Frontstalag
EinFrontstammlager (im militärischen SprachgebrauchFrontstalag) war imDritten Reich ein Gefangenenlager derWehrmacht. Die Frontstammlager wurden hauptsächlich imbesetzten Frankreich (zone occupée) im Verlauf desZweiten Weltkriegs errichtet.[1]
Frontstalags für die Soldaten der französischen Kolonialtruppen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Geschichte der Frontstalags in Frankreich ist Teil der französischen Kolonialgeschichte, in deren Folge Zehntausende Soldaten im Ersten und im Zweiten Weltkrieg für Frankreich in den Krieg ziehen mussten. Die Historikerin Armelle Mabon schätzt, dass im Zweiten Weltkrieg 10.000 Indochinesen, 10.500 Madagassen, 68.500 Afrikaner und 340.000 Nordafrikaner freiwillig oder per Zwangsrekrutierung in der französischen Armee dienten. Im Zuge des Vormarsches der deutschenWehrmacht imWestfeldzug gerieten etwa 130.000 von ihnen inKriegsgefangenschaft und wurden zu einem geringen Teil im Juni 1940 auch in Lager in Deutschland deportiert.[2]

Ab Juni 1940 gab es im französischen Mutterland bis zu 53 Frontstalags. Deren Zahl verringerte sich auf 22 im Jahr 1941, nachdem die aus dem Mutterland stammenden Franzosen nach Deutschland verbracht worden waren. Die verbliebenen Frontstalags wurden überwiegend zuInternierungslagern für die Kolonialsoldaten, wohin auch die bereits nach Deutschland deportierten wieder zurückgeführt wurden. Für den Verbleib der Kolonialsoldaten in Frankreich beziehungsweise deren Rückführung nach dort gab es aus deutscher Sicht mehrere Gründe[2]:
- Die Deutschen wollten aus Angst vor einerRassenverunreinigung keine farbigen Menschen beherbergen.
- Sie fürchteten sich vor tropischen Krankheiten.[3]
- Schwarze Soldaten in Deutschland erinnerten an dieAlliierte Rheinlandbesetzung nach dem Ersten Weltkrieg, an der von französischer Seite sehr vieleKolonialtruppen beteiligt waren. Aus deutscher Sicht war das als Schande empfunden worden und mündete inrassistischen Kampagnen, die auch von der NS-Propaganda noch fortgeführt wurden.
1941 befanden sich noch 70.000 Kolonialsoldaten in Gefangenschaft, 60.000 waren zuvor entlassen worden oder geflüchtet.[2]
Die Frontstalags wurden von deutschem Militärpersonal bewacht; Kontakte zur Außenwelt ergaben sich vor allem durch Arbeit. Die Gefangenen musstenZwangsarbeit leisten, zum Beispiel in der Landwirtschaft, beim Straßenbau oder bei Bauarbeiten. Nach Mabon hatten aber viele Franzosen den Wunsch, diesen Gefangenen zu helfen und sie zu schützen. Organisationen oder auch Einzelpersonen übernahmen Patenschaften für einzelne Gefangene und boten ihnen physische und materielle Unterstützung. Im Rahmen solcher Patenschaften war es den Gefangenen auch gestattet, zum Essen in die Patenfamilien zu kommen. Schwieriger war es allerdings mit emotionalen oder sexuellen Beziehungen, da die Deutschen sexuelle Beziehungen zwischen Kolonialsoldaten und Französinnen verboten hatten und derartige Beziehungen auch von den Franzosen nicht akzeptiert wurden.[2]
1943 kam es zu einer gravierenden Veränderung. Weil die Deutschen einen Teil ihres Wachpersonals imDeutsch-Sowjetischen Krieg benötigten, wurde die Bewachung der Lager demVichy-Regime übertragen. Von nun an übernahmen französische Offiziere und Unteroffiziere, oft selber Angehörige der Kolonialtruppen, die Bewachung der Gefangenen – für Mabon „ein unrühmliches Beispiel für die staatlicheKollaboration“. Hinzu kamen noch französische Zivilbeamte, insbesondere aus der Forstverwaltung, die ebenfalls bewaffnet ihren Dienst versahen.[2]
Das Schicksal der Kolonialsoldaten nach der Befreiung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Bei derBefreiung Frankreichs befanden sich noch 35.000 Gefangene in den Frontstalags. Sie wurden entweder von den Amerikanern oder von derfranzösischen Widerstandsgruppen (FFI) befreit. Bei einer Abschiebung in die Herkunftsländer kam es inMorlaix zu einem ernsten Zwischenfall. 300 Männer weigern sich, das Schiff zu betreten. Sie verlangen die Auszahlung ausstehender Gehälter und einen Kriegsgefangenensold und lehnten die Auszahlung nur eines Teilbetrags ab. Gendarmen wurden gegen sie eingesetzt, es gab Verletzte und dann die Unterbringung in einem mit Stacheldraht bewehrten Lager in der Nähe vonLoudéac, später inGuingamp. Ihre Bewacher waren Angehörige der FFI.[2]
Für Rückkehrer nach Afrika, die dort imCamp de Thiaroye auf ihre Demobilisierung warteten und auf der Auszahlung ihnen zustehender Entschädigungen beharrten, kam es noch schlimmer. Sie wurden der Meuterei bezichtigt und am 1. Dezember 1944 von Soldaten beschossen. Mindestens 35 ehemalig Frontstalag-Internierte wurden erschossen, weitere 34 der Rädelsführerschaft angeklagt und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.[2]
Frontstalags in Frankreich
