Nach ihrer Kindheit am schottischen Hof wurde Edith in die angelsächsischen Klöster Romsey und Wilton gebracht, wo sie eine klassische Ausbildung erhielt. Ihre Tante Christina zwang sie dort dazu, einen Schleier zu tragen, was verschiedene Konflikte nach sich ziehen sollte, da sie nie für eine geistliche Laufbahn bestimmt war. 1093 verließ sie das Kloster, wo sie sich danach aufhielt, ist nicht bekannt.
Im Jahre 1100 heiratete sieHeinrich I. von England und wurde zur englischen Königin gekrönt. Im Vorfeld musste mit einer Untersuchung durch den damaligen ErzbischofAnselm von Canterbury geklärt werden, ob Edith, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits Matilda nannte, heiratsfähig war oder ob sie im Kloster das Gelübde abgelegt hatte. Ersteres wurde bewiesen, woraufhin sie heiraten konnte. Sie undHeinrich bekamen zwei Kinder, den früh verstorbenen ThronfolgerWilliam Ætheling und die KaiserinMatilda, die nach dem Tod ihres Bruders Thronfolgerin wurde und um ihr Nachfolgerecht in der sogenanntenAnarchie kämpfen musste. Als Königin gründete Matilda II. einige Klöster und unterstützte darüber hinaus weitere religiöse Einrichtungen und Krankenhäuser. Außerdem war sie zeitweise Regentin, wenn der König außer Landes war. Sie galt als fromme und aktive Königin, für die nach ihrem Tod 1118 eineHeiligsprechung angestrebt, letztendlich jedoch nicht durchgeführt wurde.
Edith wurde vermutlich im Spätsommer oder frühen Herbst 1080 als fünftes Kind und erste Tochter desschottischen KönigsMalcolm III. und dessen FrauMargareta (auch bekannt als Heilige Margareta) geboren.[1.1][2.1] Da ihre Mutter die Enkelin vonEdmund Eisenseite und damit eine Nachfahrin vonAlfred dem Großen war,[3.1] gehörte auch Edith derangelsächsischen Dynastie von Wessex an. Auch ihr Name (wie auch die ihrer Brüder) war angelsächsischer Herkunft, die ihre Eltern hervorheben wollten. Vermutlich wurde sie nach der FrauEduards des Bekenners[1.2] sowie nach derHeiligen Edith benannt, der ein Kloster in Wilton geweiht ist, in dem die schottische Prinzessin einen Teil ihrer Jugend verbrachte. Die politische Bedeutung ihrer Herkunft spiegelte sich bereits in der Wahl ihrer Taufpaten wider:[2.1] zu diesen wurdenRobert Kurzhose, der als Gesandter gerade am schottischen Hof war, sowie dessen Mutter, die damalige englische KöniginMathilde von Flandern.[1.2]
Ihre frühe Kindheit verbrachte sie am schottischen Hof,[1.2] bevor sie 1086 (als sie vermutlich sechs Jahre alt war) zusammen mit ihrer Schwester Maria nachRomsey kam, wo im selben Jahr ihre Tante ChristinaNonne wurde. Innerhalb der folgenden sechs Jahre (wann genau ist nicht bekannt), kam sie nach Wilton. BeideKonvente waren angelsächsische Gründungen[1.3] und hatten bekannte Schulen.[3.2] Dort erhielt Edith eine klassische Ausbildung, die sie mit vielenrömischen Autoren vertraut machte, darunterOvid undCicero.[2.2]
