Doris von Schönthan

Doris von Schönthan (*1905 inWorms; †1961 inParis), geboren alsMaria-Dorothea Ehemann (auch Doris Ehemann; Doris von Salomon; Doris de Salomon; Maria-Dorothea von Salomon; Maria-Dorothea von Schönthan; Maria-Dorothea von Salomon-Schönthan; Doris von Salomon-Schönthan),[1][2] genannt „Dorinde“,[3] war ein deutschesModel, eineWerbetexterin,Journalistin undFotografin. Sie wird als eine schillernde Figur derWeimarer Republik bzw. derBohème derGoldenen Zwanziger Jahre charakterisiert.[4][5]
Familie und Freundeskreis
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Als frühe Waise wurde sie von dem Berliner LustspielautorFranz von Schönthan Edler von Pernwaldt adoptiert, der zusammen mit seinem BruderPaul durch die KomödieDer Raub der Sabinerinnen bekannt wurde und hinter den Kulissen beispielsweise anOperetten nach der Musik vonEduard Künneke mitwirkte. Beruflich war sie teils angestellt, teils freischaffend tätig, so für einen Berliner „Reklamedienst amerikanischen Stiles“ (Werbeagentur),[6] für Berliner Tageszeitungen, Magazine und Illustrierte. VonPaul Citroen wurde sie zeichnerisch porträtiert,[7] 1927 aber auch von der zeitgenössischen KulturzeitschriftDer Querschnitt.[8]

Sie gehörte zum Freundeskreis um die eng miteinander verbundenen GeschwisterErika undKlaus Mann, in den sieGrete Dispeker (später verheiratete Weil), ihre Freundin aus gemeinsamen Kindertagen amTegernsee[9], die BrüderEdgar (1908–1941) undHans Joseph Weil (1906–1969) sowie deren FreundWalter Jockisch (1907–1970) integrierte. Von Grete Dispeker wurde sie bewundernd alsCherubin bezeichnet.[5]
Der SchriftstellerFranz Hessel verliebte sich in sie und widmete ihr öffentlichkeitswirksam seineDoris-Texte (u. a.Leichtes Berliner Frühlingsfieber, einige Texte inNachfeier, beide Titel von 1929).[10] Bei gemeinsamen Spaziergängen durch Berlin diente er ihr als Vorwand, um unbemerkt Menschen fotografieren zu können, indem sie ihn an geeigneter Stelle scheinbar mit ihrer Kamera anvisierte, um die eigentlichen Fotomotive zu täuschen bzw. in Sicherheit zu wiegen. In Wirklichkeit fotografierte sie an ihm vorbei, so imSchönebergerHeinrich-von-Kleist-Park oder nach dem Einkauf aus demKaDeWe heraustretende und an dessen blau uniformiertem Portier mit Schäferhund vorbei flanierende Menschen. Sie suchte Typen: eine Parkbank mit „Weibern“, eine andere mit alten Männern, raufende kleine Jungs, spielende Kinder im Sandkasten, Ballspieler, eine „nuttige Venus“ in denKönigskolonnaden, Frauen und Männer mit „Kneifer“, eine alte Toilettenfrau…[11]
Mit Hessel und Hilmar Adolf Otto Maximilian Thankmarvon Münchhausen (1894–1976) verband Doris von Schönthan Ende der 1920er Jahre eine Dreiecksbeziehung.[12] Gut befreundet war sie auch mitRuth Landshoff-Yorck[13] undWalter Benjamin,[14]Walter Hasenclever undAlfred Kantorowicz, von diesen beschrieben als „reizende Frau“,[15] als „groß und schlank, von fragiler Anmut, nervlich gefährdet“[16] oder als „mager und witzig“[17] oder als „sehr dünn, zerfahren, ungemein vergeßlich und zerstreut“.[18]
Klaus Mann bezeichnete sie in seinem Tagebuch als „Gefährtin meiner Grenzgänge zwischen Selbsterfahrung und Selbstzerstörung“: „Großer Abend mit Doris. Auf der Suche nach Kokain. Mit Transvestiten Taxi in die City […] Endlich das Zeug. Zu Doris. Genommen.“[5] Kurzzeitig überlegte er, sie zu heiraten.[19] Sie blieb bis zu seinem Tod inCannes mit ihm befreundet und unterstützte ihn auch finanziell.[20] Sie brachte ihn am 4. Mai 1949 zur Entgiftung in eine Klinik nachNizza, nachdem er eine Überdosis Schlaftabletten genommen hatte.[21] Von Schönthan informierte den im Grandhotel in Stockholm weilendenThomas Mann am 21. Mai 1949 per Telegramm über Klaus’ kritischen Zustand. Am selben Abend informierte sie dieFamilie Mann und Freunde telefonisch über Klaus Manns Tod.[22]
Politischer Widerstand
