Flugblatt

AlsFlugblatt,Handzettel, in ÖsterreichFlugzettel, älter auchfliegendes Blatt und heute meist unter dem englischen BegriffFlyer bekannt, bezeichnet man ein beschriftetes Papierblatt, das eine Mitteilung transportiert und verbreitet. Flugblätter erscheinen nicht periodisch, oftmals sogar nur einmalig, und gehören zu denDruckerzeugnissen.
Flugblätter werden zu aktuellen Anlässen, für Ankündigungen oder zurWerbungherausgegeben und kostenlos durch Personen oder andere Methoden aktiv verteilt oder sie liegen zur Mitnahme aus. Beispiele sind lokale oder regionale Nachrichten, kleine Preislisten oder Veranstaltungslisten und -hinweise. Flugblätter wurden in der Frühphase der Presse oft als Extrablatt einerZeitung beigelegt.
Merkmale
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Typische Merkmale von Flugblättern sind:
- Einfachheit derHerstellung (z. B. mittelsFotokopierer) und Verbreitung
- niedrigeHerstellungskosten
- schwereKontrollierbarkeit
- großeIllustrationen und Bilder
- potenziell unbegrenzteAuflage, Distribution undRezeption
- Einmaligkeit
- Syntax: Aufforderungssätze, direkte Ansprachen des Lesers, Ausrufe, Fragen an den Leser
- sprachliche Mittel, welche die Aussage unterstreichen, z. B. dieAnapher in Kombination mit derFrage: Wollt ihr auch ein Ende der Sparmaßnahmen an Schulen? Wollt ihr auch, dass Schüler bessere Bücher bekommen?
- Unterstützung der inhaltlichen Aussage durch entsprechendegraphische Gestaltung
- auffällige Wörter
- es sollen viele Adressaten erreicht werden
- These (Forderung, Aussage, Werturteil) mit unterstützendenArgumenten.
Abgrenzungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Es wird zwischen Flugblättern und den etwas umfangreicherenBroschüren undFlugschriften unterschieden. Flugblätter zu Werbezwecken werden alsFlyer bezeichnet. Mehrseitige, gefaltete Druckschriften sindFaltblätter, mit Mehrfachfaltung (wie eineZiehharmonika) nennt man sieLeporello. Druckschriften, die ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung beschreiben, nennt manProspekt, allgemeine Informationsschriften sind Broschüren.
Geschichte und Entwicklung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Flugblätter vom Spätmittelalter bis zur Reformation
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Flugblatt war das erste Massenkommunikationsmittel und ist seit 1488 nachweisbar. Die Autoren blieben zumeist anonym. Diese Einblattdrucke wurden vonMarktschreiern und fahrenden Händlern auf Jahrmärkten und vor Kirchentüren, aber auch im traditionellenBuchhandel, im Großhandel und auf Messen verkauft. Heute schätzt man, dass das Einzelblatt mindestens so viel kostete, wie ein gelernter Handwerker in der Stadt in der Stunde verdiente. Einzelne Schätzungen gehen sogar von vier bis fünf Stunden aus. Damit waren Flugblätter für die einfache Landbevölkerung nahezu unerschwinglich.
Der Begriff Flugblatt wurde erst im18. Jahrhundert verwendet. Zunächst bezeichnete man diese Form der Publikation als „fliegende Schrift“ oder „fliegendes Blatt“.

Große Illustrationen nahmen häufig ein Drittel der Blattgröße ein, produziert mit Hilfe derHolzschnitt-Technik. Wer Flugblätter besaß, hängte sie stolz zuhause an Wänden, Kisten und Schränken auf. Die Illustrationen waren zur Übermittlung der Botschaft des Flugblattes in dieser Zeit sehr wichtig, da nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung alphabetisiert war. Außerdem sollten sie zum Kauf anreizen. Sehr beliebt waren Abbildungen von fremden Tieren, unbekannten Gegenständen, Ländern oder Monstern. Das älteste illustrierte Flugblatt „Donnerstein von Ensishein“ (1492), das bislang bekannt ist, stammt vonSebastian Brant. Es stellt den Einschlag eines Meteoriten dar, was damals als Vorbote von weiterem Unglück und als Warnung an die Herrscher galt.
Vier Themenbereiche dominierten bei den Flugblättern: Sensationen und Wunder;katechistische Unterweisungen und Läuterungen, Seelentrost und Erbauung und schließlich politische und militärische Nachrichten und Informationen. Die illustrierten Flugblätter entwickelten auch erste Formen derKarikatur[1] und diente außerdem oft zum Aufruf, zu einer Stellungnahme oder zu Warnungen. Die frühen illustrierten Einblattdrucke waren alsoboulevardeske Informationsmedien, produziert zum Zwecke des Geldverdienens. Mit politischer Agitation hatten sie selten etwas zu tun. Dies änderte sich erst ab derReformationszeit nach 1500.
DieHexenverfolgung in Süddeutschland wurde durch Holzschnitt-Flugblätter, die Hexenzeitungen genannt wurden, beeinflusst.[2]
Flugschriften vom Spätmittelalter bis zur Reformationszeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Flugschriften grenzen sich formal von den Flugblättern dadurch ab, dass sie mehr als eine Seite haben; sie sind also, technisch gesehen, Vorläufer der Tageszeitung, des modernen Romanhefts oder der Gebrauchsanweisung.
Flugschriften dienten der Publikation von Nachrichten und richteten sich damit an Menschen, die eher an „wirklichen“ Informationen interessiert waren als an derSensationspresse. Wenn man sagt, das Flugblatt sei vor der Reformation so etwas wie die „Bild-Zeitung“ mit nur einem Artikel gewesen, dann war die Flugschrift in etwa die „Frankfurter Rundschau“ des späten Mittelalters.
Flugblätter ab der Reformationszeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ab der Reformationszeit wurde das Flugblatt politischer. Es diente als Mittel der Auseinandersetzung im Glaubenskrieg, wie auch imBauernkrieg. Das traditionelle, primär sensationsheischende Flugblatt („Mann mit vier Köpfen gesehen!“) gab es parallel weiter, es verlor aber stetig an Bedeutung. Auch die politischen Flugblätter der Reformationszeit waren nicht kostenlos, denn dafür warenPapier und Druck allein schon zu teuer.
Im 17. Jahrhundert wurden die Flugschriften und -blätter immer politischer, was vor allem an der Situation im Land und demDreißigjährigen Krieg lag. Die Bevölkerung wollte vermehrt und genauer über die politische Situation im Land informiert sein und werden. Nachgewiesen wurden für das 17. Jahrhundert mehr als 7.000 deutschsprachige politische Flugschriften und Flugblätter.
Flugblatt heute
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Heute wird das Flugblatt (als Werbeflugblatt oderFlyer bezeichnet) nicht breit gestreut, sondern ist meist zu Werbezwecken auf eine bestimmte Zielgruppe ausgelegt. Flyer stellen in der heutigen Zeit eines der meist genutztenMarketinginstrumente im Offlinebereich dar und werden professionell erstellt. Eine klare Aufteilung, interessante Texte und Bilder sind der bestimmten Zielgruppe angepasst. Mit einer ausdrucksstarken Überschrift wird ein erstes Interesse des Empfängers geweckt und ein Weiterlesen veranlasst. Werbeflugblätter werden als Streuwerbung an Haushalte verteilt, als Beilagen in Postsendungen oder als Produktinformation direkt auf eine bestimmte Personengruppe ausgerichtet. Sie werden allerdings auch von politischen Gruppen, Behörden oder Vereinen verbreitet: mit Wahlinformation, Veranstaltungshinweisen oder oft zur Mitgliederwerbung eingesetzt.[3]
Die Verteilung von Drucksachen zu gewerblichen Zwecken auf Straßen ist in Deutschland alsSondernutzung genehmigungspflichtig.[4]
Für Flugblätter gilt dieImpressumspflicht derLandespressegesetze. Diese verpflichtet den Verfasser zur Angabe des Namens und der Adresse.[5]
Das politische Flugblatt in der Moderne
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Widerstandsmedium in der Zeit des Nationalsozialismus
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Besondere Bedeutung als Mittel des politischen Widerstandes erlangten die Flugblätter im Deutschland der 1940er Jahre durch dieGeschwister Scholl und die Mitglieder der WiderstandsgruppeWeiße Rose. Vom Sommer 1942 bis zu ihrer Verhaftung durch das deutscheNazi-Regime im Frühjahr 1943 erstellten und verbreiteten sie sechs Flugblätter, in denen sie zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufriefen.
Propagandamittel
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

In derKriegspropaganda des 20. Jahrhunderts bildeten Flugblätter in Gestalt vonFlugblattbomben (sogenannteKriegsflugblätter[6]) einen wichtigen Teil derpsychologischen Kriegführung. Im Ersten Weltkrieg verbreitete Frankreich die FlugblattzeitungLe Courrier de l’Air per Ballon.
DieWehrmacht setzte imZweiten Weltkrieg an der Front auch den7,3-cm-Propagandawerfer 41 zum Verschießen von Flugblättern mit nationalsozialistischer Propaganda über Feindgebiet ein.
- Nationalsozialistisches Flugblatt für alliierte Truppen (1944) Vorderseite
- Nationalsozialistisches Flugblatt für alliierte Truppen (1944) Rückseite
- Nr. 6, Februar 1945
Amerikanisches Flugblatt (Feldpost) für die deutschen Truppen (1945)
Sammlungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Wichtige Flugblatt-Sammlungen besitzen unter anderem folgende Einrichtungen:
- Deutsches Historisches Museum in Berlin
- Bundesarchiv in Koblenz – Zeitgeschichtliche Sammlungen
- Sammlung von Flugblättern (1848 u. 1918-22) und Flugschriften, Humboldt-Universität Berlin
- Sammlung Luftfahrt.Industrie.Westfalen mit der SammlungAlliierte Kriegsflugblattpropaganda 1939-1945 im Märkischen Kreis
- Bibliothek für Zeitgeschichte in derWürttembergischen Landesbibliothek, Stuttgart – Zeitgeschichtliche und archivarische Sammlungen (seit der Zeit desErsten Weltkrieges)
- Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel
- Das Archiv des Umweltzentrums Münster enthält mehrere tausend Flugblätter sozialer Bewegungen seit 1970.
- Materialien zur Analyse von Opposition (MAO) – Volltextdatenbank mit Flugblättern radikaler linker Organisationen mit Schwerpunkt auf die 1970er und 1980er Jahre
- APO-Archiv derFreien Universität Berlin mit Flugblättern derAußerparlamentarischen Opposition und derStudentenbewegung bis Mitte der siebziger Jahre
- DieFürst Thurn und Taxis Hofbibliothek in Regensburg
- Flugblattsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Ausstellung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Gier nach neuen Bildern. Flugblatt, Bilderbogen, Comicstrip. Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin (bis 8. April 2018).[7]
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Emil Karl Blümml (Hrsg.):Lieder und Reime in fliegenden Blättern des 16. und 17. Jahrhunderts. Straßburg 1987 (Nachdr. d. Ausg. Straßburg 1911).
- Gertie Guckenheimer:Johann Hoffmann [1629–1698] und der Ausklang des Nürnberger Flugblattverlags – Ein Beitrag zur Geschichte des Buch- und Kunsthandels in Nürnberg. Dissertation Erlangen 1924.
- John C. Field:Aerial Propaganda Leaflets (The Aero Field Handbook; Bd. 15). Field Edition, Sutton Coldfield 1954.
- Hermann Wäscher:Das deutsche illustrierte Flugblatt. Verlag der Kunst, Dresden 1955/56.