Im Jahre 1093 wurde Edith mitAlain dem Roten verlobt, demGrafen von Richmond. Zu einer Heirat kam es jedoch nicht. Die genauen Umstände sind nicht eindeutig geklärt. In jedem Fall entführte Alain im August desselben Jahres ein anderes adeliges Mädchen, Gunnhild, aus demKloster und starb wenige Monate später (Gunnhild heiratete stattdessen seinen Bruder). Im Jahr ihrer Verlobung mit Alain besuchten zudem sowohl der damalige englische KönigWilhelm Rufus und Ediths VaterMalcolm III. denKonvent (obRomsey oder Wilton wird diskutiert), wo sie Edith verschleiert vorfanden.[1.4] Edith hatte nie dasGelübde abgelegt, war aber von ihrer Tante Christina, möglicherweise zu dieser ZeitÄbtissin, gezwungen worden, den Schleier zu tragen, als Schutz vor denNormannen.[1.5] Hieraus sollte in späterer Zeit eine Kontroverse entstehen, ob Edith eine Nonne geworden war (s. u.). Wilhelm Rufus, von demHermann von Tournai behauptet, er hätte ebenfalls um Ediths Hand anhalten wollen (vor ihm hätte dieÄbtissin[4] das Mädchen schützen wollen), verließ daraufhin das Kloster und sagte ein geplantes Treffen mit Malcolm inGloucester ab. Ihr Vater hätte ihr, als er sie sah, den Schleier vom Kopf gerissen und gesagt, er würde sie eher mit Alain dem Roten verheiraten als sie eine Nonne werden zu lassen.[1.6] Die Prinzessin war wohl von Anfang an nicht für eine geistige Laufbahn, sondern für eine Heirat bestimmt gewesen.[5.1] Sie hatte das Kloster bereits wieder verlassen, als ErzbischofAnselm von CanterburyOsmund von Sées, denBischof von Salisbury, anschrieb, und ihn aufforderte, die Tochter des Königs von Schottland dorthin zurückzubringen.[3.3]
Es ist nicht gänzlich geklärt, in welcher Reihenfolge diese Ereignisse (die Entführung Gunnhilds sowie die Besuche von Malcolm und Wilhelm) geschahen. Es existieren verschiedene Theorien, weithin akzeptiert wird die These, dass Wilhelm Rufus vor Malcolm imKonvente war und, da er selbst um Ediths Hand anhalten wollte, bei ihrem verschleierten Anblick dasKloster verließ und deshalb das Treffen mit Malcolm absagte. Allerdings wird diese Meinung auch teilweise angezweifelt.[6][7]
Nachdem sie das Kloster verlassen hatte, verlieren sich zunächst ihre Spuren. Ihr Vater und Bruder Eduard starben 1093, drei Tage darauf ihre Mutter Margareta, und es ist nicht klar, wo sich Edith danach aufhielt. Eine Möglichkeit wäre, laut Green, dass sie zusammen mit ihrer Schwester Maria in Südengland war.[5.1] Huneycutt zieht in Erwägung, sie könnte sich in Wilton oder am englischen Hof aufgehalten haben, wobei sie in ersterem Fall vermutlich keinen Schleier mehr getragen hätte.[1.7] In diese Zeit fällt auch ein abgelehnter HeiratsantragWilhelms II. von Warenne, dem Grafen von Surrey. Möglicherweise standen Edith und ihr späterer EhemannHeinrich zu dieser Zeit bereits in Kontakt zueinander (s. u.).[5.2]
Nachdem Heinrich I. im Jahr 1100 den Thron bestiegen hatte, sah er sich nach einer Ehefrau um, und seine Wahl fiel auf Edith.[3.1][5.3] Da sie aber während ihrer Ausbildungszeit im Kloster verschleiert gesehen worden war, gab es nun eine Auseinandersetzung darüber, ob sie bereits das Gelübde abgelegt hatte oder nicht.[3.2]Anselm von Canterbury, der im September 1100 nach einem langen Exil nach England zurückgekehrt war[3.4] untersuchte den Fall. Edith suchte ihn selbst auf und erklärte, wie ihre Tante sie dazu gezwungen hatte den Schleier zu tragen und dass sie niemalsNonne geworden war. Anselm berief daraufhin eineSynode inLambeth Palace ein, um die Legalität der vorgesehenen Ehe zu prüfen, wo Edith ebenfalls noch einmal aussagte.[5.4] Außerdem ließ er Untersuchungen in Wilton durchführen, wo sich keine Gegenbeweise für die Berichte der Prinzessin fanden.[1.8] Sowohl diese wie auch die Synode (bei der er nicht anwesend war) kamen zu dem Schluss, dass Edith keine Nonne geworden sei.[5.5] Bei der Synode wurde auch ein Brief vonLanfrank von Bec erwähnt, in dem er sich dafür aussprach, dass angelsächsische Frauen, die in Klöstern Zuflucht vor den Normannen gesucht hatten, nicht gezwungen werden könnten, Nonnen zu werden, und weiterhin heiratsfähig blieben. Schließlich entschied Anselm sich dafür, das Paar zu trauen, allerdings erfragte er am Tage der Hochzeit, dem 11. November 1100, vor der Kirche vonWestminster Abbey die Meinung des Volkes zu der Verbindung, wobei er die Vorfälle und den Prozess im Vorfeld schilderte. Erst als sich niemand dagegen aussprach, wurde die Trauung durchgeführt.[1.9]
Edith wurde zu Matilda II. von England gekrönt.[3.5] Wann sie den Namen Matilda annahm, ist umstritten. Ein Vorschlag lautete, dass sie den Namen bereits bei ihrer Taufe bekam, nach ihrer PatinMathilde von Flandern. Allerdings ist, so legte Huneycutt dar, Edith tatsächlich ihr Geburtsname.[1.10] Tyler schreibt, Matilda sei ihr „verheirateter Name“.[2.1] Hollister und Huneycutt erklären, dass sie sich bereits zuvor Matilda nannte und dass es nicht bekannt wäre, wann sie begonnen hat, sich so zu nennen.[1.10][3.1]
Edith (bzw. Matilda) und Heinrich scheinen sich bereits eine Zeit lang vor der Hochzeit gekannt zu haben, manche Quellen gingen sogar von einer Liebesheirat aus.[1.11] Tatsächlich argumentiert Hollister, dass Edith ein starkes Interesse an der Heirat gehabt haben muss, da sie auf Anselm zuging und sich dafür einsetzte, Heinrich heiraten zu dürfen.[3.6] Neben der persönlichen Beziehung gab es jedoch auch eine politische Komponente, welche vermutlich eine größere Rolle spielte:[1.11] Durch ihre Mutter war Edith Nachkommin des englischen KönigsEdmund II. und somitAlfreds des Großen aus der alten Familie derKönige von Wessex (s. o.).[3.1] Ihre Abstammung hatte mehrere Vorteile für Heinrich, denn mit ihren Nachkommen würden die normannische und dieangelsächsische Dynastie vereint[2.1] was auchHeinrichs Dynastie, die noch nicht lange auf dem englischen Thron war, zusätzlich legitimierte.[8.1] Zudem würden England und Schottland politisch näher zusammenrücken, da drei von Ediths Brüdern schottische Könige wurden und in deren Regierungszeit die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gut waren. Außerdem, so merkte Hollister an, hatte Heinrich in seinem Krönungsschwur gelobt, das alte angelsächsische Recht wiederherzustellen, was die Heirat mit Edith noch unterstrich.[3.7]
Es wurde diskutiert, ob es vor der GeburtMatildas schon zu einer Totgeburt im Sommer 1101 gekommen war, jedoch wird dies mittlerweile angezweifelt. So argumentiertChibnall, dass in einem solchen Falle zu wenig Zeit zwischen den beiden Schwangerschaften geblieben wäre, weswegen die Totgeburt unwahrscheinlich sei.[8.2] Zwei Jahre nach dem Tod von Matilda starb ihr Sohn beim Untergang desWeißen Schiffs, so dass die englische Thronfolge nicht mehr gesichert war. Infolgedessen brach nach dem Tod Heinrichs I., der trotz einer zweiten Heirat keinen Sohn mehr zeugte, ein Bürgerkrieg aus.[2.3]
