwortlich und treibt denGeodynamo und diePlattentektonik an.[21] Die wichtigsten wärmeproduzierendenIsotope sindKalium-40,Uran-238,Uran-235 undThorium-232.[22] Radioaktive Elemente werden aufgrund ihrerZerfallsraten für dieradiometrische Datierung verwendet und bilden daher die Grundlage für die wichtigste Methode zur absoluten Datierung in derGeochronologie.[23]
Radiometrische Kartierungen mit boden- und flugzeuggestützterGammaspektrometrie können verwendet werden, um die Konzentration und Verteilung von Radioisotopen nahe der Erdoberfläche aufzuzeichnen und darausLithologie undAlteration abzuleiten.[24]
Fluiddynamik
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Fluidbewegungen treten in derMagnetosphäre, derAtmosphäre, denOzeanen, demMantel und demKern auf. Selbst der Erdmantel fließt trotz seiner enormenViskosität über lange Zeiträume wie eine Flüssigkeit. Dieses Fließen spiegelt sich in Phänomenen wieIsostasie,postglazialer Landhebung undMantelplumes wider. Die Mantelströmung treibt diePlattentektonik an, und die Strömung im Erdkern treibt denGeodynamo an.[25]
Die geophysikalische Fluiddynamik ist ein wichtiges Werkzeug in der physikalischeOzeanographie und derMeteorologie. Die Rotation der Erde hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Fluiddynamik, insbesondere aufgrund desCoriolis-Effekts. In der Atmosphäre führt sie zu großräumigen Mustern wie denRossby-Wellen und bestimmt die grundlegenden Zirkulationsmuster von Stürmen. Im Ozean treibt sie die großräumige Zirkulationsmuster sowieKelvin-Wellen undEkman-Spiralen an der Meeresoberfläche an.[26] Im Erdkern verursacht sie die spiralenförmige Zirkulation des geschmolzenen Eisens.[25]
Wellen und andere Phänomene in der Magnetosphäre können mit derMagnetohydrodynamik modelliert werden.
Materialphysik
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die physikalischen Eigenschaften von Mineralen (Mineralphysik) und Gesteinen (Petrophysik) müssen verstanden werden, um aus den physikalischen Messungen (z. B. Ausbreitungsverhalten seismischer Wellen) die Zusammensetzung der Erde ableiten zu können. In der Mineral- und Petrophysik werden vor allemelektrische,magnetische,elastische undthermische Eigenschaften erforscht sowie die Eigenschaften von Porenraum und Matrix (Porosität,Dichte,Permeabilität,Kapillardruck),Bruch- undDeformationsvorgängen und vonRadioaktivität undWärmeproduktion.
Disziplinen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Geophysik lässt sich nach unterschiedlichen Kriterien in weitere Teilgebiete untergliedern. Je nach gewähltem Kriterium ergeben sich unterschiedliche Untergliederungen, deren enthaltene Teilgebiete sich teils überlappen können.
Unterteilung nach Sphären
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im allgemeinen Sinne ist die Geophysik die Wissenschaft von den physikalischen Erscheinungen des PlanetenErde, der aus dem festen Erdkörper, der Wasserhülle und der gasförmigen Hülle besteht. In dieser sehr weiten Definition umfasst die Geophysik folgende Teildisziplinen:[3]
- DiePhysik des Erdkörpers, oft auch als „Geophysik im engeren Sinne“ bezeichnet.[3][5] Dieser Bereich gliedert sich wiederum in folgende Teildisziplinen:
- DiePhysik der Hydrosphäre
- Ozeanographie
- Hydrologie
- Hydrogeophysik[27]
- Wasserbau und Wasserwirtschaft
- DiePhysik der Atmosphäre
- DiePhysik der Hochatmosphäre und der Magnetosphäre
- DiePhysik der Planeten, als Verallgemeinerung der Geophysik auf andere Planeten[28]
Unterteilung nach Methodik und Anwendung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Alternativ lässt sich die Geophysik auch nach den verwendeten Forschungsmethoden und deren Anwendungsbezug untergliedern. Dabei wird analog zurPhysik dietheoretische undexperimentelle Geophysik unterschieden und nach Anwendung in dieAngewandte undAllgemeine Geophysik unterteilt:[3]
- Dietheoretische Geophysik befasst sich mit den mathematischen Grundlagen der Geophysik und deren Anwendung zur Simulation geophysikalischer Vorgänge. Einige typische Themen der theoretischen Geophysik sind dieStrömungsmechanik, diePotentialtheorie, dieWellengleichungen oder dieGeodynamik.
