Gabriel Fauré, jüngstes von sechs Kindern[2] eines Schulleiters, wuchs unweit vonCarcassonne am Fuß derPyrenäen auf. Wie viele Zeitgenossen wurde er zunächst zu einerAmme gegeben, später von einemHauslehrer unterrichtet und kam dann auf einInternat.[2] Er konnte schon früh einHarmonium spielen, das in einer in der Nähe gelegenen Kapelle stand. Mit acht Jahren spielte er bereits ausgezeichnet Klavier. 1854 wurde der Neunjährige anLouis Niedermeyers Pariser Schule für Kirchenmusik aufgenommen. Nach dem Tod des Schweizer Komponisten nahm sich ab 1861 der zehn Jahre ältereCamille Saint-Saëns des jungen Fauré an; sie blieben zeitlebens befreundet. AmDeutsch-Französischen Krieg 1870/1871 war Fauré als Kurier eines Infanterie-Regiments beteiligt. Heimgekehrt, zählte er 1871 zu den Gründungsmitgliedern derSociété Nationale de Musique.
Gabriel Fauré, Ölporträt vonJohn Singer Sargent, um 1889 (Museum für Musik, Paris)
Fauré arbeitete schon früh alsOrganist, ohne besonders religiös zu sein.[3] Nach einigen Jahren inRennes bekam er 1870 eine Organistenstelle in Paris, wo er fortan blieb. Allerdings wurden die Organisten schlecht bezahlt; Fauré arbeitete auch mit Chören und gab Klavierunterricht. Tauchte er abends in den Pariser Salons auf, heimste er als glänzender Improvisator am Klavier, aber auch durch seine angenehme Erscheinung, viel Bewunderung ein.[4] 1872 wurde er durch Saint-Saëns in den Salon der FamilieViardot eingeführt, wo er die Bekanntschaft vonErnest Renan,George Sand,Gustave Flaubert undIwan Turgenjew machte.[2] 1877 wurde seine erste Violinsonate im Leipziger VerlagBreitkopf & Härtel gedruckt. Die Musikwelt Frankreichs war vom „Wagnerisme“ geprägt, und auch Fauré reiste nachMünchen,Köln undBayreuth, umRichard Wagners Opernaufführungen zu erleben. 1885 starb sein Vater, 1887 seine Mutter.[5]
1892 wurde Fauré zum „Inspektor für Musikunterricht“ ernannt. 1896 wurde ihm, alsTitularorganist, die große Orgel derMadeleine anvertraut. Im selben Jahr übernahm er eine Professur für Komposition amPariser Konservatorium in der Nachfolge vonJules Massenet. Er reiste zwischen 1894 und 1914 mehrere Male nachLondon, wo vor allem seine Kammermusikwerke und Lieder aufgeführt wurden.Großbritannien wurde zu einem der Länder, wo seine Werke besonders geschätzt wurden. Ab 1901 lehrte er an der École Niedermeyer.
Ab 1903 schrieb Fauré regelmäßig in der renommierten TageszeitungLe Figaro über Musik. Im gleichen Jahr stellte er fest, dass sein Gehör stark nachließ.[6]
1905 wurde er Direktor des Konservatoriums, was zu einem Skandal führte, weil er dort nicht studiert hatte.[7] Er modernisierte den Lehrplan derart gründlich, dass ihn die alte Garde als „Robespierre“ beschimpfte. Nun durfte Richard Wagner studiert werden.[1]
Im Jahr 1920 zwang ihn seine völlige Ertaubung zum Rücktritt als Direktor des Konservatoriums. Trotzdem komponierte er weiter. Vollständig gehörlos schuf er unter anderem zwei Cellosonaten (op. 109, op. 117) und ein Trio (Trio für Klarinette, Cello und Klavier op. 120).[8]
Nach einer unglücklichen Verlobung um 1877 heiratete Fauré 1883 die Tochter des BildhauersEmmanuel Frémiet, Marie (* 1856). Das Ehepaar hatte die Söhne Emmanuel (1883–1971) und Philippe (1889–1954). Philippe wurde Schriftsteller; er verfasste unter anderem eine Biographie seines Vaters.[4] Um 1900 verliebte sich Fauré in die 24-jährige PianistinMarguerite Hasselmans. Dieses Verhältnis wurde nicht verheimlicht, aber auch nicht durch Eheschließung „legalisiert“; es währte bis zu Faurés Tod.