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]1933 verteilte sie in der Reichshauptstadt zusammen mitElisabeth Hauptmann undFriedrich Wolf antifaschistischeFlugblätter. Politisch Verfolgte wieRudolf Olden fanden in ihrer Wohnung Unterschlupf. Als sie sich beruflich strikt weigerte, im Sinne derNS-Diktion zu formulieren, wurde es für sie so gefährlich, dass sie nach Frankreich emigrierte. Dadurch lernte sie inParis den politischen AktivistenBruno von Salomon kennen; beide heirateten.[23][10] Während desAngriffs der Wehrmacht im Mai und Juni 1940 wurden beide zunächst als feindliche Ausländer rund eintausend Kilometer voneinander entferntinterniert, sie in Südfrankreich,[16] konnten ihre Widerstandsarbeit danach jedoch wieder aufnehmen und schlossen sich derRésistance an.[24][4]
Rückkehr nach Deutschland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]1952 kehrte sie nach Deutschland zurück; das Leben in der Emigration und der durch den Widerstand bedingten Illegalität hatte sie physisch und psychisch zerrüttet.[3] Im selben Jahr starb ihr Ehemann. Sie wurde zwischen 1952 und 1954 in eine Nervenheilanstalt eingeliefert, floh von dort und rief vom BerlinerBahnhof Friedrichstraße aus weinend und wirr redend bei Alfred Kantorowicz an.[16] Vergeblich bemühte sie sich bei den Behörden um eine Wiedergutmachung für ihre Verfolgung in der NS-Zeit. DasGlamourgirl der Weimarer Zeit vereinsamte und glitt zunehmend ab. Sie verelendete, unternahm einenSuizidversuch und wurde schließlich obdachlos. Nachdem sie in einer Berliner Kneipe eine Mahlzeit nicht bezahlen konnte, kam sie wegenZechprellerei in Untersuchungshaft. Aus dem November 1961 ist ihr vierseitiger Brief an den ab 1933 exilierten deutschen Journalisten und PublizistenManfred George überliefert, den sie aus gemeinsamer journalistischer Zeit vor 1933 persönlich kannte.[25] Resigniert soll sie erneut nach Frankreich ausgewandert sein, wo sie in Paris an einemGehirnschlag starb.[5]
Film
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Doris von Schönthan wurde in dem dreiteiligen FernsehfilmDie Manns – Ein Jahrhundertroman vonHeinrich Breloer aus dem Jahr 2001 von der SchauspielerinNaomi Krauss verkörpert.
Veröffentlichungen (Auswahl)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Sylvia, das zerstreute Mädchen. In:Sport im Bild. 36. Jahrgang,Nr. 23, 18. November 1930,S. 65–67 (Digitalisat [abgerufen am 22. August 2022]).
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Salomon, Doris von. Indexeintrag in: Deutsche Biographie. Auf: deutsche-biographie.de, abgerufen am 15. Juli 2017.
- ↑Salomon, Doris von. Indexeintrag in: Kalliope-Verbund. Auf: kalliope-verbund.info, abgerufen am 15. Juli 2017.
- ↑abEckhardt Köhn:Die traurige Geschichte der Dorinde. Klaus Manns Gefährtin, Franz Hessels Muse: Erinnerung an Doris von Schönthan. In:Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 84 (2000), 8. April 2000, Beilage, S. IV.
- ↑abUlla Plener:Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance – Eine Dokumentation. Edition Bodoni, 2006.ISBN 978-3-929390-90-2, S. ?.
- ↑abcdMartin Stolzenau:Doris von Schönthan. In:Neues Deutschland, 11. Dezember 2004, abgerufen am 15. Juli 2017.
- ↑Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte, Band 98, Ausgaben 1–4, C. Winter Verlag, Heidelberg 2004, S. 196.
- ↑Ruth Yorck:Klatsch, Ruhm und kleine Feuer: Biographische Impressionen. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1963,DNB452698561, S. 34.
- ↑Foto: Doris von Schönthan im Jahr 1927 (1). Auf: gettyimages.de, abgerufen am 15. Juli 2017
Foto: Doris von Schönthan im Jahr 1927 (2). Auf: gettyimages.de, abgerufen am 15. Juli 2017 - ↑Grete Weil. Auf: kuenste-im-exil.de, abgerufen am 15. Juli 2017
Waldemar Fromm, Wolfram Göbel:Freunde der Monacensia e. V. – Jahrbuch 2009. Books on Demand, Berlin 2009,ISBN 978-3-86906-038-5, S. 87. - ↑abMagali Laure Nieradka:Der Meister der leisen Töne – Biographie des Dichters Franz Hessel. Igel-Verlag, Hamburg 2014,ISBN 978-3-86815-590-7, S. 86.
- ↑Franz Hessel:Tagebuchnotizen (1928–1932), S. 40.
Franz Hessel:Doris im Regen. In: Franz Hessel:Nachfeier. In: Franz Hessel:Werke 2 – Prosasammlungen, S. 278. - ↑Magali Laure Nieradka:Der Meister der leisen Töne – Biographie des Dichters Franz Hessel. Igel-Verlag, Hamburg 2014,ISBN 978-3-86815-590-7, S. 120.
