Wigner wurde in eine jüdische Familie der Mittelklasse geboren und besuchte in den Jahren 1915 bis 1919 gemeinsam mitJohn von Neumann das humanistischeLutheraner-Gymnasium in Budapest. Danach studierte er Chemie-Ingenieurwesen und promovierte 1925 an derTechnischen Hochschule Berlin beiMichael Polanyi mit der Arbeit „Bildung und Zerfall von Molekülen, Statistische Mechanik und Reaktionsgeschwindigkeit“[3]. Hier lernte er unter anderemAlbert Einstein undLeó Szilárd kennen. In seiner freien Zeit beschäftigte er sich intensiv mit Physik. Als Besucher der Kolloquien derDeutschen Physikalischen Gesellschaft war er bald vertraut mit den aktuellen Fragen der Forschung und entwickelte eine Vorliebe für theoretische Physik. 1926 wurde er zunächst Assistent vonRichard Becker an der Technischen Hochschule Berlin, der heutigenTechnischen Universität Berlin.
1927 erhielt Wigner eine Anfrage vonArnold Sommerfeld, um an derUniversität Göttingen als Assistent des bedeutenden MathematikersDavid Hilbert zu arbeiten. Dies erwies sich jedoch als eine große Enttäuschung für ihn, weil Hilbert nicht mehr sehr produktiv war. Wigner forschte dennoch unabhängig und legte den Grundstein für die Theorie der Symmetrien in derQuantenmechanik.[4] In seiner Göttinger Zeit leitete er die Transformation vonDrehimpulseigenzuständen in der Quantenmechanik bei Rotation ab (Wignersche D-Matrix). Wigner undHermann Weyl waren verantwortlich für die Einführung der Gruppentheorie als mathematische Methode in die Quantenmechanik. Diese bekam später (1928) eine allgemein gültige Formulierung in der VeröffentlichungGruppentheorie und Quantenmechanik, war aber nicht leicht zu verstehen, besonders bei jüngeren Physikern. Wigners spätere Veröffentlichung von 1931,Gruppentheorie und ihre Anwendung auf die Quantenmechanik der Atomspektren, machte Gruppentheorie eher zugänglich für einen größeren Leserkreis.
1928 kehrte Wigner nach Berlin zurück, um sich dort an der Technischen Hochschule zuhabilitieren, und wurde 1930 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor für Theoretische Physik ernannt. Anfang der 1930er Jahre ging Wigner in die USA und arbeitete seit 1931 in Princeton. Wegen seiner jüdischen Herkunft verlor er nach der nationalsozialistischen Machtergreifung seine Position an der TH Berlin und siedelte endgültig in die USA über.[5] Abgesehen von zwei Jahren 1936/37 als Professor für Physik an derUniversity of Wisconsin verbrachte er sein akademisches Leben an derPrinceton University als Professor für Mathematik von 1938 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1971. 1937 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Zu seinen Schülern in Princeton zähltenFrederick Seitz, der spätere Präsident derNational Academy of Sciences und derRockefeller University, sowieJohn Bardeen, der Erfinder desTransistors und zweifache Nobelpreisträger für Physik.
Eugene Paul Wigner (1928)
Wigner war ein wissenschaftlicher Pionier, der Ende der zwanziger Jahre das Fundament für die Anwendung der Gruppentheorie in der Physik legte. SeineDarstellungstheorie derPoincarégruppe war auch in der Mathematik bahnbrechend.[6][7] Gemeinsam mit seinem ungarischen LandsmannLeó Szilárd entwickelte er auch die Theorie der nuklearen Kettenreaktion und engagierte sich für das amerikanische Atombombenprojekt inLos Alamos, da er befürchtete,Hitler würde eine solche Bombe bauen lassen. ImManhattan-Projekt lieferte Wigner u. a. die Grundlagen derReaktorphysik, für den Bau des ersten Industrie-Reaktors bei der damaligenClinton Works (viz.Oak Ridge) Anlage. Der X-Reaktor war der Prototyp derHanford-Reaktoren zur großtechnischen Herstellung des KernmaterialsPlutonium.
Mit ihm gemeinsam arbeiteten auchAlvin M. Weinberg,Edward Teller,John von Neumann und Leó Szilárd. Alle vier Wissenschaftler waren ungarischer Abstammung und wurden wegen ihrer „überirdischen“ geistigen Fähigkeiten von ihren amerikanischen Kollegen als „Marsianer“ bezeichnet.
Neben zahlreichen Begriffen, die explizit seinen Namen tragen, siehe unten, „generierte“ er implizit zahlreiche fundamentale Techniken auf dem Gesamtgebiet der Theoretischen Physik: So geht u. a. die vielfach benutzte Theorie derZufallsmatrizen auf ihn zurück, da er die Spektren hochangeregter Atomkerne auf diese Weise beschrieb und nach ihrer Symmetrieeigenschaft insymplektische bzw.unitäre bzw.orthogonale Symmetrieklassen einteilte. Die Theorie erlebte später eine Renaissance im Rahmen der Theorie desQuantenchaos.
Am 18. Mai 1960 wurde Wigner, zusammen mit Szilárd, derAtoms for Peace Award, 1961 dieMax-Planck-Medaille und im Jahr 1963 zusammen mitJ. Hans D. Jensen undMaria Goeppert-Mayer derNobelpreis für Physik verliehen. Er erhielt den Preis für seine zahlreichen Beiträge zurKernphysik, unter anderem für seine Formulierung des Gesetzes der Erhaltung derParität(„für seine Beiträge zur Theorie desAtomkerns und derElementarteilchen, besonders durch die Entdeckung und Anwendung fundamentalerSymmetrie-Prinzipien“). Der Nobelpreisträger Wigner war beliebt und verehrt wegen seiner bescheidenen und zurückhaltenden Art.
Seine Vielseitigkeit war enorm: MitGian-Carlo Wick undArthur Wightman führte er beispielsweise 1956 Super-Auswahlregeln und die innereParität von Elementarteilchen ein.[8]
Wigner machte sich auch philosophische Gedanken über Physik und ihr Verhältnis zur Mathematik. Sein AufsatzThe unreasonable effectiveness of mathematics in the natural sciences[9] ist sprichwörtlich geworden. Sein GedankenexperimentWigners Freund vertritt eine subjektivistische Interpretation der Quantenmechanik.
Göttinger Gedenktafel für den Physiker Eugene Paul Wigner am Haus Wilhelm-Weber-Straße 22Gedenktafel am Haus, Hardenbergstraße 36, inBerlin-Charlottenburg
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Arthur S. Wightman (Hrsg.):The Collected Works of Eugene Paul Wigner: Part A: The Scientific Papers. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 1993,ISBN 978-3-642-08154-5,doi:10.1007/978-3-662-02781-3 (englisch).
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