Die im Haushalt verwendete Essigsäure, in verdünnter wässriger Lösung alsEssig bezeichnet, wird ausschließlich durchEssigsäuregärung vonEthanol gewonnen. AlsLebensmittelzusatzstoff trägt sie dieE-NummerE 260. Neben der Verwendung als Lebensmittel wird verdünnte Essigsäure alsEntkalkungsmittel eingesetzt.
DieInternational Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), eine Institution, die unter anderem Empfehlungen zurNomenklatur und Terminologie von chemischen Verbindungen vergibt, bevorzugt den TrivialnamenEssigsäure als Standardnamen. Zugleich hat die IUPAC den NamenEthansäure als systematischen Namen festgelegt, der sich aus dersubstitutiven Nomenklatur ergibt.[14]
Der englische Namensbestandteilacetic, der deutsche Name des Essigsäure-Anions,Acetat, und die veralteten NamenAcetylsäure undAcetoxylsäure leiten sich vom lateinischen Wort für Essig,acetum, ab.[15] In den chemischen Kurzbezeichnungen AcOH oder HAc steht das Ac für dieAcetylgruppe respektive dieAcetoxygruppe, OH steht für dieOH-Gruppe derCarboxygruppe und H für das Proton der Säure.
Die BezeichnungEisessig bezieht sich auf die Eigenschaft von wasserfreier Essigsäure, bei einer Temperatur von 16,6 °C oder niedriger zu eisähnlichen Kristallen zuerstarren.[16] Der NameHolzessig bezieht sich auf Essigsäure, die aus dertrockenen Destillation von Holz gewonnen wurde. Die NamenMethylameisensäure,Methancarbonsäure undMethylcarbonsäure stammen aus älteren substitutiven Nomenklaturen.
Die europäische und die asiatische Küche nutzen Essig seit vielen Jahrhunderten alsWürzmittel zur Säuerung und zurKonservierung von Lebensmitteln. Auch die Verwendung als Ingredienz kosmetischer Mittel imalten Ägypten ist belegt.[17] In Europa geht die Verwendung als Lebensmittel bis in dieAntike zurück.Posca, ein Getränk aus Essigwasser, war ein nichtalkoholisches Getränk imRömischen Reich. Derantibakteriell wirkende Essig erlaubte den Genuss von möglicherweise mikrobiologisch belastetem Wasser.[18] Bekannt war damals bereits die chemische Verwendung der Essigsäure. Die reine bzw. konzentrierte Essigsäure gab es jedoch erst ab etwa 1800.[19] Im dritten Jahrhundert vor Christus beschrieb der griechische Philosoph und NaturforscherTheophrastos von Eresos die Einwirkung von Essig auf Blei zur Herstellung vonBleiweiß, ein im Altertum bedeutendesWeißpigment.[20] Noch zu Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts herrschte die Meinung, Essigsäure sei die einzige pflanzliche Säure und alle anderen beständen aus ihren zusammengesetzten Formen.Carl Wilhelm Scheele widerlegte dies 1786 durch die Isolierung derGallussäure. Es brauchte jedoch lange, bis sich die Erkenntnis allgemein durchsetzte.[21] 1814 ermittelteJöns Jakob Berzelius die Zusammensetzung der Essigsäure.[22] Im 18. Jahrhundert galt die Anwendung von „Pestessig“ oder „Vierräuberessig“, ein Kräuterauszug auf Essigbasis, als Schutz vor ansteckenden Krankheiten. Vor dem Kontakt mit Kranken sollten damit der Mund und die Nase ausgespült und die Hände gewaschen werden.[23]
Wie bei dem bekanntenAceto balsamico in der italienischen RegionModena gewannen die Hersteller den Essig traditionell aus Wein, der offen stehengelassen wurde und dabeivergor. Das im Mittelalter in Frankreich entwickelteOrléans-Verfahren (Offene Gärung) gewann den Essig aus Wein, der in große und flache Bottiche gefüllt und offen hingestellt wurde.Taufliegen, auch als Frucht- oder Essigfliegen bekannt, trugenEssigsäurebakterien ein, die eineKahmhaut auf der Weinoberfläche bildeten, die sogenannteEssigmutter.[24] Nach diesem Verfahren werden heute noch hochwertige Weinessige hergestellt.
