Während die meisten in Europa gesprochenen Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie angehören, zählen zu den finno-ugrischen Sprachen neben dem Finnischen noch dieestnische, diesamische und dieungarische Sprache sowie eine Reihe von im europäischenRussland und in Nordsibirien gesprochenen Sprachen.
Die Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Sprachen dieser Familie lässt sich vielfach über die grammatischen Formen nachweisen, während derWortschatz zuweilen wenige Ähnlichkeiten aufweist. So sind dieUrformen des Finnischen und Ungarischen schon seit vielen Jahrtausenden getrennt, und die Verwandtschaft ist nicht näher als die Beziehung zwischen entfernten indogermanischen Sprachen wieDeutsch undPersisch.
Die Zeiträume der frühen Entwicklungsvorgänge lassen sich nur mit großer Schwierigkeit bestimmen, da dies nur durchRekonstruktion aus der Analyse von Wortschatz undGrammatik der heutigen Sprachen geschehen kann. Es wird jedoch angenommen, dass die Herausbildung des frühen Ostsee-Finnischen mit der Trennung vom Samischen spätestens um 1000 v. Chr. abgeschlossen war. Das Finnische stand bereits in prähistorischer Zeit mitgermanischen undbaltischen Sprachen im Kontakt und übernahm aus ihnen zahlreicheLehnwörter.
Obwohl die Bewohner des heutigen Finnlands durchweg finno-ugrische Sprachen sprachen, entwickelte sich eine gemeinsame finnische Sprache erst in derNeuzeit. In der vorangegangenen Zeit waren die Bewohner Finnlands in drei Hauptstämme aufgeteilt, die sprachlich wie kulturell erhebliche Unterschiede aufwiesen. Im Südwesten lebte die später als die „eigentlichen Finnen“ (varsinaissuomalaiset) bezeichnete Bevölkerungsgruppe. In dieser Region hatten sich germanischstämmige Zuwanderer ausSkandinavienmit der Bevölkerung vermischt und vielegermanische Lehnwörter mitgebracht. Im Osten lebten dieKarelier und in den Wäldern des Binnenlandes dieHämeer, die sich anfangs wahrscheinlich noch nicht stark von denSamen unterschieden. Aus einer Vermischung der letztgenannten Bevölkerungsgruppen entstand später, aber noch vor dem Mittelalter, derSavo-Dialekt.
Die Entstehung einer einheitlichen finnischen Sprache, insbesondere der finnischen Schriftsprache, wurde begünstigt durch dieReformation. KönigGustav Wasa brach 1524 die Beziehungen zurkatholischen Kirche ab und ordnete die Übernahme derlutherischen Lehren an. Zu diesen gehörte es, das Wort Gottes in der Sprache des Volkes zu verkünden. In der Folge begannen die Pfarrer die notwendigenliturgischen Texte schriftlich aufzuzeichnen.
Die Veröffentlichung der ersten gedruckten Texte in finnischer Sprache geht auf das Werk des späteren BischofsMikael Agricola zurück. Der Schüler Martin Luthers begann bereits während seiner Studienzeit mit der Übersetzung religiöser Texte, insbesondere desNeuen Testaments. Das erste gedruckte finnische Buch war die spätestens 1543 veröffentlichte „Fibel“Abckiria, die sich in erster Linie an Geistliche richtete und einenKatechismus enthielt. Die finnische Übersetzung des Neuen Testaments erschien 1548.
Agricola schuf eine Rechtschreibung auf Grundlage desLateinischen, Deutschen und Schwedischen und legte die Grundlagen für eine finnische Schriftsprache. Er benutzte in erster Linie den in der Gegend vonTurku gesprochenenDialekt, der zur Grundlage der sich entwickelnden gemeinsamen finnischen Sprache wurde.
Nach der Schaffung einer Schriftsprache blieb die schriftliche Verwendung des Finnischen über Jahrhunderte rudimentär. Ab dem 16. Jahrhundert wurden Gesetze teilweise auf Finnisch geschrieben, ein finnischsprachiges kulturelles Leben gab es jedoch nicht. Im zu Schweden gehörenden Finnland war Schwedisch die Sprache der Verwaltung, der Bildung und der Kultur.
Erst nachdem Finnland 1809 alsGroßfürstentum Finnland unter die Herrschaft desrussischenZaren gekommen war, begann sich ein finnischesNationalbewusstsein zu entwickeln. Es formierte sich eine als „Fennomanen“ bezeichnete Bewegung, die die finnische Sprache zur Kultursprache entwickeln wollte. Im frühen 19. Jahrhundert fehlten der Sprache hierfür aber noch alle Voraussetzungen. Die Grammatik war nie systematisch erfasst worden, und der Wortschatz spiegelte das Alltagsleben der bäuerlichen Landbevölkerung wider, entbehrte aber fast aller für Verwaltungs- und Kulturzwecke erforderlichen Vokabeln.
Das 1835 vonElias Lönnrot veröffentlichteNationaleposKalevala bestärkte die Rolle der finnischen Sprache. Durch die Aktivitäten der Fennomanen entstand einefinnischsprachige Literatur und Presse. Viele, muttersprachlich meist schwedischsprachige, Angehörige der gebildeten Oberschicht arbeiteten an einer Weiterentwicklung der finnischen Sprache. In diesem Zusammenhang wurden zahlreiche Wörter geschaffen, die in der finnischen Sprache nicht existiert hatten. Den Idealen der finnischen Nationalbewegung folgend, wurden die neuen Wörter dieser Zeit fast ausnahmslos nicht durchLehnwörter, sondern gänzlich neu gebildet, oft durch Abwandlungen alter finnischer Wörter.
Der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnene Aufbau eines finnischsprachigen Schulwesens führte bis zur Jahrhundertwende dazu, dass sich eine gebildete finnischsprachige Bevölkerungsschicht entwickelte. Bis zum zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hatte sich Finnisch zu einer Kultursprache entwickelt, die im Wesentlichen dem heutigen Finnischen entspricht.
Bedingt durch die Entstehungsgeschichte der finnischen Schriftsprache ist das finnischeAlphabet identisch mit dem desSchwedischen. Es besteht aus den 26 Buchstaben deslateinischen Alphabets, ergänzt um die Sonderzeichenå,ä undö. Bei der alphabetischen Sortierung, z. B. in Wörterbüchern, werden dieUmlaute in der genannten Reihenfolge am Ende des Alphabetes eingeordnet, nicht wie im Deutschen bei a und o. Der Buchstabe w, der insbesondere in älteren Texten oft frei mit dem gleichklingenden Buchstaben v ausgetauscht wird, wird dagegen bei der Sortierung meist nicht von letzterem unterschieden. Dasü, das etwa in deutschen undestnischen Namen vorkommt, wird identisch zum y einsortiert.