- Dieexperimentelle Geophysik befasst sich mit Laborversuchen. Häufig geht es dabei um die Untersuchung von Materialeigenschaften, unter Bedingungen, wie sie im Erdinnern herrschen. Handelt es sich bei den untersuchten Materialien umGesteine, so nennt man diesen Forschungszweig auchPetrophysik. Ein typisches Beispiel wäre die Bestimmung derSchall-Leitfähigkeit verschiedener Gesteine unter hohemDruck in einer Materialpresse. Letztlich wird manchmal auch dieNumerische Simulation der experimentellen und nicht der theoretischen Geophysik zugeordnet.[29]
- DieAngewandte Geophysik befasst sich mit der Erkundung des Untergrundes mit geophysikalischen Messmethoden für praktische Anwendungen. Am bedeutendsten ist die Exploration zur Suche von Rohstoffen, wie zum BeispielErdöl,Wasser oderErzen. Auch die Auffindung geeigneterEndlagerstätten, die Untersuchung vonDeponien und anderenAltlasten, dieBaugrunduntersuchung und die Untersuchung des Untergrundes zu Zwecken der Landwirtschaft (Agrogeophysik) fallen in diesen Bereich. Letztlich werden Methoden der angewandten Geophysik auch für akademische Fragestellungen, insbesondere in der Archäologie (Archäometrie), eingesetzt. Werden geophysikalische Erkundungen nicht von der Erdoberfläche, sondern von einem Bohrloch aus durchgeführt, so spricht man von derBohrlochgeophysik, einem weiteren Unterbereich der angewandten Geophysik. Die Angewandte Geophysik bewegt sich dabei an der Schnittstelle zwischenNatur- undIngenieurwissenschaften.
- DieAllgemeinen Geophysik,Grundlagenforschung bezüglich der Prozesse und Felder des gesamten Erdkörpers.
Unterteilung nach Verfahren
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Da sich die Geophysik vornehmlich mit jenen Gebieten der Erde befasst, die für direkte Messungen nicht zugänglich sind, werden oft Verfahren derFernerkundung eingesetzt. Diese laufen meist darauf hinaus, dass einphysikalisches Feld nahe der Erdoberfläche ausgemessen wird, um es dann mit mathematischen Methoden in die interessierenden Tiefen- oder Höhenbereiche zu extrapolieren. Die Details der angewandten Mess- und Auswertungsverfahren variieren stark je nach der untersuchten Messgröße (Erdbeschleunigung, elektrische oder magnetische Feldstärke etc.), dem beobachteten Frequenzbereich und der dabei auftretenden grundlegenden Feldcharakteristik (Potentialfeld, Diffusionsfeld oder Wellenfeld; abhängig von den zugrunde liegenden Differentialgleichungen). Insbesondere die Feldcharakteristik hat großen Einfluss auf die verwendbaren Auswertungsverfahren. Daher seien hier einige typische Erkundungsverfahren der Geophysik nach der zutreffenden Feldcharakteristik aufgeführt:
- Potentialverfahren (Potentialfelder, elliptische Differentialgleichungen)
- Diffusionsverfahren (Diffusionsfelder, parabolische Differentialgleichungen):
- Magnetotellurik (MT, auch Spezialformen wie AMT, LMT, RMT)
- Geoelektromagnetik (inklusive Transienter Elektromagnetik, kurz TEM)
- Very Low Frequency (kurz VLF-Verfahren)
- Wellenverfahren (Wellenfelder, hyperbolische Differentialgleichungen):
- Seismologie undSeismik
- Georadar (Ground Penetrating Radar, kurz GPR)
- Sonderfall (Strahlung):
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Geophysik hat sich erst im 19. Jahrhundert als eigenständige Disziplin herausgebildet, und zwar aus dem Schnittpunkt von physikalischerGeografie,Geologie,Astronomie,Meteorologie.[30][31] Viele geophysikalische Phänomene – wie das Magnetfeld der Erde und Erdbeben – werden jedoch schon seit der Antike untersucht.
Antike und klassische Epochen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Erforschung der Erde geht auf elementare Erkenntnisse in der Antike zurück. Der erste berichtete Magnetkompass geht auf das 4. Jahrhundert vor Christus in China zurück, dieser konnte jedoch seine Magnetisierung nicht lange genug aufrechterhalten, um für die Meeresnavigation nützlich zu sein. Die erste Erwähnung eines Kompasses in Europa stammt aus dem Jahr 1190 n. Chr.[32] Um 240 v. Chr. schlussfolgerteEratosthenes von Kyrene, dass die Erde rund ist, und maß den Erdumfang mithilfe von der Geometrie des Sonneneinfalls mit großer Genauigkeit[33] und entwickelte ein System derBreiten- und Längengrade.[34]
Der vielleicht früheste Beitrag zur Seismologie war die Erfindung einesSeismoskops durchZhang Heng im Jahr 132 n. Chr. Dieses Instrument war so konzipiert, dass es eine Bronzekugel aus dem Maul eines Drachens in das Maul einer Kröte fallen ließ. Indem man nachsah, welche von acht Kröten die Kugel hatte, konnte man die Richtung des Erdbebens bestimmen.[32]
Einige Informationen über Erdbeben finden sich inAristotelesMeteorology, inNaturalis Historia vonPlinius dem Älteren und inStrabosGeographica. Aristoteles und Strabo zeichneten Beobachtungen über Gezeiten auf. Der griechische Philosoph Empedokles (ca. 490–430 v. Chr.) unternahm den ersten Versuch,Vulkane auf natürliche, wenn auch abwegige, Weise zu erklären. Plinius der Ältere stellte fest, dass einem Ausbruch Erdbeben vorausgingen.
Moderne Wissenschaft
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine der Veröffentlichungen, die den Beginn der modernen Wissenschaft markierten, war William Gilberts De Magnete (1600), ein Bericht über eine Reihe sorgfältiger Experimente zum Magnetismus. Gilbert schlussfolgerte, dass Kompasse nach Norden zeigen, weil die Erde selbst magnetisch ist.[35]
1687 veröffentlichteIsaac Newton seinePrincipia, die nicht nur die Grundlagen derklassischen Mechanik und derGravitation bildeten, sondern auch eine Reihe geophysikalischer Phänomene (z. B. Gezeiten) erklärten und durch verschiedene Autoren auf mehrere Bereiche erweitert wurden: So auf Form, Dichte und Schwerefeld der Erde (Pierre Bouguer,Alexis Clairaut undHenry Cavendish), Magnetfeld der Erde (Alexander von Humboldt,Edmund Halley undCarl Friedrich Gauß), Seismologie (John Milne undRobert Mallet) sowie Alter, Wärme und Radioaktivität der Erde (Arthur Holmes undWilliam Thomson, 1. Baron Kelvin).
Blaise Pascal entdeckte 1648 erneut, dass der atmosphärische Druck mit der Höhe abnimmt, und folgerte daraus, dass über der Atmosphäre ein Vakuum herrscht. Das erste Seismometer, ein Instrument zur kontinuierlichen Aufzeichnung der seismischen Aktivität, wurde 1844 vonJames Forbes gebaut.[36]
Als Disziplin
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die erste bekannte Verwendung des Wortes Geophysik stammt aus dem Deutschen vonJulius Fröbel im Jahr 1834.[37] In den folgenden Jahrzehnten wurde der Begriff gelegentlich verwendet, setzte sich aber erst durch, als ab 1887 mitBeiträge zur Geophysik erste Zeitschriften zu diesem Thema erschienen. Das spätereJournal of Geophysical Research wurde 1896 unter dem TitelTerrestrial Magnetism gegründet. 1898 wurde an derUniversität Göttingen ein Geophysikalisches Institut gegründet, undEmil Wiechert erhielt den weltweit ersten Lehrstuhl für Geophysik.[38] Einen internationalen Rahmen für die Geophysik bildete die Gründung derInternational Union of Geodesy and Geophysics im Jahr 1919.[39]
Institutionen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Universitäten
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Geophysikalische Studiengänge werden nicht an allen Universitäten angeboten. Die Schwerpunktsetzung unterscheidet sich zwischen den einzelnen Hochschulen hinsichtlich geophysikalischer Fachbereiche. Manche Hochschulen bieten Geophysik als eigenständiges Fach an und andere Geophysik als Studienrichtung bzw. Schwerpunkt in den Studienfächern Geowissenschaften oder Physik (siehe Karte). Die Anteile an geophysikalischen Inhalten können sich dabei unterscheiden und sind an der jeweiligen Hochschule herauszufinden.