Eine Weiterentwicklung erfolgte im 19. Jahrhundert durch dasSchüzenbach-Verfahren, auch Schnellessig- oder Fesselverfahren genannt, und demRundpumpverfahren mit den erstenOberflächenfermentern. Eine Weiterentwicklung war dasGroßraumbildnerverfahren.[25] Dabei wurde beim Fessel-, Generator- oder Spanbildnerverfahren die wein- beziehungsweise alkoholhaltige Lösung durch große Holzgeneratoren gerieselt, die beispielsweise mitBuchenspänen gefüllt waren und als natürlicher Träger für die Ansiedlung der Bakterien dienten. Die von der freiwerdendenReaktionsenthalpie angetriebeneLuftzirkulation gewährleistete dieSauerstoffzufuhr über eine Belüftung am Boden der Behälter. Ähnliche Verfahren zur Herstellung von Essig sind bis in die heutige Zeit im Einsatz.[24]
Der französische WissenschaftlerLouis Pasteur entdeckte 1856 die Rolle derBakterien bei der Essigherstellung. 1868 arbeitete er erstmals selektive Wachstumsbedingungen für die Essigsäurebakterien aus und setzte diese ein. Damit legte er den Grundstein für die kontrollierte Herstellung von Essig in Form vonWeinessig mit einem Essigsäureanteil von etwa 6 %.[26][24] Das Verfahren und die Ausbeute verbesserten sich erst 1949 durch die Einführung einesSubmersverfahrens in Form des „Frings-Acetators“, benannt nach dem Unternehmen Heinrich Frings GmbH & Co KG inBonn, das maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war. Das Submersverfahren ist die häufigste Produktionsform fürbiogene Essigsäure.[24]
Perstorp-Anlage zur Holzverkokung und Aufkonzentration von Holzessig (1884)[27]
Um 1800 begann die Herstellung von Essigsäure aus Holzessig nachLowitz. Dabei lieferteBuchenholz etwa 6 % derTrockenmasse an Essigsäure.[28] Der Holzessig, der billiger herzustellen war als der durch Fermentation gewonnene Essig, reagierte mit Kalk zuCalciumacetat, dem Graukalk. Aus diesem konnte durch Reaktion mitMineralsäuren Essigsäure in hoher Konzentration gewonnen werden, die durchDestillation weiter aufkonzentriert wurde.[29] Die deutsche Industrie stellte zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach diesem Verfahren etwa 35.000 Jahrestonnen Essigsäure her.[13]
Nachdem in den 1960er Jahren große Mengen an Ethylen zur Verfügung standen, löste dasWacker-Hoechst-Verfahren das erste Wacker-Verfahren ab. Dabei entsteht der Acetaldehyd durch Oxidation vonEthylen. Die installierte Produktionskapazität betrug in den 1970er Jahren etwa 2,6 Millionen Jahrestonnen.
Mit dem Ausbau derErdölverarbeitung fielen in den Raffinerien große Mengen von gasförmigenKohlenwasserstoffen an, die zunächst weder als Kraftstoffe noch in der chemischen Industrie verwendet wurden. Das anfallendeButan und dieButene wurden ab 1952 in der Butanoxidation, die bereits seit 1884 bekannt war, großtechnisch genutzt. Es entstanden Essig-,Ameisen-,Propion- undButtersäure sowie neutrale Produkte wieKetone,Aldehyde, Ester undAlkohole.
DerBASF-ChemikerWalter Reppe zeigte 1941 die Wirksamkeit derCarbonyle alsKatalysatoren für die Herstellung von Carbonylverbindungen. Basierend auf diesen Arbeiten entwickelte die BASF einen Prozess, mit dem unter hohem Druck und TemperaturenMethanol und Kohlenstoffmonoxid zu Essigsäure umgesetzt wurden. Das Methanol selbst stellte einen Rohstoff dar, der nicht primär auf Erdöl basierte, sondern überSynthesegas aus verschiedenen Rohstoffquellen wie Erdgas und Kohle gewonnen wurde. 1960 wurde der BASF-Prozess erstmals großtechnisch in einer Anlage inLudwigshafen am Rhein umgesetzt. Die BASF steigerte die Kapazität von anfänglich 3600 Jahrestonnen kontinuierlich auf 45.000 Jahrestonnen im Jahr 1981. 1966 baute die amerikanische Borden Chemical Co. eine weitere Anlage auf der Basis des BASF-Prozesses mit einer Kapazität von 45.000 Jahrestonnen inGeismar inLouisiana, die bis 1981 auf 64.000 t/a aufgestockt wurde.[31]
In den späten 1960er Jahren entwickelteMonsanto denMonsanto-Prozess, in dem Essigsäure ebenfalls durch Carbonylierung von Methanol mitKohlenstoffmonoxid hergestellt wird, jedoch ein anderer Katalysator zum Einsatz kommt. 1970 baute Monsanto die erste Anlage inTexas City mit einer Startkapazität von 135.000 Jahrestonnen, die bis 1975 auf 270.000 Jahrestonnen erhöht wurde. Bereits kurze Zeit nach diesem Start wurde der BASF-Prozess im Vergleich unwirtschaftlicher und konnte nicht mehr konkurrieren. 1978 bauteCelanese die Clear Lake Plant inSeabrook in Texas auf der Basis des Monsanto-Prozesses mit einer Startkapazität von 27.000 Jahrestonnen. Prozessverbesserungen steigerten die Kapazität auf 900.000 Jahrestonnen.[31]
1986 kaufteBP chemicals die Rechte am Monsanto-Prozess ohne die Modifikationen von Celanese und modifizierte ihn mit einemIridium-Katalysator. Dieser als Cativa-Prozess bezeichnete Weg wurde in den frühen 1990er Jahren weiterentwickelt und ersetzte und verbesserte den Prozess in der Monsanto-Fabrik inTexas City.[31]
Essigsäure ist ein Bestandteil von Pflanzensäften undätherischen Ölen. Alkoholische Getränke, die für längere Zeit der Luft ausgesetzt sind, bilden durch Oxidation des Ethanols Essigsäure. Die in der Umwelt weit verbreiteten Essigsäurebakterien treten fast überall dort auf, wo HefepilzeGlucose oder andere Zucker zu Ethanol vergären. Die Bakterien oxidieren das entstehende Ethanol weiter zu Essigsäure. Im Darmtrakt von Insekten, die sich von Kohlenhydraten ernähren, bilden Essigsäurebakterien einen Teil der Darmflora. Die Assimilation der Essigsäure ergänzt gegebenenfalls die Bienenernährung.[32][33] Die Herstellung von Essigsäure durch Bakterien tritt bei der Erzeugung von Silagen wieMaissilage als unerwünschte Nebenreaktion auf; ein zu hoher Essigsäureanteil in der Silage macht diese für das Vieh nicht mehr zuträglich.