Katharina Lunau:L’homme personnage: literarisches self-fashioning und Strategien der Selbstfiktionalisierung bei Henri-Pierre Roché. Igel-Verlag, Hamburg 2010.ISBN 978-3-86815-510-5, S. 258. - ↑Cristina Fischer:Zwischen Angst und Heldentum – Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. In:Unsere Zeit, 10. März 2006. Auf: dkp-online.de, abgerufen am 15. Juli 2017.
- ↑Walter Benjamin:Gesammelte Werke: Literarische und ästhetische Essays + Rezensionen + Satiren + Autobiografische Schriften. e-artnow, 2015,ISBN 978-8026828112. Zitat: „19. September 1928: Ich blieb abends zu hause, trotz einer Verabredung mit [Gustav] Glück, Doris [von Schönthan] etc. […] Bald während ich las, mußte ich an die besondere Intensität denken, mit der Doris mir das Buch genannt hatte. Ich kam auf den Gedanken, daß es wohl in ihrer Liebe zu Thankmar [von Münchhausen] eine Rolle gespielt haben könnte und bekam Lust, es zu stehlen.“
- ↑Walter Hasenclever:Briefe in zwei Bänden 1907–1940, Bd. 1: 1907–1932. Hase und Koehler Verlag, Mainz 1994,ISBN 978-3-7758-1324-2, S. 373.
- ↑abcAlfred Kantorowicz:Exil in Frankreich: Merkwürdigkeiten und Denkwürdigkeiten. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016,ISBN 978-3-10-561098-5, S. ?.
- ↑Carmen Giese:Das Ich im literarischen Werk von Grete Weil und Klaus Mann: Zwei autobiographische Gesamtkonzepte. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 1997,ISBN 978-3-631-31204-9, S. 41.
- ↑Fredric Kroll (Hrsg.):Klaus-Mann-Schriftenreihe: 1927–1933, Vor der Sintflut. Männerschwarm-Verlag, Hamburg 1979,ISBN 978-3-935596-93-0, S. 85.
- ↑André Sokolowski:Klaus Mann stirbt. epubli, Berlin 2015,ISBN 978-3737545679, S. ?. Zitat: „Ich erwog dass ich sie heiratete, neulich. Doris, wieso Doris, es ist Nonsens, Quatsch, eine hysterische Idee, was hätte ich mit ihr schon groß zu schaffen, nein.“
- ↑Katharina Rutschky:Unruhe und Erfahrungshunger. In:Die Zeit 37 (1989), 8. September 1989, abgerufen am 15. Juli 2017.
Manfred Flügge:Das Jahrhundert der Manns. Aufbau-Verlag, Berlin 2015,ISBN 978-3-8412-0880-4, S. ?. - ↑Loek Zonneveld:Door het losgeslagen. In: De Groene Amsterdamer, 16. Dezember 2000, abgerufen am 15. Juli 2017.
- ↑Tilman Lahme:Die Manns – Geschichte einer Familie. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015,ISBN 978-3-10-402263-5, S. ?.
- ↑Thomas O. H. Kaiser:Klaus Mann. Ein Schriftsteller in den Fluten der Zeit: Bestandsaufnahme und kritische Würdigung von Leben und Werk. Book on Demand, Berlin 2015,ISBN 978-3-7392-7230-6, S. 439.
Salomon, Doris von. Auf: kalliope-verbund.de, abgerufen am 15. Juli 2017. - ↑Alfred Kantorowicz:Nachtbücher – Aufzeichnungen im französischen Exil 1935 bis 1939 (Memento desOriginals vom 10. August 2017 imInternet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.zeitgeschichte-hamburg.de. Hrsg. von Ursula Büttner, Angelika Voß, Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus. Christians, Hamburg 1995,ISBN 3-7672-1247-1, S. 145, 206, 232, 235, 240.
- ↑Brief Doris von Salomons an Manfred George vom 1. November 1961. Auf: kalliope-verbund.info, abgerufen am 28. Juli 2017
Personendaten | |
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NAME | Schönthan, Doris von |
ALTERNATIVNAMEN | Ehemann, Maria-Dorothea (Geburtsname); Ehemann, Doris; Salomon, Doris von; Salomon, Doris de; Salomon, Maria-Dorothea von; Schönthan, Maria-Dorothea von; Salomon-Schönthan, Doris von; Salomon-Schönthan, Maria-Dorothea von (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsches Model, Werbetexterin, Journalistin und Fotografin |
GEBURTSDATUM | 1905 |
GEBURTSORT | Worms |
STERBEDATUM | 1961 |
STERBEORT | Paris |
- Model
- Fotograf (20. Jahrhundert)
- Fotograf (Berlin)
- Fotograf (Frankreich)
- Journalist (Deutschland)
- Zeitungsjournalist
- Person (Worms)
- Emigrant aus dem Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus
- Deutscher Emigrant in Frankreich
- Person (Widerstand gegen den Nationalsozialismus)
- Résistancekämpfer
- Franz von Schönthan
- Deutscher
- Geboren 1905
- Gestorben 1961
- Frau