Die FIM-92 Stinger wurde als Nachfolger der MANPADSFIM-43 Redeye entwickelt. Aufgrund der unbefriedigenden Leistungen der Redeye entstand noch zum Zeitpunkt ihrer Einführung eine Studie zur Weiterentwicklung dieses Lenkflugkörpers. Die Studie derUnited States Army und vonGeneral Dynamics startete im Jahr 1967 und mündete in dasAdvanced Seeker Development Programme (ASDP) welches später inRedeye 2 umbenannt wurde. Im März 1972 wurde mit der eigentlichen Entwicklung derXFIM-92 Stinger bei General Dynamics begonnen. Der erste Teststart eines jetzt FIM-92A bezeichneten Lenkflugkörpers erfolgte im November 1973. Bei den weiteren Tests wurden Mängel und Probleme an der Stinger festgestellt. Insbesondere konnte der Zielsuchkopf keine frontal anfliegenden Ziele erfassen. Überhaupt zeigte der Zielsuchkopf nur geringfügig bessere Leistungen als der vom Vorgängermodell. Daher musste die Stinger mehrfach nachgebessert werden. Nachdem sich keine Lösung mit dem problembehafteten Zielsuchkopf abzeichnete, erteilte 1974 dasUS Army Missile Command (MICOM) derFord Aerospace den Auftrag zur Entwicklung einer MANPADS mit Laserlenkung. Dieser Lenkflugkörper sollte mit geringem Entwicklungsrisiko als Alternative zur Stinger entwickelt werden. Der erste Teststart diesesSaber bezeichneten Lenkflugkörpers erfolgte im November 1975. Zwischen 1975 und 1976 konnten die Probleme mit der Stinger behoben werden. Weiter wurde die Anzahl der elektronischen Bauteile um 15 % verringert, was die Kosten der Stinger deutlich reduzierte. Daraufhin wurde der Entwurf vomVerteidigungsministerium der Vereinigten Staaten akzeptiert. Nach einer weiteren Testkampagne, bei der 130 Stinger gestartet wurden, bekam General Dynamics im April 1978 den Auftrag zurSerienfertigung der FIM-92A Stinger. Im Jahr 1981 wurde dieoperationelle Reife der FIM-92A Stinger erreicht. Nach der Einführung bei denStreitkräften der Vereinigten Staaten wurde die Stinger in mehrerenBaulosen weiterentwickelt und modernisiert. Im Jahr 1992 wurde die Lenkwaffensparte von General Dynamics anHughes Electronics veräußert, welche mitRaytheon fusionierte. Seit 1997 erfolgt die Produktion und Weiterentwicklung der Stinger dort. Bis 2022 wurden rund 70.000 FIM-92 Stinger in den USA sowie unter Lizenz in anderen Ländern gefertigt.[1][2][3][4][5]
DieSowjetunion gelangte Anfang der 1980er-Jahre durch einen Mitarbeiter vonITT Inc. inGriechenland an sensible technische Daten der Stinger. Weiter wurden imKrieg in Afghanistan (1979–1989) von sowjetischen Truppen Stinger erbeutet und später in der Sowjetunion analysiert. Dabei wurde der Zielsuchkopf und die Elektronik mittelsReverse Engineering nachgebaut, was in die Entwicklung der9K38 Igla-N mündete. Daneben gelangten auch technische Daten der Stinger in dieVolksrepublik China undNordkorea wo entsprechende Nachbauten entstanden.[1][6][7]
Die älteren Stinger-Modelle, insbesondere die weit verbreitetenFIM-92E Stinger-RMP Block I haben 2023 das Ende ihrerNutzungsdauer erreicht. Mit dem Nachrüsten dieser Modelle kann die Nutzungsdauer um 10 Jahre verlängert werden. Im Jahr 2020 wurde Raytheon undLockheed Martin beauftragt ein Stinger-Nachfolgemodell zu entwickeln. Dieses soll über mindestens dieselbe Einsatzleistung sowieFlugenveloppe wie dieFIM-92J Stinger PROX verfügen. Hinzu soll das Nachfolgemodell in einer sekundären Rolle auch gegen Bodenziele eingesetzt werden können. Zwischen 2026 und 2030 sollen 8.000 neue Lenkflugkörper an die Streitkräfte der Vereinigten Staaten ausgeliefert werden.[8][9][10]
Das Stinger-System besteht aus einem Transport- und Startrohr (Abschussrohr) ausGFK mit dem Lenkflugkörper sowie dem Start- und Visiergerät (Griffstück). Das gesamte System wiegt schussbereit 15,8 kg.