Die Buchstaben c, q, w, x, z und å kommen in finnischen Wörtern nicht vor, treten aber zuweilen inFremdwörtern auf, insbesondere das å auch in den in Finnland häufig vorkommenden schwedischen Namen. Die Buchstaben b und f kommen nur inLehnwörtern vor. Teilweise wird bei Lehnwörtern für den Laut[ʃ] ein S mitHatschek (š) verwendet. Es kann durch sh oder einfach s ersetzt werden (z. B.šakki,shakki odersakki „Schach“). Noch seltener ist diestimmhafte Entsprechung ž, die bei geographischen Bezeichnungen wieFidži vorkommt.
Das Finnische hat eine fast völligphonematische Orthographie; das heißt, die Zuordnung vonPhonemen (Lauten) undGraphemen (Buchstaben) ist eindeutig. Lehnwörter werden konsequent an die finnische Orthographie angepasst (z. B.filosofia „Philosophie“). Bei folgenden Buchstaben unterscheidet sich der Lautwert vom Deutschen:
Zu den wenigen Ausnahmen in der Kongruenz von Buchstabe und Lautwert gehören die Buchstabenkombinationen nk und ng, die [ŋk] und [ŋː] gesprochen werden. Ferner wird ein vor einem p stehendes n durchgängig als m ausgesprochen (z. B. inkunpa gesprochenkumpa, aber auch inhaen pallon gesprochenhaem pallon). Nach bestimmten Typen von Wörtern tritt bei der Aussprache eineVerdopplung des Anfangskonsonanten des nachfolgenden Wortes oder Wortteiles auf, so nach auf -e endenden Wörtern (tervetuloa, gesprochentervettuloa) oder nach verneinten Verben (en juo maitoa, gesprochenen juom maitoa). Beginnt das folgende Wort mit einem Vokal, tritt an die Stelle der Konsonantenverdopplung einGlottisverschlusslaut[ʔ].
In der finnischen Aussprache spielt der Unterschied von langen und kurzen Lauten eine zentrale Rolle. Dieser Unterschied spiegelt sich konsequent in der Schreibweise wider, indem lange Laute durch Doppelbuchstaben dargestellt werden. Dies betrifft sowohlVokale als auchKonsonanten (tuli „Feuer“,tulli „Zoll“,tuuli „Wind“). Die langen Laute sind in der Regel exakt doppelt so lang wie der einfache Laut. Dabei ist die Qualität der Vokale unabhängig von ihrer Quantität. Anders als im Deutschen wird z. B. o stets[ɔ] gesprochen, unabhängig davon, ob es lang oder kurz ist. Die Verlängerung der Konsonanten k, p und t geschieht in der Weise, dass der jeweilige Verschlusszustand für kurze Zeit aufrechterhalten wird.
Im Finnischen wird stets die ersteSilbe eines Wortes betont. Daneben liegt ab der dritten Silbe auf jeder zweiten Silbe eine Nebenbetonung, wobei die letzte Silbe unbetont bleibt. Die Länge der Vokale ist unabhängig von der Betonung.
Daneben gibt es im Finnischen je nach Zählweise 16 bis 18 verschiedeneDiphthonge, die alsPhoneme gewertet werden: ai [ɑi̯], au [ɑu̯], ei [ɛi̯], eu [ɛu̯], ey [ɛy̯], ie [iɛ̯], iu [iu̯], iy [iy̯], oi [ɔi̯], ou [ɔu̯], ui [ui̯], uo [uɔ̯], yi [yi̯], yö [yœ̯], äi [æi̯], äy [æy̯], öi [œi̯] und öy [œy̯]. Der Diphthongstatus voney undiy ist nicht eindeutig. Generell ist zwischen Diphthongen und zweisilbigen Vokalverbindungen zu unterscheiden, wobei die Grenze nicht immer klar zu ziehen ist. So ist dasau inkaula [ˈkɑu̯lɑ] (Hals) ein Diphthong, inkulaus [ˈkulɑus] (Schluck) aber eine Vokalverbindung.[5]
Das Finnische verfügt über 14 eigenständigeKonsonantenphoneme.[6] Weitere vier Konsonanten (in der Tabelle eingeklammert) kommen nur in Lehnwörtern vor.
Das Finnische ist mit nur 14 Konsonantenphonemen eine konsonantenarme Sprache. In einem finnischen Text kommen auf 100 Vokale durchschnittlich 96 Konsonanten (zum Vergleich: im Deutschen sind es 177).[7]
Es besteht kein Kontrast zwischenstimmhaften undstimmlosen Lauten. Der Laut [d] nimmt als einziger stimmhafterPlosiv eine Sonderrolle im phonologischen System des Finnischen ein. Er kommt bei echt finnischen Wörtern nur imInlaut als schwache Stufe von [t] vor. Historisch geht er auf denFrikativ [ð] zurück, der alsd oderdh geschrieben wurde. Als der Laut [ð] nicht mehr gesprochen wurde, blieb die Schreibungd beibehalten und wurde, dem schwedischen Beispiel folgend, [d] ausgesprochen. Der Laut [d] kommt in keinem finnischenDialekt vor, dort ist der ursprüngliche Laut entweder ausgefallen oder hat sich zu [r], [l] oder [j] entwickelt. Während der Zeit derSprachenstreite im 19. und 20. Jahrhundert gab es Bestrebungen, den Buchstabend als unfinnisch aufzugeben und jeweils durch eint zu ersetzen. Diese Schule hat sich jedoch nicht durchsetzen können.
Bei traditionellen finnischen Wörtern können am Wortanfang keine Konsonantenverbindungen stehen. Ältere Lehnwörter wurden bei Bedarf angepasst: Bei ihnen ist nur der letzte Konsonant der Verbindung erhalten.
koulu („Schule“) aus schwedischskola
ranta („Strand“) aus schwedischstrand
Bei neueren Lehnwörtern bleiben die Konsonantenverbindungen erhalten. Die Aussprache fällt allerdings manchen Finnen schwer und sie sprechen nur den letzten Konsonanten.
stressi („Stress“) wird alsressi, vereinzelt auch alstressi gesprochen
professori („Professor“) wird dannrofessori ausgesprochen
Am Wortende können nur Vokale oder die Konsonanten-n,-t,-l,-r und-s stehen. Neuere Lehnwörter werden meist durch Anhängung eines-i gebildet (z. B.presidentti „Präsident“).
