Genius Loci

Derlateinische Begriffgenius loci – deutsche SchreibungGenius Loci – bedeutet wörtlich übersetzt „der Geist des Ortes“ oder „der Geist eines Ortes“. Der AusdruckGeist in diesem Begriff hat in verschiedenen Bereichen wie Mythologie und Glauben, Architektur oder Politik unterschiedliche Bedeutungsnuancen.
Bedeutungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Mit „Geist“ war in derrömischen Mythologie ursprünglich ein Schutzgeist(Genius) gemeint, der häufig in Form einerSchlange dargestellt wurde. Der Begriffgenius loci bezog sich in der römischen Antike neben religiösen Orten wie Tempeln und Kultplätzen auch auf profane Bereiche wie Provinzen, Städte, Plätze, Bauwerke oder einzelne Räume innerhalb dieser Bauten.
In der Tradition desmonotheistischen Christentums wird der BegriffGeist anders definiert, und zwar als eine nicht genau zu bestimmendeSpiritualität. In diesem Sinne bezeichnetgenius loci die geistige Atmosphäre eines Ortes, die durch den Geist der Menschen geprägt sein soll, die sich dort aufgehalten haben oder noch aufhalten. So ist beispielsweise dergenius loci desKlosters Maulbronn ein zentrales Thema in den Werken vonHermann Hesse (vor allem inUnterm Rad undNarziß und Goldmund).
In derArchitektur undRaumplanung bezeichnet der Begriff auch die baulichen Vorgaben und Merkmale eines Ortes, welche maßgeblich entwurfsbestimmend sein können. Denn jedes Grundstück definiert sich zunächst aus seiner Lage und der Einbettung in seine Umgebung, hieraus gewinnt es seine Wertigkeit, seinen Charakter und seine Nutzungsmöglichkeiten. Aber dergenius loci setzt sich nicht allein aus Bodenbeschaffenheit, der Größe eines Areals und anderen messbaren Faktoren zusammen, sondern beinhaltet zudem die Atmosphäre und Aura eines Ortes. In diesem Sinne ist dergenius loci ein Konstrukt, in dem Wissen, Erinnerung, Wahrnehmung und Deutung als interpretative Leistung des menschlichen Geistes verschmelzen.
Um eine ausgefallene Bebauung mit eigenem Charakter und Ambiente zu erzielen, wird dergenius loci oftmals in den Entwurfsprozess für ein Gebäude einbezogen. Insbesondere bei der Einbindung historischerBausubstanz spielt er eine wichtige Rolle in der Architektur, wenn es gilt, die Anknüpfungspunkte, die ein Ort bietet, aufzugreifen und in die Zukunft zu überführen, etwa bei der baulichen Umwidmung alter Kirchenbauten. Die neuere Architekturtheorie bemüht sich um eine systematische Analyse der Verbindungen zwischen Bauwerk und Ortsbezug.[1]
In der Politik steht der Begriff für die Symbolik eines Verhandlungsortes, an dem bedeutende bi- oder multilaterale Verträge ausgehandelt bzw. unterzeichnet wurden (z. B. derSpiegelsaal imSchloss Versailles) oder an dem andere historisch bedeutsame Ereignisse stattfanden (z. B. verlustreiche Schlachten wie beiVerdun oderStalingrad).
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Christian Norberg-Schulz:Genius Loci. Landschaft, Lebensraum, Baukunst. Klett-Cotta, Stuttgart 1982
- Reiner Götzen:Ganzheitliche Projektentwicklung im Wohnungsbau. Lebenswelten – eine Unternehmensstrategie. Herausgegeben vom Institut für Lebenswelten,ISBN 978-3-938666-52-4.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Der Geist des Ortes oder der Geist und sein Ort. (Memento vom 16. April 2010 imInternet Archive) emmet 4–2008
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Tomáš Valena:Beziehungen: über den Ortsbezug in der Architektur. 1. aktualisierte u. erw. Auflage. Geymüller, Aachen 2014,ISBN 978-3-943164-14-5.