Geldmengenwachstum
UnterGeldmengenwachstum wird eine Erhöhung derGeldmenge (GeldmengenaggregatM3 im Euroraum) verstanden. Die Geldmenge versuchen dieZentralbanken der jeweiligen Währungsräume mit Instrumenten der Geldpolitik, insbesondere über das Setzen desLeitzinses oder über die Implementierung unkonventioneller Maßnahmen wiequantitative Lockerung, zu steuern. Deklariertes Ziel ist hierbei die Gewährleistung derPreisniveaustabilität.
Begriffliche Einordnung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In ihrer geldpolitischen Strategie, die 1998 formuliert wurde, weist dieEuropäische Zentralbank (EZB) derGeldmenge eine besondere Rolle zu. Dies spiegelt wider, dass Inflation auf mittlere bis längere Sicht letztendlich monetäre Ursachen hat.Jean-Claude Trichet, ehemaliger Präsident der EZB: „Es gibt einen langfristigen Zusammenhang zwischenGeldmengenwachstum undInflation“. Die enge Beziehung, die gemäß einem grundlegenden Prinzip derVolkswirtschaft auf mittlerer Sicht zwischen Geldmenge und Preisen besteht, legt nahe, dass die Analyse dauerhafter Trends der Geldmengenentwicklung für jede Zentralbank, die auf Gewährleistung der Preisstabilität abstellt, von entscheidender Bedeutung ist.
Geldanbieter
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zentralbank
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Dominierender Geldanbieter, der der Volkswirtschaft über dieGeschäftsbanken Basisgeld in Gestalt derZentralbankgeldmenge zur Verfügung stellt, ist dieZentralbank (in Europa ist das dieEZB). Sie beeinflusst auch gleichzeitig dasGeldangebot an dieNichtbanken:Finanzintermediäre,Staat und Ausland.[1]
Geschäftsbanken
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Geschäftsbanken schöpfen im Rahmen der Vergabe von Krediten oder beim Kauf von AktivaGiralgeld, welches den Großteil der umlaufendenGeldmenge ausmacht. Die Erhöhung des Geldangebots erfolgt daher maßgeblich durch dieGeldschöpfung privater Geschäftsbanken.[2][3]
Staat
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der Staat kann das Geldangebot beeinflussen, indem er einen Teil seiner Kassenguthaben auflöst oder Zahlungen aus dem Ausland oder Zentralbankkredite erhält.[4]
Geldmengensteuerung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Zentralbanken können die Geldmenge durch zwei Instrumente der Geldpolitik beeinflussen
Das Hauptinstrument sind hierbei dieOffenmarktgeschäfte. Durch diese wird die verfügbare Menge anZentralbankgeld beeinflusst, welches jedoch – bis auf Bargeld – nicht von privaten Haushalten und nicht-finanziellen Unternehmen für Transaktionen genutzt werden kann, da diese keine Konten bei der Zentralbank unterhalten. Der Kauf vonWertpapieren durch die Zentralbank vergrößert daher zwar die Menge an Zentralbankgeld, hat jedoch nur indirekte Auswirkungen auf dieGeldmenge.[5] Diese steigt nur, wenn Wertpapiere von Nichtbanken gekauft werden (über Banken als Intermediäre), oder wenn durch eine solche Operation die Zinsen sinken und dies die Nachfrage nach und Vergabe von Krediten anregt.[6] DerZusammenhang von Zentralbankgeld und Geldmenge ist insbesondere in Krisenzeiten, z. B. in einerLiquiditätsfalle, nur sehr schwach ausgeprägt.[7]
Eineexogene Ursache des Anstiegs der erweiterten Geldmenge wieM3 kann z. B. auf Grund von Umschichtungen vonBundesanleihen inGeldmarktfonds durch Anleger geschehen – daM3 keine Bundesanleihen beinhaltet.[8]
Auswirkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Durch wachsendeGeldschöpfung im Kreditsystem kann die zirkulierende Geldmenge konjunkturabhängig wachsen oder schrumpfen. Eine zu kleine Geldmenge kann zu Kreditverknappung,Rezession undDeflation führen. Eine wachsende Geldmenge kann zu größererGüternachfrage führen. Wenn die Kapazitäten zur Bereitstellung eines erhöhten Güterangebots nicht schnell genug geschaffen werden können, z. B. auf Grund einer geschlossenerProduktionslücke oder bei Engpässen auf bestimmten Gütermärkten, führt die Ausweitung der Geldmenge zu Preissteigerungen auf den Gütermärkten, d. h. zu Inflation.