Acetobacter aceti, ein Gram-negatives Bakterium, sowie das BakteriumClostridium acetobutylicum scheiden Essigsäure als Teil ihres Stoffwechsels aus. Diese Mikroorganismen treten überall dort auf, wo Ethanol als Teil der Zuckerfermentation vorkommt.Acetobacter aceti wächst am besten bei Temperaturen von 25 bis 30 °C und einem pH-Wertbereich von 5,4 bis 6,3. Essigsäure ist auch Bestandteil derVaginalschmierung des Menschen und anderen Primaten, wo es als ein mildes antibakterielles Mittel dient.[34]
Organische Säuren wie Ameisen- und Essigsäure sind Bestandteile der globalenTroposphäre und tragen zum Ansäuern von Niederschlägen bei. Essigsäure gelangt etwa bei Waldbränden in die Atmosphäre.[37] Ameisen- und Essigsäure repräsentieren etwa ein Viertel der atmosphärischen Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe. Neben Emissionen ausBiomasse tragen photochemische Reaktionen zur Bildung von Essigsäure in der Atmosphäre bei.[38]
Interstellares Vorkommen von Essigsäure wurde zuerst 1996 in der molekularen Wolke von Sagittarius B2 Nord, genannt dieHeimat der großen Moleküle, ungefähr 390Lichtjahre vomMilchstraßenzentrum und etwa 25.000 Lichtjahre von der Erde entfernt, entdeckt.[39][40] Unter Laborbedingungen wurde nachgewiesen, dassKohlenstoffdioxid und Methan bereits bei 12 K unter dem Einfluss energiereicher Strahlung über einenRadikalmechanismus zu Essigsäure reagieren.
Dieser Mechanismus könnte die Bildung der interstellaren Vorkommen erklären.[41]
Die natürlich vorkommenden, aber sehr seltenen Mineralien wieHoganit [Cu(CH3COO)2·H2O] oderPaceit [CaCu(CH3COO)4·6 H2O] sind Beispiele für Acetatvorkommen in der unbelebten Natur. Die Mineralien entstanden vermutlich durch die Reaktion von Erzen mit Essigsäure pflanzlichen Ursprungs.[42] Ein weiterer Vertreter der Acetatmineralien ist dasCalclacit [Ca(CH3COO)Cl·5 H2O]. Dieses entsteht durch die Reaktion von calciumhaltigem Material mit Essigsäure, die aus pflanzlichem Material wie Holz freigesetzt wurde.
Acetyl-Coenzym A (Acetyl-CoA), die Acetylgruppe alsThioester anCoenzym A gebunden, ist zentral für den Stoffwechsel von Kohlenhydraten und Fetten und essenziell bei der Synthese und Oxidation von Fettsäuren und der Oxidation vonPyruvat imCitratzyklus. Die Thioesterbindung ist eine sehr reaktive Bindung, die Hydrolyse ist mit −31,5 kJ/molexergonisch.Konrad Bloch undFeodor Lynen, dem 1951 die Isolierung aktivierter Essigsäure, Acetyl-Coenzym A, aus Hefezellen gelang, erhielten 1964 für ihre Entdeckungen, die den Acetyl-CoA- und den Fettsäuremetabolismus verknüpften, denNobelpreis für Physiologie oder Medizin.[43]
Acetylcholin, ein Ester der Essigsäure und desAminoalkoholsCholin, ist einer der wichtigsten Neurotransmitter in vielen Organismen, so auch im Menschen. Er spielt eine wichtige Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen.[44]
Die synthetischeAcetylsalicylsäure (Markenname: Aspirin) und das synthetischeAcetylcystein werden als Medikamente verwendet.