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Frontstalag 100 inHazebrouck,Département Nord
- Frontstalag 101 inCambrai,Département Nord vom 19. Juli 1940 bis 13. März 1941
- Frontstalag 102 inLille,Département Nord
- Frontstalag 111 inDrancy,Département Seine-Saint-Denis
- Frontstalag 112 inLa Celle-Saint-Cloud,Département Yvelines
- Frontstalag 120 inMirecourt,Département Vosges
- Frontstalag 121 inÉpinal,Département Vosges
- Frontstalag 122 inChaumont,Département Haute-Marne
- Frontstalag 122 inCompiègne,Département Oise
- Frontstalag 123 inLangres,Département Haute-Marne
- Frontstalag 124 inTroyes,Département Aube
- Frontstalag 125 inMelun,Département Seine-et-Marne
- Frontstalag 130 inCaen,Département Calvados
- Frontstalag 131 inSaint-Lô,Département Manche
- Frontstalag 132 inMayenne (Stadt),Département Mayenne
- Frontstalag 133 inRennes,Département Ille-et-Vilaine
- Frontstalag 134 inSaint-Brieuc,Département Côtes-d’Armor
- Frontstalag 135 inQuimper,Département Finistère
- Frontstalag 140 inBelfort,Territoire de Belfort
- Frontstalag 141 inVesoul,Département Haute-Saône
- Frontstalag 142 inBesançon,Département Doubs
- Frontstalag 150 inSaint-Florentin,Département Yonne
- Frontstalag 151 inMontargis,Département Loiret
- Frontstalag 152 inPithiviers,Département Loiret
- Frontstalag 153 inOrléans,Département Loiret
- Frontstalag 154 inFourchambault,Département Nièvre
- Frontstalag 155 inDijon (Longvic),Département Côte-d’Or
- Frontstalag 160 inLunéville,Département Meurthe-et-Moselle
- Frontstalag 161 inNancy,Département Meurthe-et-Moselle
- Frontstalag 162 inToul (Dommartin-lès-Toul),Département Meurthe-et-Moselle
- Frontstalag 170 inCompiègne,Département Oise
- Frontstalag 171 inRouen,Seine-Inférieure
- Frontstalag 172 inDoullens,Département Somme
- Frontstalag 180 inAmboise,Département Indre-et-Loire
- Frontstalag 181 inSaumur,Département Maine-et-Loire
- Frontstalag 182 inSavenay,Département Maine-et-Loire
- Frontstalag 183 inHennebont,Département Morbihan
- Frontstalag 183 A inChâteaubriant,Département Loire-Atlantique
- Frontstalag 184 inAngoulême,Département Charente
- Frontstalag 185 inTourcoing,Département Nord
- Frontstalag 186 inLille,Département Nord
- Frontstalag 190 inCharleville,Département Ardennes
- Frontstalag 191 inLa Fère,Département Aisne
- Frontstalag 192 inLaon,Département Aisne
- Frontstalag 194 inChâlons-sur-Marne,Département Marne; siehe dazuInternierungslager Vittel
- Frontstalag 195 inSaint-Omer,Département Pas-de-Calais
- Frontstalag 200 inÉvreux,Département Eure
- Frontstalag 201 inAlençon,Département Orne
- Frontstalag 202 inChartres,Département Eure-et-Loir
- Frontstalag 203 inLe Mans (Mulsanne),Département Sarthe
- Frontstalag 204 inPéronne,Département Somme
- Frontstalag 210 inStrasbourg,Elsass
- Frontstalag 211 inSarrebourg,Lothringen
- Frontstalag 212 inMetz,Lothringen
- Frontstalag 213 inMulhausen,Elsass
- Frontstalag 220 inSaint-Denis,Département Seine-Saint-Denis
- Frontstalag 221 inMartignas-sur-Jalle (Lager Souge),Département Gironde
- Frontstalag 221 in Saint Médard en Jalles,Département Gironde
- Frontstalag 221 inRennes,Département Ille-et-Vilaine
- Frontstalag 222 inPeyrehorade,Département Landes (August 1940–April 1941)[4]
- Frontstalag 222 inAnglet,Département Pyrénées-Atlantiques (April 1941)
- Frontstalag 222 inBayonne, Département Pyrénées-Atlantiques (Mai 1941–August 1944)
- Frontstalag 230 inPoitiers,Département Vienne
- Frontstalag 231 inAirvault,Département Deux-Sèvres
- Frontstalag 232 inLuçon,Département Vendée
- Frontstalag 240 inVerdun,Département Meuse
- Frontstalag 241 inSaint-Mihiel,Département Meuse
Frontstalags im Ausland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]SieheListe der Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- (fr) Armelle Mabon:Les prisonniers de guerre "indigènes" Visages oubliés de la France occupée, La Découverte, 2010,ISBN 978-2-7071-5078-3.
- (fr) Marianne (magazine), Nr. 468
- (fr) Ouest-France, Dienstag, 27. März 2007, Seite Bretagne
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- (fr)Liste der Frontstalags
- (fr)Les Fronstalags, auf der Seitecheminsdememoire.gouv.fr
- (en)Liste und Bestehen der verschiedenen Fronstalags
- (fr)Gefangener im Frontstalag 135 in Quimper (auf Französisch: Prisonnier au Frontstalag 135 de Quimper)
- (fr)Vereinigung zur Erinnerung an das Lager von Bayris - Bayonne (auf Französisch: Collectif pour la mémoire du camp de Bayris - Bayonne)
- (de/en/fr)Kriegsgefangenenlager: Liste
- (fr) Georges Guitton:Prisonniers indigènes à Rennes : mais où sont les historiens ? & Interview mit der Historikerin Armelle Mabon, PLACE PUBLIQUE, Septembre–Octobre 2010, S. 122–127.
- (fr) Gwénola Ricordeau: Armelle Mabon, Les prisonniers de guerre "indigènes". Visages oubliés de la France occupée, in: LES COMPTES RENDUS / 2010 (Online (Rezension))