
Robert Emil Eichhorn (*9. Oktober1863 inRöhrsdorf beiChemnitz; †26. Juli1925 inBerlin) war eindeutscherPolitiker (SPD,USPD undKPD),Reichstagsabgeordneter undJournalist. Während derNovemberrevolution wurde er am 9. November 1918 zumPolizeipräsidenten von Berlin ernannt. Am 4. Januar 1919 wurde er wegen Unterstützungmeuternder Soldaten abgesetzt. Dies und die Weigerung Eichhorns, sein Amt niederzulegen, führte einen Tag später zu Massendemonstrationen und mündete in denJanuaraufstand. Während derWeimarer Republik war er KPD-Abgeordneter imDeutschen Reichstags.
Eichhorn absolvierte von 1878 bis 1881 eine Lehre als Mechaniker und studierte kurzzeitig an einer privaten technischen Hochschule. 1881 trat er der damals auf Grund desSozialistengesetzes illegalenSAPD (später in SPD umbenannt) bei und begann für sozialdemokratische Zeitungen zu schreiben. Da er wegen seiner politischen Aktivitäten mehrfach seinen Arbeitsplatz verloren hatte, wurde er 1893 hauptamtlicher Parteifunktionär und war bis 1900Redakteur derSächsischen Arbeiterzeitung, dann derMannheimer Volksstimme und von 1905 bis 1908 Landessekretär der SPD inBaden. Im August 1908 lehnte er mit vier weiteren SPD-Abgeordneten das Budget ab, währendLudwig Frank und der Rest der Fraktion dem Budget entgegen den Beschlüssen des SPD Parteitages in Lübeck 1901 zustimmten.[1] Eichhorn war von 1901 bis 1909 auch Mitglied derZweiten Badischen Kammer und lag als Anhänger des linken Parteiflügels in ständigen Konflikten mit der von denRevisionisten dominierten regionalen Parteiorganisation.
1903 bis 1912 war Eichhorn als Abgeordneter des WahlkreisesGroßherzogtum Baden 9 (Ettlingen – Durlach – Pforzheim) Mitglied der SPD-Fraktion imDeutschen Reichstag.[2] Von 1908 bis 1916 leitete er das sozialdemokratische Pressebüro der Partei in Berlin.[3] Während desErsten Weltkrieges opponierte Eichhorn gegen dieBurgfriedenspolitik der Parteiführung und schloss sich 1917 der USPD an, deren Pressedienst er leitete. 1917 wurde er wegen der Herstellung und Verbreitung von Flugblättern zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Im August 1918 bat ihnPawel Borissowitsch Axelrod die sowjetrussische Telegraphenagentur zu leiten, ab September bis 4. November 1918 wurde sie umbenannt inROSTA. Von ihr wurde Eichhorn auch während seiner Zeit als Polizeipräsident bezahlt, was er später damit rechtfertigte, ihm sei von der preußischen Regierung kein Gehalt bezahlt worden.[4]
In der Novemberrevolution wurde er, wieLars-Broder Keil undSven Felix Kellerhoff schreiben, „mehr zufällig“ zum Berliner Polizeipräsidenten: DasPolizeipräsidium Alexanderplatz war am Morgen des 9. November von Truppen mitMaschinengewehren gesichert worden, die den ausdrücklichen Befehl erhalten hatten, es „bis zum letzten Mann“ zu verteidigen. Aufgrund des Schießverbots, das GeneraloberstAlexander von Linsingen am frühen Nachmittag verhängt hatte, feuerten sie nicht auf die heranziehenden Revolutionäre, die einen regelrechten Belagerungsring um das Gebäude errichteten. Parlamentäre wurden ausgeschickt, um die Situation zu bereinigen. Eichhorn, der etwas später dazugekommen war, übernahm die Verhandlungsführung und kurz darauf auch das Gebäude selbst.[5]
Eichhorns Bilanz als Polizeipräsident fällt uneinheitlich aus. Nach Keil und Kellerhoff agierte er ohne die gebotene parteipolitische Neutralität: Die radikale Linke wurde begünstigt, gemäßigte oder konservative Kräfte dagegen mitunter behindert.[6]Harry Graf Kessler charakterisierte ihn in seinem Tagebuch spöttisch als „Figur wie aus einerOffenbachschenOperette, der die öffentliche Ruhe sicherte, indem er bei Aufruhr die Aufrührer bewaffnete, und der deutschen Regierung diente, ohne auf seine Monatsgage ausRußland zu verzichten“.[7] Die FachzeitschriftDie Polizei beschrieb ihn am 13. März 1919 in einem boshaften Rückblick so:
