Hirn- und Rückenmarkshäute

DieHirn- und Rückenmarkshäute – vereinfacht auch nurHirnhäute für beide Bereiche, oder auchMeningen (Meninges; Einzahl:Meninx vonaltgriechischμῆνιγξméninx ‚Haut‘) genannt – sindbindegewebige Schichten, die dasZentralnervensystem (ZNS) insgesamt gemeinsam umhüllen und schützen. Sie sind beim Menschen und anderen Säugetieren als drei ineinanderliegende Hüllen ausgebildet, dieDura mater,Arachnoidea mater undPia mater genannt werden. Erstmals beschrieben hat sieHerophilos von Chalkedon etwa 300 v. Chr.[1] Jüngste Forschungen deuten darauf hin, dass es eine vierte Hirnhaut zwischen derArachnoidea mater undPia mater gibt.[2]
DieHirnhäute umgeben innerhalb desSchädels dasGehirn in drei Schichten. Am weitesten außen liegt die straffeDura mater encephali oderHarte Hirnhaut, auchPachymeninx encephali genannt (παχύςpachýs ‚derb‘ undἐγκέφαλοςenképhalos ‚Gehirn‘). Ihr liegt innen zu dieArachnoidea mater encephali (spinnwebige Hirnhaut) dicht an. Die innerste SchichtPia mater encephali (zarte Hirnhaut) überzieht unmittelbar die Gehirnoberfläche. Zwischen Arachnoidea und Pia mater liegt derSubarachnoidalraum (Cavitas subarachnoidea), derLiquor cerebrospinalis enthält. Diese beiden inneren Hirnhäute bilden eine gewebige Einheit und werdenWeiche Hirnhäute oder auchLeptomeninx encephali (λεπτόςleptós ‚fein‘) genannt.
Außerhalb des Schädels gehen dieHirnhäute in dieRückenmarkshäute über, die das imWirbelkanal liegendeRückenmark umgeben. Sie werden entsprechendDura mater spinalis,Arachnoidea mater spinalis undPia mater spinalis genannt (lateinischspinalis ‚zur Wirbelsäule bzw. zum Rückenmark gehörig‘).[3]
Dura mater
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieDura mater (oft nurDura genannt) ist die äußerste Hirnhaut. Sie besteht aus zwei Blättern, wobei zumindest im Bereich desSchädelknochens das äußere Blatt identisch mit derKnochenhaut ist. Die beiden Blätter trennen sich an umschriebenen Stellen voneinander, um sogenannte„Sinus“, eine besondere Form venöser Blutleiter, zu bilden. Das innere Blatt der Dura mater zieht in den großen Spalt zwischen den beiden Großhirnhälften sowie in den Spalt zwischen den beidenKleinhirnhälften und bildet durch Aneinanderlagerung mit dem inneren Duralblatt des jeweils benachbarten Hirnteils dieFalx cerebri, dieFalx cerebelli und dasTentorium cerebelli. DieFalx cerebri trennt die beiden Großhirnhälften insagittaler Ebene und geht in dieFalx cerebelli über, welche die beiden Kleinhirnhälften voneinander trennt. Entsprechend bildet sich dasTentorium cerebelli (Zeltdach des Kleinhirns), das das Groß- und Kleinhirn voneinander trennt. Es handelt sich um eine eher horizontal im Schädel liegende Struktur, die durch ihre Anheftungspunkte an verschiedenen Teilen des knöchernen Schädels eine komplexe dreidimensionale Form besitzt. Analog bildet sich dasDiaphragma sellae. DieHypophyse liegt darunter und ist somit extradural (außerhalb der Dura) positioniert.
Im Bereich desRückenmarks ist dieDura mater nicht mit demWirbelkanal verbunden. Es gibt nur wenige knöcherne Anheftungspunkte derDura mater spinalis: Zum einen der Beginn am Rand desForamen magnum desHinterhauptbeins, zum anderen das Ende des Duraschlauchs in Höhe des 1./2.Kreuzwirbels. Das als Fortsetzung des Markkegels (Conus medullaris) beginnendeFilum terminale setzt sich von hier alsFilum terminale externum bzw.durale fort und endet am zweitenSteißwirbel, wo es ebenfalls knöchern fixiert ist und mit denLigamenta sacrococcygea anteriora in Kontinuität steht.
Im Wirbelkanal befindet sich zwischenDura und Wirbelkanal ein Spaltraum, derEpidural- oderPeriduralraum, der mitFettgewebe gefüllt ist. Über eine Injektion in diesen Raum (Periduralanästhesie) können die austretendenNervenwurzeln anästhesiert werden.
DieDura ist sehr schmerzempfindlich. Im Schädelbereich erfolgt diesensibleInnervation durch denRamus tentorii desNervus ophthalmicus und dieRami meningei desNervus ethmoidalis anterior, denNervus maxillaris, denNervus mandibularis sowie denNervus vagus.
DieDura mater ist überwiegend straffes,kollagenfaserigesBindegewebe und hat vor allem die Funktion einerOrgankapsel.
Arachnoidea mater
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieArachnoideamater[4] (kurzArachnoidea, auchSpinnwebenhaut,Spinngewebshaut oderSpinnengewebshaut genannt) ist die mittlere Hirnhaut. Sie liegt der Dura mater innen an und ist von ihr durch einen in der Regel geschlossenen, teils flüssigkeitsgefüllten kapillären Bereich, den Subduralspalt (Spatium subdurale) getrennt, welcher erst durch übermäßige pathologische Flüssigkeit- oder Luftansammlung aufgeweitet und alsSubduralraum erkennbar wird. Dies kann auftreten, wenn die Brückenvenen (Venae superiores cerebri), die in den Sinus sagittalis superior münden und damit die der Arachnoidea aufliegende Dura mater durchbrechen, einreißen und das austretende Blut den Subduralraum füllt. Eine Einblutung in den Subduralspalt nennt man subdurales Hämatom (SDH).
Die Arachnoidea überspringt, wie auch die Dura mater, die Furchen des Gehirns und erhält ihren Namen durch die starke weißliche Zeichnung mit feinen Fasern kollagenen Bindegewebes, die ihr einspinnwebartiges Aussehen gibt. Von der Arachnoidea stülpen sich knopfförmige Aussackungen in die venösen Blutleiter in der Dura mater (Sinus durae matris) vor. Diese Ausstülpungen werden alsArachnoidalzotten (Pacchioni-Granulationen,[5]Granulationes arachnoideae) bezeichnet und sind ein Ort der Liquorresorption.
Unter der Arachnoidea liegt derSubarachnoidalraum (Spatium subarachnoideum), der mitLiquor cerebrospinalis gefüllt ist und damit den äußeren Liquorraum darstellt. In diesem Raum zwischen Arachnoidea und Pia Mater liegen zahlreiche oberflächige Arterien und Venen des Gehirns.
Pia mater
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DiePia mater (Zarte Hirnhaut) ist die innerste Schicht. Sie liegt dem Gehirn und Rückenmark direkt auf, bedeckt diese komplett und reicht dabei auch in alle Furchen hinein.Sie besteht aus weichem, zartem Bindegewebe und ist mit der Oberfläche des Gehirns verwachsen und lässt sich folglich nicht mit der Pinzette abheben.
Funktionen bei Abfallentsorgung des Gehirns
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das System der Hirnhäute bildet neben seinen Schutzfunktionen für das Gehirn auch Start und Ziel des Mikro-Kreislaufs des Gehirns zur Abfallentsorgung, des 2012 entdecktenglymphatischen Systems.
DieArterien des ZNS haben ab ihrem Eintritt durch die Hirnhaut rund um ihre Außenwand einen zusätzlichen, sehr engen Gefäßraum, einen so genanntenperivaskulären Raum (Spatium perivasculare), der für die Blutgefäße im ZNS die BezeichnungVirchow-Robin-Raum trägt. Durch diesen Raum gelangt in einem ständigen Strom – angetrieben durch die vom Pulsschlag ausgelösten Wellenbewegungen der Arterienwände – ein kleiner Teil desLiquor cerebrospinalis aus demSubarachnoidalraum in alle Bereiche des ZNS.
Dort wird er mit Hilfe derGlia (Stützzellen) verteilt und fließt am Ende – unter Mitnahme von Abfallstoffen – wieder ab, vermutlich teilweise direkt in dieDura mater, und zwar in die dortigen – erst 2015 entdeckten – Auffanggefäße deslymphatischen Systems, des normalen Entsorgungssystems des übrigen Körpers. Der Abtransport aus dem Gehirn heraus erfolgt durch denperivaskulären Raum rund um die Außenwände derVenen. Zu welchem Anteil eine Einspeisung in die Lymphgefäße derDura mater oder die weiter entferntenLymphbahnen am Hals besteht, ist noch nicht (Stand 2017) geklärt.[6][7]
Erkrankungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine gefürchteteHirnhauterkrankung (Meningopathie) ist die Hirnhautentzündung,Meningitis, die unter anderem durch Viren, Pilze und Bakterien, wie zum BeispielMeningokokken bei einerInfektionskrankheit, auftreten kann.[8] Gefürchtete Folgen dieser Erkrankung sind Schädigungen des Gehirns, die zu geistiger Behinderung oder gar zum Tod führen können. Betrifft die Entzündung neben den Hirnhäuten auch das Gehirn, wird dies alsMeningoenzephalitis bezeichnet; ist vornehmlich die Arachnoidea betroffen, wird vonArachnoiditis gesprochen. Reizungen der Hirnhäute lassen sich bei einerneurologischen Untersuchung anMeningismus sowieBrudzinski-,Kernig- undLasègue-Zeichen erkennen. Andere unspezifische Symptome eines meningealen Reizsyndroms sindKopfschmerzen,Licht- undGeräuschempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen. Diese Symptome können auch bei anderen Erkrankungen der Hirnhäute auftreten, insbesondere beiMigräne oderSubarachnoidalblutung. (Ein mit Granulationsgewebe an der Innenfläche der harten Hirnhaut verbundenes, in seiner Symptomatik dem subduralen Hämatom ähnliches Krankheitsbild wurde alsPachymeningitis (interna) bezeichnet[9][10]).
Tumoren der Hirnhäute werden alsMeningeom bezeichnet. Unfall- oder anderweitig bedingt kann es zu Einblutungen in die Zwischenräume der Hirnhäute kommen, die alsSubduralhämatom bzw.Subarachnoidalblutung bekannt sind.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Michael Schünke,Erik Schulte,Udo Schumacher:Prometheus. Lernatlas der Anatomie. Kopf, Hals und Neuroanatomie. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart 2014,ISBN 978-3-13-139544-3.
- Gotthard Strohmaier:Dura mater – Pia mater. Die Geschichte zweier anatomischer Termini. In:Medizinhistorisches Journal.Band 5, 1970,S. 201–216.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Die große Chronik Weltgeschichte 05. Rom und der Hellenismus. wissenmedia Verlag, 2008,ISBN 978-3-577-09065-0, S. 56.
- ↑Anton Benz: Gehirn ist besser geschützt als bislang gedacht. Spektrum.de, 7. März 2023, abgerufen am 8. März 2023.
- ↑Martin C. Hirsch:Glossar der Neuroanatomie. 1. Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 1999,ISBN 3-540-66000-3.
- ↑Martin Trepel:Neuroanatomie: Struktur und Funktion (= StudentConsult). 4., neu bearb. Aufl., [Nachdr.]. Elsevier, Urban & Fischer, München 2009,ISBN 978-3-437-41298-1,S. 289.
- ↑benannt nach Antonio Pacchioni (1665–1726).
- ↑N. A. Jessen, A. S. Munk, I. Lundgaard, M. Nedergaard:The Glymphatic System: A Beginner's Guide. In:Neurochemical research. Band 40, Nummer 12, Dezember 2015, S. 2583–2599,doi:10.1007/s11064-015-1581-6,PMID 25947369,PMC 4636982 (freier Volltext) (Review).
- ↑D. Raper, A. Louveau, J. Kipnis:How Do Meningeal Lymphatic Vessels Drain the CNS? In:Trends in neurosciences. Band 39, Nummer 9, September 2016, S. 581–586,doi:10.1016/j.tins.2016.07.001,PMID 27460561,PMC 5002390 (freier Volltext) (Review).
- ↑Immo von Hattingberg:Die Erkrankungen der Hirnhäute, des Plexus chorioideus und die Störungen der Liquorzirkulation (Hydrocephalus). In:Ludwig Heilmeyer (Hrsg.):Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1311–1315, hier: S. 1311–1314.
- ↑Immo von Hattingberg:Die Erkrankungen der Hirnhäute, des Plexus chorioideus und die Störungen der Liquorzirkulation (Hydrocephalus). 1961, S. 1313.
- ↑Vgl. auch T. J. Putnam:Chronic subdural hematoma, its pathology, its relation to pachymeningitis hemorrhagica and its surgical treatment. In:Arch. Surg. Band 11, 1925, S. 329 ff.