Die Endrunde der6.Fußball-Europameisterschaft wurde vom 11. bis zum 22. Juni 1980 inItalien ausgetragen. Am Endrundenturnier nahmen erstmals acht statt bislang vier Nationalmannschaften teil, die in 14 Spielen den Sieger ermittelten.
DieBundesrepublik Deutschland gewann das Turnier nach einem 2:1-Sieg überBelgien im Finale vonRom und wurde damit zum zweiten Mal nach1972 Fußball-Europameister. Den dritten Platz belegte derTitelverteidigerTschechoslowakei.Österreich, dieDDR und dieSchweiz scheiterten bereits in der Qualifikation. Torschützenkönig wurde der 23-jährige deutsche StürmerKlaus Allofs, der alle seine drei Tore im Gruppenspiel gegen dieNiederlande erzielte. Insgesamt rund 350.000 Besucher verfolgten die Begegnungen des zwölftägigen Turniers in den Stadien.
Zum ersten Mal gab es mit„Pinocchio“, dem kleinen hölzernen Jungen aus der ErzählungCarlo Collodis, bei einer Fußball-Europameisterschaft ein offiziellesMaskottchen. Die lächelnde Holzpuppe hatte eine in den italienischen Nationalfarben grün-weiß-rot gehaltenen lange Nase und trug eine Mütze mit der Aufschrift„Europe 80“. Unter dem rechten Arm hielt das Maskottchen einen Fußball.[1]
Das Gastgeberland Italien wurde in der Saison vor der EM von einem Skandal um manipulierte Liga-Spiele erschüttert, in den auch der italienische StürmerPaolo Rossi verwickelt war.
Die Teilnehmerzahl wurde ab dieser Meisterschaft von vier auf acht Länder verdoppelt. Italien als Gastgeberland war automatisch qualifiziert. Es wurde in zwei Gruppen zu je vier Mannschaften gespielt. Die Gruppenersten qualifizierten sich direkt für das Finale, die Zweitplatzierten für das Spiel um Platz 3.
Bei einem unentschiedenen Spielstand wäre das Endspiel um zwei mal 15 Minutenverlängert worden. Hätte es auch nach 120 Minuten keinen Sieger gegeben, war für Dienstag, 24. Juni 1980, ein Wiederholungsspiel angesetzt.[2] Für das Spiel um Platz 3 sah das Reglement nach 90 Minuten gleich das Elfmeterschießen vor.[3]
Für die nach dem offiziellen Reglement der UEFA in Qualifikation und Endrunde gegliederte Europameisterschaft 1980 hatten insgesamt 32 Nationen gemeldet. Neben dem automatisch zur Teilnahme berechtigten GastgeberItalien konnten sich sieben weitere Mannschaften für die EM-Endrunde qualifizieren.
Die 31 um die restlichen sieben Endrundenplätze konkurrierenden Mannschaften wurden sieben Qualifikationsgruppen zugelost. In den einzelnen Gruppen, in denen jede Mannschaft in Hin- und Rückspielen gegen jede andere Mannschaft antrat, qualifizierten sich die Gruppensieger direkt für die Endrunde der Europameisterschaft. Die Qualifikationsspiele fanden vom 24. Mai 1978 bis zum 26. März 1980 statt.
DieBundesrepublik Deutschland spielte in der Gruppe 7 gegen die Türkei, Wales und Malta. Nach dem Ende der ÄraHelmut Schön nach derWeltmeisterschaft 1978 in Argentinien hatte Schöns bisheriger AssistentJupp Derwall die Mannschaft übernommen. Nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der WM spielte Derwall zunächst fast mit den gleichen Spielern, konnte jedoch neue Begeisterung wecken. Das erste Spiel war ein Freundschaftsspiel gegen Europameister Tschechoslowakei in Prag und wurde nach begeisterndem Spiel mit 4:3 gewonnen. Dies weckte Hoffnung für die Qualifikation in einer eher leichten Gruppe, jedoch enttäuschte die Mannschaft danach mit jeweils 0:0 auf Malta und in der Türkei. Der Wendepunkt kam durch einen 2:0-Erfolg in Wales. TorwartSepp Maier machte hier sein letztes Länderspiel. Nach einem schweren Autounfall musste er in jenem Jahr aufgrund seiner Verletzungen seine große Karriere beenden. Der Kölner TorhüterHarald „Toni“ Schumacher begann seine Laufbahn als Stammtorwart der Nationalmannschaft des DFB. Die letzten drei Spiele wurden alle klar und deutlich gewonnen, und die Mannschaft qualifizierte sich für das Endturnier.