Mengendiagramm zur Veranschaulichung des Systems der finnischen Vokalharmonie
Zu den zentralen Lautgesetzen des Finnischen gehört dieVokalharmonie. Die Hintervokalea,o undu können grundsätzlich nicht innerhalb eines Wortes zusammen mit den Vordervokalenä,ö undy vorkommen. Endungen und andereSuffixe werden an die im Wortstamm enthaltenen Vokale angepasst:
talo („das Haus“) –talossa („im Haus“)
metsä („der Wald“) –metsässä („im Wald“)
Die Vokalee undi sind neutral und können innerhalb eines Wortes mit beiden Gruppen vorkommen. Enthält ein Wort nur neutrale Vokale, werden für die Endungen die vorderen Vokale verwendet:
meri („das Meer“) –meressä („im Meer“)
In zusammengesetzten Wörtern werden die Gesetze der Vokalharmonie auf jeden Wortbestandteil getrennt angewendet. Die Vokale der Endung richten sich nach den Vokalen im letzten Wortbestandteil:
Pohjanmeri („die Nordsee“) –Pohjanmeressä („in der Nordsee“)
Fremdwörter enthalten manchmal sowohl vordere als auch hintere Vokale. In nachlässiger Aussprache werden dann meist statt der vorderen Vokale die entsprechenden hinteren gesprochen. Beispielsweise wirdOlympia von manchen Sprechern wieOlumpia gesprochen.
Die Konsonantenk,p undt unterliegen in derDeklination wie derKonjugation finnischer Wörter einemStufenwechsel. Sie kommen in einer „starken“ und einer „schwachen“ Stufe vor. Die starke Stufe steht in offenen, also auf einen Vokal endenden, Silben (z. B.katu „die Straße“) sowie vor langen Vokalen und Diphthongen (z. B.katuun „in die Straße“). Sonst steht die schwache Stufe (z. B.kadun „der Straße“).
Bei der Mehrzahl der Wörter steht die Grundform (Nominativ beiNomina,Infinitiv beiVerben) in der starken Stufe. Manche Wörter unterliegen dem umgekehrten Stufenwechsel, bei dem die Grundform in der schwachen Stufe steht und die flektierten Formen überwiegend die starke Stufe annehmen (z. B.tuote „das Produkt“ –tuotteen „des Produktes“).
Man unterscheidet zwischen quantitativem und qualitativem Stufenwechsel. Beim quantitativen Stufenwechsel werdendoppelte Konsonanten in der schwachen Stufe zu einfachen reduziert:
kk → k:pankki („die Bank“) –pankin („der Bank“)
pp → p:oppia („erlernen“) –opin („ich erlerne“)
tt → t:katto („das Dach“) –katot („die Dächer“)
Vom qualitativen Stufenwechsel sind die Einzelkonsonantenk,p undt sowie zahlreiche Konsonantenverbindungen betroffen. Diese Art des Stufenwechsels ist nicht mehr produktiv; das heißt, neuere Wörter sind nicht mehr davon betroffen (vgl.katu „die Straße“ – kadun „der Straße“, aberauto „das Auto“ –auton „des Autos“).
k → ∅:lukea („lesen“) –luen („ich lese“)
p → v:rapu („der Krebs“) –ravun („des Krebses“)
t → d:katu („die Straße“) –kadulla („auf der Straße“)
Das Finnische ist eineagglutinierende Sprache. Das bedeutet, dass die verschiedenen grammatischen Merkmale der Wörter durch eine Kette einzelnerAffixe ausgedrückt werden, und zwar hier durch Affixe, die am Ende des Wortes angehängt werden (Suffixe bzw. „Nachsilben“). ImDeutschen und anderenindogermanischen Sprachen werden die Funktionen dieser Suffixe in vielen Fällen durch eigenständige Wörter ausgedrückt, zum BeispielPräpositionen. Im Finnischen kann ein einziges, durch Suffixe erweitertes Wort eine große Informationsfülle aufnehmen. Ein Beispiel ist das Worttaloissanikinko, das von der Grundformtalo („Haus“) abgeleitet ist und so viel wie „auch in meinen Häusern?“ bedeutet. Das Wort lässt sich folgendermaßen auflösen:
Im Gegensatz zuflektierenden Sprachen wie dem Deutschen oderLateinischen bedeutet agglutinierender Sprachbau, dass jede grammatische Information in einem eigenenSuffix codiert ist. Zum Beispiel wird in der Formtaloissa („in den Häusern“) derKasusInessiv durch das Suffix-ssa ausgedrückt, und derPlural getrennt davon durch das Suffix-i – hingegen drückt im Deutschen dieArtikelformden denDativkasus und den Plural zugleich aus und ebenso codiert die deutsche Endung-n in der FormHäusern Dativ und Plural zugleich. Eine Ausnahme ist im Finnischen, dass der Plural im Nominativ undAkkusativ durch-t, in den übrigen Fällen durch-i- gekennzeichnet wird.
Beispiel für eine Partizipialkonstruktion
DeutschenNebensätzen entsprechen ebenfalls oft kompaktePartizipial- oderInfinitivkonstruktionen, „Satzentsprechungen“ genannt. Beispielsweise bedeuten die vier Wörter auf dem nebenstehenden Foto: 1. (Das) Parken; 2. nur; 3. den/einen Platz; 4. für reserviert Habende – also auf gut Deutsch: „Parken nur für diejenigen, die einen Platz reserviert haben.“
Allerdings hat sich das Finnischetypologisch in vielerlei Hinsicht seinen indogermanischen Nachbarsprachen angenähert. So können die Satzentsprechungen durchkonjunktionale Nebensätze ersetzt werden. Im Gegensatz zumUngarischen oder den meisten anderen agglutinierenden Sprachen nimmt im Finnischen dasattributiveAdjektiv die gleiche Endung an wie das dazugehörige Substantiv (vgl. ungarischnagy ház „großes Haus“ –nagy házakban „in großen Häusern“ mit finnischiso talo –isoissa taloissa). Auch ist die bevorzugteSatzstellung im Finnischen wie im benachbartenSchwedischenSubjekt-Verb-Objekt (SVO) und nichtSubjekt-Objekt-Verb (SOV), wie es bei agglutinierenden Sprachen häufiger der Fall ist. Deshalb verkörpert das Finnische den agglutinierenden Sprachtypus in keiner besonders reinen Form.
Das Finnische kennt weder unbestimmte noch bestimmteArtikel.Talo kann je nach Zusammenhang „das Haus“ oder „ein Haus“ bedeuten. Auch eineGenuskategorie existiert nicht. Sogar bei denPersonalpronomina gibt es nur ein Worthän für „er“ und „sie“.
Die finnischen Nomen werden in verschiedene Typen eingeteilt. Die Endungen sind für alle Typen gleich, aber die Wortstämme unterliegen bei der Deklination unterschiedlichen Veränderungen. Um ein Nomen deklinieren zu können, muss man den Typ kennen; so ergibt sich der für die jeweilige Endung benötigte Wortstamm. Charakteristisch für die einzelnen Typen sind jeweils:
der Nominativ (Grundform)
der Vokalstamm (an ihn werden die meisten Endungen wie-n,-lle,-ksi angehängt)
der Konsonantstamm (nur wenn der Partitiv -ta/tä an einen Konsonanten gehängt wird)
der Pluralstamm
Bei derDeklination kann der Wortstamm durch denStufenwechsel verändert werden. Aus sprachgeschichtlichen Gründen werden diese Veränderungen nicht immer angewendet (vgl.lasi – lasin „Glas“ undvuosi – vuoden „Jahr“). Außerdem gibt es einige Adjektive, die nicht dekliniert werden.
Beispielwort
Genitiv
Partitiv Sg.
Partitiv Pl.
Kennzeichen
Übersetzung
talo
talon
taloa
taloja
auf -o/ö, -u/y
Haus
ilta
illan
iltaa
iltoja
zweisilbig auf -a, 1. Vokal a/e/i
Abend
kuuma
kuuman
kuumaa
kuumia
zweisilbig auf -a, 1. Vokal o/u
heiß
omena
omenan
omenaa
omenoita
dreisilbig auf -a/ä
Apfel
lasi
lasin
lasia
laseja
auf -i mit Genitiv -in
Glas
vuosi
vuoden
vuotta
vuosia
auf -si
Jahr
vuode
vuoteen
vuodetta
vuoteita
dreisilbig auf -e
Bett
ihminen
ihmisen
ihmistä
ihmisiä
auf -nen
Mensch
rikas
rikkaan
rikasta
rikkaita
auf -as/äs
reich
kiitos
kiitoksen
kiitosta
kiitoksia
auf -os/ös
Dank
puhunut
puhuneen
puhunutta
puhuneita
Partizipien
gesprochen
Diese Tabelle zeigt beispielhaft einige der wichtigsten Deklinationstypen. Aus den Stammformen können sämtliche Wortbildungen hergeleitet werden.
Im Finnischen gibt es 15 reguläreKasus. Die meisten von ihnen übernehmen ähnliche Funktionen wie diePräpositionen imDeutschen. Aufgeteilt werden sie in grammatische Kasus, die in ihrer Funktion den deutschen Kasus ähneln, drei Gruppen vonLokalkasus, die konkrete und abstrakte örtliche Relationen bezeichnen, und die marginalen Kasus, die in der heutigen Sprache nur noch selten benutzt und meist durchPost- oder Präpositionen ersetzt werden.
Neben diesen 15 Kasus gibt es 12 weitereAdverbialkasus, die nur für eine jeweils kleine Anzahl an Wörtern benutzt werden, z. B. denProlativ, der den Weg ausdrückt, über den eine Handlung ausgeführt wird (z. B.postitse auf dem Postweg,kirjeitse brieflich).[8]
Die Kasus werden gebildet, indem die Kasussuffixe (oder „-endungen“) an den Wortstamm angefügt werden und gleichzeitig regelmäßige phonologische Stammveränderungen auftreten (u. a. durchStufenwechsel, siehe oben). Die Kasusendungen sind dabei in den verschiedenen Deklinationstypen einheitlich; wobei die Grammatik Formen wie-ssa und-ssä als eine identische Endung betrachtet (sieheVokalharmonie). Die Endungen imSingular entsprechen denen imPlural. Letzterer wird durch ein zwischen dem Wortstamm und der Kasusendung eingeschobenes-i- markiert (z. B. Singulartalossa, Pluraltaloissa). Ausnahme ist der Nominativ, der im Singular unmarkiert ist und die Pluralendung-t erhält (talot).
Dazugehörigkeit (mit wem oder was zusammen?); steht stets im Plural
1) Die Form des Akkusativs entspricht im Singular je nach syntaktischer Stellung dem Nominativ oder dem Genitiv, im Plural entspricht er dem Nominativ.
2) Diese Endungen unterliegen derVokalharmonie, d. h. anstelle desa kann einä stehen.
3) Verdopplung des vorangehenden Vokals + n; endet ein Wort auf einen Doppelvokal, so wird bei einsilbigen Wörtern (maa „Land“,puu „Baum, Holz“) einer Verdreifachung des Vokals durch Einfügen einesh vorgebeugt:maahan,puuhun; bei mehrsilbigen Wörtern wird die Silbe-seen angehängt:Porvoo (Ort in Finnland),Porvooseen
4) Der Komitativ verlangt bei Substantiven einPossessivsuffix.
AdjektivischeAttribute stehen vor dem Wort, auf das sie sich beziehen, undkongruieren mit diesem. DerKomparativ wird mit dem Suffix-mpi gebildet (iso „groß“ –isompi „größer“), derSuperlativ mit dem Suffix-in (isoin „der größte“).
Adverbien werden mit dem Suffix-sti gebildet (vgl.auto on nopea „das Auto ist schnell“ –auto ajaa nopeasti „das Auto fährt schnell“).
Bei denPersonalpronomina der 3. Person wird nicht zwischen männlicher („er“) und weiblicher („sie“) Form unterschieden, beide lautenhän. Personalpronomina referieren nur auf Menschen. Bei Nichtmenschen werden Demonstrativpronomina verwendet.
Person
Finnisch
Deutsch
1. Sg.
minä
ich
2. Sg.
sinä
du
3. Sg.
hän
er/sie (bei Menschen)
1. Pl.
me
wir
2. Pl.
te
ihr
3. Pl.
he
sie (bei Menschen)
Für die höfliche Anrede (Siezen) wird die 2. Person PluralTe verwendet. Das Siezen ist in Finnland aber weit weniger verbreitet als im Deutschen. Dagegen gelten neben dem Siezen auch verschiedene unpersönliche Redewendungen als höflich. So wird der Gesprächspartner bei offiziellen Anlässen oft mit dem bloßen Nachnamen (ohne „Herr“ oder „Frau“) und in der 3. Person angesprochen. Gerne wird eine direkte Anrede durch die Wahl unpersönlicher Formulierungen auch ganz vermieden.
DieDemonstrativpronomina können allein oder als Attribut stehen. Die Unterscheidung zwischen Menschen und Nichtmenschen in der 3. Person wird durch die Wahl zwischen den Personal- und Demonstrativpronomina gemacht.
Im Gegensatz zum Deutschen werden Besitzverhältnisse nicht allein durch Pronomina („mein, dein“), sondern durch an das Wortende angehängteSuffixe angezeigt. Zusätzlich zumPossessivsuffix kann der Genitiv des Personalpronomens treten. Die Possessivsuffixe der 3. Person benötigen meist ein Bezugswort. Ist das Subjekt des Satzes in der 3. Person und gehört das Objekt dem Subjekt, entfällt jedoch das Bezugswort. Beispiel:Hän myi talonsa („Er verkaufte sein [eigenes] Haus“).
Person
Suffix
Beispielwort
Übersetzung
1. Sg.
-ni
(minun) taloni
mein Haus
2. Sg.
-si
(sinun) talosi
dein Haus
3. Sg.
-nsa1), -Vn2)
hänen talonsa
sein/ihr Haus
1. Pl.
-mme
(meidän) talomme
unser Haus
2. Pl.
-nne
(teidän) talonne
euer Haus
3. Pl.
-nsa1), -Vn2)
heidän talonsa
ihr Haus
1) Diese Endung unterliegt derVokalharmonie, d. h., anstelle desa kann einä stehen.
2) Verdopplung des vorangehenden Vokals + n. Diese Variante kommt bei der Deklination vor (z. B.Inessivhänen talossaan „in seinem/ihrem Haus“).
Die Possessivsuffixe treten auch beiPostpositionen auf, die ein Bezugswort im Genitiv verlangen.
Die Bildung der finnischenZahlwörter geht von den Grundzahlen eins bis zehn aus:yksi (1),kaksi (2),kolme (3),neljä (4),viisi (5),kuusi (6),seitsemän (7),kahdeksan (8),yhdeksän (9) undkymmenen (10). Ganze Zehner werden durch Anhängung von-kymmentä gebildet, alsokaksikymmentä für „zwei Zehner“, also „Zwanzig“. Weitere Zahlen über 20 bilden sich durch einfache Anhängung der Zahl der Einer:kaksikymmentäyksi für Einundzwanzig. Entsprechend wird für Hunderter, Tausender usw. vorgegangen.
Die Zahlen von 11 bis 19 weichen von diesem System ab und werden gebildet durch Anhängung von-toista an die Einerzahl, alsokaksitoista für Zwölf. Direkt übersetzt bedeutet dies „Zwei vom Zweiten“, also die zweite Zahl des zweiten Zehnerblockes. Dieses Zahlenbildungskonzept wurde früher auch für höhere Zahlen befolgt, so dass 35 alsviisineljättä, also „Fünf vom Vierten“, gelesen wurde. Diese Ausdrucksweise ist jedoch aus der Sprache verschwunden; man findet sie nur noch in älteren Texten (z. B. bei den Kapitelangaben in derKalevala). In ähnlicher Weise wird das Wort für Eineinhalb wie „die Hälfte vom Zweiten“,puolitoista gebildet.
Finnische Zahlwörter werden (wie Adjektive und andere Attribute) in der Wortgruppe wie das Nomen dekliniert:Kolmesta talosta für „aus drei Häusern“. Diese Deklination betrifft bei aus mehreren Teilen zusammengesetzten Zahlwörtern alle Teile:
Die Zahlwörter ab zwei verlangen, wenn sie im Nominativ oder Akkusativ stehen, für die gezählte Sache den Partitiv Singular:yksi auto („ein Auto“),kaksi autoa („zwei Autos“). In anderen Fällen stehen Zahlwort und gezähltes Wort im gleichen Fall, das Substantiv aber immer im Singular:kahdessa autossa („in zwei Autos“).
Die finnischen Verben werden in sechs Typen eingeteilt. Diese Einteilung kann noch in verschiedene Untertypen verfeinert werden. Die Endungen sind für alle Typen gleich, aber dieWortstämme unterliegen bei derKonjugation unterschiedlichen Veränderungen. Um ein Verb konjugieren zu können, muss man den Typ kennen; er wird für die jeweilige Endung des Wortstamms benötigt. Charakteristisch für die einzelnen Typen sind jeweils:
Bei der Konjugation kann der Wortstamm durch den Stufenwechsel verändert werden. Aus sprachgeschichtlichen Gründen werden diese Veränderungen nicht immer angewandt.
Typ
Beispielwort
1. Pers. Präs.
3. Pers. Imp.
Partizip
Impersonal Imp.
Kennzeichen
Übersetzung
1a
puhua
puhun
puhui
puhunut
puhuttiin
auf -oa, -ua/yä
sprechen
1b
oppia
opin
oppi
oppinut
opittiin
auf -ea/eä, -ia/iä
lernen
1c
antaa
annan
antoi
antanut
annettiin
auf -aa, 1. Vokal a/e/i
geben
1d
johtaa
johdan
johti
johtanut
johdettiin
auf -aa, 1. Vokal o/u
führen
2a
saada
saan
sai
saanut
saatiin
langer Vokal + -da/dä
bekommen
2b
syödä
syön
söi
syönyt
syötiin
zwei Vokale + -da/dä
essen
3
tulla
tulen
tuli
tullut
tultiin
auf -la/lä, -na/nä, -ra/rä
kommen
4
haluta
haluan
halusi
halunnut
haluttiin
auf -uta/ytä
wünschen
5
tarvita
tarvitsen
tarvitsi
tarvinnut
tarvittiin
auf -ita/itä
benötigen
6
paeta
pakenen
pakeni
paennut
paettiin
auf -eta/etä
fliehen
Diese Tabelle zeigt beispielhaft einige der wichtigsten Konjugationstypen. Kennzeichnend sind jeweils Infinitiv („sprechen“) / 1. Person Präsens („ich spreche“) / 3. Person Imperfekt („er sprach“) / Partizip („gesprochen“) / Impersonal Imperfekt („man sprach“). Aus diesen Stammformen können sämtliche Wortbildungen hergeleitet werden.
DasPräsens bezeichnet gegenwärtige oder zukünftige Handlungen. DasImperfekt (auchPräteritum) bezeichnet die abgeschlossene Vergangenheit. Es wird regelmäßig mit dem Tempuszeichen-i- gebildet. Die Endungen sind dieselben wie im Präsens.
puhun („ich spreche“) –puhuin („ich sprach“)
DasPerfekt bezeichnet eine Handlung, die in der Vergangenheit stattgefunden oder angefangen hat, aber noch weiterwirkt oder für die Gegenwart von Bedeutung ist. Es entspricht weitgehend demenglischenPresent Perfect. DasPlusquamperfekt bezieht sich auf eine Handlung, die vor einem Vergleichszeitpunkt in der Vergangenheit stattfand. Perfekt und Plusquamperfekt werden mit dem Hilfsverbolla (sein) und dem Partizip Perfekt gebildet.
olen puhunut („ich habe gesprochen“),olet puhunut („du hast gesprochen“).
olin puhunut („ich hatte gesprochen“),olit puhunut („du hattest gesprochen“).
DasFutur ist im Finnischen nicht vorhanden. Zukünftige Handlungen werden durch das Präsens ausgedrückt (menen huomenna „ich gehe morgen“, „ich werde morgen gehen“). In den überwiegenden Fällen ist trotz des fehlenden Futurs eine eindeutige temporale Zuordnung möglich, insbesondere weil sich diese oft aus dem verwendetenKasus erschließt (luen kirjaa „ich lese (gerade) ein Buch“, aberluen kirjan „ich werde ein Buch lesen“). Um den Zukunftsbezug eindeutig zu kennzeichnen, wird in neuerer Zeit manchmal in Übernahme von Konzepten indogermanischer Sprachen auch eine Umschreibung mit dem Verbtulla („kommen“) verwendet(tulen menemään huomenna).
DerImperativ ist die Befehlsform. Neben den Imperativen der 2. Person Singular und Plural gibt es auch in der Umgangssprache heute selten benutzte Imperative für die 3. Person Singular und Plural und die 1. Person Plural.
puhu! („sprich!“),puhukoon! („er spreche!“),puhukaamme! („lasst uns sprechen!“),puhukaa! („sprecht!“),puhukoot! („sollen sie sprechen!“)
DerPotential bezeichnet eine wahrscheinliche, aber nicht sichere Handlung. In der heutigen gesprochenen Sprache ist er recht selten. Er wird mit dem Moduszeichen-ne- gebildet.
Anders als im Deutschen und den meisten anderenindogermanischen Sprachen ist das finnischePassiv keine Umkehrung desAktivs, sondern eigentlich ein Impersonal, das am ehesten deutschen Formulierungen mitman entspricht. Es bezeichnet Handlungen, bei denen die ausführende Person ungenannt bleibt. Das Passiv könnte als eine Art „4. Person“ aufgefasst werden.
Das Kennzeichen des Passivs ist-(t)ta-/-(t)tä-. Es kommt in allen Tempora und Modi vor.
Präsens:puhutaan („es wird gesprochen / man spricht“)
Imperfekt:puhuttiin („es wurde gesprochen / man sprach“)
Perfekt:on puhuttu („es ist gesprochen worden / man hat gesprochen“)
Plusquamperfekt:oli puhuttu („es war gesprochen worden / man hatte gesprochen“)
Konditional:puhuttaisiin („es würde gesprochen (werden) / man spräche“)
Imperativ:puhuttakoon! („es werde gesprochen! / man spreche!“)
Potential:puhuttaneen („es wird wohl gesprochen / man spricht wohl“)
Das gedachte Subjekt eines Passivsatzes muss stets ein Mensch sein. Ein deutscher Satz wie „Bei dem Unfall wurde ein Mann getötet“ könnte im Finnischen nicht mit einem Passivsatz übersetzt werden, da dieser implizieren würde, eine nicht genannte Person hätte den Mann während des Unfalles umgebracht.
Finnische Verben haben je nach Auffassung drei, vier oder fünfInfinitive und einVerbalsubstantiv (die Anzahl der Infinitive variiert in unterschiedlichen Grammatiken). Der 1. Infinitiv (puhua „sprechen“) entspricht dem deutschen Infinitiv und ist die Grundform des Verbs. Die übrigen Infinitive werden dekliniert und dienen zur Bildung zahlreicher temporaler, modaler, finaler Satzkonstruktionen (z. B.puhuessani „während ich spreche“,puhumatta „ohne zu sprechen“,olen puhumaisillani „ich bin nah dabei, zu sprechen“).
DasVerbalsubstantiv wird mit dem Suffix-minen gebildet und kann in allen Kasus dekliniert werden. Es entspricht dem substantivierten Infinitiv des Deutschen (puhuminen „das Sprechen“,puhumisen „des Sprechens“).
Im Finnischen gibt es vierPartizipien. Es gibt sie in zwei Zeitebenen (Präsens bzw. gleichzeitig und Perfekt bzw. vorzeitig) jeweils als aktive und passive Form. Daneben existiert ein Agenspartizip, das das Partizip Perfekt Passiv ersetzt, wenn dasAgens (die handelnde Person) genannt wird.
DieVerneinung wird mit dem speziellen Verneinungsverbei und dem nicht konjugierten Verbstamm gebildet.
(minä) en puhu („ich spreche nicht“)
(sinä) et puhu („du sprichst nicht“)
hän ei puhu („er spricht nicht“)
(me) emme puhu („wir sprechen nicht“)
(te) ette puhu („ihr sprecht nicht“)
he eivät puhu („sie sprechen nicht“)
Das verneinteImperfekt wird anders gebildet als das bejahte, nämlich mitei und dem Partizip Perfekt Aktiv des Verbs. Das verneinte Perfekt undPlusquamperfekt werden durch Verneinung desHilfsverbsolla gebildet.
olen puhunut („ich habe gesprochen“),olemme puhuneet („wir haben gesprochen“) –en ole puhunut („ich habe nicht gesprochen“),emme ole puhuneet („wir haben nicht gesprochen“).
olin puhunut („ich hatte gesprochen“),olimme puhuneet („wir hatten gesprochen“) –en ollut puhunut („ich hatte nicht gesprochen“),emme olleet puhuneet („wir hatten nicht gesprochen“)
Beim verneintenImperativ steht das Verneinungsverb in einer speziellen Imperativformälä.
