Gefolge
Gefolge oderGefolgschaft bezeichnet eine Gruppe vonGefolgsleuten, die sich um einen Anführer schart.
DasGefolge einesHerrschers,Fürsten oderhohen Adligen bezeichnet im Allgemeinen die Angehörigen seinesHofes, die sowohl zivile als auch militärische Aufgaben wahrnehmen können.
Gefolgschaft bezeichnet im allgemeinen, nichtmilitärischen Sinn die Anhänger einer Führungsperson,Partei, Gruppierung oderGlaubensgemeinschaft. Militärische Gefolgschaft meint insbesondere ein aus derAntike überliefertes,klientelartiges System der Kampfgenossenschaft bei denGermanen.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Begriff
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der BegriffGefolgschaft ist eineNeubildung der historischen Rechts- und Verfassungslehre des 18. und 19. Jahrhunderts und wurde zunächst verwendet, um denlateinischen Begriffcomitatus zuübersetzen, der aus derGermania desTacitus (Kapitel 13 und 14) bekannt war. Man verstand darunter im engeren Sinne bei germanischen Stämmen eine freiwillige, durchTreueid gefestigte Vereinigung erprobter Männer undwehrfähigerJünglinge um einencharismatischen oder berühmten Führer, meist einenKönig,Gaufürsten oderHerzog. Bei denLangobarden war hierfür die BezeichnungGesinde üblich.
Anfänge und Quellen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Anfänge der Gefolgschaft sind aus den BerichtenCaesars imGallischen Krieg zu rekonstruieren. Die „Gefolgschaft“ oder Anhängerschaft eines germanischen Fürsten ist hier ein zeitlich befristeter Verband von jungen, vornehmen Männern, die sich zu ausschließlich kriegerischen Zwecken durch eine Art Treueverhältnis an den Anführer binden. Die ausführliche Schilderung bei Tacitus weicht hiervon insoweit ab, dass die zeitliche Begrenzung bei ihm wegfällt und die durch einen Eid an den Fürsten gebundenen Männer auch nach Beendigung der militärischen Unternehmungen im Haushalt ihres Herrn leben. Der Eintritt in eine Gefolgschaft verlieh den Anhängern Ehre und Prestige(dignitas); umgekehrt mehrte die Zahl der Gefolgsleute das Ansehen des Führers. Grundvoraussetzung für die Bildung einer Gefolgschaft war der Kriegsruhm des Anführers, vermutlich aber auch seine vornehme Herkunft und eine ausreichende materielle Grundlage zur Versorgung seiner Anhängerschaft. In späteren Phasen der Gefolgschaftsbildung wurden die Mitglieder der Gefolgschaft materiell weitgehend abhängig von den immer mächtiger werdenden Anführern und konnten durch materielle Anreize auch außerhalb der Stammesvereinigung rekrutiert werden.[1]
Die Gefolgsleute erhielten für ihre Dienste freien Unterhalt, persönliche Ausrüstung, einen Anteil an der Beute sowie sonstige Geschenke. In der Schlacht kämpften sie wetteifernd unter dem Dienstherrn. Außerdem begleiteten sie ihren Herrn zumThing. Die Gefolgsherren und ihre Leute bildeten eine gut bewaffnete, stets kampfbereite Elite innerhalb der Gruppe der wehr- und waffenfähigenFreien. In Friedenszeiten zogen die Gefolgsleute auch mit anderen Fürsten in kriegerische Auseinandersetzungen. Im Kampf gegen dieRömer stützten sich im 4. Jahrhundert vor allem diealemannischenKleinkönige auf Gefolgschaften. Die meist nur beschränkte Größe der Gefolgschaften wurde in historischen Berichten oft überschätzt, da die Gefolgsleute mit den freiwillig mitziehenden Kriegern verwechselt oder vermischt wurden. So zählte die Gefolgschaft des alemannischen GaukönigsChnodomar etwa 300 Männer, während Fürsten wie beispielsweiseAriovist mehrere Tausend freiwillige Krieger zu kriegerischen Unternehmungen führten.
