Ernst Günther Schmidt
Ernst Günther Schmidt (*16. Januar1929 inLeipzig; †28. Februar1999 ebenda) war ein deutscherKlassischer Philologe und Ordinarius für Gräzistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Als Wissenschaftler derDDR genoss er in Ost und West gleichermaßen hohes Ansehen.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Studium
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Schmidt studierte von 1947 bis 1952Altertumswissenschaften undGermanistik in Leipzig. Dabei nahm er unter anderem an altertumswissenschaftlichen, germanistischen und philosophischen Kollegs vonFranz Dornseiff,Maximilian Lambertz,Wilhelm Schubart,Hans Mayer undErnst Bloch teil.
1958 wurde er mit einer Studie zurPolemik zwischenStoa undPeripatos im 118. BriefSenecas zum Dr. phil. promoviert.
Berlin und Tiflis
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Bereits im Jahr zuvor begann er eine Tätigkeit amInstitut für griechisch-römische Altertumskunde in Berlin, wo er innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft zur hellenistischen und römischen Philosophie bis 1961 an der Vorarbeiten zu einer geplantenEpikur-Ausgabe beteiligt war.
1961 veröffentlichte Schmidt eine vielbeachtete Schrift über „Die altarmenische Zenon-Schrift“. Für seine Arbeit zur Datierung undQuellenanalyse dieses neu entdeckten Textes eines Namensvetters des griechischen PhilosophenZenon betrieb Schmidt umfangreiche Archivstudien inTiflis undJerewan und wertete die reiche russischsprachige Sekundärliteratur aus. Besonders diese Akribie brachte Schmidt über die Grenzen derDDR hinaus fachliches Ansehen ein.
Jena
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Durch die Zenon-Studie wurde ebenfalls derGräzistFriedrich Zucker, zu dieser Zeit einer der Direktoren des Akademie-Instituts, auf Schmidt aufmerksam und bot ihm eineHabilitation an. 1963 schloss Schmidt diese mit einer Untersuchung zum Begriff des Guten in der hellenistischen Philosophie ab.
Ab 1964 arbeitete Schmidt alsDozent in Jena, 1974 erhielt er dort eine außerordentlicheProfessur. Dennoch sollte es bis 1987 dauern, ehe er zumOrdinarius für griechische Literatur an derUniversität Jena berufen wurde. Der Grund für diese vergleichsweise späte Berufung – Schmidt war 58 Jahre alt – mag zum einen in dem geringen Stellenwert, den die Klassische Philologie bei der politischen Führung der DDR genoss, zu suchen sein, zum anderen aber auch in direktem Zusammenhang mit der Person Schmidts stehen. Als Mitglied derCDU hatte er sich zeitlebens derSED verweigert und war u. a. gegenüber seinen Kollegen durch Rezitationen der „Drahtharfe“Wolf Biermanns aufgefallen. Gastprofessuren, die ihm im westlichen Ausland angeboten worden waren, musste er indes aufgrund der politischen Möglichkeiten ablehnen. Bis zu seinerEmeritierung 1994 blieb er als Lehrstuhlinhaber in Jena, wo er nicht zuletzt eine sehr intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Universitäten, vor allem der vonTiflis, förderte. In seinen letzten Lehrjahren nahm er verschiedene Gastprofessuren wahr, unter anderem in Würzburg, Tiflis, Innsbruck und Leipzig.
Trotz seiner fachlichen Reputation gelang es ihm hingegen nur selten, Schüler als Doktoranden oder gar Habilitanden anzunehmen. Sein erster Doktorand war 1967 – der später bekannt gewordene Leipziger Schriftsteller –Volker Ebersbach mit seiner Dissertation über den römischen SatirikerTitus Petronius („Petrons Stellung zu den sozialen Kräften der frühen Kaiserzeit“). Schmidt wollte 1975 auch gemeinsam mit dem InstitutsleiterFriedmar Kühnert, dass Ebersbach eine freigewordene Stelle als Oberassistent in Jena bekomme, bei ihm habilitiere und sein Nachfolger würde. Das scheiterte aber, weil Ebersbach nicht Mitglied der SED war und es auch nicht werden wollte. Dieses Dilemma trieb Ebersbach in den Versuch, als freier Schriftsteller durchzukommen, was schließlich von Erfolg gekrönt war.
Kurz nach seinem 70. Geburtstag starb Ernst Günther Schmidt in seiner Heimatstadt Leipzig an einemHerzinfarkt.
Forschungsschwerpunkte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Als Forscher zeigte Schmidt eine große Bandbreite. In über 200 Publikationen, die in 12 Ländern veröffentlicht wurden, widmete er sich den verschiedensten Themen innerhalb seiner Disziplinen. Thematische Schwerpunkte bildeten die frühgriechische Dichtung, die klassische griechische Literatur, die römische Literatur und die Nachwirkung der Antike in Mittelalter, deutscher Klassik und im Werk von Karl Marx. NebenMonografien und vielfältigen Aufsätzen verfasste er zahlreiche Artikel für wissenschaftliche Nachschlagewerke wie denKleinen Pauly und dasHistorische Wörterbuch der Philosophie.