Folgende Hochschulen in Deutschland bieten geophysikalische Studiengänge an:[40]
- RWTH Aachen
- B.Sc. Angewandte Geowissenschaften (geophysikalische Module)
- B.Sc. Georessourcenmanagement (geophysikalische Module)
- M.Sc. Applied Geophysics
- M.Sc. Angewandte Geowissenschaften (geophysikalische Wahlmodule)
- M.Sc. Georessourcenmanagement (geophysikalische Wahlmodule)
- Freie Universität Berlin
- B.Sc.in Geologischen Wissenschaften (geophysikalische Module)
- M.Sc. der Geologischen Wissenschaften / Schwerpunkt Geophysik
- Technische Universität Berlin
- B.Sc. Geotechnologie / Wahlbereich Angewandte Geophysik
- M.Sc. Geotechnologie / Schwerpunkt Angewandte Geophysik[41]
- Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- B.Sc. Geowissenschaften
- M.Sc. Physik der Erde und Atmosphäre (in Kooperation mit derUniversität zu Köln)
- Technische Universität Braunschweig
- B.Sc. Physik mit Vertiefungsrichtung Geo- und Astrophysik
- M.Sc. Physik mit Vertiefungsrichtung Geo- und Astrophysik
- Universität Bremen
- B.Sc. Geowissenschaften (geophysikalische Module)
- M.Sc. Geowissenschaften (geophysikalische Module)
- M.Sc. Marine Geosciences
- Ruhr-Universität Bochum
- B.Sc. Geowissenschaften (geophysikalische Module)
- M.Sc. Geowissenschaften[42]
- Universität Greifswald
- B.Sc. Geologie (geophysikalisches Wahlmodul)[43]
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
- B.Sc. Geowissenschaften
- M.Sc. Geowissenschaften / Schwerpunkt Geophysik
- Technische Universität Bergakademie Freiberg
- B.Sc. Geophysik und Geoinformatik
- M.Sc. Geophysik
- Georg-August-Universität Göttingen
- B.Sc. Physik mit Schwerpunkt Astro- und Geophysik
- M.Sc. Physik / Forschungsschwerpunkt Astro- und Geophysik
- Universität Hamburg
- B.Sc. Geophysik/Ozeanographie
- M.Sc. Geophysik
- Karlsruher Institut für Technologie
- B.Sc. Geophysik
- M.Sc. Geophysik
- Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- B.Sc. Physik des Erdsystems: Meteorologie-Ozeanographie-Geophysik
- M.Sc. Geophysik
- M.Sc. Marine Geosciences
- M.Sc. Climate Physics: Meteorology and Physical Oceanography
- Universität zu Köln
- B.Sc. Geophysik und Meteorologie
- M.Sc. Physik der Erde und Atmosphäre (in Kooperation mit derUniversität Bonn)
- Universität Leipzig
- M.Sc. Earth System Data Science & Remote Sensing
- Ludwig-Maximilians-Universität München
- B.Sc. Geowissenschaften (Vertiefungsrichtung Geophysik)
- M.Sc. Geophysics
- Westfälische Wilhelms-Universität Münster
- B.Sc. Geophysik
- M.Sc. Geophysik
- Universität Potsdam
- B.Sc. Geowissenschaften (Schwerpunktsetzung Geophysik möglich)
- M.Sc. Geowissenschaften / Vertiefungsrichtung Geophysik
Forschungseinrichtungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zu den international tätigen (außeruniversitären) Forschungseinrichtungen Deutschlands mit Schwerpunkten in Geophysik zählen:
- Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremen
- Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), Potsdam
- Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Köln
- Geozentrum Hannover
- Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR), Kiel
Fachverbände
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die globalen Forschungsagenden der Geophysik werden im Rahmen derIUGG (Internationale Union fürGeodäsie und Geophysik) und ihren 7 Assoziationen koordiniert.
Die weltweit größte Geophysikalische Gesellschaft mit Schwerpunkt im akademischen Bereich ist dieAmerican Geophysical Union (AGU) mit über 58.000 Mitgliedern. Der größte Dachverband angewandter Geophysik, speziell derRohstoffsuche ist dieSociety of Exploration Geophysicists (SEG) mit ca. 28.000 Mitgliedern. DieDeutsche Geophysikalische Gesellschaft (DGG) ist mit ungefähr 1.000 Mitgliedern der größte deutsche geophysikalische Fachverband.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Hans Berckhemer:Grundlagen der Geophysik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990,ISBN 3-534-03974-2.
- William Lowrie:Fundamentals of Geophysics. Cambridge University Press, Cambridge 2007,ISBN 978-0-521-67596-3 (englisch).
- Christoph Clauser:Grundlagen der angewandten Geophysik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg 2018,ISBN 978-3-662-55309-1.
- Christoph Clauser:Einführung in die Geophysik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg 2023,ISBN 978-3-662-66163-5.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Geophysik im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Homepage der deutschen Geophysikstudenten
- Deutsche Geophysikalische Gesellschaft (DGG)
- AGU American Geophysical Union
- SEG The Society of Exploration Geophysicists
- Geosciences-Forum: Geophysik
- Informationen der DGG zu Geophysik-Bachelor-Studiengängen (PDF; 101 kB)
- Informationen der DGG zu Geophysik-Master-Studiengängen (PDF; 120 kB)
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Was ist Geophysik? Universität Hamburg, 17. Mai 2021, abgerufen am 17. Januar 2023.
- ↑Christoph Clauser:Einführung in die Geophysik. 2., aktualisierte u. korr. Aufl. 2016. Springer, Berlin, Heidelberg 2016,ISBN 978-3-662-46884-5,S. 2.
- ↑abcdefGeophysik. In: Lexikon der Geowissenschaften. Spektrum, abgerufen am 17. Januar 2023.
- ↑abRobert E. Sheriff:Encyclopedic dictionary of exploration geophysics. 3rd ed Auflage. Society of Exploration Geophysicists, Tulsa, OK 1991,ISBN 1-56080-018-6.
- ↑abPhysik des Erdkörpers. In: Lexikon der Geowissenschaften. Spektrum, abgerufen am 17. Januar 2023.
- ↑Gutenberg, B., 1929, Lehrbuch der Geophysik. Leipzig. Berlin (Gebruder Borntraeger)
- ↑Runcorn, S.K, 1967, International dictionary of geophysics:. Pergamon, Oxford, 2 volumes, 1,728 pp., 730 fig
- ↑Geophysics, 1970, Encyclopaedia Britannica, Vol.10, p. 202–202
- ↑Arbeitsstelle Kleine Fächer: Geophysik auf dem Portal Kleine Fächer. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 8. April 2022; abgerufen am 20. Februar 2022.
- ↑David A. Ross:Introduction to oceanography. 4th ed Auflage. Prentice Hall, Englewood Cliffs, N.J. 1988,ISBN 0-13-491408-2,S. 236–242.
- ↑Jean-Paul Poirier:Introduction to the physics of the Earth's interior. 2nd ed Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2000,ISBN 0-511-01034-6.
- ↑W. M. Telford:Applied geophysics. Second edition Auflage. Cambridge [England] 1990,ISBN 0-521-32693-1.
- ↑William Lowrie:Fundamentals of geophysics. Cambridge University Press, Cambridge 1997,ISBN 0-521-46164-2.
- ↑Geoffrey F. Davies:Dynamic earth : plates, plumes, and mantle convection. Cambridge University Press, Cambridge 1999,ISBN 0-521-59067-1.
- ↑C. M. R. Fowler:The solid earth: an introduction to global geophysics. 2nd ed Auflage. Cambridge University Press, Cambridge, UK 2005,ISBN 0-521-89307-0.
- ↑Sara E. Pratt: The question of mantle plumes. In: Earthmagazine. 4. Dezember 2015, abgerufen am 4. April 2023.
- ↑Henry N. Pollack, Suzanne J. Hurter, Jeffrey R. Johnson:Heat flow from the Earth's interior: Analysis of the global data set. In:Reviews of Geophysics.Band 31,Nr. 3, August 1993,ISSN 8755-1209,S. 267–280,doi:10.1029/93RG01249 (wiley.com [abgerufen am 10. Oktober 2023]).
- ↑R. G. Harrison, K. S. Carslaw:Ion-aerosol-cloud processes in the lower atmosphere: ION-AEROSOL-CLOUD PROCESSES. In:Reviews of Geophysics.Band 41,Nr. 3, September 2003,doi:10.1029/2002RG000114.
- ↑How does the Earth's core generate a magnetic field? In: USGS. Archiviert vom Original am 18. Januar 2015; abgerufen am 16. Februar 2023.
- ↑Neil D. Opdyke:Magnetic stratigraphy. Academic Press, San Diego 1996,ISBN 0-12-527470-X.
- ↑Donald Lawson Turcotte:Geodynamics. 2nd ed Auflage. Cambridge 2002,ISBN 0-521-66186-2.
- ↑Radioactive potassium may be major heat source in Earth's core. In: UC Berkeley News. 12. Oktober 2003, abgerufen am 26. Februar 2023 (englisch).
- ↑P. R. Renne, K. R. Ludwig, D. B. Karner:Progress and challenges in geochronology. In:Science Progress. 83 (Pt 1), 2000,ISSN 0036-8504,S. 107–121,PMID 10800377.
- ↑Radiometrics. In: Geoscience Australia. Australien Government, 15. Mai 2014, abgerufen am 26. Februar 2023 (englisch).
- ↑abRonald T. Merrill:The magnetic field of the earth: paleomagnetism, the core, and the deep mantle. Academic Press, San Diego, Calif. 1996,ISBN 0-12-491245-1.
- ↑Joseph Pedlosky:Geophysical fluid dynamics. 2nd ed Auflage. Springer-Verlag, New York 1987,ISBN 0-387-96388-X.
- ↑Andrew Binley, Susan S. Hubbard, Johan A. Huisman, André Revil, David A. Robinson:The emergence of hydrogeophysics for improved understanding of subsurface processes over multiple scales. In:Water Resources Research.Band 51,Nr. 6, Juni 2015,ISSN 0043-1397,S. 3837–3866,doi:10.1002/2015WR017016,PMID 26900183,PMC 4744786 (freier Volltext).
- ↑Geophysik. In: Lexikon der Geographie. Spektrum, abgerufen am 17. Januar 2023.
- ↑Auch in der Physik selbst ist die sog.Computational Physics ein spezielles Fach zwischenExperimentalphysik undTheoretischer Physik.
- ↑Web Resources in the History of Geophysics. In: American Geophysical Union. 2005, archiviert vom Original am 27. April 2013; abgerufen am 26. April 2023.
- ↑W. Schröder:History of geophysics. In:Acta Geodaetica et Geophysica Hungarica.Band 45,Nr. 2, Juni 2010,ISSN 1217-8977,S. 253–261,doi:10.1556/AGeod.45.2010.2.9 (akjournals.com [abgerufen am 26. April 2023]).
- ↑abRobert K. G. Temple:The genius of China: 3,000 years of science, discovery, and invention. Simon and Schuster, New York 1986,ISBN 0-671-62028-2.
- ↑Lucio Russo:The forgotten revolution: how science was born in 300 BC and why it had to be reborn. Springer, Berlin 2004,ISBN 3-540-20396-6.
- ↑Eratosthenes:Eratosthenes' Geography. Princeton University Press, Princeton 2010,ISBN 978-1-4008-3221-7.
- ↑Ronald T. Merrill:The magnetic field of the earth: paleomagnetism, the core, and the deep mantle. Academic Press, San Diego, Calif. 1996,ISBN 0-12-491245-1.
- ↑J. Dewey, P. Byerly:The early history of seismometry (to 1900). In:Bulletin of the Seismological Society of America. 1969 (semanticscholar.org [abgerufen am 26. April 2023]).
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- ↑„Allgemeine Informationen zum Geophysikstudium“ der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (Memento vom 19. März 2012 imInternet Archive)
- ↑TU Berlin
- ↑"Geowissenschaften Master of Science" (PDF; 12 kB), in dem die Vertiefungsrichtung Geophysik möglich ist
- ↑Angewandte Geophysik. In: Institut für Geographie und Geologie. Uni Greifswald, abgerufen am 27. April 2023.
- ↑"Allgemeine Informationen zum Bachelorstudiengang Geowissenschaften" (Memento vom 17. Juni 2013 imInternet Archive), in dem die Vertiefungsrichtung Geophysik möglich ist
- ↑"Allgemeine Informationen zum Masterstudiengang Geophysik" (Memento vom 24. März 2016 imInternet Archive)