Das Los bescherte den Nationalmannschaften derDDR, die Olympiasieger von 1976 war, und derSchweiz in Gruppe 4 mit Vizeweltmeister Niederlande und Polen, dem Silbermedaillengewinner derOlympischen Spiele 1976, zwei schwere Gegner, hinzu kam noch Island. Bis zum Schluss der Qualifikation konnten die Spieler der DDR-Nationalmannschaft mit den Niederlanden und Polen mithalten, und ein Sieg im letzten Spiel daheim gegen die Niederländer hätte ihr die Qualifikation gebracht. Die Niederlande gewannen jedoch mit 3:2 und fuhren zur EM. Die Schweiz hatte in dieser Gruppe keine Chance und holte nur Punkte bei ihren beiden Siegen gegen Island.
Österreich hegte große Hoffnungen nach den Erfolgen bei der Weltmeisterschaft 1978. Die Mannschaft umHans Krankl undHerbert Prohaska wollte sich unbedingt gegen Belgien, Portugal, Schottland und Norwegen durchsetzen und für die EM qualifizieren. Nach den ersten zwei Siegen gab es jedoch einen ersten Dämpfer, als gegen Portugal zu Hause mit 1:2 verloren wurde. Überraschend stark waren die Belgier, gegen die Österreich zweimal unentschieden spielte. Nachdem die Österreicher ihr letztes Gruppenspiel absolviert hatten, führten sie die Gruppe an, jedoch konnte Belgien mit seinem letzten Spiel in Schottland noch Gruppenerster werden. Belgien gewann inGlasgow mit 3:1 und konnte die Reise nach Italien buchen.
Die westdeutsche Mannschaft spielte das Eröffnungsspiel gegen Titelverteidiger Tschechoslowakei.Karl-Heinz Rummenigge erzielte das goldene Tor zum 1:0-Erfolg in der 55. Minute. Zum entscheidenden Spiel der Gruppe wurde das traditionelle Duell gegen die Niederlande. Deutschland bestimmte das Spiel unter der Regie des in diesem Turnier überragendenBernd Schuster.Klaus Allofs, der 23-jährige Stürmer vonFortuna Düsseldorf, schrieb sich mit seinen drei Toren zur 3:0-Führung in die Geschichtsbücher. Bei dieser klaren Führung wechselte Jupp Derwall in der 73. Minute den 19-jährigenLothar Matthäus zu seinem ersten Länderspiel ein. Der Mönchengladbacher verursachte in der 79. Minute einen Foulelfmeter. Das Foul fand allerdings vor der Strafraumgrenze statt. Der Elfmetertreffer vonJohnny Rep brachte die Niederländer wieder ins Spiel, und in der 86. Minute kamen sie durch den Treffer vonWilly van de Kerkhof auf 2:3 heran. Die deutsche Mannschaft verteidigte den kleinen Vorsprung, und nachdem die Tschechoslowakei und die Niederlande in ihrem letzten Gruppenspiel unentschieden spielten, stand der Finaleinzug der deutschen Mannschaft bereits vor ihrem abschließenden Gruppenspiel gegen Außenseiter Griechenland fest. Die deutsche Mannschaft verzichtete darum kurzfristig auf einige mit gelben Karten vorbelastete Spieler und kam über ein glanzloses 0:0 nicht hinaus.
Gastgeber Italien und die mit Europapokalsiegern gespickte Mannschaft Englands waren die Favoriten dieser Gruppe. England ging im ersten Spiel gegen Belgien erwartungsgemäß durchRay Wilkins mit 1:0 in Führung. Doch drei Minuten später erzielteJan Ceulemans in der 29. Minute den 1:1-Endstand. Das Spiel zwischen Belgien und England leitete der westdeutsche SchiedsrichterHeinz Aldinger. Italien enttäuschte gleich im ersten Spiel dieTifosi mit einem torlosen Unentschieden gegen die abwehrstarken Spanier. Stürmerstars wieRoberto Bettega undFrancesco Graziani brachten den Ball nicht im Tor vonLuis Arconada unter. Nachdem Belgien gegen Spanien und Italien gegen England gewonnen hatten, kam es inRom zu einem echten Endspiel zwischen Italien und Belgien. Die Belgier benötigten aufgrund der mehr erzielten Tore nur ein Unentschieden. Besonders konsequent setzte die belgische Mannschaft von TrainerGuy Thys ihre Abseitsfalle ein, wie es so im internationalen Fußball vorher nie zu sehen war. Die Italiener bissen sich die Zähne an der Abwehr und an TorwartJean-Marie Pfaff aus. Belgien erreichte durch das 0:0 das Finale von Rom.