An das Startrohr wird das Start- und Visiergerät (Griffstück) montiert. Dieses enthält unter anderem einemonokulare Tageslicht-Zieloptik mitStrichplatte, eineSteuerungskarte sowie weitere Bedienelemente und denAbzug. Das Start- und Visiergerät hat ein Gewicht von 2,1 kg. Unten in das Start- und Visiergerät wird derBCU-Behälter (Battery Coolant Unit) eingesetzt. Diese Einwegkartusche enthält eineThermalbatterie, die das Stinger-System vor dem Lenkflugkörperstart während rund 45 Sekunden mit 20 Volt elektrischer Spannung versorgt und eineGasflasche. Sie enthältArgon unter einemNenndruck von knapp 414 bar. Das Gas wird verwendet, um durch denJoule-Thomson-Effekt dieInfrarotdetektoren des Zielsuchkopfes zu kühlen. Die BCU wiegt 0,4 kg. Optional kann mit dem Stinger-System ein Gerät zurFreund-Feind-Erkennung (IFF) vom TypAN/PPX-3 verwendet werden. Dafür wird auf das Start- und Visiergerät eine faltbareAntenne mit einem Gewicht von rund 2 kg aufgesetzt. Das zugehörige IFF-Antwortgerät wiegt rund 2,6 kg und wird imBandelier des Schützen untergebracht. Antenne und Antwortgerät sind mit einemDatenkabel verbunden. Als weitere Option stehen für das Stinger-System dieNachtsichtgeräteF4960 oderAN/PAS-18 WASP (Wide Angle Stinger Pointer) mit einemSichtfeld von 12×20° zur Verfügung.[1][11][12]
Ein vonRoketsan unter Lizenz produzierter Stinger-Lenkflugkörper; zwei vordere Flügel sind schwenkbareSteuerflächen
Der Lenkflugkörper ist in einem Transport- und Startrohr (Abschussrohr) untergebracht. Dieser Behälter wiegt beladen 13,3 kg. Der Lenkflugkörper wiegt 10,1 kg und hat einen schlanken, zylinderförmigen Rumpf. Dieser ist inklusive der Ausstoßladung amHeck 1,52 m lang. Im Flug hat der Lenkflugkörper eine Länge von 1,37 m. Der Lenkflugkörper ist in sechs Sektionen aufgeteilt: Hinter dertransparenten Lenkflugkörperspitze befindet sich der bewegliche Zielsuchkopf. Dieser ist ein passiverInfrarot-Zielsuchkopf und sendet keineelektromagnetischen Wellen aus. Da der Lenkflugkörper während des Fluges um die Längsachserollt, ist der Zielsuchkopf mit einerkardanischen Aufhängung im Rumpf verbaut. Bei der ersten Ausführung FIM-92A werden im Zielsuchkopf Detektoren mitIndiumantimonid fürMittleres Infrarot verwendet. Dieser Zielsuchkopf arbeitet auf einerWellenlänge von 3,5–5,0 µm. Vor dem Start werden die Detektoren durch Argon aus dem BCU-Behälter gekühlt. Ab der Ausführung FIM-92B wird als Zielsuchkopf dasDual Detector Assembly (DDA) verwendet. Bei diesem sind neben den Indiumantimonid-Detektoren zusätzlichCadmiumsulfid-Halbleiter für denUV-Bereich verbaut. Diese arbeiten auf einer Wellenlänge von 0,3–0,4 µm. Dieser Zielsuchkopf verwendet eineRosettenabtastung und arbeitet nach dem Prinzip der digitalen Signalverarbeitung mitFrequenzmodulation. Hinter dem Zielsuchkopf ist die Lenkeinheit untergebracht. Diese besteht aus derElektronik sowie demTrägheitsnavigationssystem. Weiter sind hier einGasgenerator undNickel-Cadmium-Akkumulatoren für dieEnergieversorgung verbaut. Ebenso sind hier dieAktoren sowie vier ausklappbarenFlügel untergebracht. Davon sind zwei starre Stabilisierungsflächen und zwei sind bewegliche Steuerflächen. Dahinter folgt der 1,02 kg