BeiBiopolymeren modifiziert Acetylierung die Polymereigenschaften. Peracetylierte Polymere haben eine sehr geringe Löslichkeit:
Chitin (Acetylglucosamin) ist das in der Natur am weitesten verbreiteteAminozucker-Polymer.[45] Bei Pilzen ist es der Hauptbestandteil der Zellwand und beiGliederfüßern die Hauptkomponente des Exoskeletts.[46]
Acetylierung ist – nachPhosphorylierung – die zweithäufigste selektive,posttranslationale Modifikation in eukaryontischen Zellen. Acylierung (oder nachfolgende Deacetylierung) sorgt für biologisch unterschiedlich aktive Populationen:
N-Acetylierung vonLysin inHistonen reduziert die positiven Oberflächenladungen dieser Proteine und somit auch ihre Bindungen an dieDNA.
N-terminale Acetylierung von Proteinen spielt eine wichtige Rolle bei der Synthese, Stabilität und Lokalisierung von Proteinen.
Weltweit bestehen Produktionskapazitäten für Essigsäure in Höhe von etwa 7 Mio. Tonnen pro Jahr.[47] Zwischen 1998 und 2006 gab es weltweit ein durchschnittliches Wachstum der Produktion von 3 % bis 4 % pro Jahr, wobei etwa 70 % der Jahresproduktion in den USA (1996: 36 %; 2006: 32 %), Westeuropa (1996: 24 %; 2006: 17 %) und Japan (1996: 16 %; 2006: 11 %) hergestellt werden. Die ostasiatische Produktion stieg im Vergleich zu diesen Regionen von 1996 mit 14 % auf etwa 18 % im Jahr 2006.[48] Die katalytische Oxidation vonLeichtbenzin sowie dieRektifikation von Holzessig wird nur noch selten genutzt.[28] Etwa 190.000 Tonnen werden jährlich weltweit fermentativ hergestellt, wobei etwa 70 % des Weltbedarfs an Speiseessig im Submersverfahren in etwa 700 Bioreaktoren produziert werden.[24]
Die biotechnische, fermentative Herstellung von Essigsäure ist dieOxidation („Veratmung“) von Ethanol durch Bakterien der GattungenAcetobacter undGluconobacter. Es handelt sich biochemisch betrachtet um eine partielle Oxidation und nicht, wie es irrtümlich beschrieben wird, um eineGärungsform. Die Bakterien wandeln etwa durch Gärungsprozesse entstandenes Ethanol durch eine „subterminale Oxidation“ über Acetaldehyd in Essigsäure um.[26]
Ausgangsstoffe für die Essigsäurebildung könnenWein,Bier oderMalz sein.[49] Dabei sind die Bakterien von einer ausreichenden Sauerstoffversorgung abhängig und reagieren auf sauerstoffarme Bedingungen sehr empfindlich. Bereits bei einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung von wenigen Minuten kommt es zu einer signifikanten Abnahme der Ethanoloxidation. Steht Ethanol alsSubstrat nicht zur Verfügung, kommt es zu einem oxidativen Abbau der Essigsäure zu Kohlenstoffdioxid und Wasser.[26] Die Bakterien bauen Kohlenhydrate sowohl über dieGlykolyse als auch über denEntner-Doudoroff-Weg zuPyruvat ab, das imCitratzyklus weiter verstoffwechselt wird.[26]
Manche Arten von anaeroben Bakterien, etwa einige der GattungClostridium, können Zucker ohne die Zwischenstufe Ethanol nach folgender chemischer Reaktionsgleichung direkt in Essigsäure umwandeln:
Durch den Mangel an Säureresistenz der Bakterien liegt die Konzentration der so erzeugten Essigsäure jedoch unter der Konzentration von Ethanol metabolisierenden Stämmen und macht eine Anreicherung durch Destillation notwendig. Die Essigsäuregärung von Ethanol ist daher die kostengünstigere Herstellungsform.[50]
Für die C4-KohlenwasserstoffeButan,1-Buten und2-Buten, die in verschiedenen Raffinerieprozessen anfallen, gab es anfangs weder Verwendung als Kraftstoff noch als Rohstoff für die chemische Industrie. Dass die Oxidation von Butan zu Essigsäure möglich ist, war lange bekannt. Verschiedene Firmen wie die Chemischen Werke Hüls entwickelten technische Prozesse zur Butan- und Butenoxidation. Ab den frühen 1950er Jahren wurden Anlagen für die Flüssigphasenoxidation von Butan bei etwa 170 bis 200 °C und 60 bis 80 bar im Hüls-Butan-Prozess gebaut; ein analoges Verfahren geht vonButen aus.[13]
Der Celanese-n-Butan-LPO-Prozess arbeitet bei 54 bar und 175 °C mitCobaltacetat als Katalysator.[51]
Der Anfall von Nebenprodukten wie anderen niedermolekularen Säuren,Ketonen und anderen Oxidationsprodukten erschwerte die Aufarbeitung des Reaktionsgemischs. Durch die komplexe Aufarbeitung und alternative Verwendungen für den C4-Schnitt wurde der Betrieb dieser Anlagen unwirtschaftlich.[52]
Große Mengen an Essigsäure werden mittels des Wacker-Hoechst-Verfahrens über die Oxidation vonEthylen erzeugt. Dabei entsteht durch Oxidation von Ethylen in Gegenwart vonPalladium(II)-chlorid als Katalysator Acetaldehyd. Der Sauerstoff der Oxidationsreaktion stammt dabei aus dem als Lösungsmittel verwendeten Wasser. Der im Verfahren verwendete Sauerstoff dient der Reoxidation des Katalysators mittelsKupfer(II)-chlorid. Die folgenden Bilanzgleichungen fassen den ablaufenden katalytischen Kreisprozess zusammen:
(a)
(b)
(c)
mit der Gesamtbilanz:
Die Teilreaktionen (a) bis (c) lassen sich als gekoppelte Reaktionen darstellen:[53]
Der als Zwischenprodukt entstehendeAcetaldehyd wird durch Oxidation mit Luft oder Sauerstoff unter Verwendung vonMangan(II)-acetat als Katalysator zur Essigsäure oxidiert. In einer Zwischenstufe entstehtPeroxyessigsäure, die durch den Katalysator zur Essigsäure reduziert wird.
