
Elisaweta Bagrjana (auch:Elisaveta;bulgarischЕлисавета Багряна; *29. April1893 inSofia,Bulgarien, alsElisaweta Ljubomirowa Beltschewa,bulgarischЕлисавета Любомирова Белчева; †24. März1991 ebenda) war eine bulgarischeLyrikerin, die unter anderemKinder- und musikalische Gedichte schrieb. Sie gilt als die erste bulgarischeDichterin, die in ihren Werken offen über ihre innigsten Gefühle als Frau sprach.[1]
Elisaweta Bagriana wurde 1893 als Tochter eines Beamten in Sofia geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie inSliwen. Die Familie war mit dem DichterDobri Tschintulow bekannt und auch der Vater schrieb Verse, die man im Hause zu geeigneten Melodien sang.[2]
Bis 1911 besuchte Bagrjana die Gymnasien inTarnowo und Sofia. Direkt nach dem Abgang vom Gymnasium war sie ein Jahr lang Lehrerin im Dorf Awtane (heute Nedjalsko) imBezirk Jambol. Hier kam sie mit den Bauern zusammen, wurde kundig mit ihren Sitten und Gebräuchen,Legenden und Liedern und wurde der vergleichbaren freudlosen Schicksale der Frauen auf dem Lande ansichtig.[2] Sie nahm ein Studium derSlawischen Philologie an derKliment-Ochridski-Universität Sofia auf.[2][3][4] Sie schätzte unter anderem die Gedichte vonPejo Jaworow und war von dessen Selbstmord betroffen, hatte ihn jedoch nicht persönlich gekannt. Einer ihrer Cousins war mit dem DichterLjudmil Stojanow befreundet und über diesen bekam sie Zugang zu einem Dichterkreis, der alltäglich einenBoulevard entlang schlenderte und dabei Gedichte vortrug.[2] Mit der Zeit lernte sie weitereIntellektuelle undSchriftsteller jener Zeit kennen und fand in einigen von ihnen Förderer ihres eigenenTalentes.[1] So ließJordan Jowkow 1915 ohne ihr Wissen die beiden Gedichte von ihr,Abendlied undWarum, in der ZeitschriftSawremenna missal („Zeitgenössisches Gedankengut“) drucken, und zwar unter demPseudonym E. Beltschewa. Dies gilt als ihrDebüt, doch nahm sie die beiden Gedichte nie in ihre späteren Bücher auf.[2]
Es folgten sechs Jahre als Lehrerin inKjustendil undWraza. Noch immer veröffentlichte sie nichts, obwohl sie beständig schrieb.[2] Erst 1921 sandte sie Gedichtproben an die ZeitschriftWestnik sa shenata. Diese wurden nicht nur angenommen, sondern obendrein die Autorin zur Mitarbeit eingeladen.[2] Bagrjana machte nun die Schriftstellerei zu ihrem Beruf und arbeitete für verschiedene bulgarische Zeitungen und Zeitschriften,[1][3] darunterSavremenik undZlatorog.[4]
In Dichterkreisen wurde sie da schon positiv wahrgenommen.[2][4] Sie fertigte auch Übersetzungen von unter anderemAnna Achmatowa undMarina Zwetajewa an.[2]
1927 erschien der erste LyrikbandVečnata i svjatata, dessen Titel im Deutschen zumeist mitDie Ewige und die Heilige wiedergegeben wird. Bagrjanas Stil ist ein durchaus eigener, auch wenn leichte Anleihen bei den von ihr übersetzten Achmatowa und Zwetajewa auszumachen sind.[2] ImMetzler Autorinnen Lexikon heißt es: „Ihre Gedichte sind manchmal leichtepisch, manchmal traditionell liedhaft, verarbeiten alte bulgarischeMythen oder erinnern an mittelalterlichePastorale.“[3] Die auffälligen liedhaften Strukturen werden immer wieder hervorgehoben.[1][5]
Inhaltlich wendet sich Bagrjana gegen diespießerhafte Beschränktheit der Gesellschaft und für das Ausleben von Gefühlen (wie dem Liebesrausch) und Sehnsüchten (wie der Welterkundung).[2] Sie wehrt sich gegen Alltäglichkeit, Eingrenzung und Eintönigkeit in der traditionellen Selbstaufopferungsrolle der Frau in der Familie.[3] Sie ergriff das Wort für das Bestreben der jüngeren Generation von Frauen nach Gleichheit, freier Meinungsäußerung, vollwertigem Leben und einem würdigen Platz in der Gesellschaft.[6]