wiegendeGefechtskopf. Dieser besteht aus einemHohlzylinder aus einerpyrophorenTitanlegierung, der mit 320 gHTA-Sprengstoff befüllt ist. Hinten auf dem Hohlzylinder ist derM934E6-Aufschlagzünder mit demHard Target Sensor (HTS) montiert. Dahinter ist dasMk 12-Feststoffraketentriebwerk von Atlantic Research Corporation (heuteAerojet) verbaut. Dieses verwendet als RaketentreibstoffAmmoniumperchlorat-Verbundtreibstoff mitHydroxyl-terminiertem Polybutadien als Träger. Das Raketentriebwerk arbeitet mit zwei Schubstufen. Die erste Schubstufe verwendet einen schnellabbrennenden Treibsatz, der den Lenkflugkörper nach dem Start innerhalb kurzer Zeit auf die Maximalgeschwindigkeit beschleunigt. Nach dem Ausbrennen der ersten Stufe brennt verzugslos die zweite Schubstufe ab, die für das Aufrechterhalten der Geschwindigkeit sorgt. Zuhinterst im Heck befindet sich dieDüse. Weiter sind dort vierFaltleitwerke angebracht. Am Lenkflugkörperheck ist die Ausstoßladung angebracht. Diese stößt den Lenkflugkörper aus dem Transport- und Startrohr und fällt danach zu Boden. Verwendet wird ein schnellabrennendes Feststoffraketentriebwerk mit demselben Raketentreibstoff wie der des Lenkflugkörpers.[1][3][13][14][15][16][17][18]
Die FIM-92 Stinger wurde zur Verwendung als schultergestützte Flugabwehrrakete (MANPADS) entwickelt. Daneben kann sie ab verschiedenen weiteren Startplattformen gestartet werden. So existieren verschiedene Startanlagen, bestehend aus einemDreibein mit Sitzfläche und optionalem Wetterschutzdach für denSchützen. Auf beiden Seiten des Schützen können zwei bis vier Stinger-Abschussrohre montiert werden. Dem Schützen steht eineVisiereinrichtung mit optionalem Nachtsichtgerät zur Verfügung. Solche Startanlagen werden in den USA,Deutschland, derTürkei, inDänemark und anderen Staaten produziert. An diese Startanlagen kann das C2-SystemStinger Alerting and Cueing System (MACS) montiert werden. Dieses empfängt über einFunkgerät Daten von derLuftraumüberwachung. Dem Schützen werden dabei auf einem Anzeigetablett die Flugrouten (Azimut undElevation) von Luftzielen dargestellt. Damit wird eine Frühwarnung für den Schützen sichergestellt.[1]
Weiter kann die FIM-92 Stinger von Fahrzeugen gestartet werden. Dabei werden die Stinger-Abschussrohre an den drehbaren Waffenturm des Fahrzeuges montiert. Im Waffenturm ist für den Schützen die Visiereinrichtung mit optionalem Nachtsichtgerät undLaser-Entfernungsmesser verbaut. Bei derUS Army wird die Stinger auf den FahrzeugenAN/TWQ-1 Avenger sowie den FlugabwehrpanzernM6 Linebacker undSgt Stout (M-SHORAD) verwendet. DasUnited States Marine Corps verwendete die Stinger auf demLAV-AD. Daneben existieren auch einfache, drehbare Startvorrichtungen, die auf den Pritschen von leichten Fahrzeugen undLastkraftwagen verbaut werden können.[1][3][19][20]
Die FIM-92 Stinger kann auch aufKriegsschiffen installiert werden. Diese Ausführung wirdNaval Stinger bezeichnet. Dafür existieren manuelle, von einem Schützen bediente Startanlagen mit zwei bis vier Stinger-Startrohren. Weiter bieten die USA und Dänemark auch fernbedienbare Startanlagen mit vier bis acht Stinger-Startrohren an.[21]
Die Lenkflugkörper der Hauptserien sindfett dargestellt.
FIM-92A,Stinger Basic: Das Basismodell, welches von 1977 bis 1987 produziert wurde. Die FIM-92A verwendet einenIR-Zielsuchkopf für mittleres Infrarot (3,5–5,0 µm) mit einemAnalog-Digital-Steuersystem. Insgesamt wurden 15.669 produziert. Die maximale Reichweite beträgt über 4 km bei einer Dienstgipfelhöhe von 3.500 m.[4][3]
FIM-92B,Stinger POST (Passive Optical Seeker Technique): Diese Version verwendet den Zielsuchkopf mit demDual Detector Assembly vonHughes Electronics mit digitaler Signalverarbeitung. Der Zielsuchkopf arbeitet auf zwei unterschiedlichenWellenlängen zwischen 3,5 und 5,0 µm (IR) und 0,3–0,4 µm (UV) mitRosettenabtastung. Hierdurch wird eine deutlich höhere Resistenz gegenüber Gegenmaßnahmen (Flares) und natürlichen Störungen erreicht. Die Produktion lief von 1983 bis 1987, wobei insgesamt 600 Lenkwaffen produziert wurden. Die maximale Reichweite beträgt über 4,8 km bei einer Dienstgipfelhöhe von 3.800 m.[4][3]
FIM-92C,Stinger RMP (Reprogammable Micro Processor): Diese Ausführung wurde zwischen 1984 und 1988 entwickelt und verwendet denselben Zielsuchkopf wie das Vorgängermodell. Das Start- und Visiergerät (Griffstück) wurde mit einer neuenSteuerungskarte mit einem zusätzlichenSpeichermodul ausgerüstet. Über eine Kabelschnittstelle kann damit eine neueFirmware in dieMikroprozessoren der Lenkflugkörper-Elektronik geladen werden. Damit lässt sich das Stinger-System in kurzer Zeit neu konfiguriert, um auf neue Arten von Gegenmaßnahmen reagieren zu können. Weiter wurden durch den Austausch von Elektronikkomponenten im Zielsuchkopf die Störresistenz nochmals gesteigert. Ebenso konnte die Treffererwartung gegenüber langsamen und sehr tiefliegenden Zielen wie Hubschrauber verbessert werden. Von 1988 bis 1991 wurden für dieStreitkräfte der Vereinigten Staaten 20.0550 Exemplare gebaut. Mehr als 14.500 FIM-92C wurden imLizenzbau in verschiedenen Staaten produziert.[1][23]
FIM-92D: Bei dieser Version wurde die Elektronik angepasst sowie zusätzlicheFilter im Zielsuchkopf integriert, um die Störresistenz weiter zu steigern. Insgesamt wurden 5.000 ältere Stinger zur FIM-92D umgebaut.[5][14]
FIM-92E,Stinger-RMP Block I: Diese Ausführung entstand Anfang der 1990er-Jahre. Bei der FIM-92E wurde eine neueTrägheitsnavigationsplattform mitLaserkreisel verbaut. Weiter wurden dieNickel-Cadmium-Akkumulatoren im Lenkflugkörper durchLithium-Ionen-Akkumulatoren ersetzt. Durch einen neu hinzugefügtenRollsensor und eine überarbeitete Steuerungssoftware konnte das Flugverhalten maßgeblich verbessert werden. Zudem wurde die Leistung gegenüber kleinen Zielen wieDrohnen und leichten Aufklärungshubschraubern verbessert. Die FIM-92E existiert entweder als Nachrüstprogramm oder als Neuproduktion. Ab 1995 wurden über 44.000 FIM-92E produziert bzw. nachgerüstet. Bei den Streitkräften der Vereinigten Staaten wurde nahezu der gesamte Bestand an Stinger-Lenkwaffen durch diese Variante ersetzt.[1][2][14]
FIM-92F: Diese Ausführung entstand Anfang der 2000er-Jahre. Sie erhielt einSoftware-Upgrade, das die Fähigkeit verbessert, Ziele von Gegenmaßnahmen zu unterscheiden. Weiter sollen kleine Ziele besser bekämpft werden können.[5][14]
FIM-92G: Diese Ausführung ist eine nicht näher beschriebene Aufwertung der FIM-92D.[5]
FIM-92H: Bei dieser Ausführung handelt es sich FIM-92D-Lenkflugkörper die auf den Stand der FIM-92E nachgerüstet wurden.[24]
FIM-92I,Stinger-RMP Block II: Diese Variante sollte auf Basis der FIM-92E entwickelt werden. Kernstück war ein abbildender Infrarotzielsuchkopf mit Focal Plane Array (FPA), der auch bei derAIM-9X zum Einsatz kommt. Durch diese Modifikation hätte die Erfassungsreichweite als auch die Resistenz gegenüber Störmaßnahmen stark gesteigert werden können. Veränderungen an der Zelle hätten darüber hinaus eine signifikante Reichweitensteigerung ermöglicht. Der Lenkflugkörper erreichte zwar die Erprobungsphase, das Programm wurde 2002 aus Budgetgründen gestrichen.