Ein älteres Verfahren gewann Acetaldehyd aus Ethylen über die säurekatalysierte Hydratisierung zumEthanol, das bei höheren Temperaturen imLebedew-Prozess zu Acetaldehyd dehydriert wurde.
Neuere Anlagen für die industrielle Synthese der Essigsäure arbeiten mit der katalytischen Umsetzung vonMethanol mitKohlenstoffmonoxid unter einem Druck von 30 bis 60 bar und bei Temperaturen von 150 bis 200 °C imMonsanto-Prozess.[54]
Der Prozess verwendet einenRhodium-Katalysator und hat eine Selektivität von über 99 % bezogen auf Methanol. Als aktive Katalysator-Spezies gilt der anionische Komplex cis-[Rh(CO)2I2]−. Der Prozess ist ein Beispiel für einhomogenkatalytisches Verfahren und besteht aus mehreren Teilreaktionen.
Als Nebenreaktion wird dieWassergas-Shift-Reaktion katalysiert, wobei geringe Mengen an Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff entstehen. Weiterhin fällt durch Carbonylierung von Ethanol, das als Verunreinigung des Methanols in den Prozess gelangt,Propionsäure an.
Eine Verfahrensvariante entwickelteBP Chemicals 1966.[55] Mittels einesIridium(III)-iodid-Katalysator-Präkursors im Cativa-Prozess konnte ein höherer Umsatz sowie ein geringerer Kapitaleinsatz beim Bau neuer Anlagen erreicht werden; als aktive Spezies gilt der Iridium-Komplex [Ir(CO)2I2]−. Im Jahr 2000 wurde die erste Anlage nach diesem Verfahren inMalaysia in Betrieb genommen.
Die Bindungslänge der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung beträgt 154 pm, die der Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindung 124 pm, die der Kohlenstoff-Sauerstoff-Einfachbindung 129 pm und die der intermolekularen Wasserstoffbrücke 261 pm.[57]
Die Bindungswinkel der Carboxygruppe betragen 120°, wobei die Kohlenstoff-Sauerstoff-Einfachbindung einen partiellen π-Charakter aufweist. Die Bindung des Sauerstoffatoms derHydroxygruppe zum Carboxykohlenstoffatom erfolgt übersp2-Orbitale. Die Struktur kann durch zweimesomere Grenzstrukturen mit einer negativenPartialladung an einem Sauerstoffatom und einer positiven am partiell doppelgebundenen Sauerstoff der Hydroxygruppe dargestellt werden.[58]
Essigsäure-Kristallstruktur Sauerstoff Kohlenstoff Wasserstoff[59]Dimerbildung durch gestrichelt gezeichnete WasserstoffbrückenbindungenDampfdruckfunktion von Essigsäure
Essigsäure besitzt mit 118 °C eine relativ hoheSiedetemperatur gegenüber polaren Stoffen mit etwa gleicher molarer Masse; beispielsweise beträgt der Siedepunkt von1-Propanol 97 °C. Die Ursache dafür ist die Fähigkeit der Essigsäure-Moleküle, über ihreCarboxygruppenWasserstoffbrückenbindungen auszubilden. In der Flüssigphase bilden die Essigsäuremoleküle Kettenstrukturen aus. In der Gasphase stellt dasDimer aus zwei Essigsäure-Molekülen, die sich wie ein Molekül doppelter molarer Masse verhalten, die stabilste Form dar.[60] Das Aufbrechen der Kettenstrukturen und der Übergang der Dimere in die Gasphase erfordert einen höheren Energieaufwand, erkennbar an der „erhöhten“ Siedetemperatur.
DieDampfdruckfunktion ergibt sich nach derAntoine-Gleichung entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,68206, B = 1642,540 und C = −39,764 im Temperaturbereich von 290,26 bis 391,01 K.[61]
Die Temperaturabhängigkeit derVerdampfungsenthalpie lässt sich entsprechend der Gleichung ΔVH0=A·exp(−αTr)(1−Tr)β (ΔVH0 in kJ/mol, Tr =(T/Tc) reduzierte Temperatur) mit A = 22,84 kJ/mol, α = 0,0184, β = −0,0454 und Tc = 592,7 K im Temperaturbereich zwischen 298 und 392 K beschreiben.[62]
Reine Essigsäure hat alspotentieller Elektrolyt eine, nur auf derAutoprotolyse beruhende, sehr geringeLeitfähigkeit für elektrischen Strom. Die Leitfähigkeit reiner Essigsäure beträgt bei 25 °C 6·10−7 S·m−1.[63] Erst bei Zugabe von Wasser trittDissoziation und die Erhöhung der Leitfähigkeit ein. Wasserfreie Essigsäure erstarrt schon bei 16,6 °C zu eisähnlichen Kristallen.
Zusammenstellung der wichtigsten thermodynamischen Eigenschaften
Flüssige Essigsäure ist ein polares, hydrophiles undprotisches Lösungsmittel. DieDielektrizitätskonstante ε beträgt 6,2 (bei 25 °C).[70] Sie mischt sich leicht mit polaren und unpolaren Lösungsmitteln wie Wasser,Chloroform undHexan. In einem Zwei-Phasen-System aus Wasser und Ethylacetat verteilt sich Essigsäure so, dass nur wenige Prozent in der organischen Phase gefunden werden.[71] Essigsäure löst sowohl polare Verbindungen wie anorganische Salze und Zucker, als auch unpolare Verbindungen wie niedermolekulare Alkane. Mit höheren Alkanen wieOctan ist Essigsäure nicht mehr vollständig mischbar; die Mischbarkeit nimmt mit zunehmender Kettenlänge der Alkane ab.
In wässriger Lösung reagiert Essigsäure als mittelstarkeSäure; derpKS-Wert beträgt 4,76. In einerprotolytischen Reaktion stellt sich einGleichgewicht zwischen der Essigsäure und dem Acetat-Ion ein, das stark auf Seiten der Säure liegt. Wie bei allenCarbonsäuren ist dieCarboxylatgruppe des Acetat-Ions durchMesomerie stabilisiert, was wesentlich zur sauren Reaktion der Carbonsäuren beiträgt:
DerDissoziationsgrad der Säure liegt in verdünnten Lösungen nur im Bereich einiger Prozente. In einer 1-molaren Lösung beträgt er nur etwa 0,5 %. Das dabei entstehendeOxoniumion (H3O+) führt zu einer sauren Lösung (pH-Wert < 7). Bei einer 30%igen Lösung, entsprechend einer 5-molaren Lösung, beträgt der pH 1,7, bei einer 40%igen Lösung 1,53 und bei einer 50%igen Lösung 1,31.
Titrationskurve von Essigsäure mit 0,1-molarer Natriumhydroxidlösung. Die farbigen Bereiche kennzeichnen die Bereiche, in denen diepH-IndikatorenPhenolphthalein undMethylorange anzeigen.
Wird der pH-Wert einer Essigsäurelösung durch Zusatz einer starkenBase oder durch Zusatz vonAcetaten erhöht, wird einePufferlösung gebildet. Ist der pH-Wert der Lösung gleich dem pKS-Wert der Essigsäure, liegen Essigsäure und Acetat-Ion in derselben Konzentration vor. Dies ist der optimale Punkt einesEssigsäure-Acetat-Puffers, an dem die Änderung des pH-Werts beim Zusatz von Säuren oder Basen maximal abgepuffert wird. Dieses im Sauren effektive Puffersystem ist bedeutend für biochemische Systeme, da es einen günstigen pKS-Wert hat und die beteiligten Komponenten die meisten Organismen undBiomoleküle nicht negativ beeinflussen. Er ist ein stabiles Puffersystem, das heißt, das konjugierte Säure-Base-Paar verbleibt in Lösung und kann nicht wie beimHydrogencarbonatpuffer aus dem System entweichen.
Essigsäure oxidiert an der Luft vollständig unter Hitzeentwicklung zu Wasser undKohlenstoffdioxid. Dies geschieht beiRaumtemperatur jedoch nur extrem langsam.
DieSalze der Essigsäure werden alsAcetate bezeichnet. Es sind zumeist kristalline Salze, die in ihren Kristallgittern (Ionengittern) das Acetat-Anion (CH3COO−) enthalten. Unedle Metalle wieMagnesium,Calcium,Zink oderEisen lösen sich in verdünnter Essigsäure unter Bildung wasserlöslicher Acetate und Freisetzung vonWasserstoff auf. Mit Kupfer reagiert die Essigsäure in Gegenwart von Sauerstoff zuKupferacetat, einem grünen, gesundheitsschädlichen Salz, das besser unter dem Namen „Grünspan“ bekannt ist. Essigsäure wird in verdünnter Form zum Kalklösen verwendet gemäß folgender Reaktionsgleichung:
Auch verschiedene Milchprodukte werden unter Verwendung von Essigsäure hergestellt:Mascarpone wird aus Rahm hergestellt, der mit Essigsäure eingedickt wird, ebensoZiger, ein Molkenkäse, der aus Molke durch Ausfällung von Resteiweiß durch Essigsäure gewonnen wird.Bleiacetat, auch als Bleizucker bekannt, wurde bis in die Neuzeit als Zuckerersatz zum Süßen von Wein genutzt, die Giftigkeit des Bleizuckers war lange Zeit nicht bekannt.[74] Der Geruch von Wein nach Essig, der sogenannte Essigstich, gilt alsWeinfehler.[75]
Das Einlegen und Abwaschen von frischem Fleisch geschieht ebenfalls mit Hilfe von Essigsäure. Derbakterizide Effekt der Essigsäure besteht darin, dass durch den erniedrigten pH-Wert physiologische Prozesse unterbunden werden undEiweißedenaturieren.[76] Haushaltsessig besteht aus biogenem Essig und enthält 5 % Essigsäure.
Handelssorten des Essigs
Konzentration
Speise- od. Tafelessig
3,5–5 %
Einmachessig
5 %
Weinessig
6 %
Doppelessig
7 %
Dreifachessig oder Essigspirit
10,5 %
Essigessenz
25 %
Essigessenz ist eine 25%ige Essigsäurelösung inWasser, riecht stark stechend, und darf nur verdünnt in Speisen verwendet werden. Gegebenenfalls mit Wasser verdünnte Essigessenz wird gern als biologischer Haushaltsreiniger verwendet. Wässrige Lösungen der Essigsäure mit einem Säuregehalt größer als 15,5 % dürfen offiziell nicht mehr als Essig bezeichnet werden.[77]
Für die stoffliche Nutzung wird fast ausschließlich großtechnisch hergestellte Essigsäure genutzt. Dabei werden mehr als 65 % der Weltproduktion fürPolymere auf der Basis vonVinylacetat (43 %) undCelluloseacetat (25 %) aufgewendet. Vinylacetat ist die Grundlage fürPolyvinylacetat (PVAc), das unter anderem in Farben und Klebstoffen verwendet wird, in geringerem Umfang in Vinylacetat-Copolymeren wieEthylenvinylacetaten undPolyvinylalkohol.[78] Celluloseacetat wird vor allem zur Produktion vonZigarettenfiltern,Folien und Kunststoffprodukten verwendet. Essigsäure dient als Lösungsmittel bei der Herstellung vonTerephthalsäure mittels Flüssigphasenoxidation. Sie ist ein wichtiges Zwischenprodukt zur Herstellung vonRiechstoffen undMedikamenten.[79]
Bei der Umsetzung von Organochlorsilanen wieDichlor(dimethyl)silan mit Essigsäure entstehen Acetoxysilane. In Reaktion mitSilanolen reagieren diese unter Kondensation und Freisetzung von Essigsäure zuSilikonen.[80]
Essigsäure reagiert mitWasserstoffperoxid unter Bildung vonPeroxyessigsäure.[81] Industriell entsteht sie bei der Oxidation von Acetaldehyd mit Luft. Peroxyessigsäure ist ein starkes Oxidationsmittel, das antimikrobiell wirkt und zur Desinfektion eingesetzt wird. Außerdemepoxidiert Peroxyessigsäure verschiedene Alkene zu Epoxiden.
Essigsäure wird beim Screening für die Erkennung vonGebärmutterhalskrebs inSubsahara-Afrika angewendet.[82] Die Essigsäure wird dazu auf den Gebärmutterhals aufgetragen. Färbt sich der Bereich nach etwa einer Minute weiß, gilt der Test als positiv.[82]
Essigsäure wird zum Ansäuern von Hygiene- und Kosmetikprodukten verwendet, etwa zumPeeling. Die Essigsäure lässt die obere Schicht abgestorbener Hautzellen abblättern und hinterlässt eine glattere Oberfläche. Der Effekt wurde schon von der ägyptischen HerrscherinKleopatra genutzt, deren Milchbäder ebenfalls hautglättende Essigsäure enthielten.[17]
Essigsäure beziehungsweise Essig wird als eine der ersten Maßnahme beim Kontakt von Menschen, insbesondere Badenden, mitQuallen empfohlen, um noch nicht ausgelösteNesselzellen zu inaktivieren.[83]
In derFotolaborpraxis der „nassen“ oder analogenFotografie wird verdünnte Essigsäure (3–5 %) zurNeutralisation der Entwicklerbäder als sogenanntes „Stoppbad“ eingesetzt. Vielfach wird die Lösung mit einemIndikatorfarbstoff versetzt, der anzeigt, wann das Stoppbadalkalisch und somit unwirksam wird.