Die übliche Wortfolge eines finnischen Satzes istSubjekt-Prädikat-Objekt, damit ist das Finnische eineSVO-Sprache. Die Wortstellung ist aber prinzipiell frei, wenn auch nicht beliebig, da sie Bedeutungsnuancen ausdrückt. Neue Informationen treten meist ans Satzende.
Vergleiche:
Koira puri miestä. – „Der Hund biss den Mann“.
Miestä puri koira. – „Den Mann biss ein Hund“.
Miestä koira puri. – „Es war der Mann, den der Hund biss“. (und nicht etwa jemand anders)
Koira miestä puri. – „Es war ein Hund, der den Mann biss“. (und kein anderes Tier)
Puri koira miestä. – „Doch, der Hundbiss den Mann“. (als Erwiderung eines Zweifels, ob der Hund den Mann biss)
Puri miestä koira – „Doch,ein Hund biss den Mann“. (als Erwiderung eines Zweifels, ob der Mann von einem Hund gebissen wurde)
In Entscheidungsfragen steht das Verb am Satzanfang und wird mit der Fragepartikel-ko/-kö versehen. Wenn die Frage ein anderes Wort fokussiert, steht dieses mit derFragepartikel am Satzanfang. Fragewörter hingegen werden in der Standardsprache nie mit der Fragepartikel versehen.
Die Kategorien vonSubjekt undObjekt sind im Finnischen weniger deutlich ausgeprägt als im Deutschen. Das Subjekt kann imNominativ oderPartitiv stehen oder auch völlig fehlen. Der Normalfall als Subjektskasus ist der Nominativ.
Tyttö näki linnun. – „Das Mädchen sah einen Vogel“.
Ein Partitivsubjekt kommt in den sogenannten Existentialsätzen („es-gibt“-Sätzen) vor, wenn eine unbestimmte Menge bezeichnet wird.
Lasissa on maitoa. – „Im Glas ist Milch“.
Pihalla juoksee poikia. – „Auf dem Hof laufen Jungen“.
Bei Sätzen, die eine Notwendigkeit ausdrücken, steht die finnische Entsprechung des deutschen Subjekts im Genitiv und wird einDativadverbial genannt, weil es sich semantisch um einenDativ handelt. Das grammatikalische Subjekt ist der Infinitiv.
Sinun täytyy tehdä se. – „Du musst das machen“. (wortwörtlich: „Dir ist obligatorisch, das zu machen.“)
Sätze, die im Deutschen ein unpersönliches „man“ oder dasexpletive „es“ als Subjekt haben, stehen im Finnischen ohne Subjekt.
Das Objekt kann im Akkusativ oder Partitiv stehen. Das Objekt steht stets im Partitiv, wenn der Satz verneint ist.
Ostin kirjan. (Akkusativ) – „Ich kaufte das Buch“.
En ostanut kirjaa. (Partitiv) – „Ich kaufte das Buch nicht“.
In bejahenden Sätzen hat die Kasuswahl zwei Aufgaben. Der Akkusativ drückt eine quantitative Bestimmtheit aus, während der Partitiv benutzt wird, wenn eine unbestimmte oder unzählbare Menge gemeint ist.
Juon kahvin. (Akkusativ) – „Ich trinke den Kaffee“. (= „Ich trinke diese Tasse Kaffee aus“.)
Außerdem kann einAspektunterschied ausgedrückt werden. Dabei drückt der Akkusativ eine perfektive oder resultative (abgeschlossene) und der Partitiv eine imperfektive oder irresultative (nicht abgeschlossene) Handlung aus.
Mies ampui hirveä. (Partitiv) – „Der Mann schoss auf den Elch“.
Mies ampui hirven. (Akkusativ) – „Der Mann erschoss den Elch“.
Bei den Satzentsprechungen handelt es sich um kompakte Infinitiv- oder Partizipialkonstruktionen, die einenNebensatz ersetzen. Die Infinitivformen werden dabei dekliniert und drücken eine zeitliche, modale oder finale Bedeutung aus. Das Subjekt des Nebensatzes tritt in den Genitiv oder kann als Possessivsuffix angehängt werden.
Hän sanoo, että Pekka on sairas. =Hän sanoo Pekan olevan sairas. – „Er sagt, dass Pekka krank ist. / Er sagt, Pekka sei krank“.
Syömme, kun olemme tulleet kotiin. =Syömme tultuamme kotiin. – „Wir essen, wenn wir nach Hause gekommen sind“.
Menin kauppaan, jotta saisin tuoretta maitoa. =Menin kauppaan saadakseni tuoretta maitoa. – „Ich ging in den Laden, um frische Milch zu bekommen“.
Hän lähti ilman että huomasin. =Hän lähti minun huomaamattani. – „Er ging, ohne dass ich es bemerkte“.
Die finnische Sprache hat ein komplexesWortbildungssystem, durch das von einem einzelnenWortstamm zahlreiche unterschiedliche Begriffe abgeleitet werden können.
Beispielsweise stammen die folgenden Wörter alle vom selben Wortstamm ab:
Zur Wortbildung tragen vieleEndsilben bei, die den Wortstamm in einen bestimmten Zusammenhang bringen. Im obigen Beispiel bedeuten beispielsweise-in ein Werkzeug,-sto eine Ansammlung,-uri einen Gegenstand bzw. einen Menschen, der eine (im Wortstamm steckende) Tätigkeit ausübt und-mo einen Ort, an dem eine (im Wortstamm steckende) Tätigkeit ausgeübt wird. Eine weitere häufig verwendete Silbe zur Ortsbezeichnung ist-la.
DurchVerbsuffixe können zahlreiche Bedeutungsnuancen ausgedrückt werden, z. B.nauraa („lachen“),naurahtaa („auflachen“),naureskella („vor sich hin lachen“),naurattaa („zum Lachen bringen“,Kausativ).
BeiNeologismen werden im Finnischen generell eigenständige Wörter Fremdwörtern vorgezogen. Neue Begriffe werden oft auf Grundlage des vorhandenen Wortschatzes geschaffen (z. B.tietokone, wörtlich „Wissensmaschine“ = „Computer“,puhelin vonpuhua (sprechen) = „Telefon“). Für heute neu in die finnische Sprache zu übertragende Fremdwörter gibt eine staatliche Kommission(Kielitoimisto) regelmäßig Empfehlungen ab, die aber nicht bindender Natur sind. In neuerer Zeit bürgern sich anstelle der eigenständigen finnischen Wortschöpfungen verstärkt auch direkte phonetische Übernahmen aus der jeweiligen Fremdsprache ein (z. B. für Scanner das üblicheskanneri anstelle des empfohlenenkuvanlukija, wörtlich „Bildleser“).