Der Band versprüht laut derEssaysammlungZeitgenössische bulgarische Dichter eine Stimmung wie ein „Toben von Leidenschaften, ein Wirbel von Stimmungen und Hoffnungen, die Beichte eines sich hingebenden Herzens“.[5] Die beiden Figuren des Buchtitels (denen jeweils ein eigenes Gedicht gewidmet ist) „Die Ewige“ und „Die Heilige“ sind „Symbolbilder für die Frau und Mutter, die liebt oder leidet“.[6] Diese leidenschaftliche und demPatriarchat nicht länger hörige Kampfansage gegen allesAsketische, Lebensfremde und Erstarrte – im Leben selbst wie in der Literatur – war neu in der bulgarischen Literatur.[5][6][7]Die Ewige und die Heilige festigte Elisaweta Bagrjanas Ansehen als bedeutende Poetin[1] und fand gleichermaßen – wenn nicht gar mehr –Resonanz in der Bevölkerung.[3][4][5]
Nach der Scheidung der ersten Ehe 1926 und dem plötzlichen Tod des FreundesBojan Penew 1927 wirkte sie der psychischen Erschütterung mittels Flucht ins Ausland entgegen, und zwar nach Paris und Venedig. Erfahrungen schlugen sich in den nächsten beiden Gedichtbänden,Zvezda na morjaka (im Deutschen zumeist alsStern des Matrosen wiedergegeben, 1932) undSărce čoveško (im Deutschen zumeist alsDas menschliche Herz wiedergegeben, 1936) nieder, wobei in letzterem auch Zweifel, Tragik, Enttäuschung undPessimismus Einzug hielten.[3] Hier brach sie mit formalen Normen wieRhythmik undMetrum. Die Ergebnisse lassen sie als Vorläuferin des Wandels in der bulgarischen Gegenwartslyrik erscheinen.[2] Beide Bücher belegten aufs Neue ihreSeelenverwandtschaft mit Anna Achmatova.[4]
Sie verbrachte dieKriegsjahre in Sofia.[3] Nach dem Krieg war sie von der bevorstehenden tiefgreifenden Gesellschaftsänderung in RichtungSozialismus überzeugt und drückte dies in ihrem GedichtbandPet Zvezdi (Fünf Sterne) von 1953 aus.[2][3]
Ein Jahr zuvor hatte sie schon ein gemeinsam mit Maria Popowa verfassten Kinderbuch mit dem TitelČuden san (Чуден сан;Ein wunderbarer Traum) veröffentlicht. Weitere Arbeiten für Kinder folgten später. Noch davor war ihr die ehrenvolle Aufgabe zuteilgeworden, zusammen mitNikola Furnadshiew undMladen Issajew den Text für die(von 1950 bis 1964 gültige) Nationalhymne Bulgariens zu schreiben.
InOt brjag do brjag (Von Ufer zu Ufer) aus dem Jahr 1963 fand sie wieder zu ihrem alten Stil zurück, ohne in den früheren jugendlichen Übermut zu verfallen. An dessen Stelle tratAltersweisheit. Im GedichtKladenecăt (Der Brunnen) symbolisiert der Brunnen sie selbst und all ihr Erlebtes, woraus sie nun Kraft schöpfen und Ruhe finden kann.[3] Zudem erfuhr das Heimatmotiv eine Vertiefung.Uiski s led i sălzi (Уиски с лед и сълзи;Ein Whisky mit Eis und Tränen) handelt zum Beispiel von einem Mann, der materiellen Wohlstand in der Fremde mit dem Verlust der Heimat erkauft.[8]
Elisaweta Bagrjanas Schaffen lässt sich summarisch alsemotional geprägte Poesie beschreiben.[9] Als anspruchsvolle Künstlerin veröffentlichte sie nicht unbedacht, sondern wählte streng aus, weshalb viel Zeit zwischen den Buchveröffentlichungen verging.[2]
Sie starb 1991 im Alter von 97 Jahren in einem Altersheim für Literaturschaffende und Schauspieler.[6]
Sie war Mitglied im bulgarischen Schriftstellerverband[2] und Trägerin desDimitroff-Preises.[9] Ihre Gedichte wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und den verschiedensten Ländern verlegt.[1]
„Elissaweta Bagrjana brachte in die bulgarische Dichtung eine zärtliche, rebellierende, vorwärtsgerichtete Weiblichkeit und Offenheit ein. Das artete aber nicht in Sentimentalität und in qualvolle Pein aus. Sie erreichte in ihrer poetischen Welt Harmonie und innere Konzentration, die von einer großen Kunst zeugen.“
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Bagrjana, Elisaweta |
| ALTERNATIVNAMEN | Beltschewa, Elisaweta Ljubomirowa (Geburtsname); Багряна, Елисавета (bulgarisch); Белчева, Елисавета Любомирова (bulgarisch); Bagrjana, Elissaweta; Bagrjana, Elisaveta; Bagriana, Elisabeth (deutsch) |
| KURZBESCHREIBUNG | bulgarische Schriftstellerin |
| GEBURTSDATUM | 29. April 1893 |
| GEBURTSORT | Sofia |
| STERBEDATUM | 24. März 1991 |
| STERBEORT | Sofia |