Genosse
AlsGenosse (vonalthochdeutsch:ginoz – jemand, der mit einem anderen etwas genießt, Nutznießung hat) bezeichnet man einen Gefährten (Kampfgenosse, Eidesgenosse, Zeitgenosse …), also jemanden, mit dem man eine gemeinsame Erfahrung in einem bestimmten Bereich geteilt hatte, der dieselben Ziele hatte und auf den man sich aus diesem Grund verlassen kann.
Der Begriff „Genosse“ im deutschen Sprachraum
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Politische Bedeutung in linken Parteien
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In derPolitik, insbesondere insozialdemokratischen,sozialistischen undkommunistischen Parteien,Gewerkschaften sowieanarchistischen Organisationen werden die Mitglieder undAktivisten häufig als „Genossinnen“ und „Genossen“ bezeichnet undgeduzt. Die Verwendung des BegriffsGenosseals politische Form der Anrede geht dabei auf die Gründung derSozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zurück.
Bewaffnete Organe
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In derDDR war die Bezeichnung „Genosse“ bzw. „Genossin“ neben der Verwendung in derSED auch die offizielle Anrede für Angehörige derbewaffneten Organe in Verbindung mit dem Dienstgrad (zum BeispielGenosse Major). Diese Anrede als Genosse gab es auch in den Bewaffneten Organen derUdSSR und der anderen Ostblockstaaten.
Politische Bedeutung in der NSDAP
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieNSDAP wandelte das Wort zu „Parteigenosse“ (abgekürzt „Pg.“) und „Volksgenosse“ ab.
Bedeutung im Handelsrecht
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im deutschenHandelsrecht wurden bis 2006 die Mitglieder einerGenossenschaft als „Genossen“ bezeichnet.
Bedeutung im Jagdrecht
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]AlsJagdgenossen werden die Eigentümer land-, forst- undwasserwirtschaftlicher Grundstücke bezeichnet, insofern auf diesen nicht dieJagd ruht oder sie einenEigenjagdbezirk darstellen.
Bedeutung im Strafvollzug
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Als „Zellengenossen“[1] werden männliche Personen bezeichnet, die mit anderen Häftlingen gemeinsam in einer Gefängniszelle untergebracht sind.
Bedeutung und Verwendung im außerdeutschen Sprachraum
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In den meisten anderengermanischen Sprachen (wieenglisch,niederländisch und denskandinavischen Sprachen) und den meistenromanischen Sprachen wird innerhalb politischer Organisationen des linken Spektrums die entsprechende Mitgliederbezeichnung für den deutschen BegriffGenosse vom lateinischen Wort „camera“ (deutsch: Kammer) abgeleitet. Der Bedeutungsgehalt und die vom Verwender dabei transportierte Klangfärbung sind dabei aufgrund der verschiedenartigen nationalen Entwicklungen und Erfahrungen sozialistischer und sozialdemokratischer Strömungen von Sprache zu Sprache verschieden.
Dieenglische Sprache kennt die Bezeichnungcomrade (wörtlich deutsch: Kamerad). Sie kann dort zwar auch im militärischen Sinn verwendet werden, dient aber meist als politisierte Anredeform.
Dieniederländische Sprache kennt die Bezeichnungkameraad (deutsch: Kamerad, Kumpel). Sie kann in diesem ursprünglichen Sinn verwendet werden, dient aber auch als politisierte Anredeform.
Parallel dazu leitet sich dasfranzösischecamarade von der gleichen lateinischen Wurzel ab. Der Ursprung der Bezeichnung in ihrer politischen Bedeutung steht dabei aus Sicht derArbeiterbewegung in Verbindung mit der Ablehnung feudaler und bürgerlicher Umgangsformen wiemadame, monsieur odermademoiselle und der Suche nach einem Ersatz mit größereregalitärer Ausdruckskraft. In der politischen Kultur Frankreichs wird diese Form der Anrede in derKommunistischen Partei und in kommunistischen Strömungen heutzutage häufiger verwendet als in derSozialistischen Partei.
Auch imSpanischen undPortugiesischen sind jeweilscamarada geläufig, allerdings hat sich im lateinamerikanischen Raum, insbesondere beeinflusst durch die kubanische Revolution, die spanische Wendungcompañero/compañeraund im portugiesischsprachigen Brasilien in derBrasilianischen Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores)companheiro/companheiradurchgesetzt.
Eine Ausnahme bildet dasItalienische. Hier entsprichtcompagno dem deutschen WortGenosse.Camerata dagegen bestimmte den persönlichen Umgang in derfaschistischen Bewegung und späterenDiktatur und wird auch heute noch in selbstbeanspruchten Nachfolgeorganisationen benutzt.
ImRussischen istTowarischtsch (товарищ) das Wort für Genosse im politische Sinne, kann aber auch für Kamerad oder Kollege verwendet werden.
In derUngarischen Sprache war die EntsprechungElvtárs die offizielle Anrede während der kommunistischen Zeit. Es bedeutet so viel wie „Mensch, der die gleichen Prinzipien teilt“.Elv = Prinzip,Társ = Partner.
Die hebräische Entsprechung zu „Genosse“Chawér,hebräischחבר, ist mehrdeutig. Das Wort wird auch im Sinne von „Mitglied“ (einer Partei, eines Parlaments o. ä.) verwendet und bedeutet in erster Linie „Freund“.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Eidgenossenschaft (Rechtsbegriff)
- Genosse Trend
- Genossenschaftsbewegung
- Weggenossen
- Zeitgenosse
- Kameradschaft
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Herbert Bartholmes:Bruder, Bürger, Freund, Genosse und andere Wörter der sozialistischen Terminologie – Wortgeschichtliche Beiträge. Peter Hammer, Wuppertal 1970.
- Genosse, genosz. In:Jacob Grimm,Wilhelm Grimm (Hrsg.):Deutsches Wörterbuch.Band 5:Gefoppe–Getreibs – (IV, 1. Abteilung, Teil 2). S. Hirzel, Leipzig 1897,Sp. 3437–3482 (woerterbuchnetz.de).
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Duden | Zellengenosse | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 8. Januar 2022.