Dualität (Mathematik)
In vielen Bereichen derMathematik kommt es oft vor, dass man zu jedem Objekt der jeweils betrachteten Klasse ein weiteres Objekt konstruieren und zur Untersuchung von heranziehen kann. Dieses Objekt wird dann mit oder ähnlich bezeichnet, um die Abhängigkeit von zum Ausdruck zu bringen. Wendet man dieselbe (oder eine ähnliche) Konstruktion auf an, erhält man daraus ein mit bezeichnetes Objekt. Häufig stehen und in einer engen Beziehung, sind z. B. gleich oderisomorph, weshalb Informationen über enthalten muss. Man nennt dann das zu duale und das biduale Objekt. In der zugehörigen mathematischenDualitätstheorie untersucht man dann, wie Eigenschaften von zu Eigenschaften von übersetzt werden können und umgekehrt.
Dualität als übergreifendes Prinzip
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Dualität nutzt im allgemeinsten Sinne die Betrachtung eines Objektes von einer zweiten, dualen, Seite zum Zwecke des Erkenntnisgewinns.[1]Dualität ist also eine enge Beziehung zwischen mathematischen oder naturwissenschaftlichen Objekten, die Ähnlichkeiten derart aufweisen, dass diese zur (vereinfachten) Lösung von Problemen genutzt werden können.Der Zweck dieses Vorgehens liegt darin, dass sich manche Probleme von der einen Betrachtungsweise aus leichter lösen lassen, andere von der zweiten (dualen) Betrachtungs- oder Herangehensweise.[2]
Dualität ist eines der wichtigstenerkenntnistheoretischen Prinzipien der Mathematik und Naturwissenschaften und nimmt in sehr vielen völlig unterschiedlichen Gebieten eine wichtige Rolle ein, in der Mathematik namentlich etwa in der Geometrie, Algebra und Analysis.[1]
Dualität ist nicht mit dem philosophischen Begriff Dualismus zu verwechseln. Im Unterschied zum BegriffDualismus stehen nicht Gegensätze zwischen dualen Objekten im Zentrum des Interesses, sondern die Umformbarkeit ineinander.
Der oben verwendete Begriff der „Konstruktion“ ist mathematisch formal formuliert, eine Abbildung.Dualität ist also eine eins-zu-eins-Abbildung von mathematischen Begriffen, Theoremen oder Strukturen auf andere Begriffe, Theoreme und Strukturen. Im engeren Sinne hat die verwendete Abbildung dabei die Form einerInvolution (Mathematik), einer selbstinversen Abbildung: Wenn B das Duale von A ist, ist dabei A wieder das Duale von B. Im weiteren Sinne kann der Begriff „Dualität“ auch für Abbildungen verwendet werden, die keine Involution sind, wenn z. B. der Umkehrabbildung eine ähnliche Konstruktion zugrunde liegt oder sie mit der Abbildung auf einer großen Klasse von Objekten übereinstimmt.
Didaktisches Beispiel zur Demonstration des Prinzips
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Dualität durch logische Verneinung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eines der einfachsten Beispiele der Dualität ist Umkehrung, die Inversion, etwa bei Anwendung des indirekten Beweises[2].Zu jeder Aussage gibt es einfach konstruierbar die logisch inverse Aussage.
Betrachten wir die Aussage „Alle Vögel können fliegen“. Diese gilt es auf Wahrheit zu untersuchen. Diese direkt zu beweisen, hieße genau genommen, alle Vögel zu untersuchen, genauer, alle Tiere, die Biologen den Vögeln zuordnen. Der Mensch nimmt in seinem Alltag Unvollständigkeit in Kauf, in dem er diesen Satz (z. B. in jungen Jahren) zunächst „glaubt“, wenn er ausreichend viele bestätigende Beispiele sowie kein Gegenbeispiel kennt. Der Fachbegriff hierfür wäre die (unvollständige)Induktion, eine nicht zuverlässige, vor allem streng logisch nicht zulässige Schlußform.
Zunächst wird der betrachtete Satz genauer umformuliert zu „Alle Vogelarten können fliegen“, um z. B. Fälle von Verletztheit o. ä auszuschließen.Die logisch umgekehrte (inverse) Aussage hierzu ist: „Nicht alle Vogelarten können fliegen“. Diesen kann man wiederum umformulieren zu „Es gibt eine Vogelart, die nicht fliegen kann“.
