EinEinparteiensystem (als Nebenform auchEinparteisystem) oder eineParteidiktatur ist einpolitisches System, bei dem die alleinige Herrschaft einerPartei gesetzlich festgeschrieben ist. DieStaats- oder Einheitspartei ist meist einer bestimmtenIdeologie verpflichtet und hat langfristig die alleinigeRegierungsgewalt inne, wobei keine Parteien, die echte inhaltlicheOpposition beziehen, zugelassen sind. Einparteiensysteme stehen grundsätzlich in fundamentalem Widerspruch zurkompetitiven,pluralistischen Parteienvielfalt.[1] Einparteiensysteme können im Regelfall nur mit staatlichem Druck und/oder Gewalt gegenüber der Bevölkerung und unter Einschränkung der Bürgerrechte aufrechterhalten werden.
Während in manchen Parteidiktaturen tatsächlich nur eine einzige zugelassene Partei existiert, erlauben andere Staaten die Existenz weiterer, sogenannterBlockparteien, die aber die absolute Führungsrolle der Einheitspartei akzeptieren müssen und nicht zu ihr im Wettbewerb stehen dürfen. Wahlen haben den Charakter vonScheinwahlen, bei denen stets nur eine Liste antritt, die eventuell vorhandene Blockparteien einschließt. Die Existenz von Blockparteien ändert dabei nichts am Charakter des Einparteiensystems.[1]
Ungenau und im übertragenen Sinn werden auch Staaten mitMehrparteiensystemen, die langfristig von einer Partei dominiert werden, bisweilen als „(faktische) Einparteienstaaten“ bezeichnet. Andere Parteien bleiben zwar offiziell zugelassen, haben jedoch aufgrund benachteiligender Gesetze, offener Repression, mangelnder finanzieller Ressourcen oder unzureichender Infrastruktur keine reale Chance auf einen bedeutenden Anteil an der Machtausübung. Wettbewerb zwischen den Parteien findet jedoch statt, und solche politischen Systeme müssen nicht zwangsläufig einen undemokratischen Charakter aufweisen.[2]
Als historisch erstes Einparteiensystem giltLiberia, das zwischen 1878 und 1980 von derTrue Whig Party regiert wurde.[2]
Nach derOktoberrevolution in Russland etablierte sich dort ein Einparteiensystem zunächstleninistischer, später dannmarxistisch-leninistischer Prägung, das zum Vorbild für dieVolksrepubliken derNachkriegszeit wurde. Staatstragende Partei war die (seit 1912 ausschließlich aus den radikalenBolschewiki bestehende)Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands, welche sich 1918 inKommunistische Partei Russlands (Bolschewiki) und nach der Gründung derSowjetunion 1925 inKommunistische Allunions-Partei (WKP) umbenannte. Bis spätestens 1923 wurden alle anderen Parteien verdrängt, aufgelöst oder assimiliert.
Die kemalistisch-sozialdemokratischeCumhuriyet Halk Partisi war Einheitspartei der RepublikTürkei von ihrer Gründung 1923 bis zum Übergang zum Mehrparteiensystem 1946.
Nach dem Vorbild desitalienischen Faschismus (Machtergreifung Oktober 1922) kamen vor allem in Europa in den 1920er und 1930er Jahren faschistische Einparteiensysteme an die Macht, beispielsweise dieNSDAP inDeutschland (Januar 1933), dieVaterländische Front inÖsterreich oder dieUstascha imUnabhängigen Staat Kroatien. Nach 1945 existierten rechtsgerichtete Einparteiensysteme noch in Spanien bis zum TodFrancisco Francos 1975, inPortugal bis zurNelkenrevolution 1974 sowie in manchenMilitärdiktaturen inLateinamerika (etwa in derDominikanischen Republik unterTrujillo) oderAsien. AuchMexiko, das von 1929 bis 2000 durchgehend von derPartido Revolucionario Institucional (PRI) regiert wurde, trug charakteristische Züge eines Einparteienstaats.[3]
Nach demZweiten Weltkrieg setzten sich in vielen Ländern kommunistische Parteien durch, wie beispielsweise in derVolksrepublik China oder inJugoslawien. Vor allem hatte die Sowjetunion (wo bis zu seinem Tode 1953Josef Stalin als Alleinherrscher regierte) durch politischen Druck, Repressalien oder Scheinwahlen bewirkt, dass in nahezu allen von ihr während des Weltkriegs besetzten Ländern ebenfalls kommunistische Einparteiensysteme an die Macht kamen, wo sie sich dann meistens bis zum Ende desKalten Krieges 1989 halten konnten (auch in der Sowjetunion selbst blieb bis zu deren Zerfall 1990 die KPdSU als einzig zugelassene Staatspartei an der Macht). In den sowjetischenSatellitenstaaten des sogenanntenOstblock gab esBlockparteisysteme, in denen sich verschiedene Parteien der Führung der marxistisch-leninistischen Partei unterwarfen, ein pluralistisches Mehrparteiensystem also nur zum Schein gegeben war. Vereinzelt bestehenautokratische Systeme nach sowjetisch-diktatorischem Muster bis heute (wie etwa inNordkorea, s. o.).
Vieleafrikanische undarabische Staaten wurden nach ihrer Unabhängigkeit ebenfalls Einparteienstaaten. Meist stellten die ehemaligen Befreiungsbewegungen nach der Erlangung der Unabhängigkeit die Regierungen, z. B. inEritrea,Angola,Syrien (Baath-Partei) oderAlgerien.
In Ägypten stürzten GeneralMuhammad Nagib undGamal Abdel Nasser 1952 den König und riefen am 18. Juni 1953 eine Republik aus. Nasser stürzte 1954 General Nagib und bestimmte bis zu seinem Tod 1970 als Präsident die Politik.
Ein Einparteiensystem legitimiert sich in der Regel selbst, in Einklang mit der herrschenden Ideologie des Staates. So gibt es bei den unterschiedlichen Einparteiensystemen auch unterschiedliche Legitimationstheorien. Zu den Wichtigsten zählen die folgenden:
Sozialistische Einparteiensysteme bezeichneten sich oft alsDiktatur des Proletariats, um den Unterschied zur bürgerlichen Demokratie, der Diktatur desKapitals, zu betonen. DieKommunistische Partei ist, laut Eigenbezeichnung, nach dem Prinzip desdemokratischen Zentralismus aufgebaut, der die Wählbarkeit von unten nach oben und die Rechenschaftspflicht von oben nach unten als zentrales Merkmal besitzt. Die Politik der (kommunistischen) Partei sei somit Ausdruck des Willens der Mehrheit des Volkes beziehungsweise der Arbeiterklasse. In der Realität wich die Politik allerdings oft stark von dem Volkswillen ab. Beispiele für solche Systeme sind unter anderem dieSowjetunion, dieVR China oderKuba.
Die vonMustafa Kemal Atatürk begründete Staatsideologie derRepublik Türkei, der Kemalismus, diente bis zur Zulassung weiterer Parteien Mitte der 1940er Jahre als Legitimation für die Alleinherrschaft derCHP. Nach den Sechs Pfeilern des Kemalismus, bestehend ausRepublikanismus,Populismus,Laizismus,Revolutionismus,Nationalismus undEtatismus, wird nicht im Interesse einzelnerKlassen,Volksgruppen oderReligionen gehandelt, sondern im Interesse der ganzen Nation. Die kemalistische Partei ist also Ausdruck einer Herrschaft im Interesse aller. Innere Widersprüche würden durch den festgeschriebenen Revolutionismus ständig überwunden. Nach dieser Theorie war jede oppositionelle Partei unnötig.
Faschistische Diktaturen zeichnen sich durch einen stark autoritären Führungsstil, einenPersonenkult um die diktatorische Führungsfigur sowie durch den Versuch der Massenmobilisierung gegen innere und äußere Feinde und Randgruppen aus.[4.1] Diese Massenmobilisierung wird auch durch omnipräsente Staatsparteien vorangetrieben; die Existenz rivalisierender Parteien als oppositionelle Operationsbasen läuft der internen Allumfassungslogik der faschistischen Ideologien zuwider.[4.2]
Während faschistische Parteien sich in ihrer Frühphase noch gewissen internen Auslese- und Wahlprozessen unterziehen, um eine politische Elite innerhalb der Partei herauszubilden, wächst mit der Zeit (und besonders nach einer politischen Machtergreifung) die Tendenz, dass die politische Basis der Partei ihre ohnehin begrenzte Teilhabe an politischen Entscheidungsfindungsprozessen verliert und Anweisungen ausschließlich von oben nach unten weitergegeben werden.[4.1] Imdeutschen Nationalsozialismus wurde diese Praxis ab den 1920er-Jahren imNSDAP-Sprachgebrauch alsFührerprinzip bezeichnet,[4.3] im italienischen Faschismus war der Personenkult umBenito Mussolini alsducismo bekannt,[4.4] die Doktrin der Unfehlbarkeit desFrancisco Franco hießcaudillaje.[4.5]
Seit dem Fall dersozialistischen Staaten in Osteuropa und der gleichzeitigen Demokratisierungwelle in Afrika ist die Zahl der Einparteiensysteme stark zurückgegangen. 2018 können noch sechs Staaten offiziell als Einparteienstaaten betrachtet werden:[2]
International nicht allgemein anerkannt:
Zuletzt gabenSyrien undTurkmenistan jeweils 2012 das Einparteiensystem auf und erlaubten formal Oppositionsparteien. Allerdings kontrollieren auch dort nach wie vor dieBaath-Partei bzw. dieDemokratische Partei Turkmenistans das politische System. 2024 wurde in Syrien die Diktatur der Baath-Partei gestürzt.
De facto bestehen außerdem inKambodscha (Kambodschanische Volkspartei),Ruanda (Ruandische Patriotische Front) undVenezuela (Partido Socialista Unido de Venezuela) politische Verhältnisse, die auf undemokratische Weise von einer einzigen Partei dominiert werden.
- ↑abPetra Bendel:Einparteisystem. In:Dieter Nohlen,Rainer-Olaf Schultze,Suzanne S. Schüttemeyer (Hrsg.):Politische Begriffe (= Lexikon der Politik. Band 7). Beck, München 1998,ISBN 978-3-406-36911-7, S. 140.
- ↑abcWilliam Roberts Clark, Matt Golder, Sona Nadenichek Golder:Principles of Comparative Politics. 2. Auflage. CQ Press, Los Angeles 2013,ISBN 978-1-60871-679-1, S. 611 f.
- ↑Sandra Weiss: Zurück zum Einparteienstaat. Mexikos Demokratie in Gefahr. In: Journal für Internationale Politik und Gesellschaft. 12. November 2024, abgerufen am 1. November 2025.
- ↑Stanley G. Payne:A History of Fascism, 1914–1945. Routledge, London 1996,ISBN 978-1-85728-595-6.
- ↑abS. 14–16.
- ↑S. 91.
- ↑S. 160.
- ↑S. 217 f.
- ↑S. 26.