FIM-92J:,Stinger PROX (Stinger Proximity Fuze): Diese Ausführung entstand aufgrund einesUrgent Operational Requirement (UOR) der Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Die FIM-92J ist eine modernisierte Ausführung der FIM-92E aus dem Jahr 2018. Dabei wurde der Raketenmotor sowie die älteren elektronischen Bauteile durch modernere ersetzt. Weiter ist die FIM-92J mit einem neuen Gefechtskopf sowie einem Radar-Annäherungszünder vom TypM934E7 ausgerüstet. Damit sollen auch kleine Drohnen sowieMarschflugkörper bekämpft werden können. Die FIM-92J existiert entweder als Neuproduktion oder als Nachrüstprogramm. Mit dem Nachrüsten älterer Stinger auf diesen Stand kann dieNutzungsdauer um 10 Jahre verlängert werden. Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten haben in einem Sofortprogramm 4.010 ältere Stinger auf den Stand FIM-92J nachgerüstet. Die maximale Reichweite der FIM-92J beträgt über 5 km bei einer Dienstgipfelhöhe von rund 4.000 m.[25][26][27][28][29]
FIM-92K: Dies ist eine Ausführung der FIM-92J mit zusätzlichemDatenlink für den Einsatz ab Kampfhubschraubern und demAN/TWQ-1 Avenger.[28]
FIM-92L: Diese Ausführung wurde erstmals im Jahr 2023, ohne nähere Beschreibung erwähnt. Vermutlich handelt es sich um ältere Stinger-Ausführungen, welche auf den Stand der FIM-92J/K nachgerüstet wurden.[30]
ATAS,Air-to-Air Stinger: ATAS steht für verschiedene Stinger-Varianten für den Einsatz ab Hubschraubern und Drohnen. Die Air-to-Air Stinger wurde zwischen 1984 und 1988 alsLuft-Luft-Lenkflugkörper für den Selbstschutz von Hubschraubern entwickelt. Analog den bodengebundenen Stinger-Ausführungen, wurde auch ATAS in verschiedenen Ausbaustufen an die aktuelle Bedrohungslage angepasst und modernisiert. Mit der inoffiziellAIM-92 Stinger bezeichneten Variante können Flugzeuge und Hubschrauber auf Distanzen von rund 5 km bekämpft werden.
ADSM,Air Defence Suppression Missile: Dies war das Projekt einer Stinger-Ausführung alsLuft-Boden-Lenkflugkörper zur Bekämpfung vonRadaranlagen. Der Lenkflugkörper war anstelle des IR-Zielsuchkopfes mit einem passiven Radarsucher ausgestattet. Das Projekt startete 1983 und wurde 1986 abgebrochen.