Diese Aussage kann man alsdual zu der ersten betrachten. Offensichtlich ist es viel einfacher, diese inverse Aussage zu beweisen, nämlich, indem man schlicht ein einziges Beispiel für einen solchen Vogel findet, der nicht fliegen kann, also etwa einenPinguin.
Praktischerweise ergibt die doppelte Verneinung wieder die Ursprungsaussage oder auf unser Beispiel angewandt: Wenn die inverse Aussage wahr ist, muss die Ursprungsaussage falsch sein. Die hier angewandte Methode ist ein sehr einfaches Beispiel zur mathematischen Methode desindirekten Beweises.
Man kann also eine Menge Aussagen als Aussagenraum betrachten und diesen in einen dualen Raum, hier den Raum der gegenteiligen Aussagen transformieren. Wie an den Beispielen ersichtlich, lassen sich manche Fragestellungen eher im dualen Raum lösen, andere im originalen Raum.
Dualität in der Geometrie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Dualität von Polytopen
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ZweiPolytope (alsoPolygone,Polyeder usw.) und heißen kombinatorisch dual, wenn ihre Seitenverbände (dieInklusion ihrer Seiten, also Ecken, Kanten, Flächen usw.)antiisomorph sind.Dazu ein Beispiel:Wählt man die Mittelpunkte der Seitenflächen eines dreidimensionalenkonvexenPolyeders als Ecken, und verbindet man zwei „neue“ Ecken, wenn die beiden entsprechenden Seitenflächen von eine gemeinsame Kante haben, d. h., man bildet diekonvexe Hülle der „neuen“ Ecken, so erhält man einduales Polyeder. Die Eckenzahl von ist gleich der Flächenzahl von und umgekehrt, die Kantenanzahlen sind gleich. Solche Dualität nennt man auch dimensionsumkehrend. Dabei gilt: Das Duale des Dualen ist das Original.
In jeder Dimension gibt es-Maßpolytope und-Kreuzpolytope. Sie sind zueinander dual und fürverschieden voneinander. Im Fall der dritten Dimension ist das derWürfel und dasOktaeder (siehe Bild).
- Bemerkung
Es gibt auchselbst-duale Polytope, bei denen das duale dem Originalpolytopähnlich ist. Beispiele sind die-dimensionalenSimplizes, für dasTetraeder.
Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Polytope und invariant unter den gleichen Symmetrieabbildungen sind. Ein Quadrat und ein beliebiges Viereck sind beispielsweise kombinatorisch dual, da an jeder Ecke zwei Kanten zusammentreffen und jede Kante zwei Ecken hat. In der Regel gehören zu den Symmetrieabbildungen des Vierecks keine Spiegelungen, für das Quadrat hingegen schon.
Zu jedem Polytop gibt es ein spezielles kombinatorisch duales Polytop, die so genanntePolare. Hierzu fasst man das Polytop als abgeschlossene Teilmenge eines euklidischen Vektorraums auf. Die Polare besteht dann aus allen Punkten, die für alle von die Ungleichung erfüllen. Unter der Voraussetzung, dass der geometrische Schwerpunkt von auf der Null liegt, haben und seine Polare dieselbe Symmetriegruppe.Das doppelt-duale Polyeder ist ähnlich zu und gleich diesem, wenn der Nullpunkt in seinem Inneren enthalten ist.
Für Beispiele siehe:Platonischer Körper,Archimedischer Körper
Dualitätsprinzip der projektiven Geometrie und in Inzidenzstrukturen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In derebenen projektiven Geometrie gilt folgendes Dualitätsprinzip: Vertauscht man in einer wahren Aussage überPunkte undGeraden einerprojektiven Ebene die Begriffe „Punkt“ und „Gerade“ und ersetzt man jeweils den Begriff „Verbindungsgerade zweier Punkte“ durch den Begriff „Schnittpunkt zweier Geraden“ und umgekehrt, so erhält man wieder eine wahre Aussage über die duale projektive Geometrie. Fürdesarguessche projektive Geometrien, also zum Beispiel alle zweidimensionalenprojektiven Räume über Körpern, ist die duale projektive Geometrie bis auf Isomorphie identisch zur ursprünglichen Geometrie, also gilt in solchen projektiven Geometrien ein Satz genau dann, wenn der Satz gilt, bei dem die Begriffe „Punkt“ und „Gerade“ vertauscht sind.
