Eiter

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springenZur Suche springen
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unterEiter (Begriffsklärung) aufgeführt.
EitrigeBindehautentzündung
Eine umkapselte Eiteransammlung (Abszess)

Eiter (von althochdeutscheitar „giftiges Geschwür, Gift“;[1]lateinischpus,griechisch πύονpyon) ist ein typischerweise gelbgrünlichesExsudat aus weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und eingeschmolzenem Gewebe, das im Rahmen einer zellulären, von Bakterien ausgelöstenEntzündungsreaktion im Körper vonWirbeltieren entsteht. Von den Abwehrzellen spielen vor allem dieneutrophilen, polymorphkernigen Leukozyten eine zentrale Rolle. Meist entsteht diese Form einer Entzündung als Reaktion auf einebakterielle Infektion. Es gibt jedoch auch nicht-infektiös verursachten Eiter, wie beispielsweise bei derPsoriasis pustulosa.[2] Das Absondern von Eiter wird alsEitern,Eiterung,putride Sekretion oderSchwären[3] bezeichnet, der Abfluss von Eiter alsPyorrhoe.

Inhaltsverzeichnis

Beschaffenheit

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Eiter hat eine unterschiedlicheViskosität (von dünnflüssig bis dick) und unterschiedliche Farben (von blassgelb bis grün und – im Falle vonPseudomonas-Infektionen – blaugrün). Auch der Geruch hängt von der beteiligten Bakterienart ab; bei Infektionen mitE. coli beispielsweise riecht der Eiter nach Fäkalien.

Eiter tritt bei eitrigen phlegmonösen Entzündungen, eitrigen (putriden) abszedierenden Entzündungen, Empyemen und eitrigen Katarrhen auf.[4]

Eine abgekapselte Ansammlung von Eiter im Gewebe wird alsAbszess bezeichnet, eine Eiteransammlung in Körperhöhlen alsEmpyem. Bei Auftreten in der Brusthöhle wird von einemPleuraempyem oder Pyothorax, in Gelenken von einemPyarthros, beim Nierenbecken von einerPyonephrose gesprochen. Die umgangssprachliche Bezeichnung „Eiterbeule“ kann sowohl für einen eingeschmolzenenLymphknoten als auch für einen Abszess, einenFurunkel oder einenKarbunkel stehen, aber auch für eineAcne inversa.

Pathogenese

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Die Einschmelzung des Gewebes erfolgt dabei durch Einwirkung vonproteolytischenEnzymen, die von den Leukozyten oder – im Fall einer infektiösen Ursache – von denpyogenen (eiterbildenden)Erregern gebildet werden.

Beispiele purulenter Erkrankungen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Prinzipien der Behandlung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Nahezu immer sollte angestrebt werden, eine Eiteransammlung zu entlasten, so dass das Sekret abfließen kann. „Ubi pus, ibi evacua“ – „Wo Eiter ist, dort entleere ihn“ – dieser demHippokrates von Kos zugeschriebene lateinische Leitsatz[5] hat vor allem im Kiefer- und Gesichtsbereich eine besondere Bedeutung: In diesem Bereich droht durch die Verbindung der dortigen Venen mit jenen des Gehirns die Gefahr einerHirnvenenthrombose (Sinus-cavernosus-Thrombose); sieheFurunkel.

Neben den üblichen Verfahren derseptischen Chirurgie – Spalten einesAbszesses, Einlegen einfacherDrainagen – verwendet man Spül-Saug-Drainagen, um eine Wundhöhle zu reinigen. Beim vereiterten Knochen (Osteomyelitis) wurden sogar Ketten aus nicht resorbierbarenGentamicin-haltigen Kunststoffperlen in die Höhlung gebracht, die man zu einem späteren Zeitpunkt wieder ziehen musste.

Die Anwendung vonAntibiotika beim fortgeschrittenenFurunkel oder bei einemAbszess im Muskel- oder Fettgewebe, der durch einen Granulationswall vom Körper abgeschottet ist, hat meistens keinen heilenden Effekt und wird als nutzlos angesehen. Das Medikament dringt gar nicht in die Eiterung ein.

Bei anderen Eiterungen hingegen, wiePhlegmonen,Empyemen und anderen, ist die Situation anders – hier werden septische Begleiterscheinungen befürchtet. Bei multiplen kleinen Leberabszessen ist die alleinige Langzeitgabe von wirksamen Antibiotika einer Operation sogar vorzuziehen, weil so in vielen Fällen Heilung beobachtet wurde. Bei der Anwendung ist zwischen lokaler Applizierung, z. B. als Pulver oder Salbe (Zugsalbe), und systemischer Gabe der Antibiotika zu unterscheiden. Mit systemischer Gabe ist die Aufnahme in den Blutkreislauf über den Magen-Darm-Trakt oder die Infusion gemeint. Das Medikament wirkt danach überall im Körper, auch im Bereich der Wunde.