Matilda hielt vorwiegend inWestminster Hof, begleitete ihren Ehemann aber auch auf seinen Reisen wohl auch in dieNormandie.[5.6] Ihr Hof bestand weitgehend aus Musikern, Dichtern und Gelehrten, sie selbst war gut gebildet (s. o.).[3.5] Sie verfügte über einen eigenen Haushalt[5.7] und über mehrere Ländereien, aus denen sie Einkommen bezog und über die sie juristische Macht ausübte. Viele ihrer Nachfolgerinnen auf dem englischen Thron taten dies bereits nicht mehr[1.12] und schon die zweite Frau von Heinrich galt als weniger aktive Königin.[3.5] Ein Beispiel für ihre Handlungsfähigkeit war, dass sie nicht nur ihren Ehemann begleitete, wie oben geschildert, sondern ihn teilweise auch vertrat, wenn er außer Landes war[5.8] und so z. B. in Heinrichs Abwesenheit demExchequer Court vorsaß. Außerdem galt sie als Förderin der Literatur[3.5] und der Kirche, zudem war sie bekannt für ihre Frömmigkeit. So gründete sie bspw. 1107 oder 1108 die Augustinerpriorei Holy Trinity inAldgate, London, stiftete außerdem ein Krankenhaus fürLeprakranke, dasSt. Giles gewidmet war, und unterstützte mindestens ein weiteres Haus inChichester. Was ihre persönliche Frömmigkeit anbelangt, so schreibtWilhelm von Malmesbury, sie sei in derFastenzeit barfuß zur Kirche gegangen und habe Kranken die Füße geküsst.[1.13] Ihr „spiritueller Ratgeber“ war Anselm von Canterbury[5.6] mit dem sie engen Briefkontakt hielt.,[2.4] Zu Beginn ihrer Regentschaft ließ sie zudem den Mönch Turgot dieVita Sanctae Margaretae verfassen, eineHeiligenvita über das Leben ihrer Mutter,[8.3] die wohl auch als eine Art Handbuch für eine gute Regentschaft dienen sollte.[1.2] Zeitweise wurde auch für Matilda eineHeiligsprechung angestrebt, sie wurde jedoch nie umgesetzt.[1.14]
Nach ihrem Tod am 1. Mai 1118 blieb sie ihren Untertanen als „Good Queen Maud“ in Erinnerung.[5.9] Drei Jahre nach ihrem Tod heiratete Heinrich – der zwei eheliche und mindestens zwanzig uneheliche Kinder hatte – ein zweites Mal.[5.10]
Marjorie Chibnall:The Empress Matilda. Queen Consort, Queen Mother and Lady of the English. Blackwell, Oxford u. a. 1992,ISBN 0-631-15737-9.
Judith A. Green:Henry I. King of England and Duke of Normandy. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2006,ISBN 978-0-521-59131-7.
C. Warren Hollister:Henry I. Edited and completed by Amanda Clark Frost. Yale University Press, New Haven CT u. a. 2001,ISBN 0-300-08858-2 (Yale English Monarchs Series).
Lois L. Huneycutt:Matilda of Scotland. A Study in Medieval Queenship. Boydell Press, Rochester NY u. a. 2003,ISBN 0-85115-994-X.
Elizabeth M. Tyler:England in Europe. English Royal Women and Literary Patronage, c. 1000–c. 1150. University of Toronto Press, Toronto u. a. 2017,ISBN 978-1-4426-4072-6 (Toronto Anglo-Saxon Series 23).
↑ Bei dieser handelt es sich möglicherweise auch um ihre Tante Christina, allerdings nur unter der Prämisse, die Ereignisse hätten in Romsey stattgefunden, da Christina wahrscheinlich bis zu ihrem Tod dort lebte, vgl.Lois L. Huneycutt:Matilda of Scotland. A Study in Medieval Queenship. 2003,S.18 (englisch).
↑Judith A. Green:Henry I. King of England and Duke of Normandy. 2006 (englisch).
↑Lois L. Huneycutt:Matilda of Scotland. A Study in Medieval Queenship. 2003,S.21–24 (englisch)., wo auch einige andere Theorien vorgestellt werden.
↑C. Warren Hollister:Henry I. 2001,S.128 (englisch)., der die Glaubwürdigkeit Hermans von Tournai, auf dessen Aussagen diese Erkenntnis beruht, in Frage stellt.
↑Marjorie Chibnall:The Empress Matilda. Queen Consort, Queen Mother and Lady of the English. 1992 (englisch).