Im finnischenWortschatz existierenEntlehnungen aus sehr unterschiedlichen Zeitschichten. Diehistorische Linguistik kann uralte Lehnwörter nachweisen. So stammt das finnische Zahlwort für „100“,sata, wahrscheinlich aus einer Urform desIndoiranischen[9] und ist mit demSanskrit-Wortśatam verwandt. Ebenfalls in prähistorischer Zeit, seit dem 1. Jahrtausend v. Chr., hatten die Vorfahren der Finnen Kontakte zu denBalten,Germanen undSlawen, aus deren Sprachen sie zahlreiche Wörter übernahmen. Die Lautgestalt dieser alten Lehnwörter hat sich im Finnischen oft besser erhalten als in den Ursprungssprachen. So ist das finnischekuningas noch praktisch identisch mit dergermanischenUrform *kuningaz, während sich das Wort in den heutigengermanischen Sprachen weiterentwickelt hat (dt.König,engl.king,schwed.konung oderkung).
Der größte Teil der Lehnwörter im Finnischen stammt aber aus derschwedischen Sprache. Das heutige Finnland gehörte ab dem 12. Jahrhundert bis ins Jahr 1809 zum KönigreichSchweden. Während dieser Zeit und noch bis ins 20. Jahrhundert hinein war die Oberschicht schwedischsprachig. In die finnische Sprache wurden sehr viele Lehnwörter aus dem Schwedischen übernommen, z. B.kuppi (schwed.kopp „Tasse“) oder die Wochentagemaanantai,tiistai (schwedischmåndag,tisdag) usw. AuchLehnübersetzungen wie die Phraseole hyvä (wie schwedischvar så god, wörtl. „sei so gut“) für „bitte“ sind häufig. Die kurze Zugehörigkeit Finnlands zuRussland hat in der Sprache weit weniger Spuren hinterlassen, zumalRussisch nie Amtssprache war. In neuerer Zeit sind Lehnwörter aus demEnglischen dazugekommen, wenn auch in geringerem Umfang als zum Beispiel in der deutschen Sprache.
Im Finnischen unterscheiden sich die geschriebene und gesprochene Sprache deutlicher voneinander als in den meisten andereneuropäischen Sprachen. Die Unterschiede sind sowohl lautlicher als auchgrammatikalischer Natur. Die Schriftsprache wird für fast alle geschriebenen Texte verwendet; eine Ausnahme bilden informelle Nachrichten (E-Mails, SMS-Mitteilungen). In Gesprächssituationen wird dagegen fast ausschließlich die Umgangssprache gesprochen, außer bei besonders formellen Anlässen. Die Umgangssprache variiert je nach dialektalem Hintergrund, Alter und sozialer Stellung des Sprechers, aber auch bei ein und derselben Person je nach Situation.
Die finnische Umgangssprache basiert im Wesentlichen auf dem Dialekt vonHelsinki.
Die wichtigsten Merkmale der Umgangssprache sind:
Lautliche Verschleifung:mä oon stattminä olen („ich bin“),lukee stattlukea („lesen“)
Gebrauch der sächlichen Pronomina der 3. Person (Singularse, Pluralne) auch für Personen (statthän,he)
In der 1. und 2. Person werden die Personalpronomina meist genannt:mä kuulen stattkuulen („ich höre“)
Verlust der Possessivsuffixe zugunsten des Genitivs der Personalpronomina:mun auto stattautoni („mein Auto“)
Unterschiede in derKonjugation: Ersetzung der 1. Person Plural durch die Passivkonstruktion:me mennään stattme menemme („wir gehen“); Anstelle der 3. Person Plural steht die Form der 3. Person Singular:autot ajaa stattautot ajavat („die Autos fahren“)
Bevorzugunganalytischer Konstruktionen: Satzentsprechungen werden durch Nebensätze ersetzt:kun mä olin tullut statttultuani („als ich gekommen war“); die seltenerenKasus wie derAbessiv werden durchPräpositionen ersetzt:ilman rahaa stattrahatta („ohne Geld“)
Vor allem im informellen Bereich Abkürzung von Wörtern:telkkari statttelevisio („Fernseher“)
Die Unterschiede zwischen den finnischenDialekten sind recht gering, sie unterscheiden sich fast ausschließlich in der Aussprache. Die finnischen Dialekte teilen sich in eine westliche und eine östliche Hauptgruppe. Die Einordnung der imnordschwedischenTorne-Tal gesprochenenMeänkieli ist umstritten. In Finnland wird es meist als Peräpohjola-Dialekt angesehen, während es in Schweden als eigenständige Sprache klassifiziert und auch an Schulen alsSchriftsprache gelehrt wird. Gleiches gilt für das in Nordnorwegen gesprocheneKvenisch.
Westfinnische Dialekte (die Ziffern beziehen sich auf die nebenstehende Karte):
Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen westlichen und östlichen Dialekten ist die Entsprechung des schriftsprachlichend. In den westfinnischen Dialekten ist der Laut meist durchr oderl ersetzt (tehrä statttehdä), in den ostfinnischen ist er ausgefallen (tehä). In den Südwestdialekten fallen Vokale oft aus, vor allem am Wortende (z. B.snuuks stattsinuksi), während in den östlichen Dialekten Vokale eingefügt werden (z. B.kolome stattkolme). Die östlichen Dialekte verfügen überpalatalisierte Konsonanten (z. B.vesj stattvesi).
Angegeben ist als Textprobe eine Nachrichtenmeldung aus der inOulu erscheinenden TageszeitungKaleva vom 10. April 2008[10] mit Originaltext,IPA-Lautschrift,Interlinearübersetzung und deutscher Übersetzung:
Fred Karlsson:Finnische Grammatik. Autorisierte Übersetzung aus dem Finnischen von Karl-Heinz Rabe, bearbeitet vonCornelius Hasselblatt und Paula Jääsalmi-Krüger, 4. Auflage. Buske, Hamburg 2004,ISBN 3-87548-203-4.
Eva Buchholz:Grammatik der finnischen Sprache. 4., korrigierte Auflage. Hempen, Bremen 2012,ISBN 3-934106-40-4.
Martin Putz:Finnische Grammatik. Praesens, Wien 2002,ISBN 3-7069-0128-5. Durchgesehene Auflage 2008 neu erschienen bei: www.lulu.com,ISBN 978-1-4092-0343-8 (mit zahlreichen diachronen Erklärungen).