„Präsident Eichhorn erschien alsNeurastheniker höchsten Grades: ein weichlich verschwommenes Gesicht, zerkauter, dünner Schnurrbart, nervöse Fingerbewegungen, unruhiges Auf- und Abtrippeln. Die Anrede ‚Herr Präsident‘ schmeichelte ihn sichtlich. Von denSoldatenräten sprach er immer als von ‚meinen Regierungsräten‘ …“[8]
Eduard Bernstein bezeichnet ihn 1921 „als Schrittmacher des extremen, auf eine gewaltsame Proklamierung der revolutionärenDiktatur des Proletariats hinarbeitenden Flügels der Berliner Opposition“.[9]
Da Eichhorns Beamte denrevolutionären Elan ihres neuen Polizeipräsidenten nicht teilten, sondern der Nation oder der Monarchie loyal gegenüberstanden, waren seinem revolutionären Wirken aber enge Grenzen gesetzt.[10] Bei derDemokratisierung undEntmilitarisierung der Berliner Polizei hatte er mehr Erfolg: Die neue Versammlungs- und Redefreiheit für Polizisten wurde mit Gleichmut angenommen, ebenso die Abschaffung dermilitärischen Grußformen. Die militärischen Einheiten derSchutzpolizei ließ Eichhorn auflösen, die Polizeiränge wurden denen der zivilen Beamtenschaft angepasst. Eichhorn lud Arbeiter ein, als „Revierbeisitzer“ die Tätigkeit allerPolizeireviere zu überwachen, und stellte eine eigene Sicherheitswehr auf. Die 1800 Mann der „Sicherheitstruppe Groß-Berlin“ begleiteten die Schupos auf deren Patrouillengängen durch die Stadt. Da all diese Maßnahmen erkennbar nur Provisorien darstellten, erhob sich innerhalb der Beamtenschaft kein Protest dagegen. Dass Eichhorn nicht noch mehr Erfolg hatte, lag an seiner Unerfahrenheit und falscher Prioritätensetzung: So verwandte er viel Zeit auf Fragen der Uniformierung und die Formulierung von Dienstvorschriften.[11] Sein Versuch, diePolitische Polizei aufzulösen und in dieKriminalpolizei zu integrieren, scheiterte am Widerstand der Kripo-Beamten. Sie erklärten auf einer Versammlung am 5. Dezember, sich nicht für politische Zwecke missbrauchen lassen zu wollen und beharrten auf ihrer politischen Neutralität.[12] Auch personalpolitisch agierte Eichhorn glücklos, denn der von ihm eingesetzte Kripochef Erich Prinz erwies sich als unfähig. Auch kam es während Eichhorns Amtszeit zu mehreren Fällen vonKorruption, normalerweise in der Berliner Polizei eine Seltenheit.[13]

Im Dezember 1918 meuterte die imBerliner Stadtschloss untergebrachteVolksmarinedivision. Aus Verärgerung über ausstehende Soldzahlungen plünderte sie und nahm den Berliner Stadtkommandanten, denMSPD-PolitikerOtto Wels als Geisel. In den daraufhin ausbrechendenWeihnachtskämpfen zwischen der Volksmarinedivision und regierungstreuen Truppen stellte sich Eichhorn mit der ihm unterstehenden Sicherheitswehr auf die Seite der Meuterer und organisierte Demonstrationen von Sympathisanten.[14] Damit war er als Polizeipräsident unhaltbar geworden. Die MSPD-nahe Presse veröffentlichte scharfe Polemiken gegen den Polizeipräsidenten und stellte ihn als vom Ausland bestochenenPutschisten hin.[15] Am 1. Januar 1919 schrieb derVorwärts: „Jeder Tag, an dem Eichhorn länger in seinem Amt bleibt, bedeutet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.“ Eichhorn war nach dem Rücktritt der USPD aus demRat der Volksbeauftragten der letzte Vertreter dieser Partei in einer Spitzenposition. Offen erklärte er, dass er eine Zusammenarbeit der USPD an denSpartakusbund favorisierte, aus dem in eben diesen Tagen die KPD hervorging.[6]
Am 3. Januar 1919 teilte Eichhorn dem preußischen Innenminister und MinisterpräsidentenPaul Hirsch mit, er erkenne ihn nicht als weisungsberechtigt an.[16] Am Tag darauf entließ ihn dieser mit einem knappen Entlassungsschreiben.[17] Obwohl die Entlassung vonZentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik undVollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates Groß-Berlin mit großer Mehrheit bestätigt wurde, beschloss Eichhorn, sie nicht zu akzeptieren: Mit Rückendeckung der Berliner USPD und derRevolutionären Obleute, die Eichhorns Absetzung einen „niederträchtigen Anschlag gegen die revolutionäre Arbeiterschaft“ nannten, weigerte er sich, die Amtsgeschäfte an seinen NachfolgerEugen Ernst zu übergeben, als dieser im Polizeipräsidium am Alexanderplatz erschien. Weil Eichhorn von Soldaten und Demonstranten unterstützt wurde, musste Ernst, der unvorsichtigerweise ohne Truppenbegleitung erschienen war, das Feld räumen.[18] Das preußische Innenministerium verbot daraufhin allen Berliner Polizisten, Befehle Eichhorns auszuführen. Auch die von ihm selbst aufgebaute Sicherheitswehr rückte von ihm ab, da ihr von der Regierung Lohnfortzahlung in Aussicht gestellt worden war und sie Angst vor einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem Militär hatte.[19]
Am 5. Januar 1919 erschienDie Rote Fahne, dasZentralorgan der KPD, mit einem Bericht über die angeblich heimtückische Absetzung Eichhorns durch die führenden MSPD-PolitikerFriedrich Ebert undPhilipp Scheidemann, die die Arbeiter damit angeblich „um den letzten Rest der revolutionären Errungenschaften“ bringen wollten.[6] Dies löste eine Großdemonstration für seine Wiedereinsetzung aus: Eichhorns Anhänger trafen sich an den Germaniasälen in derChausseestraße, wo dieser die Kompromisse mit der MSPD, auf die sich die USPD in den letzten Wochen eingelassen hatte, für einen Fehler erklärte. Man zog gemeinsam südwärts bis zurSiegesallee imTiergarten, wo sich der Demonstrationszug mit einem anderen vereinigte, der eigentlich eine raschereDemobilisierung forderte, sich aber nun dem Protest gegen die Absetzung Eichhorns anschloss. Gemeinsam marschierte man unter Hochrufen aufKarl Liebknecht,Rosa Luxemburg und Emil Eichhorndie Linden hinunter bis zum Alexanderplatz. Dort angekommen hielt Eichhorn von einem Balkon des Polizeipräsidiums herab eine Rede, in der er ausrief „Ich habe mein Mandat von der Revolution erhalten und werde es nur der Revolution zurückgeben […] Ich verlasse mich auf die Macht de Proletariats.“ Auch Liebknecht,Georg Ledebour undErnst Däumig hielten Reden. Diese Demonstration von mehreren Zehntausend Menschen war die größte seit Beginn der Novemberrevolution.[20] Sie war der Auslöser für denSpartakusaufstand, der vonFreikorps blutig niedergeschlagen wurde.[21]

Nach seiner Absetzung flüchtete Eichhorn, der seit dem 14. Januar 1919 per Haftbefehl gesucht wurde,[22] nachBraunschweig.[23] Im Untergrund verfasste er eine subjektiv gefärbte Rechtfertigung seiner zweimonatigen Amtsführung als Polizeipräsident, die 1919 veröffentlicht wurde. Nach Ansicht des Polizeihistorikers Hsi-huey Liang liest sie sich „wie ein revolutionäresPamphlet“. Ihr wird daher nur ein eingeschränkter Quellenwert zugebilligt.[10] Bei der durch Niederschlagung des Aufstands möglich gewordenen Wahl zurWeimarer Nationalversammlung wurde Eichhorn am 19. Januar 1919 gewählt, am 6. Juni 1920 dann auch in denReichstag. Ende des Jahres schloss er sich als Mitglied des linken USPD-Flügels der KPD an. In deren Reichstagsfraktion erlangte er keine größere Bedeutung mehr.[24] Obwohl Anhänger der VorsitzendenPaul Levi undErnst Däumig und zeitweiliges Mitglied derKommunistischen Arbeitsgemeinschaft (KAG), verließ er nach derMärzaktion 1921 nicht die Partei und wurde jeweils im Mai und Dezember 1924 wieder in den Reichstag gewählt. Da Eichhorn weiterhin polizeilich gesucht wurde, musste er, da vor Verhaftungen nur durch seineparlamentarische Immunität geschützt, 1920 und 1924 nach jeder Parlamentsauflösung bis zur Wiederwahl untertauchen.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Eichhorn, Emil |
| ALTERNATIVNAMEN | Eichhorn, Robert Emil (vollständiger Name) |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Elektromonteur und Politiker (SPD, USPD), MdR |
| GEBURTSDATUM | 9. Oktober 1863 |
| GEBURTSORT | Röhrsdorf bei Chemnitz |
| STERBEDATUM | 26. Juli 1925 |
| STERBEORT | Berlin |