- Von den Anfängen bis zu den Befreiungskriegen. 1955.
- Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. 1956.
- Rudolf Stöber:Deutsche Pressegeschichte (UTB; Bd. 2716). UVK-Verlagsgesellschaft, Konstanz 2005,ISBN 3-8252-2716-2.
- Ruth Kastner:Geistlicher Rauffhandel. Form und Funktion der illustrierten Flugblätter zum Reformationsjubiläum 1617 in ihrem historischen und publizistischen Kontext. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 1982,ISBN 3-8204-6252-X (zugl. Dissertation, Universität Hamburg 1981).
- Daniel Bellingradt:Die vergessenen Quellen des Alten Reiches. Ein Forschungsüberblick zu frühneuzeitlicher Flugpublizistik im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. In: Astrid Blome,Holger Böning (Hrsg.):Presse und Geschichte. Leistungen und Perspektiven der historischen Presseforschung. Edition Lumière, Bremen 2008, S. 77–95,ISBN 978-3-934686-58-8.
- Daniel Bellingradt:Flugpublizistik und Öffentlichkeit um 1700. Dynamiken, Akteure und Strukturen im urbanen Raum des Alten Reiches (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte; Bd. 26). Steiner, Stuttgart 2011,ISBN 978-3-515-09810-6 (zugl.Dissertation,Freie Universität Berlin 2010).
- Deutsches Historisches Museum (Hrsg.):Gier nach neuen Bildern. Flugblatt, Bilderbogen, Comicstrip. Theiss Verlag, Darmstadt 2017,ISBN 978-3-8062-3638-5.
- Britta Kägler:Von Päpsten und Teufeln. Das Medium Flugblatt in der Reformationszeit. In:Mitteilungen des Verbandes bayerischer Geschichtsvereine 28 (2018), S. 31–51.
- Moritz Rauchhaus undTobias Roth (Hrsg.):Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs. Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, Berlin 2020,ISBN 978-3-946990-41-3.
- Thomas Lüttenberg, Andreas Priever: ...'Hergegen macht das Kleyd oft einen Mann und Helden'. Deutsche Alamode-Flugblätter des 17. Jahrhunderts im europäischen Kontext. In: Adelheid Rasche,Gundula Wolter (Hrsg.):Ridikül! Mode in der Karikatur 1600 bis 1900.Kat. Kunstbibliothe, Staatliche Museen zu Berlin Berlin/Köln 2003, S. 53–68.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Archiv des Umweltzentrums Münster
- Materialien zur Analyse von Opposition (MAO)
- APO-Archiv der FU Berlin
- Flugblätter im Deutschen Buch- und Schriftmuseum
- William A. Coupe:Flugblatt. In:Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Band IX (2003), Sp. 1436–1446.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Rudolf Stöber:Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar. Konstanz 2000, S. 37.
- ↑Wolfgang Behringer:Hexenverfolgungen im Spiegel zeitgenössischer Publizistik: die „Erweytterte Unholden Zeyttung“ von 1590 (PDF; 4,5 MB), Oberbayerisches Archiv. - 109. 1984, 2, S. 339–360, Fußnote Nr. 47, S. 348
- ↑Flyer in der heutigen Zeit, M. Foerster, A. Heise, 2013
- ↑Vgl.Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21. September 2010, Az. IV-4 RBs25/10 (zum Anklemmen von Visitenkarten an parkende Autos).
- ↑Schwarzwälder Bote, Oberndorf Germany: Dornstetten: Verfahren gegen Gemeinderäte eingestellt - Schwarzwälder Bote. Abgerufen am 31. März 2019.
- ↑Markus Behmer:Deutsche Publizistik im Exil, 1933 bis 1945: Personen - Positionen - Perspektiven: Festschrift für Ursula E. Koch. LIT Verlag Münster, 2000, Seite 190;eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
- ↑https://www.dhm.de/ausstellungen/gier-nach-neuen-bildern.html