Start eines Stinger-Lenkflugkörpers (hinter dem Lenkflugkörper ist die gesonderte Ausstoßladung zu sehen)
Die FIM-92 Stinger funktioniert nach demFire-and-Forget-Prinzip, d. h. nach dem Abfeuern verfolgt der Lenkflugkörper sein Ziel selbstständig. Mit der Stinger könnenFlugzeuge,Hubschrauber undunbemannte Luftfahrzeuge bekämpft werden. Der horizontale Einsatzbereich des Lenkflugkörpers liegt bei 0,2 bis über 5 km, bei einem vertikalen Kampfbereich von faktisch Bodenhöhe bis rund 4.000 m. Die maximale Schussdistanz wird mit rund 8 km angegeben. Dabei können Flugziele frontal, im Vorbeiflug oder wegfliegend bekämpft werden. Gemäß Hersteller soll mit der FIM-92 Stinger eine Trefferwahrscheinlichkeit von 80–90 % erreicht werden.[16][31][24][32]
Das Stinger-System ist innerhalb von wenigen Sekunden feuerbereit. Zuerst muss der Schütze die IFF-Antenne entfalten und das Stinger-System an das zugehörige IFF-Antwortgerät anschließen. Nachdem der Schütze die Waffe geschultert hat, wird die BCU-Kartusche in das Start- und Visiergerät eingesetzt sowie die Frontabdeckung des Abschussrohrs entfernt, um den Zielsuchkopf freizulegen. Nachdem der Schütze ein Ziel anvisiert hat, betätigt er dieTaste für die IFF-Abfrage. Innerhalb von 0,7 Sekunden erhält der Schütze einakustisches Signal, ob das Ziel Freund oder Feind ist. Jetzt aktiviert der Schütze mit einemSchalter das Stinger-System und verfolgt das Ziel weiter. Der Zielsuchkopf wird nun aktiviert und wird innerhalb von 3–5 Sekunden durch das Argon aus der BCU-Kartusche auf unter −100 °C gekühlt. Weiter wird dasGyroskop der Trägheitsnavigationsplattform sowie die Elektronik hochgefahren. Sind die Infrarotemissionen stark genug und dieWinkelgeschwindigkeit im zulässigen Bereich, wird dies durch einVibrationsalarm imSchaft sowie einem akustischen Signal gemeldet. Mit einer Verzögerung von rund 1,7 Sekunden wird derAbzug freigegeben und der Lenkflugkörper kann gestartet werden. Die Gesamtzeit für die Zielverfolgung und Aktivierung des Stinger-Lenkflugkörpers beträgt unter optimalen Bedingungen etwa 6–8 Sekunden. Eine gescheiterte Aufschaltung wird durch einen anderen Ton angegeben, wonach der Schütze erneut zielen kann. Der Start des Lenkflugkörpers erfolgt nach demKaltstart-Prinzip. Die schnellabrennende Ausstoßladung stößt den Lenkflugkörper mit rund 38 m/s aus dem Transport- und Startrohr. Dabei entsteht einRückstoß von rund 3,6 N sowie ein Abschussknall von rund 168 dB. Beim Lenkflugkörper-Start soll der Schütze für 3–5 Sekunden denAtem anhalten um keine giftigenAbgase einzuatmen. Nach dem Ausstoß aus dem Startrohr werden am Lenkflugkörper die beiden Steuerflächen ausgeklappt und die vier Leitwerke im Heck entfaltet. Die ausgebrannte Ausstoßladung fällt vor dem Startrohr zu Boden. In einer Entfernung von rund 9 m zum Schützen zündet das Feststoffraketentriebwerk und beschleunigt die Stinger innerhalb knapp zwei Sekunden auf rundMach 2,2. Unter optimalen Bedingungen erreicht die Stinger eineBrennschlussgeschwindigkeit von bis zu Mach 2,52. Hat der Lenkflugkörper eine Beschleunigung von 22g erreicht, wird der Gefechtskopf entsichert und bei Mach 1 werden neben den beiden Steuerflächen die beiden Stabilisierungsflächen ausgeklappt. Dabei erreicht der Lenkflugkörper durch seineRotation um dieLängsachse und die Leitwerke eine stabile Flugbahn. Die Zielverfolgung durch den Lenkflugkörper erfolgt nach dem Prinzip derProportionalnavigation, das heißt die Elektronik errechnet die Winkelgeschwindigkeit des Ziels und errechnet Steuerbefehle, um die Differenz auf Null zu bringen. Dabei kann die StingerFlugmanöver mit einer maximalenQuerbelastung von 8g ausführen. Der Lenkflugkörper vollführt am Schluss ein zieladaptives Flugmanöver, um in den Flugzeugrumpf und nicht in denTriebwerksauslass einzuschlagen (im optimalen Fall direkt in denTreibstofftank des Flugzeuges). Beim Aufschlag im Ziel wird der Gefechtskopf durch denAufschlagzünder mit einer kurzenVerzögerung im Inneren des Ziels zurDetonation gebracht. Dabei entstehen neben derGasschlagwirkung brennende Fragmente, die mit großer Energie freigesetzt werden. Wird das Ziel verfehlt, so zerstört sich der Lenkflugkörper nach einer Flugzeit von 15–19 Sekunden durchSelbstzerstörung.[1][2][3][12][24][33][34]
