

DieDeutsche Freisinnige Partei (auchDeutsch-freisinnige Partei, DFP) war eineliberalePartei während desDeutschen Kaiserreichs. Sie bestand von 1884 bis 1893.
Die Deutsche Freisinnige Partei entstand am 5. März 1884 durch die Fusion derLiberalen Vereinigung mit derDeutschen Fortschrittspartei. Die Vereinigung wurde aufParteitagen am 15. und 16. März 1884 von beiden Parteien genehmigt. Die Fusion war bereits im Januar 1884, wenige Tage nach dem TodEduard Laskers, zwischenEugen Richter (Deutsche Fortschrittspartei) undFranz von Stauffenberg (Liberale Vereinigung) ausgehandelt und auf den Weg gebracht worden. Sie hatte das Ziel, eine starkeReichstagsfraktion unter Stauffenbergs Führung zu schaffen.
Die Liberale Vereinigung zählte vor der Vereinigung 46 und die Deutsche Fortschrittspartei 59Mandate. Die neue Partei bildete ein Zentralkomitee, das im Wesentlichen für die Einberufung des Parteitags und für die Wahl der Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses zuständig war. Zum Vorsitzenden des Zentralkomitees wurde Stauffenberg gewählt, seine Stellvertreter warenAlbert Hänel undRudolf Virchow. Das eigentlichepolitische Führungs- und Organisationsgremium war jedoch der siebenköpfige Engere Ausschuss, an dessen Spitze Richter stand. Sein Stellvertreter war zunächstHeinrich Rickert und ab 1890Karl Schrader. Weiterhin gehörtenHugo Hermes,Ludolf Parisius,Robert Zelle undTheodor Barth dem Engeren Ausschuss an.
Der eher radikallinksliberale Richter (Deutsche Fortschrittspartei) und der gemäßigt linksliberale Stauffenberg (Liberale Vereinigung) glaubten irrtümlich, der Thronwechsel des als liberal geltenden KronprinzenFriedrich Wilhelm, des späteren Kaisers Friedrich III., hätte 1884 wegen des angeschlagenen Gesundheitszustandes deserzkonservativen, greisen KaisersWilhelm I. unmittelbar bevorgestanden. Sie wollten mit der Fusion zur DFP eine ausreichend starke parlamentarische Plattform für eine linksliberale Regierung des künftigen als liberal eingeschätzten Kaisers bilden. Das Vorbild für ihre Strategie hatte der BriteWilliam Ewart Gladstone geliefert. Der liberale Reformkurs (Parlamentarismus), von dem sich die RegierungOtto von Bismarcks abgewandt hatte, sollte wieder aufgenommen werden.
Kronprinz Friedrich Wilhelm schickte dem DFP-AbgeordnetenLudwig Bamberger ein Glückwunschtelegramm zur Gründung der neuen Partei. Führende Mitglieder der Deutschen Freisinnigen Partei – Schrader, Virchow, Stauffenberg und andere – glaubten, der Kronprinz werde die liberale DFP auf ihrem gegen Bismarck gerichteten Kurs unterstützen und sie nach seiner Thronbesteigung mit der Regierung betrauen. Die DFP wurde daher zunächst von manchen die „Kronprinzenpartei“ genannt.
Beide Parteien bildeten ab dem 6. März 1884 mit 100 Abgeordneten nach derDeutschen Zentrumspartei die zweitgrößte Fraktion desReichstages. Die Strategen der DFP hatten gehofft, bei denWahlen im Oktober 1884 weitere Mandate hinzuzugewinnen. Diese Rechnung ging nicht auf. Die Wähler waren mehrheitlich nicht bereit, eine gegenReichskanzler Bismarck gerichtete, linksliberale Partei zu wählen. Wenige Monate nach ihrer Gründung büßte die neue DFP bei den Reichstagswahlen vom 28. Oktober 1884 ein Drittel ihrer Mandate ein. Sie erhielt 17,6 Prozent der Stimmen und nur noch 65 Mandate. Bei denReichstagswahlen 1887 halbierte sich die Zahl der Mandate nochmals auf 32, um sich erst bei denReichstagswahlen 1890, nach dem Tode Kaiser Friedrichs III. und nach dem Rücktritt Bismarcks, wieder auf 66 Mandate mehr als zu verdoppeln.
Die DFP vertrat ein (nach damaligem Verständnis) linksliberales Programm der uneingeschränkten Umsetzung der Verfassungsgarantien, derParlamentarisierung derkonstitutionellen Monarchie, der Sicherung derPresse-,Versammlungs- undVereinsfreiheit, derTrennung von Kirche und Staat und schließlich der Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften (einschließlich derjüdischen).
Daneben trat sie für massiveSteuersenkungen, die Abschaffung der Bismarck’schenSchutzzollpolitik und die Stärkung der Arbeiterselbsthilfevereine ein. Sie lehnte die Bismarck’schen und die von denSozialisten vorgeschlagenenSozialgesetze vehement ab, weil diese nach Auffassung Richters die Initiative derArbeiter zur Selbsthilfe schwächten.
Obwohl die nach angelsächsischem Verständnis liberaleKronprinzessin Victoria an ihrer erklärten Absicht festhielt, der DFP an die Regierung zu verhelfen, unterstützte Kronprinz Friedrich die linksliberale DFPde facto nicht. Er war, anders als Stauffenberg, mit dem er sich austauschte, eher wieGeorg von Siemens nur beschränkt liberal. Unter dem Einfluss seiner Frau hatte er die ultrakonservativen Ansichten seiner Jugend abgelegt und einige liberale Einsichten entwickelt. Er war im Gegensatz zur Praxis Bismarcks und den Überzeugungen der Konservativen beispielsweise für die Einhaltung derReichsverfassung, für eine Verbesserung der Volksbildung und für das Recht auf freie Meinungsäußerung (Pressefreiheit), ihm widerstrebte aber jeder linksliberale Kurs, der die Macht des Parlamentes nach englischem Vorbild zulasten des Einflusses der Krone zu vergrößern trachtete.
Als Kronprinz Friedrich Wilhelm 1888 schwerkrank als Kaiser Friedrich III. für 99 Tage den Thron bestieg, entließ er den konservativen preußischen InnenministerRobert von Puttkamer. Ansonsten tat er nichts gegen den Reichskanzler bzw. für die Freisinnigen. Sein Sohn, KaiserWilhelm II. war dem Liberalismus völlig abgeneigt. Der Tod Friedrichs III. am 15. Juni 1888 beendete alle politischen Hoffnungen der Freisinnigen. Im August 1888 schrieb der freisinnige Abgeordnete Schrader an Stauffenberg, man müsse den beim Volke beliebten Kaiser Friedrich III. im Gedächtnis der Menschen als einen Kämpfer für eine vom Volke ausgehende bessere Zukunft lebendig erhalten. So entstand die auch von Kaiserin Victoria aktiv unterstützte, so genannte „Kaiser-Friedrich-Legende“: Friedrich III. habe zeitlebens entgegen den Vorstellungen seines Vaters und dem Handeln Bismarcks liberale Freiheiten für das deutsche Volk gewollt und liberale Politik daher aktiv unterstützt. Hätte er länger gelebt, hätte er Deutschland zu einem ähnlich freien und wohlhabenden Land wieEngland gemacht. Historiker bezweifeln die Auffassung, Friedrich III. hätte eine „vom Volke ausgehende“, das heißt eine durch den Reichstag und nicht vonGottes Gnaden, also vom Kaiser gesteuerte, Entwicklung unterstützt.
Trotz des relativen Erfolges bei der Reichstagswahl 1890 wuchsen die innerparteilichen Spannungen zwischen dem linkenParteiflügel der ehemaligen Fortschrittler und dem rechten Flügel der früheren Sezessionisten weiter an. Der stets ausgleichend auf Richter einwirkende Stauffenberg hatte sich 1892 aus der Politik auf einen seiner Landsitze inWürttemberg zurückgezogen. Am 6. Mai 1893 trat der schwelende Konflikt schließlich an die Oberfläche, als die ReichstagsabgeordnetenMax Broemel,Hugo Hinze,August Maager,Alexander Meyer,Hugo Schroeder undGeorg von Siemens dem von Richter verordneten Kurs nicht mehr folgen wollten und für eineHeeresvorlage des ReichskanzlersLeo von Caprivi stimmten. Als Begründung für ihr Abstimmungsverhalten führten sie an, dass das gemeinsameParteiprogramm von 1884 eine Entscheidung zugunsten dieser Vorlage zwingend vorschreibe. Unmittelbar nach dem Abstimmungseklat forderte Richter den Ausschluss der sechs Abweichler aus der Fraktion, dem die Fraktionsmitglieder – wenn auch mit knapper Mehrheit – zustimmten. Wenige Tage später erhielten die Befürworter der Heeresvorlage unerwartete Unterstützung, indem weitere ehemalige Sezessionisten wie Theodor Barth, Heinrich Rickert oder Karl Schrader sowie eine Gruppe alter Fortschrittler um Albert Hänel ihren Parteiaustritt erklärten und sich daraufhin mit den Abtrünnigen zurFreisinnigen Vereinigung formierten. Der verbliebene linke Parteiflügel um Richter konstituierte sich indes alsFreisinnige Volkspartei.
Die wirklichen Gründe für die Spaltung lagen jedoch tiefer. Die beiden früheren Parteien – Fortschrittspartei und Liberale Vereinigung – waren inhaltlich und organisatorisch nie wirklich zusammengewachsen und bildeten nach ihrer Fusion einen linken bzw. rechten Parteiflügel. Zwischen beiden Flügeln hatte es fast immer unerträgliche Spannungen gegeben. Mit dem Tod Kaiser Friedrichs III. waren die letzten Hoffnungen auf einen Auftrag zur Regierungsbildung verflogen, und der Rücktritt Bismarcks bedeutete den Verlust eines gemeinsamen Feindes. Ferner gab es nach dem Rückzug Stauffenbergs niemanden mehr, der den radikal linksliberalen Richter mäßigte. Somit kam es 1893 abermals zur Spaltung des parteipolitischen Linksliberalismus. Erst 1910 fanden die beiden Parteien wieder zusammen, als sie sich infolge wiederholter Wahlniederlagen mit derDeutschen Volkspartei zurFortschrittlichen Volkspartei zusammenschlossen, die schließlich 1918 in derDeutschen Demokratischen Partei aufging.