Beispiele für Paare dualer Sätze sind derSatz von Desargues, der selbstdual ist, oder derSatz von Pascal und derSatz von Brianchon.
→ Die konkrete Konstruktion der Dualität als Isomorphismus auf einem Projektiven Raum hängt vom gewählten projektiven Koordinatensystem ab und wird daher im HauptartikelProjektives Koordinatensystem dargestellt.
→ Eine Verallgemeinerung des Dualitätsprinzips in der ebenen projektiven Geometrie ist dasDualitätsprinzip fürInzidenzstrukturen.
Geometrisch dualer Graph
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine ähnliche Definition kennt auch dieGraphentheorie fürplanare Graphen. Ein zum Graphen geometrisch dualer Graph entsteht, indem in jeder Fläche des Graphen neue Knoten hinzugefügt werden und für jede Kante eine neue Kante erstellt wird, die die der beiden angrenzenden Flächen verbindet.
Ist der Graph nicht nur planar, sondern auchzusammenhängend, so gilt auch hier, dass die Anzahl der Knoten in der Anzahl der Flächen in entspricht, die Anzahl der Flächen in derjenigen der Knoten in und die Anzahl der Kanten bleibt konstant. Im zusammenhängenden Fall gibt es damit bijektive Abbildungen zwischen den Kantenmengen der beiden Graphen und jeweils den Mengen der Knoten und Flächen. Außerdem gilt, dass.
Dualraum eines Vektorraums
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ist einVektorraum über einemKörper, so ist derduale Vektorraum oderDualraum der Vektorraum, dessen Elemente dielinearen Abbildungen sind. Istendlichdimensional, so hat dieselbe Dimension wie, und ist kanonischisomorph zu.
Im Fall einesBanachraumes besteht derDualraum aus den stetigen linearenFunktionalen. Ist unendlichdimensional, so ist derBidualraum im Allgemeinen nicht kanonisch isomorph zu, es gibt jedoch eine kanonischeEinbettung von in den Bidualraum. Diejenigen Räume, für die diese Einbettung surjektiv ist (und damit ein Isomorphismus), heißenreflexiv. Beispiele sind die RäumeLp für sowie alleHilberträume.
Mengenlehre: Komplementbildung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine Dualität, die üblicherweise nicht mit diesem Wort bezeichnet wird, ist die Bildung desKomplementes einer Menge: Ist eine Grundmenge gegeben, so ist das Komplement einer Teilmenge die Menge der Elemente von, die nicht in liegen. Das Komplement des Komplementes ist wieder selbst. Die Komplementbildung setztVereinigungsmenge undSchnittmenge zueinander in Beziehung: (siehede Morgansche Regeln).
Eine Verallgemeinerung dieses Beispiels stellt dieNegation in einer beliebigenbooleschen Algebra dar.
Nach demDualitätsprinzip fürVerbände erhält man aus einer beliebigen wahren Aussage über Teilmengen einer Grundmenge wieder eine wahre Aussage, wenn man die Symbole (Vereinigungsmenge) und (Schnittmenge) sowie die Symbole (leere Menge) und (Grundmenge) vertauscht.
- Siehe auch:Komplement (Mengenlehre),boolesche Algebra
Lagrange-Dualität in der Optimierung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In dermathematischen Optimierung wird dieLagrange-Dualität verwendet. Dabei kann man jedemOptimierungsproblem der Form
- .
ein sogenanntes duales Problem
zuordnen. Dieses hat leichtere Nebenbedingungen als das primale Problem und ist einkonvexes Optimierungsproblem, dafür ist die Zielfunktion meist schwerer zu berechnen. DieDualität in der Linearen Optimierung ist ein Spezialfall der Lagrange-Dualität. Die Lagrange-Dualität spielt eine wichtige Rolle fürOptimalitätskriterien wie zum Beispiel dieKarush-Kuhn-Tucker-Bedingungen oder Algorithmen wieInnere-Punkte-Verfahren.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der Begriff Dualität ist in der Mathematik weit verbreitet. Die folgende Aufstellung enthält eine Auswahl derartiger Konzepte, die zum Teil sehr fortgeschritten sind.
- Dualität imDarstellungssatz für Boolesche Algebren
- Duale Form vonDifferentialformen
- Duale Kategorie
- Poincaré-Dualität
- Pontrjagin-Dualität