Der erste Kriegseinsatz der FIM-92 Stinger erfolgte imFalklandkrieg. Am 21. Mai 1982 schoss einTrupp desSpecial Air Service (SAS) eineFMA IA 58 „Pucará“ mit einer FIM-92 Stinger ab. Neun Tage später wurde ein argentinischerSA 330 „Puma“ mit einer Stinger abgeschossen. Insgesamt startete der Special Air Service fünf Stinger, die zwei Ziele trafen und zum Absturz brachten.[2][36][37]
Nach demEinmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan bewilligte dasKabinett Reagan im März 1985 die Lieferung der Stinger an die afghanischen Widerstandskämpfer. Im Rahmen derOperation Cyclone lieferte dieCIA ab 1986, hauptsächlich über denInter-Services Intelligence (ISI) inPakistan Stinger-Lenkflugkörper an dieMudschahidin.[1][38] Diese beschossen damit u. a. die sowjetischen Kampfhubschrauber vom TypMi-24 „Hind“ und konnten die bis dahin ungefährdeteLuftherrschaft derLuftstreitkräfte der Sowjetunion teils brechen. Gemäß dem Inter-Services Intelligence lieferten sie 308 Stinger-Starteinheiten sowie 1.588 zugehörige Lenkflugkörper an die Mudschahidin. Diese starteten 342 Stinger-Lenkflugkörper, welche 274 Luftziele trafen.[2] Nach einer Studie derUnited States Army sollen mit der Stinger insgesamt 101Hubschrauber, 92Transportflugzeuge sowie 81Kampfflugzeuge getroffen worden sein.[2] Davon sollen über 200 der Ziele zum Absturz gebracht worden sein. Die verwendeten Modelle FIM-92A/B erreichten eine durchschnittliche Abschusswahrscheinlichkeit von rund 79 %
Russischen Angaben zufolge sollen nur 53 Hubschrauber durch schultergestützte Flugabwehrraketen (MANPADS) wie der FIM-92 Stinger,9K32 Strela-2 undBlowpipe abgeschossen worden sein. Dabei sollen 29 Mi-24 „Hind“ der Stinger zum Opfer gefallen sein. Weiter berichten russische Quellen, dass lediglich 51 Flugzeuge durch MANPADS abgeschossen worden sein.[2] Beim Einsatz gegen Flugzeuge sollen 7,2 % der Abschüsse von FIM-92 Stinger zu einem Verlust geführt haben. GegenSu-25 „Frogfoot“, Mi-24 „Hind“ undMi-8 „Hip“ sollen sich Quoten von jeweils 4,7 %, 3,2 % und 18 % ergeben haben.[39]
Je nach Quelle lieferte die CIA über den Inter-Services Intelligence sowie weiterenAkteuren bis zu 2.500 Stinger-Raketen an Mudschahidin und viele der Waffen verblieben nach dem Abzug der Sowjetunion in Afghanistan.[40][15][41][42] Die USA befürchteten, dass die Stinger in die Hände vonTerroristen gelangen und gegen zivile Flugzeuge eingesetzt werden könnten, weshalb US-PräsidentGeorge H. W. Bush ein geheimes Programm zum Rückkauf der Stinger (Operation MIAS) genehmigte. Nach Schätzungen der CIA waren 1996 noch etwa 600 im Umlauf. Einige davon erschienen inBosnien,Libanon,Kroatien,Katar,Syrien und inSri Lanka.[43][44] Etwa 100 weitere Stinger sollen in den Iran gelangt sein.[45] Der Verkaufspreis einer Stinger auf demSchwarzmarkt betrug zwischen 80.000 und 150.000 US-Dollar. DieTaliban lehnten 1997 ein Angebot der CIA über den Rückkauf der rund 50 Stinger-Raketen in ihrem Besitz ab.[46] Einige Raketen fielen in den Besitzal-Qaidas, dasFBI erfuhr jedoch aus Verhören vonOsama bin Ladens langjährigem Leibwächter Abu Jandal im September 2001, dass ihnen die für den Einsatz notwendigen BCU-Kartuschen fehlten.[47]
Im Zuge desBürgerkrieges in Angola belieferte ab 1986 das Kabinett Reagan dieUNITA mit FIM-43 Redeye und FIM-92 Stinger. Ausbilder der CIA waren inJamba stationiert. Abschusszahlen liegen keine vor.[40][48][49]
DieBundeswehr verfügt seit dem Ende der 1990er-Jahre über etwa 4.400 Stück dieser Flugabwehrwaffen und setzt sie in allen dreiTeilstreitkräften ein:
Heer: bis 2012 in derHeeresflugabwehrtruppe in Fliegerfaust-Trupps bei Panzerflugabwehrgruppen und leichten Flugabwehrbatterien (auch Sprungeinsatz). DieHeeresflieger verwenden die Stinger an Bord des Kampfhubschraubers Eurocopter Tiger.
