Emil Jellinek

Emil Jellinek-Mercédès (*6. April1853 inLeipzig; †21. Januar1918 inGenf; bis 1903Emil Jellinek) war einösterreichisch-ungarischer Geschäftsmann, Diplomat undAutomobilrennfahrer.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Emil Jellinek war der Sohn des WienerRabbiners und GelehrtenAdolf Jellinek und seiner Ehefrau Rosalie, geborene Bettelheim. Rosalie Bettelheim kam 1832 inBudapest zur Welt. Sie verstarb 1892 inBaden bei Wien. Emil Jellinek war in erster Ehe mit Rachel Goggmann Cenrobert (1854–1893), aus einer inAlgier ansässigen französisch-sephardischen Familie, verheiratet. Dieser Ehe entstammen die Kinder Adolph,Fernand Raoul undMercédès Adrienne Ramona Manuela.
In zweiter Ehe war er ab 1899 mit Madeleine Henriette Dittholer[1] oder Anaise Engler[2] verheiratet; die Angaben sind widersprüchlich. Sie hatten die Kinder Alain Didier, Guy, René und Andrée (genannt „Maja“). Emil Jellinek war im Hinblick auf seine Schulbildung das schwarze Schaf in seiner Familie: Der Vater ein Gelehrter, auch die Mutter sehr belesen, die beiden Brüder Professoren, ihm aber lag das schulische Lernen nicht. Mehrmals wechselte er erfolglos die Schule, mit siebzehn kam er bei einer Eisenbahngesellschaft unter, mit neunzehn ging er nach Frankreich. Durch die Beziehungen seines Vaters holte ihn der österreichische Konsul nachTanger undTetuan, womit seine Karriere im diplomatischen Dienst begann.

1874 erhielt Jellinek eine Einberufung nach Wien zum Militärdienst, wurde jedoch als untauglich befunden, kehrte als Vizekonsul nachAlgerien zurück, organisierte einen Tabakhandel mit seinem künftigen Schwiegervater als Partner und wurde bald recht wohlhabend. Er übernahm nebenbei eine Funktion für eine französische Versicherungsgesellschaft, für die er auch in Wien eine Zweigstelle ins Leben rief, heiratete inOran, die ersten beiden Söhne wurden dort geboren. Mit der Österreich-Repräsentanz der Versicherungsgesellschaft betraut, zog Jellinek mit der Familie 1884 nach Baden bei Wien, wo er sich später, nachdem dort 1889 die Tochter Mercédès geboren war, die eindrucksvolle Villa Mercedes erbauen ließ. Das Versicherungsgeschäft blühte, auch an der Börse war Jellinek sehr erfolgreich, doch als Mercédès vier Jahre alt war, starb die Mutter. Die Winter verbrachte die Familie nun häufig an derRiviera, wo Kontakte zu heimischem Adel und internationaler Geschäftswelt angeknüpft wurden. Dort begann Jellineks Faszination für das Automobil.
Das erste Fahrzeug von Emil Jellinek war einDe Dion-BoutonTricycle, später folgte eineLéon-Bollée-Voiturette und eineBenz-Kutsche. Als er 1896 43-jährig durch einDMG-Inserat in denFliegenden Blättern auf die Cannstatter Firma aufmerksam wurde, reiste er nach Cannstatt, um mehr überGottlieb Daimler undWilhelm Maybach zu erfahren und bestellte einenDaimler-Wagen. Dies war der Beginn einer für beide Seiten sehr fruchtbaren Zusammenarbeit.
Ab 1898 vertrieb Emil Jellinek, der Zugang zur Finanz-Hautevolee und vor allem zur Hautefinance Frankreichs hatte, nun Daimler-Automobile und meldete sie, um den Verkauf anzukurbeln, auch bei Autorennen an. Dabei soll er, inspiriert vom Namen seiner TochterMercédès Adrienne Manuela Ramona, selbst unter demPseudonym „Monsieur Mercédès“[3] an Rennen teilgenommen haben.[4] Dies wird allerdings als eine durchBraunbecks Sportlexikon[5] 1910 in die Welt gesetzte Legende bestritten.[6] Richtig sei hingegen, Jellinek habe seinen Daimler-Tourenwagen seiner zehnjährigen Tochter zuliebe auf ihren Rufnamen getauft und als Rennwagen angemeldet, damit am 21. März 1899 bei derSemaine automobile in Nizza mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 34,57 km/h gesiegt. Jedoch erst ein Jahr später seien unter den Pseudonymen „Mercedes I“ und „Mercedes II“ die FahrerWilhelm Bauer undHermann Braun bei der Rennwoche in Nizza gestartet. Andererseits schreibt Robert Dick in seinem Buch über Autorennen in derBelle Epoque (in Übersetzung):[7]
„Jellinek registrierte für das Rennen nach Magagnosc einen4,9 l Phoenix für den Fahrer ‚Mercédès‘, und nach 85km und 2h 27min 30sec war es Mercédès, der gesiegt hatte. Wen ließ Mercédès hinter sich? Zwei weitere 4,9l unter ‚Dr. Pascal‘ und Arthur de Rothschild, die beiden besten Kunden des Jellinek-Teams. Natürlich war es Jellinek, der hinter ‚Mercédès‘ stand. Hinter ‚Dr. Pascal‘ verbarg sich der ArztHenri de Rothschild […], Neffe des Bankiers Arthur. Aber die Hauptarbeit an den Lenkrädern der Rothschild-Daimler wurde von Hermann Braun undWilhelm Werner geleistet, wenigstens, wenn keine prominenten Zuschauer in Sicht waren. Offenkundige Pseudonyme gehörten zum guten Ton […] ein Tripelsieg, selbst wenn das Rennen nur ein vornehmes Kaffeekränzchen war – und randvolle Bestellbücher.“
Ob Vater Mercédès oder Auto Mercédès – der Vorname von Jellineks Tochter war jedenfalls bald bekannt. Im April 1900 wurde „Mercedes“ zur Produktbezeichnung für eine neue, von Jellinek angeregte Fahrwerks- und Motorkonstruktion, die den Namen „Daimler-Mercedes“ trug. Ab 2. April 1900 hatte Emil Jellinek bis 1909 einen Sitz im Aufsichtsrat der DMG und bestellte insgesamt 36 Automobile für die seinerzeit horrende Summe von 550.000Goldmark (entspricht 2025 ca. 4.640.000Euro), woran er aber die von DMG akzeptierte Bedingung nach dem Alleinvertrieb in Österreich-Ungarn, Frankreich, Belgien und den USA knüpfte, wo die Fahrzeuge „Mercedes“ heißen sollten. Im übrigen Vertriebsbereich hießen die neuen Wagen mit größerer Spurweite, niedrigerem Schwerpunkt und stärkerer Motorleistung einfach „Neuer Daimler“. Im Juni 1902 wurde „Mercedes“ dann alsWarenzeichen angemeldet und drei Monate später auch gesetzlich geschützt. Im Juni 1903 wurde Emil Jellineks Antrag bewilligt, seinen Familiennamen aufJellinek-Mercédès abzuändern, und nach der Villa Mercedes in Baden bei Wien entstand eine zweite „Villa Mercedes“ inNizza, der später dort noch eine weitere „Villa Mercedes II“ folgen sollte.
Jellineks Interesse an Autos flaute allmählich ab, es kam zu immer größeren Meinungsverschiedenheiten, so dass er schließlich bei DMG ausschied und sich seiner konsularischen Karriere ganz widmete.

1907 wurde Jellinek österreichisch-ungarischer Generalkonsul in Nizza, und kurze Zeit später Konsul vonMexiko. Ab 1909 war er Leiter des österreichisch-ungarischen Konsulats inMonaco. Er trennte sich völlig von seinen Handelsgeschäften, hatte aber zuvor eine Reihe von Immobilien erworben – zwei Hotels in Nizza, eines in Paris, Casinos, ein immensesChâteau Robert zwischen Nizza und Toulon, die zwar als sein Privatsitz galt, aber kaum genutzt wurde, die beiden Villen Mercedes I und Mercedes II in Nizza, beide an derPromenade des Anglais gelegen. Die Villa Mercedes in Baden erhielt einen Nachbarn, die Villa Didier, und dort wurde weitergebaut, bis der Komplex „Mercedeshof“ schließlich 50 Zimmer, 8 Bäder und 23 Toiletten umfasste. Seit 1945 ist davon allerdings nur mehr der Garagentrakt erhalten.[2]
Kurz vor Ausbruch des Weltkrieges sollte Jellinek in Österreich für seine französischen Besitzungen besteuert werden. Er überschrieb seine Badener Villa den Kindern, die auf denSemmering zogen, und er kam nicht mehr nach Österreich. Nach Kriegsbeginn wagte man in Frankreich in der Öffentlichkeit nicht mehr Deutsch zu sprechen. Jellinek wurde der Spionage verdächtigt, gleichzeitig verdächtigte man seine französische Frau in Österreich. Die Familie traf sich schließlich 1917 in Genf, wo Jellinek im Jahr darauf im Alter von 64 Jahren starb. Er wurde auf demCimetière du Chateau in Nizza in unmittelbarer Nähe zuLéon Gambetta beigesetzt.
Sein SohnRaoul Fernand Jellinek-Mercedes war förderndes Mitglied desWiener Musikvereins. Er war der Verfolgung durch dieNationalsozialisten ausgesetzt,[8] ebenso die Kinder von Mercédès.
Emil Jellinek-Mercédès’ Brüder sind der SprachwissenschaftlerMax Hermann Jellinek (1868–1938) sowie der StaatsrechtslehrerGeorg Jellinek (1851–1911).
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Hannes Stekl: Jellinek-Mercédès, Emil. In:Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974,ISBN 3-428-00191-5, S. 395 f. (Digitalisat).
- Jellinek-Mercedes Emil. In:Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1965, S. 103.
- Klaus Kempter:Die Jellineks 1820–1955. Droste Verlag, Düsseldorf 1998,ISBN 3-7700-1606-8.
- Guy Jellinek-Mercédès:Mon père, Monsieur Mercédès. Editions France-Empire, Paris 1961
- Mein Vater, der Herr Mercedes. Vom Autor aus dem Französischen. P. Neff, Wien 1962 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Robert Dick:Mercedes and Auto Racing in the Belle Epoque, 1895–1915. McFarland, Jefferson (North Carolina) 2005,ISBN 0-7864-1889-3.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Eintrag zuEmil Jellinek imAustria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Robert Dick:Mercedes and Auto Racing in the Belle Epoque, 1895–1915. McFarland, Jefferson (North Carolina) 2005,ISBN 0-7864-1889-3, S. 52 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche); und Ernst Probst:Mercedes Jellinek: Ein Kosename für ein Automobil (Memento desOriginals vom 27. September 2013 imInternet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/biografien-news.blog.de, Biographien-news
- ↑abJüdische Gemeinde: Mercedes-Villa Baden (Memento vom 8. Februar 2007 imInternet Archive)
- ↑Guy Jellinek-Mercédès:Mon Père, Monsieur Mercédès, frz. Originaltitel vonMein Vater, der Herr Mercedes, Neff, Wien-Berlin-Stuttgart 1962; und Robert Dick:Mercedes and Auto Racing in the Belle Epoque, 1895–1915, McFarland, Jefferson (North Carolina) 2005, S. 66:… nach Wien, der Heimatstadt von Monsiur Mercedes.
- ↑Emil Jellinek und seine Tochter Mercedes@1@2Vorlage:Toter Link/www2.mercedes-benz.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018.Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.. Website Mercedes-Benz Austria und Günther Strauß:Wie kommt Mercedes zu seinem Namen?. Gilthserrano Management-Magazine
- ↑Gustav Braunbeck:Sportlexikon. Automobilismus, Motorbootwesen, Luftschiffahrt, Braunbeck-Gutenberg Ag, 1910
- ↑Ernst Probst:Mercedes Jellinek: Ein Kosename für ein Automobil (Memento desOriginals vom 27. September 2013 imInternet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/biografien-news.blog.de, biografien-news, 5. Dezember 2006 undBiographien berühmter Leute (Memento desOriginals vom 27. September 2013 imInternet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/biografien-news.blog.de, biographien-news
- ↑Robert Dick:Mercedes and Auto Racing in the Belle Epoque, 1895–1915, McFarland, Jefferson (North Carolina) 2005, S. 33f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑Anett Krause, Cordula Reuß [Hrsg.]:NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig: [Katalog zur Ausstellung in der Bibliotheca Albertina, 27. November 2011 bis 18. März 2012]. Universitätsbibliothek Leipzig, Schriften aus der Universitätsbibliothek Leipzig; 25, 2011
Personendaten | |
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NAME | Jellinek, Emil |
ALTERNATIVNAMEN | Jellinek-Mercédès, Emil |
KURZBESCHREIBUNG | österreichisch-ungarischer Geschäftsmann, Konsul und Automobilrennfahrer |
GEBURTSDATUM | 6. April 1853 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 21. Januar 1918 |
STERBEORT | Genf |