Weiterentwicklung im Mittelalter
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In der Zeit derVölkerwanderung undSesshaftwerdung bildeten sich innerhalb des Gefolgschaftswesens einzelne Funktionen schärfer heraus und diversifizierten sich. Besonders das Auftreten bei der Thingversammlung führte zu Funktionsverlagerungen; so wurden aus denbuccellari, eigentlich Berufskrieger einerLeibwache zum Schutz von Privatleuten, bis zum 7. Jahrhundert imWestgotenreich eine Gruppe von Hilfsbeamten,Richtern und zuletztBütteln, die dasSiegel des Dienstherrn führten. Diebuccellari waren in spätrömischer Zeit hauptsächlich Germanen, da das westgotische Gefolgschaftssystem wohl selbst germanischen Ursprungs war, doch sind auch Einflüsse des römischenKlientelsystems nicht auszuschließen. ImLangobardenreich bildeten diegasindii, die Freie oderFreigelassene sein konnten, eine von den übrigen Kriegern abgesetztesoziale Schicht, die durch ihre Nähe zum König oder Herzog ein besonderes Sozialprestige besaß. Auch dasangelsächsischegesiþ bezeichnete einen Gefolgsmann, dessen soziale Stellung unterhalb descyninges þegn (Gefolgsmann descyning) und oberhalb desceorl (engl.churl, „Kerl“, freier Mann) lag.
Imfränkischen Reich hatte nur der König das Recht, Gefolgsleute als so genannteantrustiones zu halten. Noch in dermerowingischen Periode trat an ihre Stelle dasVasallentum oderLehnswesen, das ursprünglich niedere Diener umfasste, sich aber nach dem Vorbild des Gefolgschaftswesens veredelte. Dennoch ist eine Gleichsetzung von Gefolgsmann und Vasall problematisch, da die fränkische Vasallität trotz vieler Überschneidungen nur teilweise an Gefolgschaftsmuster anknüpfte und von Anfang an stark durch die aus dem Bereich der Hausgemeinschaft übernommenen Merkmale der Dienstbarkeit und Unterordnung geprägt war. Eine Kontinuität des Gefolgschaftswesens bis insHochmittelalter wird manchmal für dienordischen Länder angenommen, wo sich trotz kontinentaler und angelsächsischer Einflüsse erst spätfeudale Strukturen durchsetzten.
Dichtung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In den aufgermanische Tradition zurückgehendenHeldensagen, vomBeowulf über dieTafelrunde derArtussage bis hin zumNibelungenlied, wird das Gefolgschaftswesen noch zu einer Zeit verherrlicht, als es aus dem wirklichen Leben längst verschwunden war.
Moderne Formen der Gefolgschaft
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Suite
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In derNeuzeit fasste man bis ins 20. Jahrhundert unter der französischen BezeichnungSuite das militärische Gefolge desLandesherren, einesFeldherrn oder kommandierendenGenerals zusammen. Sie begleitete ihn bei seinem Dienst und konnte von ihm nach Belieben eingesetzt werden. Zur Suite gehörten derGeneraladjutant, dieGeneralstabs- undOrdonnanzoffiziere. Sie standen dannà la suite der betreffenden Persönlichkeit.
Warlordschaften
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Neuzeitliche, nicht besonders legitimierte, sondern nur durch Macht und die Aussicht auf Belohnung, Beute oder Ruhm zusammengehaltene Formen kriegerischer Gefolgschaften mit schwacher Gruppenidentität werden durch sogenannteWarlords geführt. Dieser Begriff wird anachronistisch oft auch auf spätantike Kriegsherren angewandt.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Gabriele von Olberg-Haverkate:Gefolgschaft. In:Lexikon des Mittelalters(LexMA).Band 4. Artemis & Winkler, München/Zürich 1989,ISBN 3-7608-8904-2,Sp. 1171 f.
- Christoph Landolt,Heiko Steuer,Dieter Timpe: Gefolgschaft. In:Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 10, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1998,ISBN 3-11-015102-2, S. 533–554.
- Karl Kroeschell:Gefolgschaft. In:Albrecht Cordes,Heiner Lück u. a. (Hrsg.):Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Band 1, Schmidt, Berlin 2008,ISBN 978-3-503-07912-4, Spalte 1991–1995.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑H. Steuer:Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa. Göttingen 1982, S. 55 f.