Luftwaffe: als Lenkflugkörper auf dem WaffenträgerOzelot (Variante des Wiesel 2)[56]
Marine: Fliegerfaust-Trupps zum Schutz von Booten und Landeinrichtungen. In der deutschen Version wird die Stinger ohne das IFF-Gerät eingesetzt, weshalb die faltbare Antenne fehlt.
Die Stinger hatte 1980 ihren Produktionsbeginn in denUSA. Die Produktion in Europa begann 1989, seitdem wird die Stinger in verschiedenen Versionen in einer Reihe von Ländern unter Lizenz gefertigt. In Deutschland war dies die Dornier GmbH, heute Teil von Airbus Defence and Space. Die erstenFliegerfäuste 2 Stinger liefen 1992 Truppenteilen des Deutschen Heeres zu. Gebaut wurden die Stinger für die Bundeswehr und weitere Staaten, darunter auch die Türkei, beiEADS (früherDornier) inImmenstaad.
DieSchweizer Armee prüfte 1984 erstmals näher den Vorschlag, das Stinger-System zu beschaffen. DieFIM-92A/B Stinger erschien aber verbesserungswürdig und mit der Beschaffung wurde abgewartet. In den Jahren 1988/89 kam dieses Vorhaben wieder auf den Tisch – mit Erfolg für die Stinger. Bei Versuchen derGruppe für Rüstungsdienste setzte sich dieFIM-92C Stinger RMP in den meisten Belangen gegen die französischeMistral, die schwedischeRBS-70 sowie die britischeStarstreak durch. Mit dem Rüstungsprogramm 1989 wurde die Beschaffung von 3.500 Stinger-Lenkflugkörpern und rund 492 dazugehörige Startgeräten beschlossen.[57] Das Auftragsvolumen belief sich auf 484 Mio.CHF.[58] Im Jahr 1990 wurde das sogenannte „Kernteam Stinger“ geschaffen und für Versuche nachNew Mexico geschickt. In dieser Zeit wurden auch die erstenInstruktoren ausgebildet. Da es in der Schweiz Tradition ist, jedes Waffensystem nicht einzukaufen, sondern in Lizenz zu fertigen, wurden die Schweizer Stinger-Systeme zu anfänglich 40 und später zu 60 % bei demEidgenössischen Flugzeugwerk Emmen (heuteRUAG) gebaut.[58] 1993 wurde auf dem WaffenplatzWaffenplatz Payerne die erste Stinger-Rekrutenschule durchgeführt. In der Schweizer Armee ersetzten die Stinger-Systeme die20 mm Fliegerabwehrkanone 54.
Im Jahr 2000 beschaffte die Schweiz eine unbekannte AnzahlAN/PAS-18 Stinger Night Sight (SNS). Mit diesemNachtsichtgerät wird das Stinger-System bedingt nachtkampftauglich.
Seit 2004 stehen den Stinger-Einheiten 30 mobileÜberwachungsradars vom TypP-STAR ER der FirmaLockheed-Martin zur Verfügung. Dieses hat eine Erfassungsreichweite bis 35 km und ermöglicht eine Luftraumüberwachung bis in eine Höhe von 3 km. P-STAR ER wiegt 180 kg und kann von einemPuch-300 oderDuro transportiert werden. Für das Erstellen der Betriebsbereitschaft benötigen zwei Mann rund 15 Minuten.[59] In der Schweizer Armee trägt das Radar die BezeichnungALERT.
Das Schießen mit den Stinger-Lenkflugkörpern ist aufgrund einer fehlenden Schießplatzinfrastruktur mit den notwendigen Sicherheitsdistanzen in der Schweiz nicht möglich. Daher werden in unregelmäßigen Abständen Testschiessen in derTürkei sowie auf derNATO Missile Firing Installation aufKreta durchgeführt.[60][61]
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