Inflation
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Inflation ist einerseits eine Preissteigerung von Gütern und Dienstleistungen und andererseits eineGeldentwertung. Inflation entsteht, wenn dienachfragendeGeldmenge schneller steigt als die (produzierte) Gütermenge (BIP).
Moderne Sichtweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Kurzfristig beeinflussen Veränderungen des Geldmengenwachstums in erster Linie die Produktion, nicht aber die Inflation. Erst auf mittlere Frist deutet sich ein Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation an.[9]Wichtig ist auch die Tatsache, dass die Zentralbank dasGeldmengenaggregatM3 viel weniger als das GeldmengenaggregatM1 kontrollieren kann. Diese Effekte lassen sich auch daran erkennen, dass das Wachstum vonM3 in der Vergangenheit oft weit entfernt von dem Ziel lag, das die Zentralbank angekündigt hatte.[10]
Messung des Geldmengenwachstums
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Um dieses Wachstum zu messen, hat derEZB-Rat eine Wachstumsrate derGeldmengeM3 als Referenzwert angegeben. Dieser wird auf Basis von mittelfristigen Annahmen über die reale Wachstumsentwicklung desBIP und die Umlaufgeschwindigkeit vonM3 ermittelt. Der Referenzwert für das Geldmengenwachstum soll im Einklang mit der Definition des EZB-Rates vonPreisniveaustabilität stehen und der Erreichung dieses zentralen Zieles derEZB dienen.
Referenzwert für das Geldmengenwachstum
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ist der Wert für das mittelfristige Wachstum des monetären AggregatsM3, den dieEZB im Rahmen der „zweiten Säule“ ihrer geldpolitischen Strategie angekündigt hat. Der Wert liegt derzeit (und seit Beginn derEWU) bei 4,5 % p. a.
Entwicklung des Geldmengenwachstums
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im Februar 2008 wies die EZB einen Anstieg der GeldmengeM3 um 11,3 % auf Jahressicht aus. Der Zuwachs blieb somit wieder deutlich über der EZB-Referenzrate von 4,5 %. Nach Einschätzung der Notenbank beinhaltet das starke Geldmengenwachstum mittel- bis längerfristig ein Aufwärtsrisiko für die Preisentwicklung.
Literaturverzeichnis
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Oliver Blanchard, Gerhard Illing:Makroökonomie. 3. Auflage. Pearson Studium, München 2004,ISBN 3-8273-7051-5.
- Wilfried Fuhrmann:Geld und Kredit. 2. Auflage. Oldenbourg, München 1994,ISBN 3-486-23025-5.
- Peter Schaal:Geldtheorie und Geldpolitik. 3. Auflage. Oldenbourg, München 1992,ISBN 3-486-22442-5.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑P. Schaal:Geldtheorie und Geldpolitik. 3. Auflage. Oldenbourg, S. 95.
- ↑P. Schaal:Geldtheorie und Geldpolitik. 3. Auflage. Oldenbourg, S. 97.
- ↑Deutsche Bundesbank: Wie Geld entsteht. 25. April 2017, abgerufen am 12. April 2021.
- ↑P. Schaal:Geldtheorie und Geldpolitik. 3. Auflage. Oldenbourg, S. 98.
- ↑Deutsche Bundesbank: Wie Geld entsteht. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. Oktober 2017; abgerufen am 11. Juni 2018. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundesbank.de
- ↑Bank of England: Money creation in the modern economy. Abgerufen am 11. Juni 2018 (englisch).
- ↑Paul De Grauwe: The European Central Bank as a lender of last resort. In: VoxEU.org. 18. August 2011, abgerufen am 11. Juni 2018.
- ↑W. Fuhrmann:Geld und Kredit. 2. Auflage. Oldenbourg, S. 181 ff.
- ↑O. Blanchard, G. Illing:Makroökonomie. 3. Auflage. Pearson Studium, 2004, S. 747.
- ↑O. Blanchard, G. Illing:Makroökonomie. 3. Auflage. Pearson Studium, 2004, S. 746 ff.