Pyogene Keime können wie alle Erreger eineAntibiotikum-Resistenz entwickeln und diese an andere Keime weitergeben. Durch Konzentration von Kranken (Keimbelastung) einerseits und die oft zu großzügige und ungezielte Antibiotikatherapie (Entwicklung von Resistenz ohne vorherige Keimtestung) im Krankenhaus fürchtet man hier die Selektion hauseigener multiresistenter Problemkeime, die resistent gegen fast alle verfügbaren Antibiotika sind. Man spricht dabei vom „infektiösenHospitalismus“. Die allgemeine Strategie seiner Bekämpfung ist simpel, aber verständlicherweise nicht immer erfolgreich: Beispielhafte Hygiene und sparsame, sinnvolle (nur indizierte) und laufend bezüglich der Effektivität überprüfte Antibiotikaverordnung.

Geschichte

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Der Begriff „Eiter“ stand im Mittelalter neben der (modernen) pathologischen Bedeutung von Eiter auchhumoralpathologisch für Gift bzw.Materia peccans.[6] Eine spezifischeVereiterung (Geschwür bzw. Abszess) wurde lateinischapostema (Apostem) genannt.[7] In der Medizin des 19. Jahrhunderts gab es den Begriff despus bonum et laudabile, des sogenannten „löblichen“ Eiters. Gemeint war hier der sogenannte „reine“, rahmig-gelbeStaphylokokken-Eiter, ohne den eine Wundheilung damaliger Ansicht zufolge nicht stattfinden konnte.

Hippokrates von Kos zufolge sollten Wunden wie größere Quetschwunden, bei offenen Knochenbrüchen, Lanzen- und Pfeilwunden nur durch Eiterung heilen.[8] Gegen die vom Mittelalter (etwa beiRoger Frugardi im 12. Jahrhundert undGuy de Chauliac, der die Möglichkeit einerprimären Wundheilung bestritt, im 14. Jahrhundert) bis in die Neuzeit verbreitete Vorstellung, dass Eiter (bzw. Eiterung bei Offenlassen der Wunde) zur Wundheilung notwendig sei und sogar erzeugt werden müsse, wandten sich (jedoch ohne breitere Wirkung) um 1200Hugo von Lucca,[9] im 13. JahrhundertTeodorico Borgognoni und im 14.Heinrich von Mondeville.[10]

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Wiktionary: Eiter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Eiter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Friedrich Kluge,Alfred Götze:Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. Hrsg. vonWalther Mitzka. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975,ISBN 3-11-005709-3, S. 161.
  2. W. Böcker, H. Denk, P. U. Heitz, H. Moch (Hrsg.):Pathologie. 4. Auflage. Elsevier Urban & Fischer, 2008,ISBN 978-3-437-42382-6.
  3. Vgl.Duden:eitern.
  4. Ekkehard Grundmann (Hrsg.):Einführung in die Allgemeine Pathologie und in Teile der Pathologischen Physiologie. 1976; 5. Auflage. Stuttgart/New York 1985, S. 90.
  5. Repetitorium Palliativmedizin: Zur Vorbereitung auf die Prüfung Palliativmedizin, Kap. 8.3.5 in der Google-Buchsuche
  6. Jürgen Martin:Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (=Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52),ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 125.
  7. Vgl. etwaFrühneuhochdeutsches Wörterbuch.
  8. Nicolai Guleke:Kriegschirurgie und Kriegschirurgen im Wandel der Zeiten. Vortrag gehalten am 19. Juni 1944 vor den Studierenden der Medizin an der Universität Jena. Gustav Fischer, Jena 1945, S. 10.
  9. Nicolai Guleke:Kriegschirurgie und Kriegschirurgen im Wandel der Zeiten. Vortrag gehalten am 19. Juni 1944 vor den Studierenden der Medizin an der Universität Jena. Gustav Fischer, Jena 1945, S. 10.
  10. Friedrich Wilhelm Gierhake:Asepsis. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.):Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973,ISBN 3-87185-021-7, S. 33–42, hier: S. 36.
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch wird dadurch eine Diagnose durch einen Arzt ersetzt. Bitte hierzu denHinweis zu Gesundheitsthemen beachten!
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Eiter&oldid=250389333
Kategorien: