Egon Franke

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springenZur Suche springen
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum polnische Fechter sieheEgon Franke (Fechter) (1935–2022).
Egon Franke, 1976

Egon Franke (*11. April1913 inHannover; †26. April1995 ebenda) war ein deutscherPolitiker (SPD). Er war vom 22. Oktober 1969 bis zum 4. Oktober 1982Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen und vom 17. September bis zum 1. Oktober 1982Vizekanzler derBundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Jahre

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Nach dem Besuch derVolksschule absolvierte Egon Franke eine Lehre zumTischler und bildete sich anschließend an einer Kunstgewerbeschule zumKunsttischler fort.

1929 trat Franke der SPD bei. Bis 1933 war er Vorsitzender derSozialistischen Arbeiterjugend in Hannover.

Zeit des Nationalsozialismus

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Von 1933 bis zu seiner Verhaftung 1934 gehörte er der linkssozialdemokratischenWiderstandsorganisationSozialistische Front an. 1935 wurde er wegen Vorbereitung zumHochverrat verurteilt und verbrachte zweieinhalb Jahre imZuchthaus.

Von 1943 bis 1945 nahm er als Soldat imStrafbataillon 999 amZweiten Weltkrieg teil und geriet nach Fronteinsatz und Verwundung in amerikanischeKriegsgefangenschaft.

Nachkriegszeit und Landespolitik

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft gehörte Franke 1945 zu den Mitbegründern der SPD in der StadtHannover und im damaligenLand Hannover.

Von 1945 bis 1947 war FrankeRatsherr der Stadt Hannover. Vom 23. August 1946 bis zum 29. Oktober 1946 war er Mitglied desernannten Hannoverschen Landtages (dort stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion), vom 9. Dezember 1946 bis zum 28. März 1947 Mitglied desernannten Niedersächsischen Landtages und vom 20. April 1947 bis zum 30. April 1951Mitglied des ersten gewähltenNiedersächsischen Landtages.[1]

Parteiämter

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Von 1947 bis 1952 war Egon Franke hauptamtliches Mitglied im SPD-Parteivorstand. Von 1952 bis 1970 war er Bezirksvorsitzender der SPD Hannover und von 1950 bis 1970 Vorsitzender des Landesausschusses derSPD Niedersachsen. Von 1964 bis 1973 war Franke Mitglied des Präsidiums der SPD. Innerparteilich positionierte sich Franke bei denKanalarbeitern, einer Gruppe vorwiegend nicht-akademischer Abgeordneter des rechten, gewerkschaftsnahen Parteiflügels, die bis in die 1980er Jahre über erheblichen Einfluss verfügte und deren führender Kopf er seit Anfang der 1960er Jahre war. Seine Rolle als Wortführer der Kanalarbeiter brachte ihm den Spitznamen „Canale Grande“ ein.[2]

Bundespolitik

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Am 6. Mai 1951 wurde Egon Franke imWahlkreis Hannover-Nord für den verstorbenenBruno Leddin in den erstenDeutschen Bundestag nachgewählt. Das Mandat wurde am 17. Mai wirksam.[3] Dem Parlament gehörte er seitdem bis zum Ende der 10.Wahlperiode am 18. Februar 1987 an. Mit Ausnahme derBundestagswahl 1957 wurde er in seinem Wahlkreis stets direkt gewählt: 1953 und 1961 im Wahlkreis Nr. 40 „Stadt Hannover-Nord“, 1965 bis 1976 im Wahlkreis Nr. 36 „Hannover I“, 1980 und 1983 im Wahlkreis Nr. 36 „Stadt Hannover I“. Vom 13. Dezember 1966 bis 1969 war er stellvertretender Vorsitzender derSPD-Bundestagsfraktion und vom 26. Januar 1967 bis 1969 Vorsitzender desBundestagsausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen.

Im Zuge der Diskussionen um dieAPO veröffentlichte Franke einen Offenen Brief an einen jungen Anhänger der APO.[4]

Minister für innerdeutsche Beziehungen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Otto Winzer,Willi Stoph, Willy Brandt und Egon Franke (von links nach rechts) beimErfurter Gipfeltreffen.

Nach derBundestagswahl 1969 wurde er am 22. Oktober 1969 zumBundesminister für innerdeutsche Beziehungen in der vonBundeskanzler Willy Brandt (SPD) geführtensozial-liberalenBundesregierung ernannt.[5] Dieses Amt behielt er ab 1974 auch unter BundeskanzlerHelmut Schmidt (SPD) bei. Mit 13 Jahren Amtszeit imBundesministerium für innerdeutsche Beziehungen war er Rekordhalter in diesem Ressort, das von 1949 bis 1969 „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen“ hieß und bis zum 18. Januar 1991 bestand.[6] Zudem war er der einzige Bundesminister, der während der gesamten Amtszeit der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt im gleichen Ressort amtierte.

Als Minister befürwortete er den von Bundeskanzler Helmut Schmidt konzipiertenNATO-Doppelbeschluss auch gegenüber innerparteilichen Gegnern.

Nach dem Bruch dersozialliberalen Koalition war er ab dem 17. September 1982 zusätzlichVizekanzler. Mit der Wahl vonHelmut Kohl (CDU) zum neuen Bundeskanzler am 1. Oktober 1982 endete die Amtszeit der kurzzeitigen SPD-Minderheitsregierung. Bis zum Amtsantritt des von denCDU/CSU- undFDP-Bundestagsfraktionen getragenen christlich-liberalen Kabinetts am 4. Oktober 1982 blieben Franke und die übrigen SPD-Minister geschäftsführend im Amt.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt geriet sein Umgang mit öffentlichen Geldern in die Kritik. Franke und seinMinisterialdirektor Edgar Hirt hatten zwischen 1979 und 1982 knapp 6,02 Millionen Mark (das entspricht inflationsbereinigt heute ca. 6.300.000 EUR), die für humanitäre Maßnahmen in derDDR, insbesondere für denHäftlingsfreikauf bestimmt waren, für andere Zwecke verwendet und durch falsche Deklaration derparlamentarischen Kontrolle entzogen.[7] Franke wurde am 17. Dezember 1986 vomLandgericht Bonn von der Anklage wegenUntreue freigesprochen, während Hirt im gleichen Prozess wegen Untreue in Tateinheit mitBetrug zu einerFreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt wurde.[8]

Spätere Jahre

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Nach derBundestagswahl 1983 wäre Egon Franke entsprechend der Tradition als ältestes MitgliedAlterspräsident des Bundestages gewesen, nachdem er bereits 1980 nachHerbert Wehner (SPD) undFranz Amrehn (CDU/CSU) drittältester Abgeordneter gewesen war. Aufgrund der gerade anhängigen Untersuchungen verzichtete er jedoch zugunsten des nächstjüngeren Abgeordneten und SPD-ParteivorsitzendenWilly Brandt darauf, die Eröffnungsrede des Bundestages zu halten. ZurBundestagswahl 1987 trat Egon Franke nicht mehr als Kandidat an und schied damit nach rund 36 Jahren Mitgliedschaft aus dem Bundestag aus.

Ehrungen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  • 1968:Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland
  • 1973: Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland[9]
  • 1975: Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland
  • 1979: Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
  • 1994:Niedersächsische Landesmedaille
  • In Frankes hannoverschem WohnstadtteilBothfeld ist seit 2003 derEgon-Franke-Weg nach ihm benannt.

Ämterstatistik

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Parteiämter

  • Mitglied des Parteivorstandes der SPD (1947–1952)
  • Bezirksvorsitzender der SPD Hannover (1952–1970)
  • Vorsitzender des Landesausschusses der SPD Niedersachsen (1950–1970)
  • Mitglied im Präsidium der SPD (1964–1973)

Abgeordnetenmandate

  • Mitglied des Rates der Stadt Hannover (1945–1947)
  • Mitglied des ernannten Hannoverschen Landtages (1946)
  • Mitglied des ernannten Niedersächsischen Landtages (1946–1947)
  • Mitglied des gewählten Niedersächsischen Landtages (1947–1951)
  • Mitglied des Deutschen Bundestages (1951–1987)

Regierungsämter

  • Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen (1969–1982)
  • Stellvertreter des Bundeskanzlers (1982)

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  • Markus Gloe:Egon Franke. In: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hrsg.):Kanzler und Minister 1949–1998. Biografisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen. Wiesbaden 2001, S. 252–256.
  • Katrin Grajetzki,„Kanalarbeiter und Minister“. Der Sozialdemokrat Egon Franke (1913 – 1995), Verlag J.H.W. Dietz, Bonn 2019,ISBN 978-3-8012-4266-4, (Inhaltsverzeichnis und Leseprobe)

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Commons: Egon Franke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Barbara Simon:Abgeordnete in Niedersachsen 1946–1994. Biographisches Handbuch. Hrsg. vom Präsidenten des Niedersächsischen Landtages. Niedersächsischer Landtag, Hannover 1996, S. 103–104.
  2. Die Kanalarbeiter. In: Erinnerungsorte der deutschen Sozialdemokratie. Friedrich-Ebert-Stiftung, abgerufen am 19. Mai 2016. 
  3. Allerdings wurde er in der folgenden 142. Bundestagssitzung am 22. Mai noch nicht begrüßt, sondern erst einen Tag später in der 143. Sitzung. Laut Datenhandbuch des Deutschen Bundestages war er aber ab dem 17. Mai 1951 Mitglied des Bundestages.
  4. Egon Franke:Aus dem Leben eines Funktionärs. Offener Brief an einen jungen Anhänger der APO.Neue Gesellschaft, 15 (1968), S. 473–477
  5. Bekanntgabe der Bildung der Bundesregierung. (PDF; 208 kB) In: Plenarprotokoll 6/4. Deutscher Bundestag, 22. Oktober 1969, S. 15, abgerufen am 19. Mai 2016. 
  6. Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers vom 18. Januar 1991. In: Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 6/1991. Bundesministerium der Justiz, 2. Februar 1991, S. 157, abgerufen am 19. Mai 2016. 
  7. „Außerhalb offizieller Regularien“. In:Der Spiegel.Nr. 7, 1983,S. 16 (online). 
  8. Urteil: Egon Franke. In:Der Spiegel.Nr. 52, 1986,S. 176 (online). 
  9. Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In:Bundesanzeiger. Jg. 25, Nr. 43, 9. März 1973.

Franz Blücher(FDP/FVP, 1949–1957) |Ludwig Erhard(CDU, 1957–1963) |Erich Mende(FDP, 1963–1966) |Hans-Christoph Seebohm(CDU, 1966) |Willy Brandt(SPD, 1966–1969) |Walter Scheel(FDP, 1969–1974) |Hans-Dietrich Genscher(FDP, 1974–1982) |Egon Franke(SPD, 1982) |Hans-Dietrich Genscher(FDP, 1982–1992) |Jürgen Möllemann(FDP, 1992–1993) |Klaus Kinkel(FDP, 1993–1998) |Joschka Fischer(Grüne, 1998–2005) |Franz Müntefering(SPD, 2005–2007) |Frank-Walter Steinmeier(SPD, 2007–2009) |Guido Westerwelle(FDP, 2009–2011) |Philipp Rösler(FDP, 2011–2013) |Sigmar Gabriel(SPD, 2013–2018) |Olaf Scholz(SPD, 2018–2021) |Robert Habeck(Grüne, seit 2021)

Jakob Kaiser(CDU, 1949–1957) |Ernst Lemmer(CDU, 1957–1962) |Rainer Barzel(CDU, 1962–1963) |Erich Mende(FDP, 1963–1966) |Johann Baptist Gradl(CDU, 1966) |Herbert Wehner(SPD, 1966–1969) |Egon Franke(SPD, 1969–1982) |Rainer Barzel(CDU, 1982–1983) |Heinrich Windelen(CDU, 1983–1987) |Dorothee Wilms(CDU, 1987–1991)

Kabinett Brandt I, 22. Oktober 1969 bis 15. Dezember 1972
Kabinett Brandt II, 15. Dezember 1972 bis 7. Mai 1974
Kabinett Schmidt I – 16. Mai 1974 bis 14. Dezember 1976
Kabinett Schmidt II – 16. Dezember 1976 bis 4. November 1980
Kabinett Schmidt III – 6. November 1980 bis 1. Oktober 1982
Bezirksvorsitzende der SPD Hannover

Kurt Schumacher (1945–1946) |Richard Borowski (1946–1950) |Bruno Leddin (1950–1951) |Egon Franke (1952–1970) |Peter von Oertzen (1970–1983) |Gerhard Schröder (1983–1993) |Wolfgang Jüttner (1993–2009) |Stefan Schostok (2009–2019) |Matthias Miersch (seit 2019)

Personendaten
NAMEFranke, Egon
KURZBESCHREIBUNGdeutscher Politiker (SPD), MdL, MdB
GEBURTSDATUM11. April 1913
GEBURTSORTHannover
STERBEDATUM26. April 1995
STERBEORTHannover
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Egon_Franke&oldid=242126617
Kategorien: