Funktionenraum
In derMathematik ist einFunktionenraum eine Menge vonFunktionen,[1] die alle denselbenDefinitionsbereich besitzen. Allerdings kann der BegriffFunktionenraum – ähnlich wie der mathematische BegriffRaum – nicht scharf abgegrenzt werden.
Meist ist ein Funktionenraum mit einer Vektoraddition undSkalarmultiplikation versehen, so dass er einenVektorraum bildet, dann spricht man von einemlinearen Funktionenraum.[2] Viele wichtige lineare Funktionenräume sindunendlichdimensional. Diese bilden einen wichtigen Untersuchungsgegenstand derFunktionalanalysis. Lineare Funktionenräume werden häufig mit einerNorm versehen, sodass einnormierter Raum oder – im Falle derVollständigkeit – sogar einBanachraum entsteht. In anderen Fällen werden lineare Funktionenräume durch Definition einerTopologie zu einemtopologischen Vektorraum oder einemlokalkonvexen Raum.
Begrifflichkeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Funktionenräume sind im Bereich derlinearen AlgebraVektorräume, deren Elemente alsFunktionen aufgefasst werden. Hauptsächlich werden Funktionenräume allerdings im Bereich derFunktionalanalysis betrachtet. Hier wird unter einem Funktionenraum ein Vektorraum mit einer topologischen Struktur verstanden, dessen Elemente als Funktionen aufgefasst werden.
In der linearen Algebra
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Sei eineMenge und ein Vektorraum über einemKörper, dann bezeichnet (auch oder[3]) die Menge aller Funktionen von nach. Die Menge wird für und für Skalare durch die folgenden beiden Verknüpfungen zu einem Vektorraum:
- Addition:
- Skalarmultiplikation
Dieser Vektorraum und dieUntervektorräume von werden im Bereich der linearen Algebra alslinearer Funktionenraum bezeichnet.
In der Topologie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In der Topologie versteht man unter einem Funktionenraum einentopologischen Raum, dessen Elemente Funktionen von einer Menge oder einem topologischen Raum in einen topologischen Raum sind und dessen Topologie von der Topologie von und und eventuellen Zusatzstrukturen, wie zum Beispiel einerMetrik oder eineruniformen Struktur, abgeleitet ist. Häufig wird dieKompakt-Offen-Topologie verwendet.
In der Funktionalanalysis
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Sei eine nichtleere Menge, eintopologischer Vektorraum (oftmals einBanachraum oderlokalkonvexer Vektorraum) und der Vektorraum aller Abbildungen von nach. Ein linearer Funktionenraum im Bereich derFunktionalanalysis ist ein Untervektorraum von, der mit einer von abgeleiteten topologischen Struktur versehen ist.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Geschichte der Funktionenräume kann in drei Phasen unterteilt werden. Die erste Phase begann etwa zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts und dauerte bis in die Mitte der 1930er-Jahre. In dieser Zeit entstanden die Funktionenräume der-mal stetig-differenzierbaren Funktionen, genauso wie die klassischenLebesgue-Räume der-integrierbaren Funktionen. Außerdem werden noch die Räume derhölderstetigen Funktionen und die klassischenHardy-Räume zu dieser Phase gerechnet.[4]
Die zweite, die konstruktive Phase, begann mit den Veröffentlichungen vonSergei Lwowitsch Sobolew aus den Jahren 1935 bis 1938, in denen er die heute nach ihm benannten (ganzzahligen)Sobolew-Räume einführte. Die Theorie derDistributionen entstand und neue Techniken, wie zum BeispielEinbettungssätze, wurden zum Lösenpartieller Differentialgleichungen entwickelt. In dieser Phase wurden Funktionenräume mitNormen beziehungsweiseQuasi-Normen ausgestattet. Wichtige neuentwickelte Räume dieser Zeit sind dieZygmund-Räume (oder Klassen), dieSlobodeckij-Räume, die klassischenBesov-Räume und dieBessel-Potential-Räume. In den 1960er-Jahren wurden außerdem derBMO-Raum vonFritz John undLouis Nirenberg und diereellen Hardy-Räume vonElias Stein undGuido Weiss eingeführt.[4]
Die dritte Phase, welche als systematische Phase bezeichnet wird, begann in den 1960er-Jahren und überschnitt sich klar mit der konstruktiven Phase. Hier wurden die Techniken derFourier-Analysis weiterentwickelt und sogenannte Maximalungleichungen untersucht. Mit Hilfe dieser Werkzeuge wurden die Besov-Lebesgue-Räume und dieLizorkin-Triebel-Räume entwickelt. Diese beiden Räume lassen sich in den Raum dertemperierten Distributionen einbetten. Wie ihre Definitionen vermuten lassen, sind diese Räume sehr eng mit Fourier-Analysis verflochten.[4] Ein ähnliches Konzept, allerdings mit kongruenten statt dyadischen Überdeckungen verfolgen dieModulationsräume.