1924 starb Fauré im Alter von 79 Jahren in Paris an einer Lungenentzündung. Nach seinem Tod erhielt er „ein pompöses Staatsbegräbnis in der Madeleine, das in merkwürdigem Kontrast zu seiner lebenslang geübten Zurückhaltung stand“.[3] Bei der Trauerfeier wurde das von ihm komponierteRequiem aufgeführt. Fauré ruht auf demCimetière de Passy (Division 15, ungefähre Grablage:48° 51′ 46″ N,2° 17′ 1,5″ O48.8627638888892.28375).
In Paris gibt es einen Gabriel-Fauré-Platz im17. Arrondissement, in seinem Geburtsort eine nach ihm benannte Straße. Verschiedene Gymnasien in Paris,Annecy undFoix erinnern an ihn. 2002 wurde derAsteroid(8685) Fauré nach ihm benannt. Nach ihm ist dasFauré Inlet benannt, eine Bucht auf der Alexander-I.-Insel in der Antarktis.
Gabriel Fauré zählt in Frankreich zu den wichtigsten Komponisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.[11] Obwohl von deutscher und französischer Romantik (Hector Berlioz,César Franck) beeinflusst, hat Fauré „eine eigenständige, poetisch nuancierte, starkdiatonisch gebundene Tonsprache auf der Grundlage einer um mannigfaltige Differenzierungen bereicherten Harmonik“ herausgebildet.[12]
Im Vergleich zum ZeitgenossenClaude Debussy oder zu seinem NachfahrenMaurice Ravel ist Fauré im internationalen Musikleben wenig präsent. Dies könnte auch daran liegen, dass er kaum großbesetzte Werke hinterlassen hat. Eine wesentliche Ausnahme stellt seine Musik zu dem nachAischylos verfassten StückProméthée dar. Die Premiere fand im Jahr 1900 vor zehntausend Zuhörern in der Stierkampfarena vonBéziers statt, einer Stadt in Faurés südwestfranzösischer Heimat. An ihr waren mehrere hundert Sänger und Instrumentalisten beteiligt, darunter allein 30 Trompeter.[6] Das habe Fauré „mühelos“ bewältigt, schreibt R. Crichton. Die Musik zeige nichts von seiner gewohnten Zurückhaltung.[13] Einer seiner größten Erfolge war die OperPénélope, die am 9. Mai 1913 im Rahmen der Eröffnung desThéâtre des Champs-Élysées uraufgeführt wurde.
Fauré hinterließ jedoch eine bemerkenswerte Zahl geistlicher Werke für den liturgischen Gebrauch.[14]Sein Requiem wird bis heute häufig aufgeführt.
Zum Höhepunkt seines Schaffens fand Fauré nach Ansicht der meisten Kenner in der Vokalmusik, insbesondere in seinen Klavierliedern. Interessant ist, dass einige seiner Lieder, wieAprès un rêve, außerhalb Frankreichs überwiegend in Instrumentalbearbeitungen (z. B. für Cello und Klavier) bekannt sind. Fauré schrieb fernerKammermusik (je zwei Klavierquartette, Klavierquintette, Violinsonaten, Cellosonaten) und Klaviermusik.
Marie-Claire Beltrando-Patier:Les Mélodies de G. Fauré. Thèse de doctorat, Université de Strasbourg II. Strasbourg 1978.
Marie-Claire Beltrando-Patier:Gabriel Fauré. Leben und Werk. In: Peter Jost (Hrsg.):Gabriel Fauré. Werk und Rezeption. Mit Werkverzeichnis und Bibliographie. Bärenreiter, Kassel u. a. 1996, S. 21–37.
Jessica Duchen:Gabriel Fauré. Phaidon Press, London 2000,ISBN 0-7148-3932-9.
Gabriel Fauré:Correspondance présentée et annotée par Jean-Michel Nectoux. Paris 1980.
Michel Faure:Musique et société du Second Empire aux années vingt autour de Saint-Saëns, Fauré, Debussy et Ravel. Paris 1985.
Philippe Fauré-Fremiet:Gabriel Fauré. Albin Michel, Paris 1957.