Latex, eine Suspension vonNaturkautschuk im wässrigen Medium, wird mit Essigsäure in geringer Konzentrationkoaguliert. Die geladenen Latexpartikel stoßen einander ab, durch Zugabe von Essigsäure wird diese Ladung neutralisiert und der Latex gerinnt.[84]
Eisessig kann zur Präparation von kalkigen Fossilien inKreide verwendet werden.[85] Dabei wird das Gestein mit der Säure übergossen. Eine Reaktion kann nicht stattfinden, da sich das entstehende Calciumacetat nicht lösen kann. Erst nach dem Verdünnen findet eine Reaktion im gesamten Gestein statt.
Die Einstufung und Kennzeichnung nach denGefahrgutvorschriften hängt von der Konzentration ab.[3] Eisessig oder Lösungen mit mehr als 80 Masse-% Säure werden der Gefahrgutklasse 8 (Ätzende Stoffe) mit derVerpackungsgruppe II (Stoffe mit mittlerer Gefahr) zugeordnet. Als Nebengefahr muss die Gefahrgutklasse 3 (Entzündbare Flüssigkeiten) mit gekennzeichnet werden (Gefahrzettel 8/3). Lösungen mit mindestens 50 Masse-% und höchstens 80 Masse-% Säure werden nur noch der Klasse 8 (Ätzende Stoffe) mit der Verpackungsgruppe II (Stoffe mit mittlerer Gefahr) zugeordnet (Gefahrzettel 8). Für Lösungen mit mehr als 10 Masse-% und weniger als 50 Masse-% Säure gilt die Klasse 8 (Ätzende Stoffe) mit der Verpackungsgruppe III (Stoffe mit geringer Gefahr) (Gefahrzettel: 8).
Nach demGlobal harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) gilt Essigsäure als entzündbare Flüssigkeit der Kategorie 3 mit Ätzwirkung auf die Haut (Kategorie 1A). Die anwendbarenH- und P-Sätze sind H314 (verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden), H226 (Flüssigkeit und Dampf entzündbar) sowie P280 (Schutzhandschuhe/Schutzkleidung/Augenschutz/Gesichtsschutz tragen), P305+P351+P338 (Bei Kontakt mit den Augen: Einige Minuten lang behutsam mit Wasser spülen. Vorhandene Kontaktlinsen nach Möglichkeit entfernen. Weiter spülen) und P310 (Sofort Giftinformationszentrum oder Arzt anrufen).[89]
Essigsäure kann über denVerdauungstrakt, dieAtemluft und die Haut aufgenommen werden. Essigsäure wird über denCitratzyklus und dieAtmungskette in allenZellen des Körpers unter Energiegewinnung zu Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser (H2O) als letztendlicheStoffwechselprodukte veratmet. Essigsäure kann über die Lungen ausgeatmet werden. Konzentrierte Essigsäure wirkt stark reizend auf die Haut und die Schleimhäute.[90] Nach körperlichem Kontakt mit der Säure muss daher mit angemessener Sorgfalt gehandelt werden, um Verätzungen, Augenschäden und Reizungen derSchleimhäute zu vermeiden; Hautblasen treten zum Teil erst Stunden nach der Einwirkung auf. Längerer Hautkontakt mit Eisessig führt zur Gewebezerstörung der betroffenen Partien.
Eine Exposition in der Atemluft über acht Stunden bei einer Konzentration von 10 ppm kann zu Reizungen der Augen sowie der Nasen- und Mundschleimhäute sowie Reizungen des Luftwegs im Hals führen. Konzentrationen über 1000 ppm führen zu starken Reizungen und können nicht über einen längeren Zeitraum ertragen werden. Alsletale Dosis gelten 20 bis 50 Gramm Essigsäure, bei Kindern liegt der Wert bei 5 bis 10 Gramm.[90]
Längerfristiger Kontakt mit Essigsäure entfettet die Haut und führt gegebenenfalls zuEkzemen. Ein direkter Kontakt der Essigsäure mit den Augen, etwa durch Spritzer, führt möglicherweise zurErblindung. EineSensibilisierung gegenüber Essigsäure ist selten, ist aber aufgetreten.[91]
Essigsäure ist im Wasser leicht biologisch abbaubar und ist nichtbioakkumulativ. Als Acetat ist es nicht akutfischgiftig bis zu Konzentrationen von 1000 mg/l. Auf Insekten wie denKupferfarbenen Buntgrabläufer wirkt es nicht toxisch bis zu einer Austragsrate von 1000 l/ha. Bei Ratten wurde als mittlere letale Dosis (LD50-Wert) 3310 mg je kg Körpergewicht festgestellt.[92]
Im13C-NMR, gemessen inDeuterochloroform, liefert der Carbonylkohlenstoff einen Peak bei einer chemischen Verschiebung von 178,12 ppm und der Kohlenstoff derMethylgruppe einen Peak bei einerchemischen Verschiebung von 20,8 ppm.[94] Im1H-NMR, gemessen in Deuterochloroform, liefert der Wasserstoff der Säurefunktion einen Peak bei einer chemischen Verschiebung von 11,42 ppm und die Wasserstoffe der Methylgruppe einen Peak bei 2,098 ppm.[94]
Gängige und quantitative Bestimmung von Essigsäure wird mittelsGaschromatographie durchgeführt.[95]
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