Beispiele
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Topologie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Sind undtopologische Räume, so schreibt man für die Menge derstetigen Funktionen.
- Ist auf eineMetrik gegeben, dann kann man sinnvoll von der Menge der beschränkten Funktionen sprechen (auch ohne Topologie auf). Für diese Abbildungsmenge wird unter anderem die Notation verwendet. Ist auch auf eine Topologie definiert, schreibt man für die Menge der beschränkten stetigen Funktionen. Auf diesen Räumen wird durch
- eine Metrik definiert. Alternativ ist auch die Metrik
- möglich. Diese beiden Metriken erzeugen aber dieselbenoffenen Mengen, sodass sie äquivalent behandelt werden können.
- Sind die Topologien auf und durch einePseudometrik oder eineMetrik gegeben, dann schreibt man für die Menge dergleichmäßig stetigen Funktionen. Sind unduniforme Räume, dann bezeichnet diese Notation die Menge der uniform-stetigen Funktionen, das heißt jener Funktionen, die die uniformen Strukturen respektieren.
- Ist der Körper derreellen Zahlen oder derkomplexen Zahlen und ist aus dem Zusammenhang klar, in welchen Körper die Funktionen abbilden, wird dieser bei der Notation meist weggelassen, und man schreibt dann kurz, bzw..
Funktionalanalysis
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die meisten Funktionenräume werden in derFunktionalanalysis untersucht. Die folgende Liste ist eine Auswahl der dort untersuchten Räume. Sei die Definitionsmenge der untersuchten Funktionen. Dann ist
- der Raum der-fachstetig differenzierbaren Funktionen mit. Fallskompakt ist, ist der Raum für p=0 bezüglich der üblichen Norm
- einBanachraum.[5] SieheDifferentiationsklasse.
- der Raum der-fach stetig differenzierbaren Funktionen, diehölderstetig mit Exponenten sind. Ist kompakt, so ist versehen mit der Norm
- ein Banachraum, wobei einMultiindex ist. wird auch als Raum derlipschitzstetigen Funktionen bezeichnet.
- , oder der Raum derTestfunktionen. Er enthält alle glatten Funktionen mit kompaktem Träger und ist mit der Topologie versehen, welche durch den Konvergenzbegriff induziert wird. Eine Folge konvergiert in gegen, wenn es ein Kompaktum gibt mit für alle j, und
- für alle Multiindizes gilt.
- der Raum der-fachLebesgue-integrierbaren Funktionen (sieheLp). Dieser Raum besteht nicht aus einzelnen Funktionen, sondern ausÄquivalenzklassen von Funktionen, welche sich nur auf einer Lebesgue-Nullmenge unterscheiden. Aus diesem Grund ist für auch die-Norm
- positiv definit und damit wirklich eine Norm. Bezüglich dieser Norm ist der-Raum auf kompakten Mengen ebenfalls ein Banachraum. Der SpezialfallL2 ist sogar einHilbertraum. Dieser Raum wird in der Quantenmechanik häufig benutzt. Es ist der Raum der Wellenfunktionen. Für kann man die-Räume analog definieren, jedoch sind diese keine normierten Räume.
- der Raum derlokal integrierbaren Funktionen. Sei einemessbare Funktion. Lokal integrierbar bedeutet, dass für alle kompakten Teilmengen das Integral
- endlich ist. Genauso wie die-Räume besteht der Raum aus Äquivalenzklassen von Funktionen. Insbesondere sind stetige Funktionen und Funktionen aus lokal integrierbar. Der Raum wird bei der Betrachtungenregulärer Distributionen benötigt.
- der Raum derschwach differenzierbaren Funktionen. Er trägt den NamenSobolew-Raum. Dieser Raum wird oft als Ansatzraum zum Lösen von Differentialgleichungen benutzt. Denn jede stetig differenzierbare Funktion ist auch schwach differenzierbar.
- der Raum der Funktionen, die schneller fallen als jedePolynomfunktion. Die Menge heißtSchwartz-Raum, benannt nach dem gleichnamigen, französischen MathematikerLaurent Schwartz. Der Raum wurde so konstruiert, dass dieFourier-Transformation einIsomorphismus auf ihm ist. DerDualraum des Schwartz-Raums ist der Raum derTemperierten Distributionen.
- Indem man reelle oder komplexeZahlenfolgen als Abbildungen von nach bzw. auffasst, kann man auch jeden Vektorraum von Folgen als Funktionenraum verstehen.
- ist der Raum derholomorphen Funktionen. Diese Funktionen sind beliebig oft differenzierbar, und ihreTaylor-Reihe konvergiert gegen die Ausgangsfunktion. Oftmals nennt man holomorphe Funktionen auch analytisch. Manchmal notiert man diesen Raum auch mit.
- ist der Raum der holomorphen, integrierbaren Funktionen, er heißtHardy-Raum und ist ein Analogon zum-Raum. Üblicherweise wird als Definitionsmenge die Einheitssphäre verwendet.
Funktionenräume in der theoretischen Informatik
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Hier werden insbesondere Funktionenräume im Zusammenhang mit Modellen desLambda-Kalküls verwendet. Dessen Objekte treten gleichermaßen als Funktionen, aber auch als deren Argumente und Resultate auf. Wünschenswert ist daher ein Gegenstandsbereich, dessen Funktionenraum isomorph zu selbst ist, was aus Kardinalitätsgründen aber nicht möglich ist.Dana Scott konnte dieses Problem 1969 durch Einschränkung von auf stetige Funktionen bzgl. einer geeigneten Topologie auf lösen.[6] Bezeichnet diestetigen Funktionen einervollständigen Halbordnung, dann ist. Diese Form von Funktionenräumen ist heute Gegenstand derBereichstheorie. Später konnte ein ebenfalls geeigneter Funktionenraum alsRetraktion eines Objekts in einerkartesisch abgeschlossenen Kategorie gefunden werden.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Hans Triebel:Theory of function spaces. Birkhäuser Verlag, 1983,ISBN 3-7643-1381-1.
- Wen Yuan,Winfried Sickel und Dachun Yang:Morrey and Campanato Meet Besov, Lizorkin and Triebel. Hrsg.: Springer Berlin, Heidelberg. Deutschland 2010,ISBN 978-3-642-14605-3,doi:10.1007/978-3-642-14606-0.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑J. Naas, H. L. Schmid:Mathematisches Wörterbuch. B.G. Teubner, Stuttgart 1979,ISBN 3-519-02400-4.
- ↑H. Heuser:Lehrbuch der Analysis Teil 1. 5. Auflage. Teubner-Verlag, 1988,ISBN 3-519-42221-2.
- ↑Boto von Querenburg:Mengentheoretische Topologie. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1976,ISBN 3-540-06417-6,S. 160.
- ↑abcHans Triebel:Theory of function spaces. Birkhäuser Verlag, 1983,ISBN 3-7643-1381-1, S. 33–35.
- ↑Otto Forster, Thomas Szymczak:Übungsbuch zur Analysis 2. Aufgaben und Lösungen. 7. Auflage. 2011,ISBN 978-3-8348-1253-7,S. 5 und 39 f. (Beweis nur für).
- ↑H. P. Barendregt:The Lambda Calculus. Elsevier, 1984,ISBN 0-444-87508-5, S. 86.