Dieses Spiel um Platz 3, geleitet von SchiedsrichterErich Linemayr, war das letzte im Rahmen von Fußball-Europameisterschaften. Seit 1984 wird von derUEFA kein „kleines Finale“ mehr ausgetragen. Die Italiener waren auf Wiedergutmachung für das verpasste Finale aus, doch Titelverteidiger Tschechoslowakei erzielte in der 54. Minute durch einen Gewaltschuss von Verteidiger Ladislav Jurkemik auf Pass vonPanenka den Treffer zum 1:0. Francesco Graziani konnte zwar in der 73. Minute ausgleichen, doch die vielen weiteren Chancen brachten für die Italiener kein weiteres Tor.[4]
Am 19. Juni 1980 einigten sich DFB-PräsidentHermann Neuberger und der belgische SpielausschussvorsitzendeRoythers, auf ein mögliches Wiederholungsspiel bei unentschiedenem Spielausgang nach Verlängerung zu verzichten und stattdessen perElfmeterschießen noch am Finaltag einen Europameister zu ermitteln. Bundestrainer Jupp Derwall sprach sich gegen diese Entscheidung aus. Für die Belgier spielte unter anderem eine Rolle, dass ihr SpielerFrançois Van der Elst nur bis zum Finalsonntag vonNew York Cosmos freigestellt war.[5]
Die deutsche Mannschaft war von Beginn an spielbestimmend. Bereits in der 10. Minute gelang der 1:0-Führungstreffer durchHorst Hrubesch nach Vorarbeit von Bernd Schuster, der die belgischeAbseitsfalle aushebelte, die im Spiel zuvor die Italiener zur Verzweiflung gebracht hatte.
In der zweiten Halbzeit drängte die Elf von Jupp Derwall auf die Vorentscheidung, lief jedoch in der 71. Minute in einen Konter der Belgier.Uli Stielike wusste sich nur mit einem Foulspiel an Raymond Mommens zu helfen. Fälschlicherweise entschied Schiedsrichter Rainea auf Elfmeter, obwohl das Foul unmittelbar vor dem deutschen Strafraum begangen wurde.René Vandereycken verwandelte den Strafstoß zum Ausgleich. In der 88. Minute war es erneut Horst Hrubesch, der nach einer Ecke von Karl-Heinz Rummenigge per Kopf den Siegtreffer erzielte. Die Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland war nach 1972 zum zweiten Mal Europameister.[6]
Die Finalisten wurden in vielfältiger Weise geehrt. So wurde die deutsche Nationalmannschaft in Deutschland zurMannschaft des Jahres, Karl-Heinz Rummenigge zumFußballer des Jahres in Deutschland undEuropa gewählt. Bernd Schuster belegte dabei Platz 2.Jan Ceulemans wurde mit demGoldenen Schuh als bester Spieler der belgischen Liga ausgezeichnet.
Ein offizielles UEFA-All-Star-Team der wertvollsten Spieler eines Turniers wurde erstmals bei derEuropameisterschaft 1996 in England gewählt. Für die Zusammenstellung der besten Spieler der EM 1980 in Italien wurde von der UEFA folgendes Team ausgewählt. Dabei sind nur Spieler aus drei Nationen vertreten: Italien, Deutschland und Belgien. Belgien, das das Finale erreichte, ist nur mit einem Spieler vertreten und Torschützenkönig Klaus Allofs nicht Teil dieses All-Star-Teams.[7]
Torschützenkönig der Fußball-Europameisterschaft 1980 in Italien wurdeKlaus Allofs, welcher alle drei Treffer im entscheidenden Gruppenspiel gegen die Niederlande erzielt hatte. Somit stellte die Bundesrepublik nach 1972 (Gerd Müller) und 1976 (Dieter Müller) auch 1980 den Torschützenkönig.
Auf Platz zwei der Torschützenliste folgten Allofs' MannschaftskameradHorst Hrubesch, der NiederländerKees Kist sowie der TschechoslowakeZdeněk Nehoda mit jeweils zwei Turniertreffern.
Darüber hinaus gab es 18 Spieler, die während des Turniers einen Treffer erzielten.[8]
↑EM bisher eine sportliche und finanzielle Pleite. Bei Remis soll's im Finale deshalb wieder Elfmeterschießen geben. In:Schwäbische Zeitung. 20. Juni 1980, S. 9.