Ein großes Forschungsinteresse galt der griechischenEpik, speziell demLehrgedicht sowie der Lyrik und Tragödie. Für letztere untersuchte er besonders die WerkeSapphos undPindars bzw. die desAischylos und desSophokles. In den Studien zur Tragödie untersuchte er sowohl die orientalischen Einflüsse auf dasEpos als auch dieTypologie desHeros.
Einen weiteren wissenschaftlicher Schwerpunkt Schmidts bildete diePhilosophie. Er widmete einzelne Schriften sowohl demAtomismus und seinen VertreternDemokrit undLukrez unter besonderer Berücksichtigung derKosmologie in der Dreiheit „Himmel-Erde-Meer“ als auchStraton,Epikur und derStoa, der altarmenischen Philosophie sowieCicero und Seneca als Vertretern der römischen Philosophen. Obwohl in seiner Lehre der Fokus auf die griechische Literatur gerichtet war, trat in seinen Forschungen auch die römische Welt stärker in den Vordergrund, so auch in Abhandlungen zur römischen DichtungVergils,Horazens und desAusonius. Dabei reichte sein Interesse zeitlich weit über die Antike hinaus, wie zum Beispiel die Untersuchungen zuGiordano Bruno belegen.
Darüber hinaus untersuchte Schmidt auchhistoriographische Fragestellungen beiHerodot undPlutarch und forschte zurGattungsgeschichte vonDiatribe undSatire.
Außerdem wandte er sich verstärkt derAntikenrezeption in der deutschen Klassik (Johann Joachim Winckelmann,Johann Wolfgang von Goethe undFriedrich Schiller) und derWissenschaftsgeschichte zu. Dabei fanden vor allem die Werke von Franz Dornseiff undGottfried Hermann Berücksichtigung und ebenso die Jenaer Gräzistik um 1800.
Daneben beschäftigte sich Schmidt zunehmend mitkomparatistischen Fragestellungen. Zeitlebens bemühte er sich intensiv darum, Antikes und Antikenrezipierendes einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dieser Ansatz führte nicht nur zu zahlreichen Übersetzungen und Bearbeitungen der Werke griechischer und lateinischer Autoren, sondern auch zu interdisziplinären Projekten. So widmete er eine Untersuchung einerAntigone-Aufführung mit musikalischer Unterlegung von WerkenFelix Mendelssohn Bartholdys. Zeitweilig arbeitete er auch als Lehrbeauftragter an derHochschule für Musik und Theater Leipzig und an derMedizinischen Akademie Erfurt.
Ein weiteres Augenmerk Schmidts galt den Antiken-Studien vonKarl Marx. Er besorgte 1964 in Jena die erste Edition von Marx’ ungedruckt gebliebener DissertationsschriftDifferenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie. Die zweite, 1983 erschienen Auflage versah er zudem mit einem ausführlichen altertumswissenschaftlichen Kommentar.
Darüber hinaus arbeitete Schmidt in verschiedener Funktion für denPhilologus, die einzige klassisch-philologische Zeitschrift der DDR. Neben zahlreichen Aufsätzen nahm er zwischen 1964 und 1970 und ab 1993 eine Funktion als Mitherausgeber wahr und betreute die Zeitschrift zwischen 1971 und 1992 sogar als Hauptherausgeber, wobei er es verstand, deren Ruf als wissenschaftliches Organ frei von politisch-weltanschaulicher Färbung auch im westlichen Ausland zu erhalten.
Veröffentlichungen (Auswahl)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Griechenland und Rom. Thüringen 1996,
- Erworbenes Erbe. Studien zur antiken Literatur und ihrer Nachwirkung.Reclam, Leipzig 1988,ISBN 3-379-00349-2,
- Шмидт Э. Г. Традиция и новаторство в «Пролегоменах» Давида Непобедимого // Философия Давида Непобедимого М., «Наука», 1984. С. 63–73.
- Die altarmenische „Zenon“ Schrift (=Abhandlungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst. Jahrgang 1960, Nr. 2). Akademie-Verlag, Berlin 1961.
- Der 118. Brief Senecas. Eine Studie zur Polemik zwischen Stoa und Peripatos. 1958.
Nachruf
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Jürgen Werner: Ernst Günther Schmidt †,Gnomon 72 (2000), S. 472–476.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Personendaten | |
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NAME | Schmidt, Ernst Günther |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Klassischer Philologe |
GEBURTSDATUM | 16. Januar 1929 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 28. Februar 1999 |
STERBEORT | Leipzig |